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Nägel kloppen
Es war so ungefähr Mitternacht. Ich hatte mich bereits hingehauen, denn ich war ziemlich groggy. Ich befand mich gerade im Übergang zwischen schlafend und wach sein.
Auf einmal hämmerte etwas wie wild drauf los. Ein Heidenlärm, kann ich euch sagen. Dumpf, aber markerschütternd. Ich also raus ausm Bett, denn ich wusste zuerst nicht wo mir der Kopf stand. Der Krach kam hörbar von oben. Ich speikste daraufhin in meinem Schlafanzug die Treppen hoch und bearbeitete die entsprechende Türklingel. Ein abgehalfterter, aber noch nicht so alter Mann machte scheinheilig die Tür auf.
„Sag´ mal was machst du denn noch um diese Zeit“, fragte ich nicht ganz so freundlich.
„Na, ich klopp die Nägel wieder grade“, antwortete er, als wenn es das Selbstverständlichste wäre, was man so um diese Zeit zu tun pflegt.
„Welche Nägel?“ Ich konnte mir beim besten Willen keinen Reim drauf machen.
„Na die, die man eben findet. Auf der Straße, auf Baustellen. Überall liegen die Dinger rum. Man muss nur die Augen aufmachen. Die meisten Menschen tun das aber nicht mehr und ich profitiere davon.“
„Aber warum zum Teufel gerade jetzt? Ich versuche zu schlafen.“
„Es kam mir eben in den Sinn und außerdem kann ich es nicht haben, wenn alles krumm und schief ist.“ Der Typ zuckte mit den Schultern und ich zuckte am ganzen Körper, denn Barfuss war es doch ein bisschen kalt. „Weißt du, es ist wirklich ein Frevel, was die Leute heut zu Tage so alles wegwerfen.“ Er zeigte auf einen Karton Veranstaltungsflyer, die ich vor gut einer Woche in den Altpapiercontainer wandern ließ, da ich es versäumt hatte, sie auszuteilen. „Was willst du denn da mit? Die sind doch schon vor ner Woche abgelaufen.“
„Wieso, die kann man immer mal gebrauchen. Sind doch auch hübsch anzugucken.“ Zwischen Tür und Angel erhaschte ich einen flüchtigen Blick ins Wohnzimmer. Dort stand auch die abgewrackte Couch, die vor ein paar Wochen bei Wind und Wetter auf der Straße rumlungerte. Ich bekam noch so einige Sonderbarkeiten zu Gesicht, die reif für die Mülltonne gewesen wären. Aber nicht so für den Sammler. In seinen Augen waren es Goldstücke, die in seiner Wohnung neuen Glanz erhielten.
„Wie auch immer“, sagte ich mit einem Gähnen. „Bitte klopf Nachts um 12.00 Uhr keine Nägel mehr grade, gib lieber deinen Blumen ein Schluck Wasser. Das macht nicht son Rabatz" und ich zeigte auf ein vertrocknetes Gestrüpp, das im Flur stand.
„Bist du verrückt? Den gebe ich doch kein Wasser mehr. Wie du siehst, sind die dürr wie so n Hungerhaken. Die kommen morgen auf den Müll.“
Wir trennten uns in Übereinkunft von Verständnislosigkeit.