Was ist neu

Nachts

Mitglied
Beitritt
31.08.2004
Beiträge
3

Nachts

Nachts


Unschlüssig überlegte sie noch einen Moment, dann klopfte sie. Aber aus dem Zimmer war nichts anderes zu hören als ruhige Klaviermusik. Sie klopfte fester. Das Knarren des Fußbodens sagte ihr, dass er nun wach war. Die Tür öffnete sich einen Spalt.

" Ja ?" Er sah ein wenig erstaunt aus. " Du ?"

"Darf...darf ich rein kommen?“

"Mmpf" Er schwieg kurz. "Kein Problem. Bin jetzt sowieso wach. "

"Danke." Sie betrat den Raum.

Die verquollenen Augen und das zerzausten Haar ließen ihn verschlafener aussehen als er war.

Da er nur Boxershorts trug, trat sie nur unschlüssig näher.

" Hast du einen besonderen Grund hier mitten in der Nacht reinzuplatzen?" Er gähnte heftig " Oder macht es dir Spaß mich zu so einer Uhrzeit zu wecken?“

Seine Stimme war kratzig.

" Nein, es ist nur... Ich kann nicht schlafen. Drüben ist es so... so ... zu einsam. Ich mag heute nicht allein schlafen. Deshalb wollte ich... "

" Deshalb dachtest du, du kommst mal eben rüber. Ich würde bestimmt noch wach sein, oder was?" Er warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu..

"Nein, ich dachte deine Anwesenheit würde mich beruhigen. Aber offenbar sollte ich doch wieder gehen." Sie wandte sich wieder zur Tür.

" Nein, warte! Tut mir leid. Ich bin es einfach nicht mehr gewohnt, dass du zu nachtschlafender Zeit vorbeikommst. Da bin ich halt ein bisschen... aggressiv. Natürlich kannst du hier schlafen. Das weißt du doch.... "

Er schaute sie müde an.

" Danke“

Er ging zum Sofa.

" Ich schlaf hier und du nimmst das Bett.“

" Nein! Mach dir bitte keine Umstände. Ich schlaf' natürlich...."

"... da, wo ich sage. Das ist immerhin meine Wohnung!“

" Aber..."

"Kein aber! Du schläfst da, wo ich es dir sage! " Sagte er mit gespieltem Ernst.

"Danke" Sie lächelte erleichtert.

Er gähnte. " Halb so wild. Ich hoffe, dich stört die Musik nicht. Ich kann die auch ausmachen.“

" Nein, sie ist schön... " Sie schaute zur Seite.

" Ich hör' die ab und zu zum Einschlafen." Als er ihren abgewandten Blick bemerkte, schaute er sie fragend an.

"Stimmt was nicht? Soll ich mir vielleicht was anziehen oder was ist los?“

" Nein, es ist nichts. Ich war nur so lange nicht mehr hier."

" Hat sich aber nichts verändert. Kennst mich ja..." Nun war er es, der weg sah.

" Gott sei Dank." Murmelte sie halblaut.

Ein wenig überrascht schaute er in ihre Richtung.

Einen Reflex unterdrückend fuhr er ausweichend fort:

" Wolltest du nicht hier schlafen? Dann schlag' ich vor: Tun wir das mal!"

" Ja.." Ihre Stimme war tonlos.

Beide gingen in Richtung ihres Bettes.

Er beobachtete von Sofa aus, wie sie sich in die Decke kuschelte und sich von ihm wegdrehte.

" Gute Nacht."

"Nacht"

Die Bettdecke war noch von seiner Körperwärme aufgeheizt. Sie atmete tief ein, schloss die Augen und lauschte der Musik. Ja, das war besser.

Keine 5 Minuten später war sie eingeschlafen.

Er hingegen konnte nicht mehr schlafen. Seine Wolldecke war zu dünn und das Sofa kam ihm mit einem Mal viel schmaler vor.

Sein Blick schweifte zu seinem Bett. Grade hatte sie wieder gedreht. Jetzt konnte er im Halbdunkel des Raums ihr Gesicht erkennen. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen.

>>So friedlich wie jetzt sieht sie eigentlich nie aus. Immer auf Achse. Immer auf dem Weg irgendwohin und immer irgendwas zu tun. Kein Wunder, dass sie Probleme mit dem Einschlafen hat. Aber warum kommt sie grade zu mir? Vielleicht wegen der Nähe...<<

Er schloss die Augen und sah sie immer noch sanft lächeln.

››››››››››››››››

Er wusste nicht genau wann, aber irgendwann musste er über seinen Gedanken eingeschlafen sein.

Ein Geräusch riss ihn aus seinen Träumen.

Sie ächzte und stöhnte und wälzte sich auf dem Bett hin und her.

"Nein. Aufhören. Nein!"

Tränen rannen ihr übers Gesicht.

Nun zum zweiten Mal in einer Nacht beim Schlafen gestört, brauchte er etwas, um wach zu werden. Benommen stand er auf, ging hinüber und schaltete die Nachttischlampe ein.

Sie war schweißgebadet und doch immer noch schlafend.

" Nein. Ich will nicht. AUFHÖREN !"

Rasch atmend erwachte sie. Ihre Miene war verängstigt und sie sah sich panisch um. Doch das Einzige, was sie sah war sein beunruhigtes Gesicht.

"Hey! " Er sprach als Erster.

"Hey!" sagte sie matt und richtete sich auf.

Er schaute sie gespannt an.

Sie hingegen sah ihn nicht. Sie tastete vorsichtig ihr feuchtes Gesicht ab.

Da sie nichts erklärte, fragte er:

" Alles okay bei dir? Ich meine was war das?“

Er musterte sie besorgt.

Die Frage schien sie ins Hier und Jetzt zurückgeholt zu haben.

" Nein, es ist nichts. Geht schon wieder." Antwortete sie verschwommen.

" Für "nichts" war das aber ziemlich heftig.“

"Es geht schon. Man gewöhnt sich dran."

" Du hast so was öfter?" Unverständnis mischte sich in seine Stimme.

"Was heißt öfter? In letzter Zeit... häufiger."

" Könntest du dich ein wenig genauer ausdrücken."

" Ich werde in letzter Zeit immer wieder von Alpträumen heimgesucht. Alle enden damit, dass ich völlig verschwitzt erwache und immer noch... immer noch Angst habe."

" Was für Träume sind das?“

Sie zögerte einen Moment.

" Gewaltfantasien... Träume, in denen ich auf jede erdenkliche Art geschlagen, verletzt, gefoltert, entstellt oder.... vergewaltigt werde. Ich wache immer in dem Moment auf, wenn der Schmerz am grössten ist."

Mit einem schweren Seufzer lies sie sich in ihre Kissen sinken.

Eine kleine Pause trat ein. Er berührte umsichtig ihre Hand.

" Kann ich irgendwas tun? Ich mein', sonst wärst du ja nicht hergekommen...."

" Man kann nichts dagegen machen. Ich hab schon so viel ausprobiert. Kein Arzt, kein Medikament hilft."

" Was ist mit einem Psychiater?"

"Die haben mir geistige Stabilität attestiert. Keiner konnte mir helfen..."

"Und da dachtest du..."

"Da dachte ich, versuch es doch mal mit einer etwas kontroversen Methode. Ich hab halt gemeint, dass deine Anwesenheit helfen werde. Hab mich mal wieder geirrt." Sie schaute etwas enttäuscht drein und gab sich wieder ihren Gedanken hin.

Ihre Hände hatten sich in der Zwischenzeit ineinander verhakt. Nur er bemerkt es und löste seine.

Dann erhob er sich und verlies den Raum. Sie blieb regungslos zurück.

Wenige Minuten später betrat er das Zimmer wieder. In der einen Hand hielt er ein Glas Wasser und über dem Handgelenk trug er ein feuchtes Handtuch. Die andere Hand hielt er verschlossen, als wollte er etwas Kleines festhalten. Er trat näher an das Bett und reichte ihr das Wasser.

" Danke." Sie nahm dankbar das Glas entgegen und wollte grade zum Trinken ansetzten, als...

" Warte!" Er öffnete seine andere Hand. In der gebeugten Hand lag eine blaugrüne, unförmige Kapsel.

" Was ist das?" fragte sie ein wenig irritiert und nahm die Pille.

" Altes Familienrezept. Hilft bei jeder Art von Stress."

" Aha.." Sie sah ihn leicht zweifelnd an " Und was genau ist da drin?“

" Frag nicht, sondern runter damit!"

" Aber.."

" Kein Wiederspruch! Ich weiß, es wird helfen." Er nickte bestätigend mit dem Kopf.

" Na gut, wenn du es sagst... " Sie schluckten das Medikament und nahmen zwei tiefe Schlücke Wasser.

" Also schmecken tut's jedenfalls nicht." Sie schluckte und trank den Rest des Wassers.

" Ich versprech' dir, es wird dir besser gehen." Nun lächelte er. Sie erwiderte das Lächeln.

Er begann ihr Gesicht vorsichtig mit dem feuchten Handtuch abzutupfen.

" Besser ?"

" Ja."

Dann runzelte sie die Stirn.

" Ich möchte nicht undankbar erscheinen, aber... Was war das für 'ne bittere Pille?“

" Eine Salbei-Belladonnatablette nach dem Rezept meiner Großmutter." Sagte er mit der Ruhe eines Bombenbastlers.

" Belladonna! Du willst mich auch den Arm nehmen... Hoffentlich... "

" Nein, stimmt schon." Er fuhr in aller Ruhe fort ihr Gesicht zu kühlen.

" WILLST DU MICH UMBRINGEN?!"

Sie wollte aus dem Bett stürzen und in Richtung WC rennen. Aber das plötzliche Aufstehen machte ihre Schritte unsicher und sie wäre um ein Haar gefallen. Aber er fing sie im letzten Moment noch sehr geschickt auf.

" Hoppla !"

Sie lief rot an.

"HOPPLA !!IST DAS ALLES, WAS DU..."

" Du sollest mich vielleicht mal ausreden lassen. Die Konzentration des Gifts ist nicht so hoch, als das sie tödlich sein könnte. Belladonna hat in geringen Mengen eine stark beruhigende Wirkung und der Salbei unterstützt das noch. Keine Angst! Du kannst mir vertrauen." Seine Stimme war ruhig.

Langsam richtete sie sich wieder auf.

" Tut mir leid. Ich meine, ich wollte nicht…“

" Schon gut. Ich versteh's ja. " Er schmunzelte. " Du sagtest, du hast alles versucht. Das bestimmt nicht, oder?!"

" Nein" Sie gähnte und setzte sich aufs Bett

"Wirkt sie schon?"

"Ich sagte beruhigend, nicht einschläfernd.“

Sie lachte.

Seine Gesichtszüge erstarrten. Sie erschien ihm so gelöst und ihr lachendes Gesicht lies sie strahlen. Er fühlte einen Stich im seinem Herzen.

" Jetzt stimmt bei dir was nicht. Alles klar?“

" Es ist nichts." Er winkte ab und doch konnte man seinen Gesichtszügen eine gewisse Niedergeschlagenheit ansehen.

" Nur sie, meinst du wohl..." nun wurde auch ihr Blick von Melancholie verschleiert.

" Ja." gab er zu.

"Das passiert dauernd. Auch daran hab ich mich gewöhnt."

" Tut mir leid.“ Er sah ihr in die Augen und versuchte zu schmunzeln.

"Ach, vergiss es. Auch das wird irgendwann erträglich. Glaub's mir." Sie lächelte traurig.

" Ist das jetzt meine bittere Pille?“

" Sieht so aus."

Er schüttelte den Kopf, als wolle er den unerwünschten Gedanken loswerden.

" Wir müssen schlafen." Er warf einen Blick zur Uhr." Es ist fast 4."

" Ja, du hast Recht." Stimmte sie ihm zu, aber auch ihr war anzumerken, dass sie mit ihren Gedanken weit weg war.

" Gute Nacht !" Er stand auf.

" Nacht“

Sie überlegte noch einen Moment.

"Warte mal!"

"Was ist denn noch ?" Er stand schon beim Sofa.

"Willst du nicht bei ... im Bett schlafen. Wir sind doch irgendwie gleich schlecht dran. Beide kämpfen wir mit unseren inneren Dämonen. Warum sollten wir dann nicht ein Bett teilen ?"

" Was soll das denn bringen?"

" Dann können wir zumindest vortäuschen, wir wären nicht allein....."

" Heute noch nicht. Gute Nacht" Er legte sich auf’s Sofa.

" Nacht. "

Beide lagen noch lange wach und grübelten über bittere Pillen und andere Ungerechtigkeiten, die das Leben mit sich brachte.

 

Da dies eine eigene Geschichte ist, halte ich einen Disclaimer für unnötig.

Das ist mein Erstlingswerk, mein Debüt so zusagen. Ich hoffe natürlich, das sie euch gefällt…..

Für konstruktive Kritik bin ich jederzeit offen…

 

hallo kanashi
na, da fühle ich mich geert, auf deine erste erzählung zu antworten.
es gibt ein paar handwerkliche fehler: du solltest alles zusammenziehen. die großen zeilenabstände nerven ein wenig. das aber nur am rande.
sonst muss ich sagen, gefällt es mir ziemlich gut. es ist nicht furios, aber in dem dialog schwingt ein schöner melancholischer unterton mit, der sich bis zum ende durchzieht. die stelle mit der bitteren pille hat mir am besten gefallen.

gruß
flip

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom