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Nackte Splitter

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21.02.2002
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Nackte Splitter

Es muß ein Montag gewesen sein, vielleicht auch ein Mittwoch oder es war doch Wochenende, aber irgendwas sagte mir, daß es Montag war, sicher war ich mir aber nicht.
Ich lenkte meine Schritte durch das kalte Treppenhaus. Auf jeden meiner Schritte folgte ein aus Echos geborenes Lachen. Mir selbst war nicht zum Lachen zumute.
Weiter nach unten gehend, den Blick stumpf auf mich selbst und ins Innerste gerichtet, erreichte ich schließlich das Erdgeschoß und ich stockte, hielt mich am Geländer fest. Übelkeit schwappte plötzlich in rasender Geschwindigkeit meine Speiseröhre hoch.
Ich preßte meine Lippen fest zusammen, tunlichst darum besorgt, nichts von dem bitteren warmen Saft, welcher sich nun in meinem Munde hin und her bewegte, über meine Lippen zu lassen. Ich stützte meinen Mund mit meinen beiden Händen, es schien mir zu helfen.
Der Geschmack von Jauche legte sich um meine Zunge, ein weiterer Schwall schien sich aufzubäumen.
Mein Blick wurde unscharf. Der Flur wechselte seine Farbe von Grau auf Gelb, dann Ocker, zurück auf Gelb um schließlich in einem Ton irgendwo zwischen Grün und Braun zu verweilen.

Ich sah wie die Haustür offen stand. Warme Luft schob sich in den Flur.
Der Geruch von stinkender Haut stellte sich ein, der Jauchegeruch nahm zu.
Helles Licht prasselte ebenfalls aus dem Türspalt, direkt gegen meine Augen. Sie, die Tür, war nur angelehnt, lärmende Kinder stießen sie plötzlich ganz auf.
Es waren zwei, vier oder vielleicht auch acht. Sie drückten sich gegenseitig gegen die Wand, manche lachten, manche weinten. Einem Mädchen wuchsen Drähte aus den Zähnen.
Diese verfingen sich in der Türklinke.
Sie stürzte. Einer der lachenden Jungen begann auf sie einzutreten,
ein anderer rotzte in ein Taschentuch und stopfte es einem weiteren Jungen in den Mund,
welcher es lachend verzehrte.
Das Licht wurde zunehmend heller, der Jauchegeruch unerträglich,
immer mehr sprudelte aus meinem Hals in meinen Mund, bis ich es nicht mehr halten konnte.
Ich ließ mich fallen, rücklings auf den Boden, zwischen die Kinder, neben das nun blutende, schreiende Mädchen, zwischen die Füße der Jungen. Für eine Sekunde wurde alles still, ich hörte einen Vogel zwitschern und ich sah in die großen Augen der über mich gebeugten Kinder, in ihre erstaunten Gesichter.
Für diese Sekunde fühlte ich mich fast schwerelos. Meine Anspannungen lösten sich,
langsam öffnete ich den Mund.
Sanft floß mir langsam der gelbe Ausfluß aus dem Mund und spülte sich in mein Haar,
mir wurde wärmer und ich begann zu lächeln, schloß die Augen.
Es fühlte sich an wie das Spülen des Meeres. Salzgeruch floß in meine Nase und ich öffnete wieder die Augen.
Noch immer blickten sie mich an. Dumpfe regungslose Blicke.
Dann begannen auch sie ihre Münder zu öffnen und die Zeit, welche sich noch immer in Trance befand wachte auf und wurde schneller und schneller.
Der Jauchegeruch kehrte zurück, war niemals weg, war noch stärker hier und es floß Salz in meine Nase,
meine Ohren, der Geschmack von alter Milch aus dreckigen Kindermäulern ließ mich erneut erbrechen,
ein großer Schwall. Jemand zog mich an den Händen, schleifte mich nach draußen, das Lachen der Kinder wurde leiser, kein Vogel war mehr zu hören. Die Dunkelheit wich nun auch aus meinem Kopf.

Ich lag auf einer staubigen Straße und blickte nach oben. Grelle Sonnenblitze machten mich fast blind, konnte die Gestalt nicht erkennen, welche mich zog und schließlich liegen ließ.
Ich blickte zu meinen Füßen, dahinter das dunkle Gebäude, die Tür nur noch leicht geöffnet.

Ich konnte das kleine Gesicht des Mädchens noch sehen, welches sich das Blut aus dem Gesicht wischte und mir mit traurigen Augen nachblickte.
Noch immer liegend, den Kopf hochhaltend versuchte ich sie aufzumuntern und lächelte ihr zu.
Sie lächelte zurück, hob ihre Hand, ein gelbes Taschentuch verdeckte ihre Finger.
Ein Junge blickt mit einem feigen Blick zu mir und griff das Taschentuch.
Darunter ihre Hand, den Mittelfinger ausgestreckt, die anderen Finger abgeschnitten,
blutig gekürzt.
Sie begannen zu lachen über die vulgäre Geste und spuckten auf die Straße.
Die Tür fiel krachend zu.
Es war still.
„Es trägt sich niemals das, was sie da auf ihrem Kopfe haben. Es trägt sich nicht, das sollten sie wissen.
Tragen sie es nicht. Es trägt sich nicht zu Gute, das wußten sie doch, dass man das nicht tragen kann und darf.“ hörte ich und blickte auf einen in schwarzer Ledermontur bekleideten Polizisten. Ein gelber Motorradhelm funkelte in der Sonne, darunter ein uraltes Gesicht, das rechte Auge fest zu gekniffen, das linke weit aufgerissen.
Der Polizist saß mitten auf der Straße auf einem alten Stuhl, gebückt und in seiner Hand hielt er eine Nadel, welche er sich fortwährend in das offene Auge stach und unter dem entstandenen Schmerz immer wieder zuckte.
Schließlich blickte er mich an, Blut floß ihm aus beiden Augen und sagte
„Getragen wurde nie was.
Außer das was du tragen wirst. Es ist noch kein Fisch im Wasser gestorben.“
Er starb, sackte zusammen und hinter ihm kam eine Wand zum Vorschein.

Es steckte ein Splitter in der Wand und meine Hand glitt über sie.

 

Hallo ParaButuZ,

wie etliche Geschichten in der Rubrik "Seltsam" hinterlässt auch deine einen eher ratlosen Eindruck auf mich, und obwohl ich den Text jetzt zweimal gelesen habe und schon davon ausgehe, dass irgendein Sinn erkennbar sein könnte, blieb er mir bislang leider trotzdem verborgen.

Wie kommt der Jauchegeruch zustande?, was hat das merkwürdige Verhalten der Kinder zu bedeuten?, wie ist der Satz "Es trägt sich niemals das, was sie da auf ihrem Kopfe haben" gemeint?, sind nur einige der Fragen, die ich mich stelle.

An eine Interpretation will ich mich mal noch nicht heranwagen, mal sehen, was andere Leser mit deiner Kurzgeschichte anfangen können.

Die Sprache ist in Ordnung, der Text ist flüssig zu lesen.

Es muß ein Montag gewesen sein, vielleicht auch ein Mittwoch oder es war doch Wochenende, aber irgendwas sagte mir, daß es Montag war, sicher war ich mir aber nicht.
m. E. umständliche Formulierung

Ich lies mich fallen
ließ

Sie lächelte zurück, hob ihre Hand, ein gelbes Taschentuch verdeckt ihre Finger.
verdeckte

Viele Grüße,

Michael :)

 

Danke für deine Kritik Michael.

Fehler sind korrigiert,
bis auf die Umständliche Formulierung.
Meinem Empfinden nach muss dieser Satz sehr umständlich sein, auch wenn er, da muss ich dir ebenfalls recht geben, wirklich holprig zu lesen ist.

Sinneszeichnungen folgen - später. ;)

 

Na dann bin ich mal gespannt auf die Sinneszeichnungen. :) Ich hoffe, du findest noch einen oder mehrere Leser.

Was du letztendlich änderst und was nicht, bleibt natürlich dir selbst überlassen – jeder Leser liest einen Text eben anders und nach seinem persönlichen (subjektiven) Empfinden.

Schönen Abend noch,

Michael :)

 

Ebenfalls schönen Abend, Michael.

Erstaunlich dass du dir die Geschichte gleich zweimal angetan hast,
soviel Mühe beschämt.

Schön dass es wenigstens einer gelesen hat. Nach mehr zu verlangen wäre gierig.

Nochmals danke fürs konstruktive kritisieren !

So macht KG.DE wahrlich Spaß !

 

Erster Eindruck: ziemlich geil! (Hatte davor gerade ein Tool-Video gesehn *hrhrhr*)

Ich mag es, wie alles komplett ist um dann aber ins Irre abzuwandeln.
Allein das mit den Wochentagen---und aus ihren Zähnen wuchs Draht :dozey:

Aber ich glaube ich kann schon einen Sinn hinter all dem herausinterpretieren!

13 von 15 Punkten!
Sehr lesenswert!

 

@SamCaracha:
Vielen Dank fürs lesen und für das Lob.
Ich werde mich bemühen auch die letzten zwei Punkte zu ergattern,
in Zukunft.

Deine Interpretation würde mich wahrlich interesieren.

 

Ich schreib gerne darüber, allerdings fehlt mir im Moment die Zeit, aber da kommt noch was.

 

So. Es ist schon ne Weile her, trotzdem möchte ich es mir nicht nehmen lassen, meine persönliche Interpretation wie versprochen zu liefern.
Ich hab einfach die Gedanken beim Lesen rausgeschrieben und zu einem ganzen Fazit gefügt.

Die Zeit: es ist erst MOntag: Anfang der Woche, Anfang allgemein, dann Mittwoch (spricht für sich selbst) und dann Wochenende
Es ist ein Kreislauf, der hier schön impliziert wird.
Die Umgebung: kaltes Treppenhaus: Assoziation ist deutlich: kalt, ungemütlich, beinahe existenzfeindlich. Die Umgebung lacht spottend, dem Prot jedoch geht es hier nicht gut. Woran das liegt, vermag man anfangs nur vermuten.
Dass er nach UNTEN geht, entrinnt meinen Interpretationsversuchen, ich kann hier nur wild oder banal spekulieren. Jedenfalls versucht er sich vom außeren abzuschotten, er achtet auf sich, darauf, dass er nicht kotzt. Im Erdgeschoss. Ist er jetzt auf 'dem Boden der Tatsachen', nachdem er aus den luftigen Höhen abgestiegen ist? Möglich, dass ihm das Übelkeit bereitet.
Die Farbe des Flurs paart sich hierbei gut mit dem Gedanken an Erbrochenes. Die Kraftlosigkeit des Prots würde ich mit einem Gefühl der Hilflosigkeit assoziieren, an der Situation nichts ändern zu können.
Erster Abschnitt: Umgebung, die welt, mit der der Prot ganz offensichtlich nicht klar kommt.


Das nächste sind die Kinder: sie stellen die Menschen dar, sie stinken (Danke Mr. Smith! ^^) und lärmen und stören jede Ruhe und Hoffnung.
Ob es zwei oder acht sind (großer Unterschied eigentlich) macht keinen Unterschied, zweit hätten nicht weniger getan als acht. Weinen, lachen, liegt so nah beieinander. Die Drähte aus den Zähnen sind klar: Zahnspange, aber geile dramatische Darstellung einer Trivialität. Die Abscheu über diese Gestalten, obwohl sie doch Kinder sind (und somit süß und lieb) steigert die Furchtbarkeit der Situation noch.
Die 'Behinderte' (Zahnspange) stürzt auf grausame Weise und die anderen lachen, wärend sie am Boden liegt und getreten wird. Die Grausamkeit der Menschen. Ebenso das mit dem Taschentuch. Lachen und dabei etwas furchtbares tun, das ist die Grundaussage, dieser Szene.
Dabei stört das Licht mehr als dass es heilend wirkt, oder beruhigend.

Beim Anblick der Situation kollabiert der Prot zurecht. Die Kinder verstehen das nicht, sie gucken dumm. Im Fallen/Aufgeben/Loslassen ein schönes Bild. Der Prot befindet sich in Trance, in Gleichgültigkeit. Und als er wieder zu sich kommt, zurück in die Realität muss er wieder kotzen wegen der Realität, wegen der Menschen.

Die Dunkelheit ist wohl die Dunkelheit der Trance. Die helle Straße ist zunächst ein gutes Bild, doch die überhelle Sonne zerstört auch diese Ruhe unbarmherzig.
Das Mädchen, das eben noch Opfer war hat sich unmittelbar danach zum Täter, zum Spötter entwickelt. Es gibt aber Grund zum Mittleid, denn sie war wohl nicht das erste Mal Opfer und vielleicht zeigt sie auch nur deshalb den Mittelfinger. Opfer werden Täter.
Der Polizist sagt, es trägt sich nicht was sie AUF dem Kopf haben. Übersetzt geht es wohl um das was IM Kopf ist, um die Gedanken, das schickt sich nicht, passt nicht in die Gesellschaft so zu denken. Und man KANN und DARF das nicht tun.
Der Polizist repräsentiert den Staat, der eigentliche Hüter erblindet an sich selbst.
"Gedacht wurde nie was, außer das, was wir dich zu denken zwingen. Es ist noch kein Mensch an seiner eigenen Gesellschaft gestorben."


Der Prot ist wohl der Splitter, der in der Wand steckt und sich abhebt von
seiner Umgebung.
Er ist so anders, dass er, wenn er sie betrachtet, über sie kotzen muss, weil er erkennt, wie grauenvoll sie ist.

So in etwa würde ich es beschreiben, kann natürlich auch ganz anders sein.

Pace ^^

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo ParaButuZ

Sprachlich hat mir dein Text ganz gut gefallen. Erschlossen hat er sich mir aber nicht wirklich :shy:
Was ja auch nicht immer verlangt ist.

Anmerkung
Einige Satzgefüge fand ich etwas unglücklich gewählt.
Bsp:

Helles Licht prasselte ebenfalls aus dem Türspalt, direkt gegen meine Augen.
Licht und Prasseln?-Nagut, besser vielleicht: "flutete" und "in meine Augen"

Da gabs noch ein/zwei mehr solcher Sachen. Aber vielleicht hast du dir da auch was bestimmtes bei gedacht :)


@SamCaracha

Selbst wenn diese Analyse nicht hinhaut, find ich sie einfach nur krass ;)

Ich dachte, ich kann in alles was hineininterpretieren, aber du schlägst meine Fantasie in der Hinsicht um Längen!

Respekt

Hagen

 

Hi ParaButuZ,
es ist verdammt erschreckend, aber anscheinend gelingt es mir nicht mehr eine Geschichte zu entdecken, die mir wirklich zusagt. Auch bei deiner überwiegen die negativen Punkte. Ich möchte jetzt nicht auf alle Einzelheiten eingehen, aber deine Sprache verläuft sich sehr oft ins Chaos. Unglücklich gewählte Sätze und Worte fallen mir überall auf. Und der Sinn, der hinter dieser Geschichte steht, erschließt sich mir auch nicht wirklich.
Auch wenn ich vorher ein Tool Video gesehen hätte, würde ich dieser Geschichte wohl keine gute Note gebe. Tut mir leid, aber denk auch du daran, dass es sich hier nur um meine persönliche Meinung handelt!

Grüße...
morti

 

Schlichtweg genial. Mit schönen Metaphern zeichnest du ein beklemmend surreales Bild der Wirklichkeit. Ich habe nichts weiter zu sagen, als dass ich mich in etwa der Interpretation von SamCaracha anschließe.

 

Ich verstehe sie nicht, die Geschichte.
Oberflächlich betrachtet kam sie mir nur als eine Aneinanderreihung von Grausigem vor.
Leider brachte mir auch ein genauerer Blick keine Einsicht, so dass mein erster Eindruck leider andauern wird.

 

Hagen schrieb:
@SamCaracha

Selbst wenn diese Analyse nicht hinhaut, find ich sie einfach nur krass ;)

Ich dachte, ich kann in alles was hineininterpretieren, aber du schlägst meine Fantasie in der Hinsicht um Längen!

Respekt

Hagen


Ich habe nichts weiter zu sagen, als dass ich mich in etwa der Interpretation von SamCaracha anschließe.
Danke ^^ das spricht wohl auch für mich :read: :dozey:

 

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