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Nachtszenen aus einer Cocktailbar

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12.04.2002
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Nachtszenen aus einer Cocktailbar

Wiesel, fliesel, husch, husch, husch. Die schlanke Kellnerin eilt zwischen den Tischen hin und her. Ihr blondes, langes Haar schwingt weich im Nacken. Ein angenehmer Hauch von Parfüm, Marke Aromatix-Elixier, verwirrt für einen Augenblick mein Nasenloch, als sie wieder einmal an meinem Rücken knapp vorüber streicht und hinter der Bar verschwindet. Zwei Krügel Bier, der Zapfhahn schwitzt. Auch auf Danaes Stirn steht ein einsamer Tropfen Schweiß. Sie wischt ihn noch schnell weg, stellt noch drei bunte Cocktails, so milchig weiß verschäumt, auf das Tablett, und streicht dann wieder an mir vorbei. Sie lächelt mich wie eine Eva an. Ich bin entzückt. Ich fühle mich wie Adam in seinem nicht mehr ganz so einsamen Paradies.

Auch mir ist heiß. Die Bar ist voll gestopft mit durstigen Leuten. Der Sommer Zweitausendundvier hat endlich doch noch zu seinem gewünschten Gesicht gefunden. Die Nacht hat sich schon vermittet in der pflasterheißen Stadt. Ich träume von einem kühlen Bad an einem einsamen See mit ihr, Danae. Doch damit wird es wohl noch lange Nichts. Vor acht Uhr früh hat das Smaragd am Samstag noch nie geschlossen.

Der Cocktail-Kellner bricht sich fast die Hände ab, so schnell kreuzen sie von den Gläsern zu den Flaschen, zu fruchtigen Spalten Obst, und das Eis hüpft wie von selbst aus seinen Boxen. Ein Oval von Glas, mal fünf, halb voll mit Trockensekt, vererdbeert sich auf kugeligem Eis zu einem Traum, den ein riesiges Stück Melone mit buntem Schirmchen oben drauf verziert. Der Göttermet nennt sich natürlich „Erdbeertraum“.

Da schrillt schon der nächste Wunsch über die Theke: zwei leicht bekleidete Blondinen lehnen heiß daran und ahnen sehnsuchtsvoll einen geilen und so megakühlen „Sex on the beach“ herbei. Der gewiefte Barmixer grinst und weiß, wovon sie träumen und lässt eine Schaufel Splittereis im hohen Flötenglas verschwinden, einen großen Bananenlikör darauf verrinnen, dann ein Schuss weißer Kokosmilch, ein zweifacher Bacardi-Rum, einfach irr, dann ein fruchtig-fleischiger Ananas-Juice zum Verdünnen. Eine Flasche Grenadine-Sirup springt von ganz oben vom Regal herab und lässt den Trink am Glasesrand granatapfelrot verschimmern. Eine ganze Scheibe Ananas steckt sich oben drauf. Dann sieht Gertschi die beiden Mädchen lächelnd an. Noch ein süßes Schirmchen, seine Augen fragen dann, ob sie auch noch je eine halbe Banane mögen? Natürlich mögen sie und so fallen dann die geschnittenen Bananen zum Lustverzehr bereit in die schon randvollen Gläser. Auf dem Teller liegen Serviette und der lange Löffel bereit.

Die zwei Mmmmhhhs an der Bar übertönen dann auch klar den Lärm der Musik. Die Augen leuchten auf: der letzte Urlaub vom Juni in Tunesien erinnert sich herbei. Ja, genau so ist er, der Sex am Strand, gewesen. Der helle Mond von Afrika, umzingelt von seinen so lendenbelüsternden Sternen, lächelte dazu. In den Nächten damals schien es fast, als läge es nur an seinem Willen, die so oftige Wildheit des Meeres in ein flaches Wellengekräusel bei Ebbe zu bestillen. Und diese Urlaubsnächte waren lang gewesen – in Tunesien.

Ja, Gertschi weiß, von was die Beiden träumen. Auch ich kann ihren Traum aus ihrem Grinsen, ihren Augen lesen. Gertschi und ich, wir grinsen uns dann wissend an. Doch keine Zeit: „Hey, Gertschi, lass mal eine Runde Tequila rüber, mit vier Orangen und Zimt, zwei mal Salz und die Kleine da mag es mit Zitrone.“ Na, wenn es nicht komplizierter ist, wusch, wusch, und das Mördergesöff steht auch schon da auf einem Tablett oben auf dem Tresen. Danae greift danach und serviert geschwind.

Zwei ältere, schon leicht ergraute Herren haben sich von weit her in unsere kleine Stadt verirrt, und wohl auch in ihrer Zeit geirrt. Sie wollen nichts Besonderes. Sie haben Durst nach einem großen Bier. Trumer Pils vom Fass oder irgendein anderes aus Flaschen? Vom Fass, na klar, und noch dazu ein Trumer, na, besseres Bier gibt es wohl nicht. Danae lässt den Gerstensaft langsam aus dem Zapfhahn in die leicht schief gehaltenen Krügerl fließen und setzt dann noch ein appetitliches, weißes Häubchen drauf. Und zisch mal zwei, der Durst muss wohl groß gewesen sein. Das halbe Glas ist leer.

Es stellt sich dann heraus, die Beiden waren arme Austrianer aus dem fernen Wien. Dem FC Superfund Pasching ist sein UEFA-Cup-Test super gelungen. Sie haben die reichen Austrianer erbarmungslos mit Zwei zu Eins „verspeist“ und seitdem laufen sich die Zwei mit ihrem Frust in der fremden Stadt die Hacken wund. Auf diese gute Nachricht hin muss auch ich einen Tequila trinken. Ich lade mich gleich selber ein.

Halt! Halt! Nicht so schnell! Ich komme ja mit dem Schreiben nicht mehr nach. Doch „Coco Loco“ nennt sich der nächste Wunsch. Drei kleine, süße Schülermädchen werden von einem Lachorkan zur Tür herein geweht. Ihre Fröhlichkeit steckt sogar den halb vergreisten Dichter an, haha, von dem die Worte vor dieser dreifachen überdimensionalen Blusenverbusung in die unerreichbarsten Geisteszonen fliehen. Ich stehe ja nicht so auf das Fastfood von McDonald’s, aber diese seine drei Machwerke lassen sich wohl sehen.

Drei Hurricane-Gläser, gute fünfundzwanzig Zentimeter hoch und schlank behüftet, springen dem Gertschi freiwillig aus ihrem Wandgestell entgegen und lassen mich kurz darauf an den Rosaroten Panther denken. Captain Morgan Rum mit Wodka Stolichnaja und Malibu-Likör, Orangensaft, Maracuja-Sirup und oh mein Gott, schon wieder dieses so hässlich rote Grenadinenzeugs, und das Alles wild gemixt. Die Mädchenaugen verkitschen, während ihre so süß gespitzten Lippen den rosigen Zuckerlwahn durch zwei dicke Strohhalme schlürfen.

Da macht es auf einmal hinter meinem Rücken einen gewaltigen Tuscher. Der Lärmpegel steigt mächtig an. Ich fahre herum und sehe gerade noch, wie der Klemens, der Kellner aus der großen Bar von nebenan, rucki-zucki, tusch-tusch-tusch, links mal rechts und wieder links, den ersten völlig unnötigen Gewaltrabauken der Nacht zur Tür raus räumt. Das Adrenalin in seinen Adern kann man riechen. Das Lokal hält kurz den Atem an. Und für den armen, starken Klemens, der sich immer so beklagt, dass er sich sowieso nicht mehr vor den hübschen Pupperln retten kann, schlagen wieder ein paar Puppenherzen mehr.

Einfach cool, wie er das immer wieder macht. Eiskalt, ein überlegenes Grinsen im Gesicht, und obwohl Alles so tusch-tusch schnell vergeht, ist kaum exzessive Gewalt dabei. Ein paar kraftvolle Stöße mit der offenen Hand gegen die Brust. Zwischendurch ein Rempler in die Rippen. Kurz vor der Tür ein Zug an der Schulter. Der Aggressivling stolpert um sich selbst herum und nimmt die erste von zwei Stufen. Es wird wohl das Glück des Deppen sein. Und da kommt auch schon ein durch gestrecktes Bein und fährt gefühlvoll in den Deppenhintern rein. Das Glück muss heute wohl selbst besoffen sein, der Typ verknotet sein Gebein, doch er fällt nicht. Er stolpert gute zehn Meter, die Arme schlingernd, über das Stockerlpflaster hin und fängt sich dann gerade noch in Hunderlstellung am kniehohen Gemäuer eines alten Brunnen, der heute aber eine Blumenzier und von niedrigem Gesträuch bewachsen ist.

Seine Wut richtet ihn dann wieder auf. Er schimpft auf das „Scheiß Smaragd“ und droht dem Klemens den Kampf seines Lebens an. Doch als das nicht hilft und der nur lacht, und ich und ein paar andere auch, da kommt dann das „Scheiß Österreich“ daran. „Österreich ist scheiß Land!“ meint der angespitzte dunklere Herr. Als er nicht aufhört mit dem Schimpfen, gibt ihm Irgendjemand Recht: „Ja, ja, du hast ja Recht, so Recht, du lieber Ali. Österreich ist echt ein Scheißhaufen von einem Scheiß Land, darum wird es ja auch vom großen Asylantenstrom nach Europa so sehr gemieden. Die vielen, vielen Wirtschaftsflüchtlinge aus der ganzen, weiten Dritten Welt fliehen lieber wo anders hin und lassen unser so scheißbraunes Österreich links liegen. Ali, ja, du lieber Ali, du hast völlig Recht. Ist schon ein scheiß Land, dieses Scheiß Österreich. Und man trifft auch sonst kaum Fremde hier.“ Hahaha, rundum wird gelacht. Doch Ali lacht nicht mit. Er zieht ab.

Verdammt! Kaum spricht man vom Teufel, da kommt er auch schon. Zwei düstere Gestalten, schwere Goldketten um den Hals, der Breitling am linken Handgelenk ist mit Sicherheit erdealt oder mindestens gestohlen. Völlig dicht, die Puppillen verkolat riesengroß, schwer veralkt und zugeet. Sie feiern wohl den letzten großen Deal. Ihre Augen werfen Kurvenblicke. Ihre langen Beine kurven schwingend hinterher und irgendwie, man glaubt es kaum, schaffen sie dann doch die Stufen. Der Durst muss wohl mächtig sein. Dann: auch Orientierung muss wohl sein. Ich habe keine Ahnung, wie, denn ihre Blicke - sie verixen.

Doch sie finden schnurstracks an den Tresen. Gertschi ist ihr Ziel. „Hey du, Kellner, was du haben stärkste Drink? Zwei ganze Männer wollen haben. Drink soll brennen mörderisch bis runter in den Magen.“

Uff! Ich denke, das kann ja heiter werden. Gertschi fängt an ein Getränk „nur für Oberteufeln“ zu brauen. Ich schaue in der Getränkekarte nach. Es ist ein Trink zum schneller Sterben: Coruba Rum, vierundsiebzig Prozent, Marke Pfui Teufel, natürlich doppelt, na geil, Bacardi Rum, doppelt, Tequila weiß und doppelt, klar. Detto der Orangenlikör Grand Manier, so schade drum, dann Lemon-Juice, ein halbes Glas Cola, aber flüssiges, nicht dieses weiße Pulverzeugs. Die Spalte Zitrone mag nicht Recht und ekelt sich dann doch hinein.

Der Gehirnzellenkiller nennt sich kraftvoll lang „Long Island Ice Tea XXL“ und kostet satte Euro Neun-komma-achtzig. Gezahlt wird gleich, so lange sie noch können. Und: ich habe es ja vorher geahnt. Nach gut zehn Minuten geht der Erste speiben. Wir haben Glück. Er speibt nicht ins Lokal. Er schafft es noch nach draußen. Der andere wankt ihm hilflos hinterher. Ich denke, er hilft ihm wohl dabei, beim Speiben. Die halben Gläser bleiben stehen. Wir haben die beiden nie mehr wieder gesehen.

Oh, ich liebe dieses Lokal „Smaragd“. Da fallen einem immer wieder die steilsten Geschichten direkt vor die Füße und die Zeit der Warterei auf Sweet-Danae vergeht auch dabei. Da gerät sogar einem poetären Niemand, wie mir, dem buji aus kg-de, ein vor lauter Wortekitsch nur so strotzender, schmalztiegelgedichtgichtiger Prosabastard zur vollendeten Kunst. Prost! Ich trinke noch einen Tequila auf meine Inspirationsquelle, das „Smaragd“. Brrrh, grauslich, es soll ewig leben! Und keine Gnade einem Leser, einer Leserin, die da was anderes behaupten. Hahaha und zisch. Das war mal wieder eine etwas andere Geschichte mitten aus dem Leben.

© Copyright by Lothar Krist (7./8.8.2004 von 23.40 bis 05.45 Uhr im Smaragd)

 

Jameson, triple distilled

Sicher, der zwölfjährige wäre mir lieber, aber in Ermangelung dessen und nach diesem kristallweizenklaren Befehl:

ein vor lauter Wortekitsch nur so strotzender, schmalztigelgedichtgichtiger Prosabastard zur vollendeten Kunst. Prost!

muß ich doch (trotz des fehlenden 'e' in Tiegel)!

Erst mal noch ein paar Fehler, die mir aufgefallen sind:

von was sie träumen // von was die Beiden träumen

muß 'wovon' sie träumen heißen, zumindest oberhalb des Schwäbisch-Alemannischen, Fränkischen und Bairisch-Österreichischen Sprachgebiets.


Drink oder Trunk.

und wohl auch in ihrer Zeit geirrt

das 'geirrt' ist redundant.

und das Alles wild gemixt

'alles' klein.

wie der Klemens,

Auch so eine Südländer-Geschichte. Einfach nur 'wie Klemens'. Aber wenn Du auf Lokalkolorit bestehst, natürlich völlig in Ordnung.

zugeet

Tippfehler oder Dialekt?

Nachdem ich so viel herumgemäkelt habe, dann noch das Lob: die sprachliche Eleganz und Leichtigkeit (Alkoholeinfluß? Muß ich ausprobieren...) ist umwerfend. Unter den vielen wunderbaren Formungen, zwei, wie ich finde, besonders gut gelungene:

der letzte Urlaub vom Juni in Tunesien erinnert sich herbei.

Phantastisch leicht und spielerisch.

Für besonders gut geraten halte ich (als zweite Illustration) auch die gesamte Anzüglichkeit und das zugehörige Assoziationspotential der Cocktailmixerei im vierten Absatz...

Allerdings noch eine Bemerkung zum Ende, eine Farbe hat mir mißfallen: Braun. Unterschwellig klingen aus diesem vermeintlich simplen Erfahrungsbericht denn doch Klischees heraus, die ich in keiner Weise teilen kann. Da der Text einen so stark subjektiven Charakter hat, wie am Ende offenbart wird

Da gerät sogar einem poetären Niemand, wie mir, dem buji aus kg-de

halte ich die Phrase

Kaum spricht man vom Teufel, da kommt er auch schon.

für mehr als nur das, sowie die Vermutung

Sie feiern wohl den letzten großen Deal.

ebensowenig für korrekt, denn es handelt sich ja offensichtlich nicht um Figurensicht.

Und den Gegensatz, in dem die spielerische Sprachkunst Deines Textes zu der Sprache der beiden

Hey du, Kellner, was du haben stärkste Trink

steht, für polarisierend.

 
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Hi cbrucher!

Vielen Dank für deine nette Kritik und die Verbesserungen. "Tiegel", "Drink" und "wovon sie träumen" wurde bereits von mir geändert. Die Redundanz von "wohl auch in der Zeit geirrt" war mir bewusst und Absicht. Es handelt sich ja um keinen Schulaufsatz, sondern um einen "vor lauter Wortekitsch nur so strotzenden, schmalztiegelgedichtgichtigen Prosabastard", also um einen gewieften Mischling, der zwar von jedem Rassewettbewerb ausgeschlossen ist, der einem dafür aber das Leben mit seiner andersartigen Nettigkeit versüßt.

Ich stehe mit der Rechtschreibreform auf Kriegsfuß, wie mit vielen anderen Kriterien unserer Gesellschaft auch, und schreibe daher Alles, Nichts, Etwas, Keine/r, Niemand und Ähnliches groß. Einfach aus Spaß, aber nicht nur deshalb. Es gibt auch noch einen anderen Grund, den ich aber heute noch nicht bekannt geben möchte, da er seinen Zweck noch lange nicht erfüllt hat. Es gehört zu den vielen Fassetten meines Spiel, das ich als Internet-Autor spiele.

"Wie der Klemens" bleibt. Allerdings schreibt er sich mit "C". Er hat sich bereits beschwert.

„zugeet“ passt so, wie es ist. Es kommt von „E“, Ecstasy. Ich sehe es als Dichter auch als meine Aufgabe an, unseren neuen Begriffen ihre Zeit- und Eigenschaftswörter zu schenken, wenn sie noch keine haben. Ich spiele ja gerne mit den Worten. Du wirst kaum eine Geschichte von mir finden, in der ich nicht zumindest ein Wort oder eine Wortveränderung oder so eine Wortanpassung an den Zeitgeist „erfunden“ habe. Bei mir serviert die Kellnerin keinen Whisky mit Redbull, nein, sie redbullt das Darmgeschlinge der Gäste mit doppelten Whiskys (siehe die andere Bar-Verträumtheit „Rastahaarvibrationen“).

Mehr über dieses „eineen“ findest du u.a. in der Geschichte „Vorgeet“. Ich habe ja schon überlegt, ob ich diese Worte nicht mit einem „h“ schreiben sollte, weil man es ja eigentlich weicher ausspricht, zwar ähnlich wie in „beenden“, aber weicher. Na ja, sollen sich die Wichtigen der nächsten Rechtschreibreform-Kommission darüber Gedanken machen, haha.

Zu jener Sache mit dem „braun“ und dem „Scheiß Österreich“. Das lief genau so ab, wie ich es beschrieben habe. Ich verkehre gerne in den Altstadtbeiseln von Linz. Das Multi-Kulti-Lokal „Smaragd“ ist mein Stammbeisl. Dort triffst du Menschen aus der ganzen, weiten Welt. Ich liebe das. Ich habe eine Menge Freunde unter ihnen. Doch leider verschlägt es zu gewissen Zeiten auch die „Bösen“ dort hin. Und es gibt ja unter allen Völker einige, die unter die Gruppe der Arschlöcher fallen.

Ich mag keine Arschlöcher, egal welcher Rasse, Kultur, Religion usw. sie angehören. Sie versauen dir deinen Tag. Oft ziehen Diebsbanden herum, sie stehlen die Handtaschen, die Jacken, usw. Und es kommen auch die Dealer dorthin, die Mädchen- und Frauen-Abzocker. Es gibt welche, die K.O.-Drinks brauen, wenn man nicht aufpasst. Und es gibt eine Menge Aggressivlinge. Und es scheint dabei so zu sein, dass sich die unterschiedlichen Völker untereinander selbst am wenigsten ausstehen können. Sie stehen ja in Konkurrenz zueinander. Die Südamerikaner mögen die Schwarzen nicht und umgekehrt. Detto die Türken und die Ex-Jugoslawen. Es vergeht kaum eine Woche, in der auf den Plätzen in der Altstadt nicht eine Massenschlägerei abgeht. Das ist Realität.

Ich gehe meist drei Mal in der Woche zur „Arbeit“ aus. Die Altstadtlokale sind mein Arbeitsplatz, das Smaragd mein liebster. Und ich schreibe über die Geschichten, die mir dabei vor die Füße fallen. Ich verändere Nichts. Das Eigenartige ist, dass mir dann dauernd vorgeworfen wird, dass ich klischeehaft schreiben würde. Doch ich denke, diese Sichtweise ist bloß das Ergebnis unserer Erziehung unter der Ägide der 68er-PhilosophInnen. Sie wollten die Welt „schön schreiben“ und haben uns mit ihren Halbwahrheiten überschüttet (der Dichter Günter Grass ist übrigens einer der ganz wenigen, der das heute zugibt, siehe sein Buch über die Gustlov und seine Interviews hiezu).

Ich mache bei dieser Verlogenheit nicht mit. Ich schreibe, was ich sehe, höre, fühle. Und es ist mir echt scheiß egal, ob das nun Jemandem gefällt oder nicht. Ich fühle mich dem Realismus verpflichtet. Bei mir kann dir eine Geschichte gefallen und nach der nächsten hasst du mich. Und genau so soll es auch sein. Ich schreibe über die Wirrnisse unserer Zeit. Ich will ein Spiegel sein. Und du weißt ja, wie das ist mit dem Spiegel. Wenn man alt wird, dann gefällt man sich nicht mehr so. Und unsere uns beherrschende Philosophie ist nun einmal alt geworden.

Ich bin ja ein guter Beobachter. Selbst wenn ich in einer Ecke sitze oder stehe und in eine Geschichte vertieft bin, sehe ich Alles. Und ich schreibe ja meist an einem Ort, von dem ich einen guten Überblick habe. Diese zwei Typen zum Schluss waren Dealer, da würde ich Alles darum wetten. Diese Leute kommen ja oft gegen Morgen und verkaufen im Lokal ihr Zeugs. Du kannst beobachten, wie sie mit ihren Kunden im Gänsemarsch aufs Klo gehen, oftmals x Mal hintereinander. Die Beiden waren aber Großhändler, die hatten ihren Deal schon gemacht und feierten einen ab. Vor kurzem konnte ich sogar beobachten, wie in einer Disco ein Dealer auf der Tanzfläche direkt aus einer vollen Marlboro-Schachtel heraus die E verkauft hat. Und Niemand hat ihn daran gehindert. Nach 5 Minuten war die Schachtel leer. Da waren mindesten 200 Stück drin.

Wenn ich schreibe, dass es ein Österreicher war, dann regt sich hier in den Lit-Foren Niemand auf. Schreibe ich aber, es war ein Schwarzer, dann wirft man mir Klischeehaftigkeit vor. Daran kann ich erkennen, wie sehr wir zum Lügen erzogen worden sind. Die Nazis waren da auch nicht viel anders, mit dem einen Unterschied, dass du bei uns halt nicht eingesperrt und gefoltert wirst, wenn du die Wahrheit schreibst oder sagst. Aber beschissene Gutmenschen-Zensur ist es alle Mal.

Wenn früher ein Dichter so geschrieben hätte, wie ich, dann hätten sie ihn mit „Du Nazi“ zum Schweigen oder gar wegen „Wiederbetätigung“ angeklagt. Aber ich bin wohl der erste Dichter, mit dem sie das nicht können, haha. Wer meine Geschichten liest, weiß, dass ich auch die Nazis, die ihr Volk in den Massenmord getrieben haben, nicht mag. Aber ich mag auch diese scheinheiligen PhilosophInnen der „Friedensgeneration“ nicht, die aus uns Allen mit ihrer beschissenen „political correctness“ eine Bande von feigen, zu Allem schweigenden Massenmitmördern gemacht haben, und es juckt mich dauernd in meinem Kugelschreiber, ihnen die Worte im Mund umzudrehen, siehe u.a. meine Geschichte „Dichter Dichter“. Ich träume von einer anderen Art von Philosophie.

Und die Bestellung durch diese 2 Dealer lief so ähnlich ab. Ich habe nur den Reim draus gemacht, und den auch erst zu Hause am PC. Es war mir einfach danach, ha, es sollte noch mehr "aufstoßen".

Liebe Grüße
buji

 

mea culpa

Nee, ist für mich in Ordnung. Also keine weiteren Vorwürfe meinerseits. Vielleicht hätte ich andere Sachen von Dir lesen sollen, um festzustellen, daß Du keiner von der braunen Soße bist. Ist ja noch nicht zu spät dafür. Und Lust zum Weiterlesen hat mir Dein sprachgewaltiges Wortjonglieren ja auch gemacht.

Ich denke allerdings, daß es dieser Stellungnahme (ganz abgesehen von den hochinteressanten literaturtheoretischen Grundüberlegungen) bedurfte. Aus dieser wird ersichtlich, daß Du Dein Urteil aus Erfahrung fällst, daß es keine simple Gleichung ist. Und ich frage mich, ob es nicht in Deiner Verantwortung als Autor steht, das auch in der Geschichte unterzubringen, aus folgender Überlegung heraus: kombiniere ich Aufgezeichnetes (also real Geschehenes) geschickt genug, erreiche ich jede denkbare Manipulation. Meine Kritik setzt also nicht an dem Zweifel an, das Ganze hätte sich nicht zugetragen, sondern an der Auslassung. Andernfalls wird kein Bild der Realität gegeben, der Du Dich verpflichtet fühlst. Vielleicht bin ich mit meiner correctness ja auch einfach zu sensibel. Mea culpa.

Claus.

PS: Noch eine Anmerkung, Rechtschreibreform vor oder zurück: die Dinger heißen Facetten.

PPS: 'geet' finde ich gut. Hat sich mir einfach nicht erschlossen.

 
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Hi Claus!

Man wirft mir hier im Forum sowieso dauernd vor, dass ich zu viel von meiner Philosophie in meine Geschichten packe, sie dadurch kaputt mache und damit eigentlich nur lästig wäre.

Bei Fassetten ist beides möglich. Steht so in meiner neuen Rechtschreibfibel und du kannst es auch ganz leicht über die Google überprüfen. Sie "mag" das Wort. Sie frägt nicht: "Meinten sie ....?"

Die Kids hier in der Linzer Altstadt haben meine neuen Wortschöpfungen mit dem E schon in ihren Sprachschatz aufgenommen. Sie tun jetzt "voreen" bevor sie in die Disco gehen und finden das mächtig geil. Sie e-en sich jetzt zu, usw. (Vielleicht sollte man einen Bindestrich zwischen die 2 "e" setzen? Aber dann ist es wieder kein normales Wort.) Das ist natürlich Irrsinn, als Mensch tut mir da mein Herz weh. Ich hätte mir vor 25 Jahren nie gedacht, dass ich einmal aus den Wirrnissen meiner Zeit meine Stärken als Dichter finden würde. Manchmal schäme ich mich fast deswegen.

Letzte Woche kamen ein paar Jugendliche, die ich gar nicht gekannt habe, extra zu mir her, und fragten mich, ob ich dieser Dichter aus dem Smaragd wäre, der das Wort "voreen" erfunden hat. Sie fanden das echt toll und machten dann ihre Scherze damit, meinten, sie hätten heute auch schon ordentlich "vorgeet" und nun würden sie sich weiter zueen und später dann gegen Mitternacht würden sie sich in den Cembran-Keller, eine Techno-Disco, hineineen lassen (statt dem Wort hineinwehen), usw. Die hatten ihren Spaß damit und ich habe mich dabei echt nicht wohl gefühlt, und mich gefragt, wer ich eigentlich bin. Ich hatte dann einen leicht Depressiven und mir wieder einmal die Sinnfrage gestellt.

Ich habe dann versucht, ein wenig auf sie einzuwirken und sie ein wenig herunter zu holen von ihrem Wurschtigkeitstrip. Da meinten sie, ich würde mich jetzt wie ihre Alten aufspielen, dabei hätten sie von ihren Freunden gehört, dass ich anders wäre. Ja, ich mag schon anders sein, schließlich interessiere ich mich ja aus diesen gewissen "Arbeitsgründen" für Alles, was heute so vor sich geht. Ich sitze mitten unter ihnen und mache normalerweise auch nicht auf "Bremser", aber es erschreckt mich schon, wie schwer unsere Gesellschaft von allen möglichen so leicht zugänglichen Drogen geprägt ist. Manchmal wünsche ich mir, die Eltern würden sich mehr um ihre Kinder kümmern und sich in den Freitag- und Samstagnächten auch in den Techno-Hütten unter sie setzen. Nur so weiß man, was tatsächlich abläuft und kann auch gegensteuern. Aber die älteren Generationen scheinen sich nur für sich selbst zu interessieren oder sind gar selber schwer drauf. Die 68er haben damals ihre Elterngeneration ja u.a. auch deswegen angegriffen, weil sie so materialistisch eingestellt war. Heute sind sie selber Eltern, oder besser Großeltern. Diese Elterngenerationen von Heute sind noch viel, viel schlimmer. Es ist zum Grausen.

Na ja, es ist halt, wie es ist. Liebe Grüße
Lothar

 

Hi Lothar,

Facetten: sorry, hatte die neue Variante im Wahrig überlesen.

Zur Jugend: sehe Probleme auch (tun die Älteren immer und wenn sie es tun, wirft man ihnen vor, nur neidisch zu sein), vielleicht woanders; vielleicht muß man es als Anlaß zu einer Geschichte sehen.

 

Hi!
Ja, du hast es erfasst. Diesen Vorwurf des "neidisch sein" hat man mir hier im Forum wegen solcher Geschichten schon einige Male gemacht. Manche denken wahrscheinlich sogar, ich wäre selber abartig veranlagt, nur weil ich mich in meinen Geschichten der vielfältigen Abartigkeiten (und Tabus) unserer Gesellschaft annehme. Manche möchten am Liebsten Alles unter den Teppich kehren. Sie wollen Nichts von Allem wissen, das nicht in unser "Schön-von-uns-denken" passt.

lg
buji

 

Hallo Buji!

Ein paar Kleinigkeiten: Kokosmilch / Grenadine Sirup oder Grenadinesirup

Eine ganze Scheibe Ananas steckt sich oben drauf
und das in ner Flöte - dürfte ne schöne Schweinerei werden, weil das arme Glas gleich Übergewicht bekommt.

„Long Island Ice Tea XXL“ und kostet satte Euro Neun-komma-achtzig
Also die Adresse brauch ich, wenn ich mir vorstelle, was das in Hamburg kostet.

Und sonst - ich habe jahrelang vor/hinter dem tresen gestanden gehockt und manchmal auch geschlafen und habe mich zu Hause gefühlt. Die Welt ändert sich, aber die Bar bleibt was sie war. Und das 'politische' ist bei dem, was man so erleben kann, geradezu harmlos. Ich nehme mal an, dass wegen der Sommerhitze auf der Straße einiges los ist, so dass das Gespräch am Brunnen möglich ist und das der Beobachter mit hinaus gegangen ist.

Eine schöne Geschichte, aber eben auch eine reale Geschichte, über die man - auch ohne Deinen ausführlichen Kommentar - ins Nachdenken kommen kann. Aber ich denke, so wie wir damals gegen den Mief und Muff angegenagen sind, wäre es heute an den Jungen, sich zu wehren gegen die Vereinnahmung und Gängelung, aber ob sie das noch können ...

Liebe Grüße

Jo

 

Hi Jo!

Vielen Dank! Kokosmilch, na klar, warum spreche ich es dann nur immer wie Kokusmilch aus, ist das unser Dialekt hier in Linz? Dasselbe Problem hatte ich wohl mit dem "Grenadiner-Sirup". Hörte sich verdammt gut an in der Prosa, haha. Ist schon verbessert. Aber „das Grenadinenzeugs“ beim nächsten Cocktail lasse ich, klingt ganz gut, denke ich.

Wie nennt man so ein Glas? Sehr hoch, unten dick bauchig, wird dann in der Mitte schlank und geht nach oben wieder auseinander? Hätte wohl den Gertschi fragen sollen! Kannst du mir weiter helfen?

Das Lokal Smaragd liegt mitten in der Altstadt von Linz. Kennt fast ein Jeder, wird jedoch wegen seiner Multi-Nationalität von den meisten Leuten leider aus den bekannten Gründen "gefürchtet" und gemieden. Teilweise ist diese "Angst" sogar berechtigt, na ja, egal, ich fühle mich dort jedenfalls sauwohl. Da finde ich unser ganzes Heute in seiner ganzen Bandbreite vertreten, vom Wunderschönen bis hinein ins Saudumme oder gar ins Böse. Ich war fast noch nie dort, ohne dass ich dort nicht eine Geschichte oder ein Gedicht „gefunden“ habe. Ich muss nur das 500-Jahre alte Gemäuer anfassen, schon liegt eine da. Da war früher ein Pferdestall drin, dort haben schon die Hengste ihre Stuten bestiegen. Diese Mauern kennen viele Geschichten. Und ich liebe ja Steine, Mauern usw. Wenn ich mal einen Tag lang nicht rauchen will, dann habe ich da so einen Stein, den ich dauernd in die Hand nehme, wenn ich schwach werde. Und seine Kraft hilft mir dann über meine Sucht hinweg.

Und wegen der multinationalen Gäste sind dort auch die Preise so ziemlich am niedrigsten von der ganzen Altstadt, die zwei Chefs wissen, dass viele ihrer Gäste nicht gerade dicke Geldbörsen haben. Auch das Personal ist dort gemischt. Wären alle guten Menschen so wie die zwei, dann gäbe es wahrscheinlich den Begriff Gutmensch nicht. Die Zwei schwafeln nicht nur schön, nein, sie sorgen auch, soweit es ihnen halt mit ihren Mitteln möglich ist, dass ein paar „Fremde“ einen Job haben und sich so integrieren können, wenn sie das überhaupt wollen.

Zu den Jungen von Heute: ja, du hast Recht, sie müssten eigentlich rebellieren. Es ist wohl unser Wohlstand. Rebellionen finden immer nur dann statt, wenn einige Intellektuelle an der Seite oder besser wohl, an der Spitze von Bauern und Arbeitern kämpfen. Dazu ist jedoch wohl auch eine gewisse Armut unter den Intellektuellen nötig und gerade die ist heute noch eher selten. Es fehlen also die Führer. Und dann ist es mit unseren Intellektuellen von Heute ja so, dass sie das Volk nicht lieben. Die wollen gar keine Demokratie. Die haben die Parteiendiktatur erfunden und einzementiert. Die Jugendlichen haben heute keinen Fuß in der Sprache unserer Zeit, es geht ihnen noch beschissener, als uns Klons, also uns Nach-68ern. Aber ich denke, dass sich dies nun bald ändern wird. Abwarten. Und eigentlich rebellieren sie ja. Sie knallen sich jedes Wochenende eimerweise mit Alkohol zu und man findet kaum noch welche, die nicht auf Ecstasy und Speed abfahren. Wenn man in einen dieser Tanzschuppen geht und die Riesenpupillen sieht, die fast Alle haben, …. Na ja.

Liebe Grüße
buji

 

Hallo buji!

Danke für Deine Antwort. Die Gläser die Du meinst, heißen ganz schlicht Cocktailgläser (und mit diesem Begriff sind wirklich nur diese Gläser gemeint). Flöten sind halt sehr schmale hohe Sektgläser. Naja und die von der Seite aussehen wie ein Dreieck, heißen Cocktailschalen und so weiter ..

An Linz bin ich nur zweimal nachts auf der Donau vorbeigefahren und da sieht man nur Industrie (fand ich als Hamburger aber auch interessant). Vielleicht verschägts mich ja mal dahin, dann werde ich mir das Paradies mal anschuen. Und die beiden Chefs erinnern mich an zwei Chefs hier in Hamburg. Naja und multinational - uch arbeite in Wilhelmsburg, einem türkischen Stadtteil mit Italienern, Portugiesen, Polen (seit den 20er Jahren!) und so weiter .. und kleinen deutschen Enklaven.

Kiebe Grüße

Jo

 

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