Mondnacht
Mondnacht
Vorsichtig seinen Schritt im Dunkel suchend, bewegte er sich auf der im Dunkel liegende Terrasse, Tische und Stühle ausweichend, bis er das niedrigen Geländer, das vor dem Hineinstürzen in den künstlich angelegten See schützte, erreichte. Er lehnte sich an, schaute in den dunklen Himmel, an dem der Vollmond in den Kernschatten der Erde eindrang. Der Platz war weise gewählt. Nur wenige künstliche Lichtquellen waren von dem Ort zu sehen, und hinter den Hügeln beleuchteten die Lichter der Großstadt den Himmel, auf der anderen Seite der Blick in die Dunkelheit der Landschaft. Auf dem See ein einsames Licht, das auf und ab hüpfte, dann aus dem Blickwinkel verschwand.
Ein Streichholz, entflammt um eine Zigarette zu entzünden, blendete ihn. Hinterließ für kurze Zeit ein tanzendes Bild auf seiner Netzhaut, verschwand wieder. Rauch stieg in seine Nase. Die Dinge begannen wieder Gestalt anzunehmen, modellierten sich Tische, Stühle und unförmige Vasen aus der Dunkelheit, wirkten weniger bedrohlich.
Sonor antwortete er auf die angriffslustige weibliche Stimme, die einer jungen Frau gehörte, die neben ihn stand. Weit wurden die Stimmen in der Stille der Nacht über den See getragen. Fragen, Antworten. Pause. Nachdenken. Fragen. Nachdenken. Antworten. Pause. Eine Abfolge von Sätzen. Wer hat mehr, wer war weiter, wer ist oben. Provokationen, die ins Leere liefen. Ein Wettbewerb, um die Gunst der Enten und Schwäne, die geräuschvoll an ihnen vorbei schwammen. Geschwätzigkeit, um die Sprachlosigkeit zwischen den Beiden zu überdecken.
Vor seinem geistigen Auge formte sich, als einen Kommentar zu diesem kindischen Gespräch, der Zigarettenqualm zu einem Smiley mit ausgestreckter Zunge.
Der Mond wanderte aus dem Schatten der Erde heraus, es wurde heller. Das strahlende Licht durchwirkte den Himmel, wässrigblau um den Mond herum, ins dunkelblau übergehend. Er schien, als würde die Morgendämmerung vorweggenommen.
Die Kälte vertrieb sie vom See in eine Kneipe, in der man die Zeit bis zum Frühstück miteinander verbringen konnte, um gemeinsam ein Frühstückscafé aufzusuchen, dort gemeinsam den ersten Kaffee zu trinken, ohne gemeinsam im Bett gewesen zu sein. Der Schankraum verwaist. Viele freie Tische, an der Theke zwei Hocker belegt. Nahmen nebeneinander Platz. Führten das Streitgespräche weiter. Vergleiche. Erklärungen, wo keine Erklärungen notwendig waren. Es langweilte ihn. „Erzähl’ doch mal einen Schwank…“ – Endgültiges Eingeständnis ihrer Sprachlosigkeit.
Zigaretten, die hektisch in einem Aschenbecher zerdrückt werden.
Gelangweilte Blicke zu den anderen Gästen, die sich alkoholisiert lautstark Liebeschwüre entgegen lallten. „Letzte Runde“. Ein kurzer Blick. Noch eine Cola, einen weiteren Kaffee.
Ein Geldschein auf den Tresen. Abschied am Wagen. Kein Frühstück, keine Berührungen.