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Nahe der Stromlinie

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10.09.2016
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Nahe der Stromlinie

Es ist mitten in der Nacht, als ein Erdbeben der Stufe 4,5 die isländische Halbinsel Reykjanes erschüttert. Wir liegen in unserem Zelt und schlafen. Bis zum nächsten Morgen.
„Didn't you really notice that?“, fragt die Inhaberin des Campingplatzes, als wir in ihrem kleinen Café ein paar Waffeln und Kaffee bestellen.
Sie lacht. „I mean did you seriously oversleep that?“
„I think so“, sage ich, grinse. Hanna scheint es peinlich zu sein. Sie steht etwas abseits, tut, als gehörte sie nicht zum Gespräch. Eine klasse Strategie, denke ich.
„And the volcano?“, frage ich.
„So far, nothing. Do you want some jam on the waffles?“
„Yes, gladly.“
„Milk in the coffee?“
„Definitely not.“
Wir setzen uns an einen der Holztische vors Café. Wind treibt die Küstenseeschwalben weg von ihren Nestern, die sie im hohen Gras verstecken; nun hängen sie in der Luft, als wären sie dort befestigt; bis eine Böe sie doch aus dem Gleichgewicht bringt.
Die Waffeln, die wir bekommen, schmecken selbstgemacht, was keine Auszeichnung ist. Mit geschlossenen Augen versuche ich mir vorzustellen, dass die Marmelade ebenso aus eigener Produktion ist – doch Erdbeeren habe ich hier bislang nirgends gesehen. Wir zahlen kontaktlos, so tut der Preis weniger weh. Um dem Wind zu entkommen, setzen wir uns in den Duster. Auf Google Maps recherchieren wir ‚Sehenswürdigkeiten‘, filtern nach positiven Bewertungen. Dann sind wir wieder on the road. Das Bluetooth des Autos funktioniert nicht, also bitte ich Hanna den Song ‚Hyperballad‘ von Björk über das Handy abzuspielen. Schnell einigen wir uns darauf, es doch lieber sein zu lassen. Ich habe Björks Musik nie als kitschig empfunden, doch ausgerechnet hier kommt sie mir unerträglich vor. Wir schweigen, fahren, genießen die Ruhe, die leere Straße, das Panorama aus Vulkanen und erstarrter Lava. Dann fliederfarbene Wiesen, im Hintergrund verblauende Bergketten.
„Alaska-Lupine“, liest Hanna von ihrem Handy ab. Sie hat die Angewohnheit, jede Pflanze und Vogelart mit der zugehörigen App zu bestimmen. „Invasiv“, fügt sie hinzu.
„Mmh“, sage ich.
„Nicht interessant?“
„Doch, doch. Ziemlich.“
„Ich frag’ dich irgendwann ab. Also merk’s dir.“
„Alaska-Lupine“, sage ich. „Alaska-Lupine, Alaska-Lupine.“
Kurz vor Selfoss in der Gemeinde Hveragerði fahren wir von der Mainroad ab, wollen ein paar Dinge im ‚Bonus‘ besorgen. Den Supermarkt erkennt man an seinem Markenzeichen, einem lächelnden, pinken Schwein. Immer wenn ich es auf Einkaufstüten, Produkten oder Reklametafeln sehe, bringt es mich zum Schmunzeln. Das Bonus-Schwein hat sich in mein Herz gegraben, wie man so schön sagt. Auf der Einkaufsliste stehen folgende Dinge: Thunfisch, Tomatendose, Nudeln, Frühstück, Kondensmilch. Die Kondensmilch ist eine Angewohnheit von Hanna und mir. Wir trinken sie pur.
Zurück im Duster stellen wir Hypothesen auf über die ungesunde Gesichtsfarbe der Isländer und Isländerinnen, die uns bislang begegnet sind. Liegt es am dunklen Winter, den teuren Früchten, unserer Einbildung? Am Parkplatz am Rand von Hveragerði halten wir. Wir ziehen uns Wanderschuhe an, Jacken über, packen Proviant und Schwimmsachen ein – hier soll es einen heißen Fluss geben und den wollen wir sehen. Immerhin hat er 4,6 Sterne auf Google Maps. Eine Rezension lautet „It's simply beautiful. The scenery is magnificent, and the water has the perfect temperature. You definitely shouldn't miss this!“ Die Parkgebühr ignorieren wir, laufen die ersten Kilometer.
„Besser als die Eifel ist das nicht“, konstatiere ich und fühle mich schlecht, das Offensichtliche ausgesprochen zu haben.
Endlich sehen wir Löcher, aus denen Dampf aufsteigt. Wir laufen hin, schießen Fotos. Eine anthrazitfarbene Flüssigkeit blubbert. Wie kochende Farbe. Schwefelgeruch. Ich bitte Hanna, ein Foto von mir zu machen, schaue mir das Bild an, zeige ihr, aus welchem Winkel sie fotografieren soll. Das Blubbern muss zu sehen sein. Am besten der Moment, in dem die Blase platzt. Aus anderen Löchern klingt es wie aus unterirdischen Wasserkochern. Ich notiere mir den Vergleich für den Fall, dass ich später einen Bericht darüber schreibe. Eine Familie stößt zu uns. Wir bitten sie, ein Pärchenfoto zu machen, zeigen ihnen den richtigen Winkel. „Thanks, mate“, bedanke ich mich. Dann machen wir Fotos von ihnen. Zum Schluss verabschieden wir uns freundschaftlich.
Tatsächlich wird die Landschaft hier immer ansehnlicher. Gehörnte Schafe auf saftig grünen Ebenen zwischen Bergen, die ein schwefeliger, graublauer Fluss durchzieht. An seiner Quelle baden Besucher. Niemand hier lässt seinen Müll liegen. Die Kleidung wird ordentlich auf dafür bereitgestellten Holzplateaus abgelegt. Sich hier nicht biblisch zu entkleiden, fühlt sich falsch an. Trotzdem trage ich Badeshorts, Hanna Bikini. Das Wasser ist, wie in der Rezension beschrieben. Ebenso die Landschaft. Alles wirkt ziemlich magnificent. Eine Frau fragt auf Deutsch, ob sie Fotos von uns machen soll; selbstverständlich revanchieren wir uns. Später bietet sie uns sogar ihren Platz an. Dort ist es noch etwas wärmer. Den Kopf an einen Stein gelehnt schaue ich in den wolkenlosen Himmel.
„Besser als die Harz-Therme“, sagt Hanna.
„Oh Gott, der Harz“, sage ich.
„Ja, wirklich“, bestätigt Hanna.
Als wir aus dem Wasser kommen, dampfen unsere Körper nicht. Zu mild ist der Juli.
„Wenn uns jemand fragt, weshalb wir nach Island sind, sagen wir einfach, dass wir mal wieder neue Fotos brauchten“, meint Hanna.
Ich lache. „Ja, da ist was dran.“
Beseelt und rotwangig kehren wir nach einer Stunde zum Parkplatz zurück.
„Fünfzehn Euro für drei Stunden.“ Ich schüttele den Kopf. „Eine Unverschämtheit.“
Zum Glück lächelt mich in diesem Moment das Bonus-Schwein einer fremden Einkaufstüte an, lässt mich meinen Unmut vergessen. Wie niedlich es ist, so dick und glücklich.
Da wir noch Zeit vom Tag übrig haben, besuchen wir zwei Wasserfälle und einen Geysir. Schön ist die Landschaft schon. Allein heute habe ich über zweihundert Fotos geschossen. Manchmal frage ich mich, was eigentlich damit passieren soll, wer sie sich ansehen wird, was von alledem bleibt.
Hanna sucht einen Campingplatz bei Selfoss raus. Die Bewertungen sind okay, etwas Besseres scheint es in der Gegend nicht zu geben. Nachdem wir das Zelt aufgebaut haben, setzen wir uns in den Gemeinschaftsraum. Dort essen wir Nudeln mit Thunfisch-Tomatensoße, laden die Powerbank auf. Zum Nachtisch gibt es je eine Tassenportion Kondensmilch. Morgen wollen wir den Duster stehenlassen, mit einem Offroad-Bus nach Landmannalauga ins Landesinnere reisen. Die Tickets sind bezahlt. Heiße Quellen, bunte Berge, ein erloschenes Lavafeld. Das kostet zweihundert Euro. Nur die Bustickets. Während Hanna duscht, sichte ich die Bilder des Tages. Ich entscheide mich für ein Foto von Hanna, mir und dem Schwefelloch. Aus der Perspektive sieht es aus, als würde die Blase direkt über unseren Köpfen zerplatzen.
An sieben Leute sende ich das Foto, dazu eine Nachricht. ‚Tolle‘, nein, ‚Großartige Landschaft‘. Ich lösche alles, formuliere neu. ‚Bisher top‘, nein. ‚Es geht uns top …‘ Ja, das ist es, ‚Es geht uns top …‘. Erledigt. Um mich zu belohnen, öffne ich die Nachrichten-App. Zuerst die Wettervorhersage, dann die Schlagzeilen. Erdoğan steht Schwedens Nato-Beitritt nicht mehr im Weg. Etwas Gutes. Tarifverhandlungen. Als ich weiter durch die Schlagzeilen scrolle, entdecke ich es. Wie eine Nebensächlichkeit wird es hier verkauft. „Vulkan auf Island ausgebrochen“ – und das schon vor ein paar Stunden. Ein fünfhundert Meter langer Riss, der durch die Erde geht. Bilder von Lava und Asche. Mit versteinertem Gesich überfliege ich die Zeilen. Zweihundert Euro für Bustickets am Arsch.
„Er ist ausgebrochen“, murmle ich, als Hanna von den Duschen kommt. Sie bleibt stehen. Der Frotteeturban auf ihrem Kopf kippt, doch mit der Hand hält sie ihn auf.
„Aber nicht mehr heute.“
„Doch“, sage ich. „Er ist ja nicht erst morgen ausgebrochen.“
„Aber wir gehen da heute nicht mehr hin.“
„Wieso?“
Hanna zeigt auf ihre imaginäre Armbanduhr. „Morgen.“
„Morgen ist sicher alles gesperrt“, sage ich.
„Dann ist es besser so.“
Ich kenne diesen Moment, weiß, dass die Diskussion hier strandet.
„Außerdem: was ist mit Landmannalauga?“
„Wegen der zweihundert Euro?“, frage ich.
Hanna verdreht die Augen. „Ist doch übereilt.“
„Nein, Hanna, das ist eine Gelegenheit. Da muss man handeln.“
„Wir gehen da heute jedenfalls nicht mehr hin“, sagt sie. „Fertig.“
Beleidigt klaube ich das Geschirr zusammen, gehe abwaschen.
Später im Zelt vertragen wir uns wieder. Ich gebe ihr ein-, zweimal recht, Hanna gesteht ein, dass auch sie nichts verpassen will.
„Nach Landmannalauga fahren wir sofort hin“, verspricht sie.
„Und wenn alles dicht ist?“
„Na, dann soll es einfach nicht sein.“
„Dann soll es nicht sein“, wiederhole ich und wiederhole es noch ein paar Mal leiser und leiser, bis ich einschlafe.

„Ich habe nicht vom Vulkan geträumt, du?“, frage ich.
„Nein. Nur von Amanda.“
„Wer ist noch mal Amanda?“
„Die Oberärztin.“
„Ach so“, sage ich. „Ist doch ein gutes Zeichen. Vielleicht ist der Vulkan doch nicht so wichtig.“
„Vielleicht“, sagt Hanna.
„Ich habe auch nicht gelesen, dass er gesperrt wäre oder so.“
„Also haben wir alles richtig gemacht?“
„Richtig.“
Das Kaffeepulver in unseren Bechern gieße ich mit heißem Wasser auf. Schon die ersten Schlucke stabilisieren; lassen mich wieder empfinden, dass wir uns nicht auf einem Campingplatz, sondern auf einem Campingplatz in Island befinden. Jetzt habe ich wieder Lust. Wir essen ‚Havrefras‘ mit Milch.
„Ist das nicht lustig, dass dieses Zeug Haferfraß heißt?“, frage ich.
„Nicht wirklich lustig“, erwidert Hanna kauend.
Still löffeln wir den Havrefras. Hinterher gieße ich mir noch etwas Milch nach.
Als wir fertig sind, packen wir das Nötigste zusammen, laufen zur Bushaltestelle. Dort wartet bereits eine Touristin. Aufgrund ihrer Lowa-Schuhe vermute ich Deutschsprachigkeit. In Kürze erfahren wir, dass sie aus Schleswig-Holstein kommt, auf einer Farm mit Islandponys arbeiten will, Dänisch spricht, glaubt, dass es schön sein wird in Landmannalauga, dass Island teuer ist. Ich bekomme Angst, dass sie sich an uns kletten will. Da spreche ich aus Erfahrung. Ich weiß, wie es ist, allein zu reisen. Jede Gesellschaft ist einem recht. Nur habe ich persönlich keine Lust, ihr diese Gesellschaft zu sein.
„Na ja, wir werden uns sicher in Landmannalauga über den Weg laufen“, sage ich.
Zum Glück fährt in diesem Moment der Bus ein. Er ist kleiner als erwartet. Aber das ist okay. Wir zeigen unsere Tickets vor, verstauen die Rucksäcke, steigen ein. Die anderen Touristen, die wohl aus Reykjavik kommen, mustern uns; freie Sitzwahl gibt es nicht. Das passt mir; so kann ich Nachrichten schreiben, Bilder versenden. Hanna wird abwechselnd staunen, über das Panorama und über die Pflanzen, die sie im Vorbeifahren bestimmt, und sie wird gedanklich im Krankenhaus sein, in dem sie in zwei Wochen wieder steht, Blut abnimmt, zu den mitunter rassistischen Bemerkungen der Oberärztin schweigt, darum kämpfen muss, überhaupt etwas lernen zu dürfen – kurz vor der Anreise hat sie zum ersten Mal eine Pleurapunktion durchführen können; über ihren Urlaub war auf der Station selbstverständlich keiner begeistert. Sie wird versuchen, ihre Gedanken beiseitezuschieben, doch unbewusst werden sie bleiben, an der Oberfläche kratzen, sie schließlich doch wieder heimsuchen. Der Wagen rollt. Rollt die Straße von Selfoss entlang, hinaus in eine Landschaft aus erstarrtem Tuff, Wiesen mit Hahnenfuß, Wollgras und Alaska-Lupinen, verblauenden Vulkanen im Hintergrund, Küstenseeschwalben, Bekassinen und Trauerschnäppern. Noch einmal halten wir, dann verlassen wir die Mainroad.
Nach anderthalb Stunden wache ich auf; jemand tippt mir gegen die Schulter. Vor uns kommt ein Bus nicht weiter; wir müssen aussteigen. Seitlich der Straße filmen Touristen das Spektakel. Alle wirken zufrieden. Als der Busfahrer den Wagen endlich mit einem Manöver befreit, applaudieren sie. Auch ich klatsche zum Spaß. Inzwischen ist auf der Anhöhe ein Bergungsfahrzeug erschienen. Ein Toyota, dessen Reifen an die eines Traktors erinnern. Seine Hilfe wird nicht mehr benötigt. Doch ein Foto ist mir der Wagen wert. Ich schieße es aus der Froschperspektive, so wirkt er größer. Andere folgen meinem Beispiel. Dann geht die Fahrt weiter; durch Canyons, die wie schlecht designte Computerspiele anmuten. Keine Bäume, nur perfekte, mit einer dünnen Schicht silbernem Moos überzogene Berge, hin und wieder ein mäandernder Fluss. Als wir durch eine metertiefe Furt fahren, das Wasser an den Seiten hochspritzt, habe ich die zweihundert Euro vergessen. Vor uns im Schatten eines Lavafeldes liegt ein Basecamp: einfache Hütten, ein Parkplatz, Zelte. Wir sind da. In Landmannalauga.
„Wie war die Fahrt?“, fragt die namenlose Frau aus Schleswig-Holstein. Ohne zu antworten, ziehe ich meinen Rucksack und dann den von Hanna aus dem Kofferraum des Busses. Als ich etwas sagen will, hat Hanna schon die Initiative ergriffen. Also erkundige ich mich beim Busfahrer, wo es hier Kaffee zu kaufen gibt. Er zeigt auf einen liebevoll umgebauten Schulbus, in dem ein LED-Schild blinkt – ‚open‘. Ohne einen Fuß hineingesetzt zu haben, weiß ich, dass der Kaffee dort neun Euro kostet.
„Habt ihr mitbekommen, dass der Weg frei ist?“, fragt die Frau aus Schleswig-Holstein.
„Wie bitte?“
„Hier“, sie hält mir ihr Smartphone hin.
Ein Blog-Artikel, das Datum stimmt. Der Titel: ‚Fagradalsfjall: Zugang wieder offen‘. Ich erspare mir die Lektüre, nehme an, dass sie den Text gelesen hat.
„Das ist unglaublich“, sage ich.
„Wollt ihr da etwa auch hin?“, fragt sie.
Ich nicke. Meine Haltung ihr gegenüber hat sich schlagartig verändert. Ohne sie hätten wir die Neuigkeit nicht erfahren, wenngleich wohl früher oder später von anderer Stelle. Dennoch empfinde ich so etwas wie Dankbarkeit.
Hanna räuspert sich. „Unsere Rückfahrt ist morgen.“
„Heute würde aber noch ein Bus fahren“, sage ich.
„Nach dieser Tour?“, fragt die Schleswig-Holsteinerin.
„Ein Glück“, sagt Hanna. „Es gibt noch normale Menschen.“
„Letztes Jahr konnte man den Vulkan ein halbes Jahr lang sehen. Kein Grund zur Eile.“
„Wenn das so ist“, sage ich. Tatsächlich beruhigt mich das.
Diesmal verabschiedet sie sich von uns. Nicht mal eine vage Verabredung. Nur ein unverbindliches ‚Viel Spaß‘. Kurz frage ich mich, ob sie nicht doch eine gute Ergänzung unseres Zweiergespanns gewesen wäre.
„Die war ganz okay“, sage ich.
„Ja“, sagt Hanna.
Wieder allein machen wir uns auf die Suche nach der Rezeption. Wie überall, können wir auch hier kontaktlos zahlen. Eine Frau mit Landmannalauga-Pulli fragt uns, wie lange wir wandern wollen, zeigt uns die gängigen Routen auf einer Umgebungskarte.
„My personal favorite tour is this one.“ Mit einem Bleistift setzt sie ein Kreuz in die Karte. „It's usually a bit less crowded.“ Unweigerlich denke ich an die Schuhgeschäfte, in denen das Personal ausgerechnet immer die Schuhe, die man gerade anprobiert, selbst zu Hause hat. Zumeist sind es auch zufällig ihre Lieblingsschuhe. Bei mir zieht dieser Trick.
Ich greife nach der Karte, doch die Frau hält ihre Hand darauf. Noch einmal piept das Kartenlesegerät; dann gehen wir, sollen uns einen Zeltplatz aussuchen.
Der Wind ist hart, der Boden fest. Einen Hering bekommen wir nicht in die Erde. Wir legen Steine auf die Leinen. Es ist 16:43 Uhr als wir gehbereit sind. Aus der Vorratstüte, die das Bonus-Schwein zeigt, nehmen wir uns je einen Müsli-Riegel. Sie schmecken nach Himbeerjoghurt. Zweihundert Kilometer entfernt schießen Lavafontänen in die Höhe, schreiben Mutige Geschichte. Doch wir hängen rum. In Islands schönster Berglandschaft hängen wir rum.
„Na, dann los“, sage ich.
Hinter der Rezeption startet der Laugavegur, der Weg der heißen Quellen. Eine Gruppe von etwa zwanzig Menschen ist vor uns, der Pfad schmal. Wir trotten hinter ihnen her, hören ihre enthusiastischen Gespräche in American English. In einer Biegung überholen wir sie. Ringsum erstarrte Lava, Auftürmungen, Splitter, eingebettet in einen Fluss aus schwarzem Gestein. Über einen Kilometer lang folgen wir seinem Ursprung. Aus dem Nichts muss er entstanden sein. Dahinter eine grüne Weite, Wollgras wie Wattetupfer verstreut. Ich notiere den Vergleich. Die Felsen hier haben grünes, oranges, rotes, sogar blaues Gestein. Manchmal alles zugleich. Hinterm Grün ein verzweigtes Adergeflecht, ein Fluss, dessen Furchen aus dem Boden zu brechen scheinen. Eine kalte Sonne blitzt darin. Ein ferner Wasserfall. Unecht, virtuell, aber schlampig designt. Kein Baum, kein Busch. Nur Wiese, Fels und Wasser. Wir wollen sie fotografieren. Bild für Bild. Doch die Farben stimmen nicht. Die Augen geben sie anders wieder. Ich drehe am Filter; nichts. Wir werden diese Bilder niemandem zeigen können.
„Das ist lächerlich schön“, sage ich.
„Wie heißt diese Pflanze?“, fragt Hanna und zeigt auf die Wattebäusche.
„Wollgras“, sage ich. „Das ist Wollgras.“
Im Laufen denke ich darüber nach. Ist das wirklich ‚Wollgras‘? Ich meine, ‚Wollgras‘ ist doch nur ein Begriff. Was also ist das? Der Gedanke macht mir Angst.
„Ist dir aufgefallen, dass wir völlig allein sind?“, fragt Hanna.
Ich schaue mich um; sie hat recht.
„Das ist nicht gut“, sage ich.
„Was?“
„Ach, nichts.“
Das Aderwerk aus schlängelnden Flüssen besteht aus meterbreiten Hindernissen, wenn man erst davor steht. Mit Steinen, die wir ins Wasser werfen, behelfen wir uns, schaffen Furten. Die Füße werden trotzdem nass.
„Nicht gut imprägniert“, sagt Hanna.
Ich merke, dass ihr etwas Sorgen bereitet. Vielleicht ist es, dass etwas am Plan nicht stimmt und wir nicht wissen, was. Ein kleiner Fehler, der sich eingeschlichen hat.
„Es geht mir nicht gut“, sagt sie.
„Sollen wir zurück?“
„Nein.“
„Aber wenn es dir nicht gut geht.“
Sie läuft schneller, hält sich eine Hand vor den Bauch; ich kann ihr Gesicht nicht sehen.
Der Weg führt am Wasserfall entlang. Je näher ich komme, desto lauter das Plätschern. Wasser, das auf Wasser schlägt. Es gluckst, ich meine eine Frequenz zu hören. Etwas Harmonisches. Ein leises Summen. Ich schaue ins aufgewühlte Wasser. Sollte hier tatsächlich jemand sitzen und singen? Doch es ist nur der Wasserfall, das Schäumen und dumpfe Trommeln. So müssen die Geschichten von Feen und Nixen entstanden sein. Ihr Gesang hat etwas Lockendes, zugleich Ängstigendes, Böses. Wie der Anblick eines Schwarzen Lochs. Ich notiere den Vergleich.
Stumm erklimmen wir den Trichter. Ein schmaler Pfad. An jeder Biegung ändert sich der Blick auf die Landschaft. Erst erinnert der Hang an eine Wüste, dann an einen roten Canyon, wieder sehen wir das grüne Tal, das Netz silbriger Furchen, die irgendwo dem Berg entspringen. Hanna bleibt stehen.
„Ist es besser?“, frage ich.
Sie nickt, holt ihr Handy raus, um ein Foto zu machen.
Auch ich bringe mich in Position.
„Ich hab’ noch eine Ibu“, sage ich.
„Schon okay. Nur eine Kolik.“
Wir fotografieren und entspannen. Von hier aus kann man sehen, wie die Lava einst als zäher Fluss über das Tal gerollt sein muss.
„Selbstauslöser?“, fragt Hanna.
„Klar“, sage ich.
Fünf Minuten lang nestelt Hanna am Rucksack herum, bis das Handy drapiert ist und den richtigen Ausschnitt zeigt. Wir nehmen zwei Anläufe.
„Jetzt mal richtig grinsen“, sage ich. „So übertrieben.“
Wir grinsen heftig. Machen noch ein Foto zur Sicherheit.
„Das mit dem Grinsen ist nicht schlecht“, sagt Hanna. „Sieht fast natürlich aus.“
„Aber die Berge kommen nicht rüber. Ich glaube, da bräuchte man ein Teleobjektiv.“
„Stimmt“, sagt Hanna. „Das wirkt alles so klein.“
„Ist verrückt, wie groß das ist, oder?“, frage ich.
„Ja, verrückt.“
Was die Fotos angeht, sind wir für ein paar hundert Meter gesättigt. Als wir eine der Bergzinnen erklettern, nehme ich ein Panoramabild auf. Hier geht es wieder talwärts. Noch eine Stunde, berechne ich grob. Eine Gratwanderung zwischen Betten aus Silbermoos führt uns in eine blutrote Schlucht. Ohne nachzudenken, werfe ich mich ins Moos. Es federt den Sturz wie eine Matratze.
„Invasiv“, sagt Hanna.
„Das Moos?“, frage ich.
Hanna nickt, macht ein Bild von mir.
Auf der anderen Seite der Schlucht liegt ein See mit grüner Insel.
„Bildschirmschoner“, bemerke ich.
Hanna nickt. „Wollen wir dann?“
„Klar, lass uns ins Camp gehen.“
Wir verlassen den Ort, ohne ein Foto gemacht zu haben. Vielleicht sind wir müde, vielleicht haben wir es einfach vergessen. Der letzte Kilometer zehrt. Endlich stoßen wir auf die Piste. Ein Jeep fährt vorbei, wirbelt Staub auf. Das Camp liegt vor uns. Dahinter das namengebende Bad. Landmannalauga, die heiße Quelle der Landmänner. Schnell holen wir die Badesachen aus dem Zelt, folgen dem Holzsteg. Etwa dreißig Menschen hocken dort zusammen. Wir gesellen uns zu ihnen; sie trinken Leichtbier aus goldenen Dosen. Das Wasser hat vielleicht 44°. Je nachdem, wo man liegt. Eine gute Gelegenheit verschafft uns einen Platz in Quellennähe. Wir genießen es. Die Abendsonne lässt den Fels Schatten zeichnen. Kleine Strukturen, die Kontrast geben. Der Blick entgleitet, die Lider schließen sich.
„Ist es okay, wenn ich das Handy hole?“, fragt Hanna.
„Klar“, antworte ich, ohne die Augen zu öffnen. Ich höre sie aus dem Wasser gleiten, fühle den kühlen Wind auf der Haut. Bis sie wiederkommt, lausche ich fremden Gesprächen.
Das Handy fest im Griff machen wir ein Selfie und noch eins zur Sicherheit.
Tief entspannt kommen wir aus dem Wasser. Nicht einmal aussprechen müssen wir das. Schweigsam bereiten wir unser Abendessen zu. Nudeln mit Thunfisch-Tomatensoße. Zum Nachtisch je eine Tassenportion Kondensmilch. In dieser Nacht schlafen wir fest, während draußen der Wind pfeift.

„Where can you get the best view of Brennisteinsalda?“, frage ich die Frau im Rezeptionshäuschen. „I mean, from where can you see it entirely?“
Sie überlegt, nimmt ihren Bleistift. Ich schiebe ihr unsere Karte unter.
„I think you get a good view from the main route. But you could also take this path.“ Sie setzt ein Kreuz.
„Thanks a bunch. You know, I'm quite fascinated by this rock“, sage ich und lächle.
„Ah, really?“
„Yeah, it's quite beautiful.“
Ich deute eine Verbeugung an, immerhin war diese Information gratis. Wir gehen. Bis 15:30 Uhr haben wir Zeit. Dann fährt der Bus. Wenn alles gut läuft, werden wir direkt weiterfahren. Vielleicht werden wir noch heute sehen, was immer es dort zu sehen gibt. Doch zunächst werden wir noch einmal mit diesem Lavafeld vorliebnehmen. Da ich es von oben gesehen habe, weiß ich, dass es wie ein Labyrinth aufgebaut ist. Das Bild zeichnet sich auf der Netzhaut ab. Schon jetzt ist mir die Landschaft vertrauter. Ich sehe sie anders. Fotos machen wir diesmal keine. Dort, wo die Lava aufs Tal trifft, laufen wir südwärts. Am Aufstieg zum Brennisteinsalda, dem bunten Berg, dringen Dämpfe aus den Felsritzen. Wie aus einem undichten Maschinenkessel, denke ich, notiere den Vergleich. Schwefelgeruch. Verfärbungen an den Austrittslöchern. Als wir den Fotospot erreichen, bricht der Himmel auf, bringt die Farben des Berges zum Leuchten.
„Perfekt“, sage ich und suche den Ausschnitt.
Ein Mann mit rundem Hut nimmt ein Pärchenbild von uns auf.
„Make sure Brennisteinsalda is fully captured in the picture. You can cut off our legs“, bitte ich den Mann.
Er zeigt uns das Foto, wir sind zufrieden.
„Could you also take a picture of me, please?“, fragt er. „You can also cut off my legs.“
„With pleasure!“
Während wir den Berg besteigen, ist er nicht vollständig sichtbar. Das ist logisch, kommt mir in diesem Moment aber paradox vor. Also überlege ich, wie es wäre, den Blick vom Körper zu lösen. Eine Drohne oben, vorne, hinten. Ich könnte die Perspektive wechseln wie in einem Computerspiel. Aber ob das mit der Steuerung gehen würde? Auf dem Gipfel sitzt eine alte Frau in bunten Sportleggings. Sie verschnauft. Als wir vorbeigehen, schaut sie uns zerknirscht an; wir nicken ihr zu. An einem Platz mit Talblick trinken wir jeweils eine Tassenportion Kondensmilch und nagen an ein paar Himbeerriegeln.
„Das ist es doch“, sage ich.
„Was?“, fragt Hanna.
„Na, das hier.“ Ich mache eine ausschweifende Bewegung. „Jetzt können wir quasi sterben.“
„Ist das dein Ernst?“
„Nein. Aber das sagt man so.“
„Hab’ ich noch nie gehört“, sagt Hanna.
„Na, dann hab ich’s nicht so gemeint.“
Die Plastikverpackungen stecken wir in die Hosentaschen. Vor uns liegt der Abstieg. 12:19 Uhr. Es kostet uns nichts; wir sind fit. Bereits gegen halb zwei sind wir wieder im Camp. Zeit, um noch einmal umsonst ins heiße Wasser zu gehen. Auf dem Steg kommt uns die Schleswig-Holsteinerin entgegen. Ich hatte sie bereits vergessen.
„Wie war’s bei dir?“, fragt Hanna.
Wir erfahren, dass sie einen anderen Weg genommen hat. Weder den Brennisteinsalda noch das saftige Tal scheint sie gesehen zu haben.
„Sagt mal, wolltet ihr nicht auch zum Vulkan?“
„Ja“, sage ich.
„Habt ihr zufällig ein Auto in Selfoss?“
„Klar“, sagt Hanna. Ich beiße die Zähne zusammen.
„Es ist sehr voll“, sage ich.
„Könntet ihr mich vielleicht mitnehmen? Ich meine, nur das Stück.“
„Selbstverständlich“, sagt Hanna.
„Toll. Dann sehen wir uns gleich am Bus?“
„So wird es sein“, sage ich.
Wir verabschieden uns.
„Warum hast du sie eingeladen?“, frage ich Hanna.
„Jetzt sei mal nicht so. Die ist doch nett.“
„Ja, nett“, sage ich.
Ich überhole Hanna, laufe voraus. Ist doch klar, wie das abläuft. Erst wird sie uns stundenlang irgendwelche Geschichten von Schleswig-Holstein erzählen und dann sollen wir sie zum Dank auch auf dem Rückweg mitnehmen. Hinterher bringen wir sie noch zur Ponyfarm und zum Schluss tauschen wir Nummern aus, die niemals angerufen werden. Ich kenne das. Aber meinetwegen. Das Wichtigste ist nur, dass wir heute noch den Vulkan sehen.
Das heiße Wasser beruhigt mich etwas.
„Du hast eigentlich recht“, sage ich.
„Na ja, aber ganz unrecht hast du auch nicht“, sagt Hanna.
Um den Bus nicht zu verpassen, gehen wir pünktlich aus dem Wasser. Zwanzig Minuten vor Abfahrt stehen wir bereit. Auch andere Deutsche sind da. Die Schleswig-Holsteinerin kommt zu uns. Da ich zufällig noch einige Nachrichten schreiben muss, unterhalten Hanna und sie sich. Ich stelle mich abseits. Nicht so weit, dass es unfreundlich wirkt, aber weit genug, damit ich ihrem Gespräch nicht folgen muss.
Diesmal haben Hanna und ich einen Platz nebeneinander. Die Schleswig-Holsteinerin sitzt weiter hinten.
Das ist nett von ihr, finde ich.
„Was habt ihr denn so beredet?“, frage ich.
„Dies und das“, sagt Hanna. „Sie ist schwanger.“
„Wie bitte?“
„Ja, sie überlegt, ob sie das tun soll mit dem Vulkan. Vielleicht fährt sie auch nach Reykjavik weiter.“
„Natürlich fährt sie mit uns“, sage ich. „Als ob sich jemand so etwas entgehen lässt.“
„Sie ist schwanger“, sagt Hanna.
„Ja, vielleicht hast du recht.“
„Aber vielleicht hast auch du recht“, sagt Hanna.
„Wer weiß.“
Während Hanna sich konzentriert, damit ihr nicht übel wird, macht mich die schunkelige, kurvenreiche Fahrt müde. Wie bei einem Säugling, der im Kinderwagen schaukelt. Ich schaffe es nicht, den Vergleich zu notieren; investiere meinen letzten Gedanken darauf, mich später noch einmal daran erinnern zu wollen.
„Aufwachen.“
„Sind wir da?“
Ich sehe eine Tankstelle, einen Kentucky Fried Chicken. Es ist Selfoss.
Erst als der Bus abgefahren ist, fällt mir auf, dass die Schleswig-Holsteinerin fehlt.
„Sie wollte nicht mit?“, frage ich.
„Wegen des Kindes.“
Ich nicke, finde es insgeheim schade. Weshalb, weiß ich nicht. Vielleicht die Müdigkeit.
„Ich würde mich hinreißen lassen, noch beim KFC zu essen“, sagt Hanna.
Wir holen das Auto, berechnen den Fahrtweg. Vor neun werden wir nirgendwo sein und Hunger habe ich auch. Also fahre ich vor; sogar einen Drive-in gibt es hier. Als wir die Stadt verlassen, riecht das Auto nach Hühnerfleisch und Fritteuse. Wir haben so viel bestellt, dass noch etwas für die Wanderung übrig ist. Keine Kosten haben wir gescheut. Sogar einen extra Becher Mayonnaise und einen mit Barbecuesauce habe ich für umgerechnet etwa fünf Euro bekommen. Es ist der besondere Anlass. Man isst nur ein Mal am Vulkan. Jetzt fahren wir. Gelegentlich genehmige ich mir einen Schluck Pepsi. Doch immer schaue ich gewissenhaft auf die Fahrbahn. Neunzig Stundenkilometer sind erlaubt. Ich fahre im Schnitt dreiundneunzig.
Je näher wir unserem Ziel kommen, desto mehr nimmt Hannas Abenteuerlust ab. Gelegentlich tunkt sie eine Pommes in die Mayo. Schweigsam ist sie geworden. Doch ich spreche es nicht an. Nicht, dass sie noch auf falsche Gedanken kommt, mich da reinzieht. Nein, ich lasse mir das nicht ausreden. Zur Not bringe ich sie eben zum Campingplatz. Soll sie dort den Gesang der Vögel bestimmen, während ich meine Pommes in den Vulkan tauche.
„Du willst kneifen“, sage ich, als ich es nicht mehr aushalte.
„Ich weiß einfach nicht, ob es sicher ist.“
„Was ist schon sicher, Hanna? Kein Abenteuer.“
„Ja, du hast recht.“
„Andererseits kann ich dich verstehen“, sage ich schnell.
„Aber du hast recht“, sagt Hanna.
„Aber ich kann dich auch verstehen.“
Seit einigen Kilometern folgen wir einem schwarzen Landcruiser.
„Da weißt du aber, wo der hin will“, sage ich.
„Meinst du?“
„Klar. Das wird mit etwas Glück unsere Wandergruppe. Ich wünschte, wir hätten doch die Schleswig-Holsteinerin dabei.“
„Glaubst du etwa, wir sind dort alleine?“, fragt Hanna. Ich meine, einen Bruch in ihrer Stimme zu hören.
„Ja, ich glaube leider, das ist so. Um die Uhrzeit ist da kein Schwein mehr.“
„Finde ich gruselig“, sagt Hanna.
„Wenn du willst, lasse ich dich beim Campingplatz raus. Du musst nur etwas sagen.“
Hanna schweigt. Die Digitalanzeige schaltet um, zeigt drei Nullen. 10:00 Uhr.
„Ist das Mut oder Unentschlossenheit?“, frage ich.
Der Landcruiser vor uns setzt seinen Blinker.
„Ich hab’s doch gewusst.“
„Dahinten sind Autos“, sagt Hanna. „Aber das ist nicht mal der Parkplatz.“
Im dritten Gang holpere ich durchs Gelände, schalte hoch, trete durch. Steine knirschen. Hinter der Biegung sehen wir es. Ein Parkplatz, der bis zum Horizont reicht. Hunderte Autos. Dicht an dicht gedrängt. Es wimmelt vor Menschen. Dazwischen Bergungsfahrzeuge, die abwechselnd blau und rot blinken. Ein Polizist winkt uns weiter, deutet auf den hinteren Bereich des Parkplatzes, den wir von hier aus nicht sehen können. Alte Frauen und Männer, Kinder mit ihren Eltern, Pärchen wie wir. Sie kommen uns entgegen.
„Bist du jetzt beruhigt?“, frage ich.
„Ich hätte nicht gedacht, dass so viele Leute hier sind. Ja, es beruhigt mich.“
Wo der Weg endet, erstreckt sich eine Wiese. Dort gibt es noch freie Plätze. Wir sehen einen Camper mit deutschem Kennzeichen. Ein Pärchen, das sich ihre Lowa-Schuhe schnürt. Ich meide ihre Blicke, lasse eine Parklücke zwischen uns und ihnen. Wir halten. In einem Zug trinke ich den Rest Pepsi aus, sauge am Strohhalm, bis er leer zieht.
„Jetzt freue ich mich“, sagt Hanna.
„Ich mich auch.“
In unsere Rucksäcke packen wir Burger, Hühnerfleisch und Pommes, Kondensmilch, Wasser und Blasenpflaster. Am Eingang des Treks spricht uns ein Mann in Warnweste an. Er fragt, ob wir genug zu trinken haben, die richtige Kleidung, etwas zu essen.
„Yes, we have some food with us“, sagt Hanna.
Er lässt uns passieren. Zum Glück gibt es hier keine wilden Tiere. Vermutlich riechen wir mehr nach Hühnchen, als wir uns vorstellen können.
„Ich kann es nicht fassen, dass wir das tun“, sage ich.
Hanna zieht mich am Handgelenk; gibt mir einen Kuss.
Es ist ein kontinuierlicher Strom aus Menschen, in dem wir uns in Richtung Vulkan bewegen. Dennoch kommen uns mehr Personen entgegen. Große Väter mit Basecaps und Muscleshirts, die ihre schlafenden Kinder auf den Schultern tragen, den kleinen Rucksack auf der Brust. Mütter in taillierter Sportswear, tätowiert, ein Kind an der Hand, auf den Schultern. Eine Gruppe Läuferinnen mit scharfen Gesichtszügen, kein Tropfen Schweiß auf ihrer Stirn. Mountainbiker mit Motocrosshelmen. Schwitzende Alte, nörgelnde Kinder. Hinter den Hügeln eine Rauchschwade, die vom Abendlicht in Gold und Rot getaucht ist. Gelegentlich machen wir ein Foto. Als würde der Rauch aus unseren Köpfen steigen. Hin und wieder sehen wir Leute mit Gas- und Atemschutzmasken. Die Luft riecht anders als erwartet. Nicht nach Schwefel, nach Lagerfeuer. Außer FFP2-Masken haben wir nichts, um uns zu schützen. Als der Nebel dichter wird, beginnen einige Leute zu husten. Ich spüre es vor allem in den Augen. Sie brennen und tränen. Doch dann lichtet es sich wieder. Ein Bergungsfahrzeug kommt uns entgegen. Ich schieße ein Foto, schicke es an etwa fünf Leute. Man sieht den Rauch im Hintergrund aufsteigen. Ein Gefühl sagt mir, dass es das erste gute Bild ist, dass ich seit unserer Anreise aufgenommen habe. Hanna hat sich abgesetzt. Gelegentlich drehe ich mich nach ihr um. Etwas trägt meine Füße, sie kommen mir leichter vor als sonst. Um 11:36 Uhr nehme ich ein Foto von meiner Armbanduhr auf, den bunten Rauch im Hintergrund. Die Sonne wird gleich verschwunden sein; doch hell wird es bleiben und in ein paar Stunden wird sie wieder da sein.
Um 11:59 Uhr erreichen wir eine Barriere. Hier stehen Bergungsfahrzeuge unterschiedlicher Größen mit eingeschalteten Warnleuchten. Einsatzkräfte unterhalten sich, trinken Kaffee. Sie lassen uns durch. Silbermoos zu unseren Seiten. Rauch am Horizont. Als wir den Punkt erreichen, sehen wir einen Krater in weiter Ferne. Er spuckt Lava. Genaueres erkennen wir nicht. Ein leuchtender Fluss entspringt ihm. Eine Linie aus Rauch trennt den schwarzen Westen vom silbernen Osten, auf dessen Pfaden wir gehen. Ein Kriechbrand, der das Moos verzehrt.
„Dass man das alles sieht, hätte ich nicht gedacht“, sage ich.
„Jetzt können wir wirklich sterben“, erwidert Hanna.
Ich hopse, um Energie loszuwerden. Die nächstbeste Person macht Fotos von uns. Wir sind nicht wählerisch, wir sind hier. Darum geht es. Nicht primär um das Foto. Ich renne vor, wieder zurück. Auf einem Hügel sitzen Leute. Wir sehen ihre Silhouetten. Sie fotografieren, essen, beobachten den Krater, der jetzt so groß ist wie der Daumen meiner ausgestreckten Hand.
„Lass uns auch was essen“, sagt Hanna.
„Ja“, sage ich. „Lass uns was essen.“
Neben uns baut eine Frau ihr Stativ auf. Ein Mann räumt seinen Platz und wir füllen die Lücke. Hier sitzen wir am höchsten Punkt, sehen den Krater ganz deutlich. Als ich mein Crispy Chicken in die Barbequesauce dippe, tue ich, als würde ich es im Vulkan versenken. Scharf und vollkommen schmeckt es; nur im Abgang erinnert es an Hühnchen.
„Dort verläuft der Lavastrom“, sagt Hanna und deutet mit einem Knochen vom Krater zum Ende des glimmenden Streifens. Der Qualm, der sich über dem Lavafluss erhebt, ist rosa gefärbt. Drohnen summen in der Luft.
„Wenn du hier so ein Teil hast, bist du glücklich“, sage ich.
„Meinst du, wir kommen noch näher ran?“, fragt Hanna.
„Vielleicht. Dort hinten sind jedenfalls Leute.“
„Aber an der Linie ist Schluss, oder?“
„Klar“, sage ich. „Da brennt es ja.“
Mit Steinen im Magen laufen wir zur rauchenden Linie. Menschen mit Profikameras knien und liegen im Moos. Ständig fragt jemand, ob wir ein Foto machen können. Immer näher kommen wir dem Krater. So groß wie meine Faust ist er jetzt. Ich sehe, wie er flüssiges Gestein nach oben schleudert.
„Da sind Leute“, sage ich und zeige auf den schwarzen Bereich hinterm Rauch.
„Die sind ja verrückt“, murmelt Hanna.
„Ich geh’ da jetzt auch hin“, sage ich. „Du kannst gerne hier bleiben.“
„Mach das nicht.“
„Doch.“ Ohne zu warten, gehe ich auf die Linie zu. Dort glimmt das Silbermoos. Es stinkt nach Feuer. Ich setze meine Maske auf, trete durch den Qualm wie durch einen Vorhang. Den Vergleich versuche ich mir einzuprägen. Schon zehn Meter dahinter ist die Luft halbwegs klar. Ich winke Hanna, sie soll kommen; doch sie kreuzt die Arme vor ihrem Gesicht. Also drehe ich mich um und laufe weiter, durch den nächsten Vorhang aus Qualm. Dahinter sehe ich Leute. Also bin ich nicht allein. Der Krater ist nun so groß wie mein Arm. Jetzt kann ich die Lava vom schwarzen Geröll perlen sehen, die glühenden Fetzen, die er über sich wirft. Ich höre sein Grollen, spüre die Erde unter mir beben. Angst habe ich nicht, es ist Ehrfurcht. Immer näher komme ich, fühle den Sog. Nicht mal besonders warm ist es. Etwa sechzig Meter bis zum Vulkan. Ein Mann mit Fotostativ ruft einer Frau Regieanweisungen zu. In einem weißen Kleid steht sie dort auf einer Erhebung aus Tuff. Sie räkelt sich, während der Vulkan glühendes Gestein in die Höhe und auf den Kraterrand spuckt.
„Alright. Now, try something else“, ruft er ihr zu.
Ich mache ein Foto von ihnen. Es fühlt sich an wie das zweite gute Bild, dass ich auf dieser Reise aufnehme. Als ich mich umdrehe, sehe ich Hanna auf mich zurennen. Sie schaut ernst.
„Du hast dich getraut“, sage ich.
„Ich weiß.“
Sie geht vorweg. Unerschrocken.
Wir nähern uns dem Vulkan nun auf dreißig Meter. Es ist 01:06 Uhr. Die Luft hat eine Temperatur von etwa 18°. Ich trage eine Mütze, eine Regenjacke. Hier bleibt Hanna stehen. Einige Leute sitzen in der Nähe.
„Geh’ nicht weiter“, sagt Hanna.
„Doch“, sage ich.
Der Tuff knirscht unter meinen Füßen. Vor dem Krater hat sich ein Wall aus schwarzen Gesteinsblöcken gebildet. Ich klettere hinauf. Springe von Vorsprung zu Vorsprung.
„Pass bitte auf!“, höre ich Hanna rufen.
Vor mir donnert der Vulkan. Die Fetzen haben die Form von Gestalten, die aus dem Krater springen, eine Pose machen und wieder hineinfallen. Als hätten sie Spaß dabei. Ich trete näher, rieche das Feuer. Näher und näher. Ein letztes Foto will ich machen.

 

Griasle @Morphin ,

noch einmal vielen Dank für die Empfehlung. Freut mich, dass du mit dem Text so viel anfangen kannst. Kurz: deine Hinweise habe ich alle mehr oder weniger einpflegen können. Bis auf das 'Verblauen'. Mittlerweile habe ich festgestellt, das ist ein Begriff, den es so wohl eher nur im Kunstzusammenhang gibt. Da nennt man die blaue Staffelung, die man in manchen Lichtsituationen am Horizont sieht, Verblauung. Muss ich also wahrscheinlich noch mal was Alternatives finden, damit es nicht so fachspezifisch ist. Und auch 'kontaktlos' habe ich stehen gelassen. Ist nicht dasselbe wie bargeldlos, wo man ja auch eine Karte ins Lesegerät 'stecken' kann. Kontaktlos ist über NFC (near field communication), wie ich gerade auf Wiki nachlese. Daher wirklich ohne Kontakt, was im Vergleich zum Bezahlen mit Bargeld ja wirklich schon maximal ätherisch ist.

Finde nachtürlich auch angenehm, dass du da mit der Länge mitgehst. Ich verstehe auch, wenn da manche ungeduldig werden. Umso mehr freue ich mich, wenn das aus deiner Perspektive aber so gerechtfertigt erscheint. Mir auch, sonst hätte ich es nicht gemacht. Beim Schreiben haben sich mir schon viele Abkürzungen angeboten, die ich aber ausgeschlagen habe. Erstens, weil ich auch einige Leute im Ohr hatte, die gerne für das Auswalzen solcher Texte plädieren, damit sie überhaupt Wirkung entfalten können. Und auch, weil es ja was sehr Schönes sein kann, wenn ein Schreibe- bzw. Lesevergnügen länger andauert. Ich habe auch die Grenze des Zumutbaren versucht auszuloten, mir aber gesagt, dass ich das durch die Sprache und auch den Stil (Dinge in Wiederholungen und Monotonien, teilweise auch wie running gags oder Ankerpunkte zu gestalten) dennoch gut als Lesevergnügen gestalten kann.

Vielen Dank auch, dass du die im Text angelegten Beobachtungen noch mal so zugespitzt und mit Dringlichkeit fast schon als Appell formuliert hast. Das hat mir für die eigene Reflexion des Textes einen guten Fokus gegeben.

Ich wünsche dir einen schönen Abend bzw. eine gute Nacht!
Viele Grüße
Carlo


–––


Zu dir, guter @zigga ,

erst mal vielen, vielen Dank für das ganze Lob, das du da ausgeschüttet hast. Habe mich kurz im Autorenhimmel gefühlt :D Freut mich einfach auch sehr, dass der Text dich (bis auf das Ende) so überzeugen konnte, du direkt drangeblieben bist. Falls ich's noch nicht gesagt habe: danke.

„Die Welt als Supermarkt“, den Titel einer Essaysammlung von Houellebecq
Zeig mir, wie du deinen Urlaub verbringst, und ich sage dir, wer du bist. In dem Sinne „entlarvt“ H. unsere westliche Zivilisation anhand ihrer Urlaubsreisen

Houellebecq. Ich habe ja nie wirklich was von ihm gelesen. Kenne nur seine Fans und habe ein ungefähres Bild. Ein gnadenloser Pessimist. Was du schreibst klingt auf jeden Fall sehr hochkarätig und interessant und nach einem schlüssigen Konzept. Tatsächlich, weil @FlicFlac das erwähnt hatte, gibt es das ja auch sehr herrlich von Loriot. Urlaub ist vielleicht einfach ein guter Aufhänger, um Verhaltensweisen im Kontrast zum 'Fremden' sichtbar zu machen.

Klingt fürchterlich technisch und trocken, wie ich das jetzt zusammenfasse, tatsächlich geht es viel um Analsex und Dreier auf Lanzarote :D

heheh

Ich finde, du zeichnest sehr authentisch ein gewisses deutsches Klientel des Jahres 2023. Der Urlaub ist nur eine weitere Fortführung der Leistungskraft, dort muss geleistet werden, die besten Fotos, die besten Reisen. Natürlich möchte man sich vom Assi abheben und fliegt nicht nach Mallorca, auch nicht nach Südostasien, das ist ja sowas von 2013, sondern nach Island. Aber dort ist es, dank Globalisierung, eigentlich fast genauso wie Zuhause, stellt dein Prot fest. Einzig die Landschaft, die Natur, ist anders. Sie rollen durch Island wie auf einer Rolltreppe, es zählen nur die besten Fotos, das Andere oder: der Außenblick. Deine Prots sind sehr vom Außen gesteuert, oder wie Heidegger sagen würde: vom „Man“. Das ist wahnsinnig gut, treffend und urkomisch, aber nie zu ulkig oder slapstickmäßig von dir ungesetzt.

Geil, mega, dass du das so siehst, und danke für diese schönen Überlegungen. Wusste gar nicht das Südostasien so out ist :hmm:
Die Heidegger-Sache habe ich gleich mal gegooglet. Findet ich ganz spannend, auch wenn Philosophie natürlich immer extrem in ihrer Zeit verankert ist und ich solchen Konzepten sicher unrecht tue, wenn ich ihnen dann mit heutigen Wertekategorien begegne. Heute spielt ja – wahrscheinlich neben dem 'man' – auch das 'ich' eine herausragende Rolle und natürlich das kleine 'Wir', wenn man so will: unsere Beziehung, unsere Familie, unser Freundeskreis und so weiter. Finde Heideggers Ausweg aus dieser Fremdbestimmtheit, wie ich ihn auf deinen Kommentar hin nachgelesen habe, auch ganz interessant. Klingt dann plötzlich sehr nach Idealismus und Kant. Das wiederum habe ich immer als nicht ganz zu Ende gedacht empfunden. Aber das müssen Profis wie @Peeperkorn beurteilen :-)
Danke jedenfalls für den Querverweis und die Anknüpfung.

Ich glaube, so einen witzigen und bitterbösen Text noch nicht von dir gelesen zu haben, aber das hast du echt drauf und gefällt mir außerordentlich gut.

Yeay, dank :D irgendwie freut mich das. Ich glaube, jeder ist gerne mal Schurke. Ich glaube der Leberwurst-Text (der nicht mehr online ist, von 2017, glaube ich ...) und der Weitermacher-Text sind ein bisschen ähnlich und ähnlich zynisch und böse. Aber ja, ist jetzt nicht immer der Fall. Gerade in letzter Zeit war ich eher wieder davon weggekommen, hatte ich das Gefühl; hab meinen Storys tatsächlich sogar eher aufbauende und ratgebende kleine Absätze vorangestellt und angehängt. Darauf habe ich hier verzichtet, weil ich auch nicht so einen persönlichen, stärker emotionalen Tagebuchstil wollte, sondern wirklich viel Show.

Ich musste lachen, als für ihn das Einzige, was auf dieser Reise eine Freude in ihm anregt, das Schwein auf der Einkaufstüte auslöst.

sehr gut. Dann haben wir einen ähnlichen Humor.

Nur mit dem Ende bin ich etwas unzufrieden. Frage dich noch mal, was du hier eigentlich erzählen möchtest, was deine Prämisse ist.
Was macht der Anblick der rohen, gewaltigen Natur mit deinen Prots? Hier muss eine Veränderung oder eine Entlarvung der beiden Prots passieren, entweder die beiden für sich oder wir über sie. So sehe ich das zumindest!

Darüber haben wir ja schon andernorts gesprochen. Danke auf jeden Fall für die Einschätzung. Da bin ich noch dran. Wie gesagt, versuche ich mir gerade den Text als Teil von etwas Größerem vorzustellen, was diese Frage umso wichtiger macht. Aber ja, du gibst da ja auch schon ein paar super Vorschläge vor. In eine dieser Richtungen wird es am Ende des Tages stärker gehen.

Musste an dieses Foto vom Mount Everest denken

Sehr gutes, passendes Bild. Ist natürlich noch mal ne Nummer heftiger. Hab ich nicht gewusst, dass das die Zustände sind.

Ach ja, falls diverse autobiografische Überschneidungen mit deinen Prots existiert, wollte ich noch anmerken, dass ich sie sehr sympathisch fand und ich wollte jetzt nicht böse über sie urteilen, aber du stellst die schon ein wenig bitterböse und konsumkritisch dar! :D

haha, nicht nötig. Sie sind nicht sympathisch gezeichnet. Klar gibt es da Überschneidungen. Schreibe ja auch nicht selten autofiktiv. Aber es sind dann natürlich immer auch ganz unterschiedliche Quellen, aus denen sich das Bild speist. Und es sind völlig parteiische und verzerrte Darstellungen, die den Charakter einebnen, damit er und das Thema im kurzen Textverlauf überhaupt greifbar werden können.

Hey, noch mal großen Dank für die guten Anregungen und Diskussionsanlässe. Wir hören uns, lass es dir gut gehen und auch dir nen schönen Abend und eine gute Nacht!

Carlo

 

Hallo @Manuela K. ,

danke dir fürs Vorbeischauen. Habe mich sehr über deine Rückmeldung gefreut. Danke fürs Lesen und deine Zeit :-)

Zuerst gratuliere ich dir zur Empfehlung.

danke dir :-)

Ich habe den Text in einem Rutsch gelesen und finde ihn thematisch interessant, zumal ich zwei verrückte Esoteriker kenne, die instantan Tickets nach Island gebucht haben, nachdem der aktuelle Ausbruch des Vulkans in die Nachrichten kam
Ich lese deinen Text als Satire auf den in Mode gekommenen Vulkan- und Katastrophentourismus ganz allgemein, der nur mit fotografischem Selfie-Nachweis als gelungen angesehen wird, ja, der oftmals wichtiger ist, als das eigentliche Geschehen.

krass … zeig ihnen auf keinen Fall den Text :lol:
Ja, das ist für mich auf jeden Fall auch eine Art Satire (hab mit dem Genre oder gar der Bühnenform sonst aber jetzt nicht so viel am Hut). Satire, wenn auch nicht explizit nur auf den Vulkan- und Katastrophentourismus. Diese Art von Sightseeing-Tourismus habe ich da im Auge. Das Gegenbeispiel existiert ja auch – Leute, die das meiden, Puristen, die sich schämen ein Smartphone zu besitzen oder einfach nur ansatzweise in die Nähe überfüllter Sights zu machen, egal wie schön, und sich natürlich bloß nicht mit dem übrigen Touristenvolk gemein machen wollen. In der Realität halte ich es da wahrscheinlich nach Möglichkeiten mit der aristotelischen Mitte; auch wenn ich mich mal mehr oder weniger zur einen oder anderen Seite hingezogen fühle bzw. mich nach ihr verhalte.

Manche finden heutzutage ohne Smartphone nicht mal mehr aufs Klo.

:lol: leider wahr

Mir ist dein Text bloß etwas zu lang geraten, ich denke, du könntest ihn etwas eindampfen, besonders das erste Drittel, und somit dein literarisches Anliegen knapper und damit präziser auf den Punkt bringen. Auch wirkt er auf mich etwas (zu) dialoglastig. Aber das ist wohl eher Geschmacksache.

ja, das kann ich nachvollziehen. Ein bisschen zu kürzen habe ich mir gerade auf den ersten zwei Seiten vorgenommen. Gerade überlege ich die Erzählungen in einen größeren Zusammenhang einzubetten; ich glaube, dann würde es gar nicht mehr ins Gewicht fallen. So oder so, danke für die Rückmeldung!

Und auch noch mal fürs Vorbeischauen.
Liebe Grüße
Carlo

-----

Hey @deserted-monkey ,

danke, dass du auch noch mal vorbeischaust und sogar noch an den Text ran bist.

Leider handelt er von genau solch einer Type, die ich versuche zu meiden, wenn ich selbst on the road bin.

Naja, ein Grund mehr den Text zu lesen :lol: du willst ja nicht nur im eigenen Saft schmoren.
Aber klar, wenn mir die Figuren zu unerträglich sind, habe ich auch bisweilen keinen Bock mehr.

Viele Grüße
Carlo

 

@Peeperkorn !!

Ein mittlerweile seltener Besuch auf dieser Seite. Ganz vielen Dank, dass du extra vorbeischaust. Vielleicht hatte ich damit sogar ein bisschen gerechnet. Jedenfalls freue ich mich sehr und merke auch, dass es schön wäre, dich wieder öfter hier im Forum zu zelebrieren (und zerebralieren) – aber dass es sicher auch seine guten Gründe hat, warum das nicht der Fall ist. Schade, dass es kein 'Eier legender Wollmilchtext' ist, den ich dir hier präsentieren kann. Ich weiß aber auch, dass du mit manchen Texten schon sehr zufrieden warst und dass es hier ähnlich sein könnte wie beim Weitermacher und wie damals beim Text 'Seine Passion', der im Grunde dasselbe erzählt hat wie der Weitermacher-Text. Sehr kontrastarm und ohne wirklichen Konflikt. Außer eben – und das wäre mein Argument – dieser ständigen für die Lesenden sichtbaren Seitenhiebe, die ja nebenbei miterzählt werden und durch die sich ja auch so ein Weg ins körperliche/geistige Verderben schon auch dramaturgisch anbahnt. Ich habe die Figuren jetzt in einem Exposé einer Gruppe sich solidarisierender Reisender gegenübergestellt, denen sie sich anschließen, als der Vulkan wirklich zur Gefahr wird. Auch die Idee, den Protagonisten an der Beziehung zweifeln zu lassen, finde ich sehr gut. Das werde ich auszubauen versuchen.

Ich hätte mir mehr Blubbern im Text gewünscht, mehr dieser Spiegel-Momente, vielleicht mehr Uneindeutigkeit und Ambivalenz, die beiden Figuren werden in meinen Augen fast zu klar festgenagelt

Das ist eine dankbare Richtung für eine mögliche Umstrukturierung.
Ich freue mich im Übrigen auch, wenngleich man sich klar wünscht der Text hätte alles zu bieten, dass er dich auf solche Ideen bringt. Manchmal würde ich gerne sehen, was du daraus machen würdest und wie er aussähe, wenn du damit fertig wärst. Bestimmt würde mir das gefallen :lol:

Also vielleicht doch mal ein echter Konflikt
Momentan besteht die Handlung aus einer Abfolge von Sie-tun-das-und-essen-dies-und-steigen-in-den Bus-und-tun-jenes-und-dieses. Ich fand das auf die Dauer doch ermüdend

ja, schon. Das ist dieses Gleichförmige wie auch in dem Weitermacher-Text. Ich denke, grundsätzlich brauchen Sittengemälde (ups, richtiges Wort?) das auch. Sie zeigen das gerade in der Breite. Und trotzdem negierst du das ja nicht, wenn ich dich richtig verstehe, sondern schlägst einfach vor, da noch mehr Handlung drüberzulegen.

Ich will das Entweder-Oder von figurenbetontem und plotbetontem Erzählen nicht einseitig auflösen, sondern fordere den Spagat!
– Peeperkorn 2023

Fehlt noch die Milch und das wäre für mich so etwas wie sprachliche Brillianz. Der Text ist sehr gut geschrieben. Aber es gibt da in meinen Augen keinen Satz, den man mehrfach liest und bei dem man sich ärgert, weil er einem selbst nicht eingefallen ist.

Wie gemein :D ich weiß, wie du es meinst. Ich habe ein paar Texte geschrieben, wo ich wirklich versucht habe, jedes Wort umzudrehen. Hier ist es der Subtext mit dem ich versucht habe, was rauszuholen. Ich glaube, man kann das auch machen, wenn man den Prot einfach noch etwas intelligenter zeichnet bzw. ihm den entsprechenden Hintergrund gibt. Vielleicht würde man ihn darüber paradoxerweise sogar noch sympathischer kriegen, wenn man das will. Jetzt denke ich an Kehlmanns Ich und Kaminski ...

Wie dem auch wird (Zitat Friedel). Ganz vielen Dank für diesen unverhofften und sehr erfreulichen und willkommenen Besuch. Ich hoffe, du kommst gut mit deinen Projekten voran. Ich werde gleich mal ein bisschen recherchieren, was die Kunst so macht, und vielleicht schreiben wir ja auch mal wieder.

Beste Grüße
Carlo

 

„Wenn jemand eine Reise tut, …“ heißt es schon bei Matthias Claudius & nur ganz kurz, Glückwunsch zur verdienten Empfehlung,

lieber Carlo,

und ja, das kann noch dauern mit Maria Laach – selbst wenn es da gelegentlich rumst, da hat der Holländer die Gasblase in der Nordsee schneller leergepumpt und den folgenden Rums selbstgewählt und bevor ich mich wieder dem Familienleben widme, ganz schnell bissken Flusenlese und zuvor natürlich die Frage – wie das Wort

„Mmh“, sage ich.
auszusprechen sei.

Ist das Dehnungs-h nicht eher entbehrlich bei einem gedoppelten m?

Den Supermarkt erkennt man an seinem Markenzeichen, einem lächelnden[,] pinken Schwein.
(die Farbe ist unabhängig vom Lächeln …, find ich jedenfalls.)

„Wir gehen da heute jedenfalls nicht mehr hin“, sagt sie. „Fertig[!]
Rettet das Ausrufezeichen!, umso mehr, als weiter unten
Aufwachen.“
„Sind wir da?
die Ungleichbehandlung von Frage und Ausruf förmlich ins Auge springt!

weiter unten

„Pass bitte auf“, höre ich Hanna rufen.
nochmals.

„Ich habe auch nicht gelesen, dass er gesperrt wäre, oder so.“
warum das Komma?

Nur schnell holen wir die Badesachen aus dem Zelt, folgen dem Holzsteg.
Warum das „nur“ – das ja eher ein „langsam“ erwarten lässt ...


Gern gelesen vom

Friedel,
der noch einen schönen Sonntag wünscht!

 

Lieber @Carlo Zwei,
na, komme ich jetzt auch noch dazu, mich zur Stromlinie zu melden - und diesmal hab ich sogar ein Zitat an der Hand, Moment da isses:
Qui serait assez insensé pour mourir sans avoir fait au moins le tour de sa prison ?
- Wer wäre verrückt genug zu sterben, ohne vorher sein Gefängnis besichtigt zu haben?
(Marguerite Yourcenar)
Sei es "individuell" oder "pauschal", das Hauptmotiv fürs Reisen bleibt m.E. unsere Sterblichkeit.
Ich hatte nicht die Zeit (und nicht den Computer) in den letzten Wochen, weil ich zwei Mont Blanc-Umrundungen hintereinander weg zu leiten hatte, und hab deinen Text also eine Weile mit mir und mit meinen Reisegruppen herumgetragen. Sehr vieles ist so toll getroffen: Vergleichen, über Preise reden, Menschen aus dem eigenen Land meiden, dann das neue Fotografieren, in dem das alte Landschaftsfoto ersetzt wird durch das Bild des Fotografen in der Landschaft (mit tatsächlich völlig anderen Fotostops). Meiner Statistik nach liegt die Fotophilosophiegrenze übrigens derzeit bei etwas über vierzig Jahren. Schön, danke dafür!
Auch für die Landschaftsbeschreibungen, ein lakonischer Ton, jemand, der sich leicht unterbrechen lässt, poetisch, nie kitschig. Ich frage mich ja, ob Reisende im allgemeinen so viel über Hotels und Unterkünfte reden, weil sie einfach nicht wissen, wie man über Landschaft sprechen könnte.
Ein paarmal habe ich in den Kommentaren Bitte um Straffung gefunden, ja, hier und da würde mir das auch helfen, zum Beispiel wenn ich erfahre, dass Protagonist sich doch tatsächlich nach dem Haferfrühstück noch etwas Milch eingießt, solche Stellen.
Als Islandtrottel bin ich zudem ein paar Mal hängen geblieben, wenn es darum geht, von wo nach wo sie in Relation zu was unterwegs sind. War aber beim zweiten Lesen ok. Und dass ich Brennisteini erst für den Vulkan gehalten habe, naja, liegt wahrscheinlich an mir. Ich dachte halt, in Island ist irgendwie alles Vulkan. Tatsächlich waren mir unter den geografischen Bezeichnungen nur Island, Reikiavik und Schleswig-Holstein vertraut.

(Auch wenn ich ihre Rolle im Stück nicht wirklich verstehe - wäre die Schleswigerin oder Holsteinerin nicht dabei, würde sie fehlen. Ich hatte tatsächlich mal in Kamtschatka eine Schwangere Frau in der Gruppe, die nicht in den Vulkan wollte. Das war aber kein ausbrechender Vulkan, nur ein bisschen Schwefel und ein Minigeysir. Und ich wusste auch nicht, dass sie schwanger war, das haben mir die Beiden erst auf dem Rückflug gesteckt.)
Aber um beim Thema zu bleiben, ein paar sprachliche Anmerkungen habe ich doch:

„Didn't you really notice that?“,
M.E. Did you really not notice that? (Im Sinne von Unterschied zwischen: I didn't really sleep vs. I really didn't sleep.
„I mean did you seriously oversleep that?“
M.E. Did you seriously sleep through that? (Oversleep: verschlafen)
Die Parkgebühr ignorieren wir.
Die arme Parkgebühr! Komplett ignoriert !wie wär's mit: Wir kümmern uns nicht um die Parkgebühr, ohne nach der Parkgebühr zu fragen...
Gestiefelt erlaufen wir die ersten Kilometer.
Beschuht erging ich fünfhundert Meter. Der Erzählton ist in deinem ganzen Text leicht, locker und natürlich. Gestiefelt erlaufen fällt da ein kleines bisschen raus.
Schrecklich schön ist die Landschaft. Allein heute habe ich über zweihundert Fotos geschossen.
Sehr schöne Zusammenfassung!
Zweihundert Euro am Arsch.
Das habe ich auch beim zweiten Mal nicht ganz kapiert. Er antizipiert, dass er sowieso nicht nach Landmannalauga fährt, darum ist das Busgeld am Arsch? Vielleicht einen Minihint für Langsame?
Als der Busfahrer den Wagen endlich mit einem Manöver befreit
Der Fahrer des steckengebliebenen Busses?
Vor uns im Schatten eines Lavafeldes liegt ein Basecamp: einfache Hütten, ein Parkplatz, Zelte. Wir sind da. In Landmannalauga.
Basecamp für mich ungewöhnlich, wenn es keine dazu gehörenden Hochlager gibt, aber vielleicht habe ich da auch was verpasst.
Das Aderwerk aus schlängelnden Flüssen besteht aus meterbreiten Hindernissen, wenn man erst davor steht.
Das Aderwerk besteht aus Flüssen und die bestehen aus Hindernissen? Vielleicht wird zu Hindernissen?
Eine gute Gelegenheit verschafft uns einen Platz in Quellennähe.
Jemand verschafft sich eine Gelegenheit. Dass eine Gelegenheit verschaffend tätig wird, finde ich nicht glücklich. Vielleicht stehen in Quellennähe ein paar Leute auf und Hanna und Protagonist sind flink zur Stelle? Fällt für mich wie gestiefelt erlaufen aus dem Erzählton.
I'm quite fascinated by this rock“, sage ich und lächle.
„Ah, really?“
„Yeah, it's quite beautiful.“
Vielleicht das zweite quite raus? (Oder beide)
Während Hanna sich konzentriert, damit ihr nicht übel wird, macht mich die schunkelige, kurvenreiche Fahrt müde. Wie bei einem Säugling, der im Kinderwagen schaukelt.
Nein, da gibt es nichts auszusetzen. Aber wäre: macht mich müde wie einen Säugling... nicht doch ein bisschen eleganter?
Hanna hat sich abgesetzt.
Also da dachte ich, weg ist sie. Aber sie ist nur hinter ihm?
Rauch am Horizont. Als wir den Punkt erreichen, sehen wir einen Krater in weiter Ferne.
Welchen Punkt?
Der Krater ist nun so groß wie mein Arm. Jetzt kann ich die Lava vom schwarzen Geröll perlen sehen, die glühenden Fetzen, die er über sich wirft. Ich höre sein Grollen, spüre die Erde unter mir beben.
Die Lava, die vom schwarzen Geröll perlt: toll.
Die glühenden Fetzen, die er -wer? - achja: der Krater, also die glühenden Fetzen die der Krater über sich wirft: ich würde das (an dieser Stelle, vielleicht passt es woanders) rausnehmen und gleich auf Ich spüre da/sein Grollen. Auch rhythmisch sehr schön.

Meine Güte, so ein langer Kommentar, sonst gar nicht meine Art!
Viele Grüße und danke für den Text!
Placidus

 
Zuletzt bearbeitet:

Bester Freatle,

danke wie immer für deinen Besuch. Das Flusenlesen und erfreuliche 'gern gelesen'.

Maria Laach

Da war ja was. Wäre auch noch mal eine prähistorische Beschäftigung wert.

„Mmh“, sage ich.
auszusprechen sei. Ist das Dehnungs-h nicht eher entbehrlich bei einem gedoppelten m?

Ja, das ist schwer umzusetzen. Ich habe mich da an den Duden und dessen onomatopoetologische Deutungshoheit gehalten. Doppel-M ist tatsächlich schöner. Wobei das H ja hier eher analog zum verzagenden "Argh" ein kurzes, wenig dehnendes Plosiv-H ist.

„Wir gehen da heute jedenfalls nicht mehr hin“, sagt sie. „Fertig[!]
Rettet das Ausrufezeichen!, umso mehr, als weiter unten
Aufwachen.“
„Sind wir da?
die Ungleichbehandlung von Frage und Ausruf förmlich ins Auge springt!

wäre mir hier zu laut.

„Pass bitte auf“, höre ich Hanna rufen.
nochmals.

Hier allerdings habe ich es übernommen. Danke dear.

„Ich habe auch nicht gelesen, dass er gesperrt wäre, oder so.“
warum das Komma?

ist raus


Merci für deinen Besuch und das Flusenlesen. Bis ganz bald!
Carlo


----


Hallo @Placidus ,

da habe ich mich sehr gefreut, als ich gesehen habe, dass du kommentierst. Ein seltener wie wertvoller Besuch für mich. Vielleicht liest man ja auch bald mal wieder was von dir. Würde mich jedenfalls freuen.

Qui serait assez insensé pour mourir sans avoir fait au moins le tour de sa prison ?
- Wer wäre verrückt genug zu sterben, ohne vorher sein Gefängnis besichtigt zu haben?
(Marguerite Yourcenar)

Sehr schön. Kann ich mir in diesem Zusammenhang auf jeden Fall einen Reim drauf machen.

weil ich zwei Mont Blanc-Umrundungen hintereinander weg zu leiten hatte
Ich hatte tatsächlich mal in Kamtschatka eine Schwangere Frau in der Gruppe

wow, wo treibst du dich noch rum. Das klingt sehr spannend.

Ein paarmal habe ich in den Kommentaren Bitte um Straffung gefunden, ja, hier und da würde mir das auch helfen, zum Beispiel wenn ich erfahre, dass Protagonist sich doch tatsächlich nach dem Haferfrühstück noch etwas Milch eingießt, solche Stellen.

:Pfeif: ja, da muss ich mich wohl wirklich noch mal ransetzen. Das ist auf jeden Fall so. Obwohl ich mir bei jedem Satz dann irgendwie denke: nee, das ist doch ulkig. In deinem Beispiel gießt er ja nur etwas Milch nach, weil der Havrfras so damn trocken ist.

Als Islandtrottel bin ich zudem ein paar Mal hängen geblieben, wenn es darum geht, von wo nach wo sie in Relation zu was unterwegs sind. War aber beim zweiten Lesen ok.
Zweihundert Euro am Arsch.
Das habe ich auch beim zweiten Mal nicht ganz kapiert. Er antizipiert, dass er sowieso nicht nach Landmannalauga fährt, darum ist das Busgeld am Arsch? Vielleicht einen Minihint für Langsame?
Als der Busfahrer den Wagen endlich mit einem Manöver befreit
Der Fahrer des steckengebliebenen Busses?
Hanna hat sich abgesetzt.
Also da dachte ich, weg ist sie. Aber sie ist nur hinter ihm?
Rauch am Horizont. Als wir den Punkt erreichen, sehen wir einen Krater in weiter Ferne.
Welchen Punkt?

Danke für die Rückmeldung. Würde ich jetzt erst mal nicht rangehen, aber nehme ich als Feedback und beobachte, ob das anderen auch sehr aufstößt. Ansonsten ist das für mich erst mal okay so. Wenngleich ich mich da bei mehr Widerstand hinreißen lassen würde. Das sind schon Ungenauigkeiten, aber irgendwo auch Gaps, die, denke ich, schon gefüllt werden.

„Didn't you really notice that?“,
M.E. Did you really not notice that? (Im Sinne von Unterschied zwischen: I didn't really sleep vs. I really didn't sleep.

Danke für die Erklärung. Bin mir da iwie noch unschlüssig, weil mir das ein anderer 'Experte' so versichert hat. Muss ich wohl noch wen fragen. Andererseits was mich stutzen lässt: in deinem Beispiel "I didn't really sleep vs. I really didn't sleep." wird ja nicht nur die Verneinung hintangestellt, sondern auch das Verb, wodurch sich mir die stark unterschiedliche Bedeutung erklärt. In deinem Vorschlag "Did you really not notice that?" ist im Vergleich zum Original "Didn't you really notice that?“ allerdings nur die Verneinung ("not") permutiert.

„I mean did you seriously oversleep that?“
M.E. Did you seriously sleep through that? (Oversleep: verschlafen)

hier bräuchte ich noch mehr Erklärung, glaube ich. Da wollte ich doch schreiben, dass sie 'verschlafen' haben; oder habe ich da einen Fehler gemacht?

Die Parkgebühr ignorieren wir.
Die arme Parkgebühr! Komplett ignoriert !wie wär's mit: Wir kümmern uns nicht um die Parkgebühr, ohne nach der Parkgebühr zu fragen...

Bei "wir kümmern uns nicht" könnte man ebenso Personifizierung vermuten. Beim zweiten Vorschlag nicht. Allerdings störe ich mich daran gar nicht. Man kann doch gut auch Gegenstände oder Umstände ignorieren. So weit ich mich erinnere kommt 'ignorieren' vom nicht (er)kennen wollen. "Ich gebe mir Mühe, das schrille Gelb, mit der Dieter die Wand verunstaltet hat, zu ignorieren."

Gestiefelt erlaufen wir die ersten Kilometer.
Beschuht erging ich fünfhundert Meter. Der Erzählton ist in deinem ganzen Text leicht, locker und natürlich. Gestiefelt erlaufen fällt da ein kleines bisschen raus.

Habe jetzt Folgendes geschrieben

Eine Rezension lautet „It's simply beautiful. The scenery is magnificent, and the water has the perfect temperature. You definitely shouldn't miss this!“
Die Parkgebühr ignorieren wir, laufen die ersten Kilometer.
„Besser als Alpen ist das nicht“, konstatiere ich und fühle mich schlecht, das Offensichtliche ausgesprochen zu haben.

Vor uns im Schatten eines Lavafeldes liegt ein Basecamp: einfache Hütten, ein Parkplatz, Zelte. Wir sind da. In Landmannalauga.
Basecamp für mich ungewöhnlich, wenn es keine dazu gehörenden Hochlager gibt, aber vielleicht habe ich da auch was verpasst.

Mega, da spricht die Expertise :D Ergibt so gesehen natürlich kaum Sinn. Campingplatz klang mir nur so profan.

Das Aderwerk aus schlängelnden Flüssen besteht aus meterbreiten Hindernissen, wenn man erst davor steht.
Das Aderwerk besteht aus Flüssen und die bestehen aus Hindernissen? Vielleicht wird zu Hindernissen?

Ja, mit der Stelle habe ich auch gehadert. Guter Blick, den du hast :-)
Habe jetzt deine Version genommen. Bin damit eigentlich ganz zufrieden und es ruckelt auch nicht mehr so. Danke!

Eine gute Gelegenheit verschafft uns einen Platz in Quellennähe.
Jemand verschafft sich eine Gelegenheit. Dass eine Gelegenheit verschaffend tätig wird, finde ich nicht glücklich.

Hier genauso. Stimmt auf jeden Fall. Gut gesehen. Einfach merkwürdig passiv formuliert. Ich glaube, das sollte den vielen mit Wir-Pronomen beginnenden Sätzen etwas entgegenstellen. Bin ich noch dran. Lösung noch nicht gefunden.

I'm quite fascinated by this rock“, sage ich und lächle.
„Ah, really?“
„Yeah, it's quite beautiful.“
Vielleicht das zweite quite raus? (Oder beide)

Hmmm. Sehe den Punkt auf jeden Fall. Andererseits hat das als Gesprächspartikel ja irgendwo auch so was Floskelhaftes, Unauthentisches. Allerdings würde es das auch durchs Wegnehmen beider quites nicht wirklich verlieren. Es wäre höchstens ein wenig anders. Schaue ich noch mal drüber. Danke dir erst mal.

Während Hanna sich konzentriert, damit ihr nicht übel wird, macht mich die schunkelige, kurvenreiche Fahrt müde. Wie bei einem Säugling, der im Kinderwagen schaukelt.
Nein, da gibt es nichts auszusetzen. Aber wäre: macht mich müde wie einen Säugling... nicht doch ein bisschen eleganter?

Soll nicht wie Rausrederei klingen. Habe es eben noch mal umzustellen probiert und mich dabei erinnert, warum ich es so geschrieben habe. Weil durch den Punkt und den etwas ruckeligen Satz eine Pause entsteht, die verdeutlicht, dass ihm der Satz nicht sofort einfällt, sondern so nachgeordnet. Wenn er mit Komma dasteht bekommt es so etwas Literarisiertes. Als hätte ich ihm diese Worte in den Mund gelegt (was ich de facto natürlich habe).

Hey Placidus, noch mal ganz vielen Dank für den erfreulichen Besuch. Mach es gut und genieß den Abend / die Nacht, wo du gerade wohl auch weilst oder wanderst.

Liebe Grüße
Carlo

Nachtrag: so ein Mist. Habe vergessen, die überarbeitete Version zu speichern und das Fenster weggeklickt. Naja, sind ja nur ein paar Punkte ... Trotzdem dumm von mir.

 

Hey @Henry K. ,

danke für deinen Kommentar. Bin deinen Ausführungen zum Text und auch die Antwort zu meinem Kommentar unter deinem Text gerne gefolgt. Du hast einen gut analytischen Blick finde ich; auch wenn ich nicht mit allem mitgehe, finde ich es trotzdem sehr nachvollziehbar. Du hast ja hier das Erzähltempo angesprochen. Das ist, glaube ich, auch der Aspekt, der in den verschiedenen Rückmeldungen zum Text am häufigsten angesprochen wird. Ich habe dazu ja auch schon einiges geschrieben. Es ist dem Text einerseits zuträglich, scheinbar aber doch ein Schippchen zu viel gewesen. Das steht auch auf dem Zettel größerer Überarbeitungen; relativiert sich aber in dem Moment etwas, wo der Text Ausschnitt eines größeren Projekts wird. Was gerade passiert. Nichtsdestotrotz steht er ja hier als isolierte Erzählung und da ergibt es auf jeden Fall schon Sinn, sich dem noch mal zu widmen.
Ansonsten danke ich dir, wie gesagt, für deine Einordnung und will noch kurz etwas zum Kommentar unter deiner Geschichte schreiben. Irgendwie, glaube ich, reden wir da (zumindest punktuell) aneinander vorbei. Was ich dir mit meinem Kommentar unter anderem rückmelden wollte, war dieses Problem zwischen Erzählposition und Erzähltem. Für mich eben wirklich obligatorisch, nicht fakultativ. Ich sehe das bei meinem Text tatsächlich nicht, weil der Ausgang etwas in Bezug auf die Erzählposition Unmögliches impliziert, möglich macht (den Tod des Protas) und der Text auch immer wieder ironisch und von der Erzählinstanz im Subtext aufgebrochen wird. Die Erzählposition dem Leser etwas steckt, was der Protagonist vielleicht nur ahnt. Wie auch immer. Ist nur mein Leseeindruck/Empfinden; wenn das für dich cool ist, wie du es geschrieben hast, dann gibt es keinen Handlungsbedarf. Ich nehme auch nur an, wo ich selber wirklich mitgehe und was sich nach Erprobung als für mich tauglich erweist. Aber fand trotzdem auch sehr spannend, wie du das siehst und analysiert hast.

In dem Sinne danke noch mal für Zeit und Kommentar.
VG
Carlo

 

Hey @Henry K. ,

danke fürs Teilen der Gedanken. Ist auf jeden Fall spannend. Coole Diskussion!

Aber ich habe vielleicht gerade etwas realisiert, was mit dem zu tun hat, was du in Bezug auf Erzählperspektive/Erzählerpositionierung ansprichst. Ich glaube, durch Überspitzungen, einseitige Positionierungen, unzuverlässige (Selbst)Einordnungen, Selbstwiderlegungen bringe ich schon bewusst Brüche in meine Texte mit Ich-Erzähler. Der Bruch besteht dann zwischen mir als Person und eben der Figur, ist aber wahrscheinlich tatsächlich oft nicht aus dem Text selbst ersichtlich – und wenn, dann nur sehr subtil
Sehe ich es richtig, dass du das meinst: In meinem Text fehlen dir Marker für genau diesen Bruch zwischen Autor und Erzähler?

Aufs Wort würde ich mich da nicht festnageln lassen, aber ja, das ist mehr oder weniger, was ich gemeint habe. Und ich finde es auch ein valides Argument, wenn du schreibst, dass es aus deiner Sicht eben sehr subtil passiert. Für mich persönlich als Leser war es dann dennoch etwas zu subtil, weil ich es, wie geschrieben, nicht darin gesehen habe. „Zu subtil“ ist mir bei eigenen Texten auch schon entgegengeschlagen. Ich habe es dann entweder ignoriert oder mir gesagt, ach, wenn so viele gute WKler das so empfinden, ändere ich da was dran; immerhin werden andere Leser höchst wahrscheinlich noch weniger zwischen den Zeilen lesen als diese Kritikeraugen. Es ist jedenfalls ein guter Moment, um über Zielgruppe, aber auch eigene ästhetische Maximen nachzudenken.

Die offene Frage wäre also in meinen Augen: Ist es möglich, dass ich als Autor denselben unreflektierten Abwehrmechanismus habe wie die Figur und trotzdem diesen Text schreiben und diskutieren kann?

Für mich: selbstverständlich ist das möglich. Man kann hier im Forum viele Belege dafür finden. Leute, die ihr Gedanken aufschreiben und kaum Distanz dazu haben. Sag dem Bully in der Schule, er soll in einer Geschichte aufschreiben, wie die Platzwunde am Kopf seines Schülers entstanden ist. Selbst wenn Marker verwendet werden, heißt das ja zudem auch noch nicht, dass ein Problem, nur weil es erkannt ist, nicht länger existiert. Aber das Schöne daran ist die dabei entstehende Ironie: der Leser lacht mit dem Erzähler, anstatt dass er über ihn den Kopf schüttelt. In letzterem Fall könnte er dann zumindest mit der Autorinstanz zusammen über den Erzähler den Kopf schütteln.

Denn wenn z. B. mein Pseudonym Henry K. ist und dies ist auch der Name meines Ich-Erzählers ist – wo ist dann überhaupt der reale Autor?

Verkompliziere es nicht unnötig :D

VG
Carlo

 

Hi @Carlo Zwei,

gran hab ich mal geschaut: Ich dachte, ich hätte so die meisten deiner Geschichten kommentiert, aber jetzt ist mir erst deutlich geworden, dass ich da - man muss es so sagen - schon vor Jahren den Anschluss verpasst habe. Das find ich vor allem deswegen auffällig, weil du für mich zu den Referenzgrößen hier gehörst (womit ich natürlich die Qualität meine, wozu aber auch eine ordentliche Ausdauer gehört, die nicht alle haben resp. zeigen).

Dann will ich doch mal wieder ein kleines bisschen aufholen. Eher aber mit Kleinkram als mit dem großen Zugriff.

Die Geschichte ist lang, ich hab ein paar Zitate rausgesucht, an die ich ein paar Gedanken knüpfe, damit es realistisch bleibt (also nicht zu viel Zeit beansprucht), bleib ich einfach in der Reihenfolge.

Also los.
Hier --

die isländische Halbinsel Reykjanes
-- find ich die genaue Ortsbezeichung leicht irritierend. Der Text ist personal erzählt und diese Draufsicht ist nicht personal. Kann auch ein beabsichtigter Effekt sein, der Typ schaut ja gerne auch von außen drauf. Trotzdem klingt es eher so, als wären sie nicht im Moment dort. Zumindest isländisch könntest du sicher rausnehmen.

Zu Autos hab ich überhaupt keine Beziehung, kann also sein, dass man hier --

setzen wir uns in den Duster.
-- irgdendeine bestimmte Assoziation haben soll, von der ich keine Ahnung hab. Für mich klingt es unnatürlich. Sie setzen sich doch einfach ins Auto ... Man würde ja auch nicht sagen: Komm, es regnet, wir setzen uns besser mal in den -- *google, google, willkürlichesbeispielnehm* -- Cascada. Modellname klingt so, als gäbe es eine Auswahl.

Eine Frage wäre auch ob das so --

hier, in ‚ihrer‘ Landschaft kommt sie mir unerträglich vor.
nicht schon ausreicht.

Hier find ich das um das Schwein drumrum eher zu viel:

Den Supermarkt erkennt man an seinem Markenzeichen, einem lächelnden, pinken Schwein. Immer wenn ich es auf Einkaufstüten, Produkten oder Reklametafeln sehe, bringt es mich zum Schmunzeln.
-- ist auch ein kleiner Bruch mit der personalen Perspektive, eine Erklärung für die Leserschaft. Könntest du sicher umgehen, beispielsweise so: Immer wenn ich das pinke Sparschweinloge auf Einkaufstüten, Produkten oder Reklametafeln sehe, bringt es mich zum Schmunzeln.

Hier --

hat er 4,6 Sterne auf Google Maps
hab ich kurz gedacht: Nicht tripadvisor? Aber vielleicht wär das auch zu viel Klischee. Wahrscheinlich. Google maps drückt's nicht ganz so rein.

Dieses Problem --

„Besser als Alpen ist das nicht“, konstatiere ich und fühle mich schlecht, das Offensichtliche ausgesprochen zu haben.
-- find ich nicht nachvollziehbar. Besser als die Eifel [Vulkane und so] ist das nicht könnte ich verstehen. Die Alpen haben aber schon Extremes zu bieten, das verstehe ich nicht als Mangel, wenn da was nicht besser ist. Die Lage mitten in Europa ist halt nicht so exotisch, das kann dann schon sein, dass man, sagen wir mal, nach Japan ins Gebirge geht und sagt: Das hab ich mir irgendwie exotischer vorgestellt, ist ja wie in den Alpen. So ein Vergleich passt aber für Island nicht, weil es da nicht ist wie in den Alpen. Fazit also: die Idee passt für mich schon, aber die Alpen als Vergleich verundeutlichen den Punkt.

Hübsch hier die elegant eingewobene Charakterisierung --

Wir bitten sie, ein Pärchenfoto zu machen, zeigen ihnen den richtigen Winkel.
-- weil man den anderen Leuten ja zeigen muss, wie es richtig geht.

Auch das hier --

wird die Landschaft hier immer ansehnlicher.
nehm ich als Charkterisierung an sich gerne mit, diese Wertung, dabei ist man ja auch entgegenkommend und gesteht der Landschaft schon auch zu, dass sie sich macht. Aber, um noch mal auf den Vergleich mit den Alpen zurückzukommen: Wenn oben Eifel stehen würde, würd's besser passen. (Die arme Eifel ... ich will gar nicht auf ihr rumhacken, die Eifel ist wirklich sehr schön, aber sie ist halt nicht spektakulär.)

Hier --

Zum Glück lächelt mich in diesem Moment das Bonus-Schwein einer fremden Einkaufstüte
-- wär's sicher auch möglich, zum Glück zu streichen, zumal im Folgesatz glücklich steht:

Wie niedlich es ist, so dick und glücklich.

Bisher sind alle Wertungen über die Landschaft relativieren, da kommt mir das --
Schrecklich schön ist die Landschaft.
-- eine Spur zu plötzlich bzw. übergangslos. Beim Lesen vermisse ich irgendwie das Zugeständnis: Schrecklich schön ist die Landschaft jetzt doch/muss man zugeben -- sinngemäß, irgendsowas.

Schön und sehr klar dann wieder, wie dieses Unechte, Dinstanzierte rauskommt:

‚Es geht uns top …‘ Ja, das ist es, ‚Es geht uns top …‘. Erledigt.

Hier --
Mein Gesicht ist wie versteinert; nur die Augen bewegen sich.
-- überzeugt mich das mit den Augen nicht so ganz, er sieht ja nicht seine Augen. Nur die Augen bewege ich (noch) fänd ich möglicherweise etwas besser, noch besser könnte es sein, sich nicht auf die Augen, sondern den Blick zu beziehen, also das, wie es aus der Innenperspektive aussieht, wenn sich die Augen bewegen.

Was ich nicht kapiert hab:

Zweihundert Euro am Arsch.
-- das ging wohl nicht nur mir so, meine ich hier und/oder da in den Kommentaren gelesen zu haben.

Hier --

Der Frotteeturban auf ihrem Kopf kippt, doch mit der Hand hält sie ihn auf.
-- ein schönes Bild, das ich gleich vor mir habe. Ähnlich find ich das hier:
Hanna zeigt auf ihre imaginäre Armbanduhr. „Morgen.“
-- nur zwei Stellen von mehreren. Würde ich alles raussuchen, würde ich nicht fertig werden.

Das:

„Wegen der zweihundert Euro?“, frage ich.
hab ich immer noch nicht kapiert.

Schön dann, wie er zeigt, dass er den Test bestehen wird und brav gelernt hat:

Wiesen mit Hahnenfuß, Wollgras und Alaska-Lupinen,
-- wird ihn wahrscheinlich doch auch selbst ein bisschen interessieren, er fängt ja auch gleich mit den Küstenseeschwalben an, dieses Benennen und Bestimmen ist ja schon auch sien Ding.

For the record: Das --

habe ich die zweihundert Euro vergessen.
-- ist mir immer noch so rätselhaft wie beim erten Auftreten.

Hier --

Ohne einen Fuß hineingesetzt zu haben, weiß ich, dass der Kaffee dort sechs Euro kostet.
-- erscheint mir die Schwelle des Erwähnenswerten noch nicht ganz erreicht: Kaffee für sechs Euro deckt sich generell mit meiner vagen Vorstellungen von isländischen Preisen, dafür muss man sogar nicht mal unbedingt nach Island, d.h. der genannte Preis erfüllt für mich nicht das Kriterium, besonders mit dem Schulbus verknüpft zu sein. Aber wahrscheinlich täusch ich mich einfach.

Bei der Begenung mit der Schleswig-Holsteinerin find ich gut gemacht, wie sich das entwickelt zu so einer Art Zuneigung --

„Die war ganz okay“, sage ich.
-- einfach weil man ungefähr in derselben Lage ist und Zeit miteinander verbracht hat.

Auch sehr hübsch fin cih das:

Unweigerlich denke ich an die Schuhgeschäfte, in denen das Personal ausgerechnet immer die Schuhe, die man gerade anprobiert, selbst zu Hause hat.
-- und vielleicht sogar fast noch besser ohne die Steigerung:
Zumeist sind es auch zufällig ihre Lieblingsschuhe.

Dieses notieren --
Wollgras wie Wattetupfer verstreut. Ich notiere den Vergleich.
hast du oben eingeführt. Zufälligerweise hab ich die Einführung (für einen eventuellen späteren Bericht) erst überlesen und nicht vermisst. Da ist die Frage naheliegend, ob es nicht weg könnte. Wenn du nicht extra sagen würdest wofür, dann wär das Notieren eher etwas, das er regelmäßig macht. Das würde für mich eigentlich ganz zu zum Bild des IChs passen. Durch die Erklärung wirkt es tendenziell so, als würde er das nur bzw. speziell auf dieser Reise machen. Geht auch, passt für michb aber eine Spur weniger gut.

Sehr fein natürloch auch das hier:

Ein ferner Wasserfall. Unecht, virtuell, aber schlampig designt. Kein Baum, kein Busch. Nur Wiese, Fels und Wasser.

Wogegen ich hier --
Die Augen geben sie anders wieder.
-- intuitiv entgenen würde, dass das für Insta usw. nicht gerade ein Problem ist. Da geht's ja nicht drum, wie es die eigneen Augen wiedergeben. Wirkt so, wie du die zwei zeigst, fast zu gewissenhaft - oder auch nicht, vielleicht ist es auch ein Hinweis auf die Suche nach dem Echten, die ja schon eine Rolle spielt.

Auf überraschende Weise spielt sie z.B. hier --

ich meine, ‚Wollgras‘ ist doch nur ein Begriff. Was also ist das? Der Gedanke macht mir Angst.
-- eine Rolle. Find ich schon passend, steht aber auch etwas alleine da. Ein kleines bisschen hab ich die Frage, ob da nicht was faul dran ist, ob das nicht zu einfach ist, dem Protagonist mal eben so nebenbei eine neue Dimension zu geben. Weiß ich jetzt nicht, hat was für sich, bringt aber auch eine Gefahr mit sich. (Das mit den Augen oben kann man damit in Verbindung sehen, ist aber auch da relativ schwach (im Sinne von dezent).)

Er hat schon was mit Angst am Hut:

„Ist dir aufgefallen, dass wir völlig allein sind?“, fragt Hanna.
Ich schaue mich um; sie hat recht.
„Das ist nicht gut“, sage ich.
-- auch das könnte man vielleicht mit dem oben zusammen sehen, so dass es sich dann doch irhgendwann trägt. Kann schon sein, bin mir halt nicht sicher.

Hier --

Es gluckst, ich meine eine Frequenz zu hören. Etwas Harmonisches. Ein leises Summen. Ich schaue ins aufgewühlte Wasser. Sollte hier tatsächlich jemand sitzen und singen? Doch es ist nur der Wasserfall, das Schäumen und dumpfe Trommeln. So müssen die Geschichten von Feen und Nixen entstanden sein. Ihr Gesang hat etwas Lockendes, zugleich Ängstigendes, Böses.
hab ich zwei kleine Punkte: eine Frequenz hören klingt komisch, find ich. Einerseits ist die Frage, ob das korrekt ist (hört man eine Frequenz oder eher einen Ton, der eine bestimmte Frequenz hat?), andrerseits, entscheidender, ist es kein Merkmal für Harmonie, eine Frequenz zu sein (oder zu haben). Der technische Begriff kann zwar zu dem Charakter schon auch passen, aber umso mehr würde er dann ja darauf achten, dass die Begriffe auch zutreffend sind ...

Hier nochmal --

Wie der Anblick eines Schwarzen Lochs. Ich notiere den Vergleich.
-- dieses Notieren, verfestigt sich als Bild, find ich an der Stelle noch gut, im weiteren Verlauf war es mir dann fast schon zu viel.

Sehr schöne indirekte boshafte Charakterisierung des Protagonisten:

Auf der anderen Seite der Schlucht liegt ein See mit grüner Insel.
„Bildschirmschoner“, bemerke ich.

Hier dann hübsch, wie das rauskommt --
Tief entspannt kommen wir aus dem Wasser. Nicht einmal aussprechen müssen wir das.
-- dass sie alles bewerten, damit auch ein Stück weit zerreden, und dass jetzt überasschenderweise auch mal was für sich wirkt.

Hier --

Doch zunächst werden wir noch einmal mit diesem Lavafeld vorliebnehmen.
-- erscheint mir vorliebnehmen nicht ganz passen, oder ich hab's falsch verstanden. Vorliebnehmen heißt ja, würd ich sagen, dass man auf einen Sache zugunsten einer anderen, minderwertigen verzichtet, typischerweise gezwungenermaßen (typischerweise nimmt man nicht aus freien vorlieb, sondern muss vorliebnehmen). Das ist hier doch nicht so. Das Lavafeld kann im Vergleich als minderwertig angesehen werden, soweit ok, aber sie verzichten ja nicht auf das andere. (Im Zusammenhang mit dem (erzwungenen) Verzicht erscheint mir insbesondere noch einmal nicht passend, denn wenn der Verzicht zum Vorliebnehmen dazugehört, dann müsste man, wenn man schon einmal vorliebgenommen hat, auch schon einmal verzichtet haben.)

Hier --

Schon jetzt ist mir die Landschaft vertrauter. Ich sehe sie anders. Fotos machen wir diesmal keine.
-- frag ich mich doch glatt, ob man auf eine Reifung der Charaktere hoffen darf. Und wenn es so ist, dann wäre das hier --
Wie aus einem undichten Maschinenkessel, denke ich, notiere den Vergleich.
-- für mein Empfinden wieder ein Rückschritt. Das wäre dann auch die Stelle, wo ich mich frage, ob es mir nicht besser gefallen würde, wenn das Notiren aufhören tät.

Hier --

„Na, das hier.“ Ich mache eine ausschweifende Bewegung. „Jetzt können wir quasi sterben.“
„Ist das dein Ernst?“
„Nein. Aber das sagt man so.“
„Hab’ ich noch nie gehört“, sagt Hanna.
„Na, dann hab ich’s nicht so gemeint.“
-- ein ganz hübsches lockeres Spiel mit ernsteren Fragen, die aber nicht ernst gemeint sind.

Ein kleines Hin und Her der Einstllungen empfinde ich hier:

Warum hast du sie eingeladen?“, frage ich Hanna.
„Jetzt sei mal nicht so. Die ist doch nett.“
„Ja, nett“, sage ich.
-- ganz und gar nicht unrealistisch, aber eben ein Hin und Her: Wir haben das schon gesehen, erst die Ablehnung, dann doch unerwartet Zuneigung, jetzt wiederholt sich das. Kann ein bewusster Effekt sein, wenn es das ist, weiß ich noch nicht, ob er mich überzeugt (wenn es keine Absicht sein sollte, würd ich's rausnehmen - oder zur Absicht machen).

Hier --

„Ja, vielleicht hast du recht.“
„Aber vielleicht hast auch du recht“, sagt Hanna.
„Wer weiß.“
-- find ich das zwar schon passen, wie sie sich den Ball wechelweise zuspeilen wollen, kommt aber etwas überraschend. Hätt ich vielelleicht ganz gerne schon früher angedeutet gesehen.

Dann hier also --

Ich nicke, finde es insgeheim schade.
-- wie sich das wiederholt: zweite Mal Ablehung haben wir gesehen, jetzt das zweite Mal die Zuneigung.
Irgendjamand hat geschrieben, er/sie fänd es reizvoll, wenn die Zuneigung zu der Frau deutlicher wäre, bis hin ansatzweise zur Konkurrenz zu Hanna. Weiß jetzt nicht, was du drauf geantwortet hast, ich könnt es mir jedenfalls auch ganz gut vorstellen.

Dann wieder das Wechselspiel:

„Andererseits kann ich dich verstehen“, sage ich schnell.
„Aber du hast recht“, sagt Hanna.
„Aber ich kann dich auch verstehen.“
-- passt schon, aber gerade weil es jetzt immer mehr zum Motiv wird, fänd ich eine frührere Vorbereitung nicht so schlecht.

An dieser Stelle --

Seit einigen Kilometern folgen wir einem schwarzen Landcruiser.
-- passt der Modellname dann sehr gut, da ist die Wahlmöglichkeit quasi da: Es könnte auch ein anderes Auto sein.

Vorhin hat sie das --

„Jetzt können wir wirklich sterben“, erwidert Hanna.
-- zurückgewiesen, jetzt greift sie es selbst auf. Find ich gelungen.
Und das Ganze, auch ohne die Wiederaufnahme, mit ihr aber umso mehr, lässt den Schluss plötzlich ziemlich präker aussehen:
Ein letztes Foto will ich machen.
-- ob das dann womöglich das allerletzte Foto wird? Will ich gar nicht wissen, es reicht mir, dass das eine Möglichkeit ist.

Ach, und zum Schluss noch: Die englischen Dialoge hören sich für mich (und andere) nicht so ganz natürlich an. Gut möglich, dass der Protagonist sich so ausdrückt, aber vielleicht könnten die Isländerinnen sich etwas geschmeidiger, lockerer zeigen?

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Lieber @erdbeerschorsch ,

tut mir leid für die Ewigkeit zwischen deinem Kommentar und meiner Antwort. Das ist nicht untergegangen. Aber ich habe es aufgeschoben. Keine Ahnung weshalb; dein Kommentar ist auf jeden Fall großartig. So detailreich und konstruktiv. Richtig was zum Werkeln. Danke dafür!

Das find ich vor allem deswegen auffällig, weil du für mich zu den Referenzgrößen hier gehörst (womit ich natürlich die Qualität meine, wozu aber auch eine ordentliche Ausdauer gehört, die nicht alle haben resp. zeigen).

<3 Kann ich nur zurückgeben. Wenngleich du natürlich mittlerweile hier eine Rarität geworden bist. Was den Wert nicht schmälert ...

die isländische Halbinsel Reykjanes
-- find ich die genaue Ortsbezeichung leicht irritierend. Der Text ist personal erzählt und diese Draufsicht ist nicht personal. Kann auch ein beabsichtigter Effekt sein, der Typ schaut ja gerne auch von außen drauf. Trotzdem klingt es eher so, als wären sie nicht im Moment dort. Zumindest isländisch könntest du sicher rausnehmen.

Ich glaube, hier war mir Klarheit wichtig. Ich glaube, so ganz am Anfang ist das legitim. Trotzdem verstehe ich den Punkt schon. Ist, wie du sagst. Aber dennoch. Ich finde immer, dass man ganz am Anfang einer Story, wenn es denn wirklich der Klarheit/Verortung sehr dienlich ist, da Eingeständnisse machen darf. Finde ich selbst auch bei Filmen, Romanen in Ordnung.

setzen wir uns in den Duster.
-- irgdendeine bestimmte Assoziation haben soll, von der ich keine Ahnung hab. Für mich klingt es unnatürlich. Sie setzen sich doch einfach ins Auto ... Man würde ja auch nicht sagen: Komm, es regnet, wir setzen uns besser mal in den -- *google, google, willkürlichesbeispielnehm* -- Cascada.

Ja, die Argumentation leuchtet ein. Gerade halte ich aber daran fest. Vielleicht weil ich meine, dass das mittlerweile so eine Standard-Leihkarre ist, dass man sie kennt oder es zumindest vom Ich vorausgesetzt werden kann.

hier, in ‚ihrer‘ Landschaft kommt sie mir unerträglich vor.
nicht schon ausreicht.

Gekauft. verlangt etwas mehr Transferleistung, aber passt.

„Besser als Alpen ist das nicht“, konstatiere ich und fühle mich schlecht, das Offensichtliche ausgesprochen zu haben.
-- find ich nicht nachvollziehbar. Besser als die Eifel [Vulkane und so] ist das nicht könnte ich verstehen. Die Alpen haben aber schon Extremes zu bieten, das verstehe ich nicht als Mangel,
Die arme Eifel ... ich will gar nicht auf ihr rumhacken, die Eifel ist wirklich sehr schön, aber sie ist halt nicht spektakulär

Heheh. Ja, recht hast du. Habe ich übernommen; danke dafür!

Zum Glück lächelt mich in diesem Moment das Bonus-Schwein einer fremden Einkaufstüte
-- wär's sicher auch möglich, zum Glück zu streichen, zumal im Folgesatz glücklich steht:

Nee, finde ich wichtig. Aber ich muss auch sagen, dass ich manchmal ganz schön auf Nuancen setze, die vielleicht gar nicht wirklich genug Kontrast bieten, um überhaupt Wirkung zu entfalten. Detailverliebtheit nennt man das auch, glaube ich. Hier finde ich halt gut, dass sich das "zum Glück" auf den vorherigen Satz bezieht und die Absurdität verdeutlicht, seinen emotionale Verstimmung durch den Anblick dieses Schweines zu regulieren.

Bisher sind alle Wertungen über die Landschaft relativieren, da kommt mir das --
Schrecklich schön ist die Landschaft.
-- eine Spur zu plötzlich bzw. übergangslos. Beim Lesen vermisse ich irgendwie das Zugeständnis: Schrecklich schön ist die Landschaft jetzt doch/muss man zugeben -- sinngemäß, irgendsowas.

Ja, sehe ich. Habs geändert, danke dir.

Mein Gesicht ist wie versteinert; nur die Augen bewegen sich.
-- überzeugt mich das mit den Augen nicht so ganz, er sieht ja nicht seine Augen. Nur die Augen bewege ich (noch) fänd ich möglicherweise etwas besser, noch besser könnte es sein, sich nicht auf die Augen, sondern den Blick zu beziehen, also das, wie es aus der Innenperspektive aussieht, wenn sich die Augen bewegen.

Super gut gesehen. Hab ich auch geändert.

Was ich nicht kapiert hab:
Zweihundert Euro am Arsch.
-- das ging wohl nicht nur mir so, meine ich hier und/oder da in den Kommentaren gelesen zu haben.
„Wegen der zweihundert Euro?“, frage ich.
hab ich immer noch nicht kapiert.
habe ich die zweihundert Euro vergessen.
-- ist mir immer noch so rätselhaft wie beim erten Auftreten.

Es ging um die Bustickets, min Jung. Ich habs jetzt aber ein für allemal geändert. Gleich an zwei Scharnierstellen. Danke für den Schubser.

Ohne einen Fuß hineingesetzt zu haben, weiß ich, dass der Kaffee dort sechs Euro kostet.
-- erscheint mir die Schwelle des Erwähnenswerten noch nicht ganz erreicht: Kaffee für sechs Euro deckt sich generell mit meiner vagen Vorstellungen von isländischen Preisen, dafür muss man sogar nicht mal unbedingt nach Island, d.h. der genannte Preis erfüllt für mich nicht das Kriterium, besonders mit dem Schulbus verknüpft zu sein.

Habe jetzt noch zwei Schippen drauf gelegt:

Er zeigt auf einen liebevoll umgebauten Schulbus, in dem ein LED-Schild blinkt – ‚open‘. Ohne einen Fuß hineingesetzt zu haben, weiß ich, dass der Kaffee dort neun Euro kostet.

Das 'liebevoll', um es ein bisschen zynischer zu machen. Dieser Zusammenhang aus 'nett', 'liebevoll', 'selfmade' und der kapitalistischen Logik dahinter.

-- und vielleicht sogar fast noch besser ohne die Steigerung:
Zumeist sind es auch zufällig ihre Lieblingsschuhe.
Dieses notieren --

Ich glaube, das wäre mir zu viel verlangt vom Leser.

Wollgras wie Wattetupfer verstreut. Ich notiere den Vergleich.
hast du oben eingeführt. Zufälligerweise hab ich die Einführung (für einen eventuellen späteren Bericht) erst überlesen und nicht vermisst. Da ist die Frage naheliegend, ob es nicht weg könnte. Wenn du nicht extra sagen würdest wofür, dann wär das Notieren eher etwas, das er regelmäßig macht. Das würde für mich eigentlich ganz zu zum Bild des IChs passen. Durch die Erklärung wirkt es tendenziell so, als würde er das nur bzw. speziell auf dieser Reise machen. Geht auch, passt für michb aber eine Spur weniger gut.

Nee, finde ich schon wichtig. Vielleicht aber auch weil ich mich hier schwer zwischen Fisch (es ist für einen Bericht) und Fleisch (es ist seine Marotte) entscheiden kann.

Auf überraschende Weise spielt sie z.B. hier --
ich meine, ‚Wollgras‘ ist doch nur ein Begriff. Was also ist das? Der Gedanke macht mir Angst.
-- eine Rolle. Find ich schon passend, steht aber auch etwas alleine da. Ein kleines bisschen hab ich die Frage, ob da nicht was faul dran ist, ob das nicht zu einfach ist, dem Protagonist mal eben so nebenbei eine neue Dimension zu geben. Weiß ich jetzt nicht, hat was für sich, bringt aber auch eine Gefahr mit sich. (Das mit den Augen oben kann man damit in Verbindung sehen, ist aber auch da relativ schwach (im Sinne von dezent).)

Den Punkt finde ich gut. Wäre eine größere Baustelle, die ich ggf. noch mal in der Zukunft angehe.

Es gluckst, ich meine eine Frequenz zu hören. Etwas Harmonisches. Ein leises Summen. Ich schaue ins aufgewühlte Wasser. Sollte hier tatsächlich jemand sitzen und singen? Doch es ist nur der Wasserfall, das Schäumen und dumpfe Trommeln. So müssen die Geschichten von Feen und Nixen entstanden sein. Ihr Gesang hat etwas Lockendes, zugleich Ängstigendes, Böses.
hab ich zwei kleine Punkte: eine Frequenz hören klingt komisch, find ich. Einerseits ist die Frage, ob das korrekt ist (hört man eine Frequenz oder eher einen Ton, der eine bestimmte Frequenz hat?), andrerseits, entscheidender, ist es kein Merkmal für Harmonie, eine Frequenz zu sein (oder zu haben). Der technische Begriff kann zwar zu dem Charakter schon auch passen, aber umso mehr würde er dann ja darauf achten, dass die Begriffe auch zutreffend sind ...

Da hast du nen Punkt. Habe ich jetzt nach deinem Vorschlag zu "Ton" abgerüstet.

Doch zunächst werden wir noch einmal mit diesem Lavafeld vorliebnehmen.
-- erscheint mir vorliebnehmen nicht ganz passen, oder ich hab's falsch verstanden. Vorliebnehmen heißt ja, würd ich sagen, dass man auf einen Sache zugunsten einer anderen, minderwertigen verzichtet, typischerweise gezwungenermaßen (typischerweise nimmt man nicht aus freien vorlieb, sondern muss vorliebnehmen). Das ist hier doch nicht so. Das Lavafeld kann im Vergleich als minderwertig angesehen werden, soweit ok, aber sie verzichten ja nicht auf das andere. (Im Zusammenhang mit dem (erzwungenen) Verzicht erscheint mir insbesondere noch einmal nicht passend, denn wenn der Verzicht zum Vorliebnehmen dazugehört, dann müsste man, wenn man schon einmal vorliebgenommen hat, auch schon einmal verzichtet haben.)

Ach, das finde ich selbst bei der Semantik, die du da beschreibst, doch eigentlich (noch) angemessen.

Wie aus einem undichten Maschinenkessel, denke ich, notiere den Vergleich.
-- für mein Empfinden wieder ein Rückschritt. Das wäre dann auch die Stelle, wo ich mich frage, ob es mir nicht besser gefallen würde, wenn das Notiren aufhören tät.

Danke für den Leseeindruck. Ich mache das jetzt einfach mal, vertraue da auf dich.

Ein kleines Hin und Her der Einstllungen empfinde ich hier:
Warum hast du sie eingeladen?“, frage ich Hanna.
„Jetzt sei mal nicht so. Die ist doch nett.“
„Ja, nett“, sage ich.
-- ganz und gar nicht unrealistisch, aber eben ein Hin und Her: Wir haben das schon gesehen, erst die Ablehnung, dann doch unerwartet Zuneigung, jetzt wiederholt sich das. Kann ein bewusster Effekt sein, wenn es das ist, weiß ich noch nicht, ob er mich überzeugt (wenn es keine Absicht sein sollte, würd ich's rausnehmen - oder zur Absicht machen).
Irgendjamand hat geschrieben, er/sie fänd es reizvoll, wenn die Zuneigung zu der Frau deutlicher wäre, bis hin ansatzweise zur Konkurrenz zu Hanna. Weiß jetzt nicht, was du drauf geantwortet hast, ich könnt es mir jedenfalls auch ganz gut vorstellen.

Auch das hier wäre so ein größeres Projekt. Vielleicht das vielversprechendste.

-- passt schon, aber gerade weil es jetzt immer mehr zum Motiv wird, fänd ich eine frührere Vorbereitung nicht so schlecht. (das gegenseitige Beschwichtigen)

Ist mir auch zu groß, um das jetzt auf gleich zu bearbeiten. Finde ich aber eine Überlegung wert.

Ach, und zum Schluss noch: Die englischen Dialoge hören sich für mich (und andere) nicht so ganz natürlich an. Gut möglich, dass der Protagonist sich so ausdrückt, aber vielleicht könnten die Isländerinnen sich etwas geschmeidiger, lockerer zeigen?

Und hier müsste ich mir einfach mal helfen lassen. Da fehlt mir wahrscheinlich wirklich die Expertise.

Ein letztes Foto will ich machen.
-- ob das dann womöglich das allerletzte Foto wird? Will ich gar nicht wissen, es reicht mir, dass das eine Möglichkeit ist.

Das freut mich sehr, dass das bei dir so rübergekommen ist. Genau das war die Idee.

Danke dir, guter Erdbeerschorsch. Und entschuldige bitte noch einmal die lange Verspätung.

Bis ganz bald!
Carlo

 
Zuletzt bearbeitet:

Und hier müsste ich mir einfach mal helfen lassen. Da fehlt mir wahrscheinlich wirklich die Expertise.
Lieber Carlo,

darf ich? (Oder drehst du mir grad innerlich den Hals um? :shy: Hoffe nicht!)
Ich bin ja auch kein Muttersprachler, aber 9 Jahre Langzeitstudentin Anglistik, 15 Jahre im Ausland lebend, seit der Teeniezeit 90% der Bücher auf Englisch gelesen.

Here's my shot at it:

„You really didn’t notice?“, fragt die Inhaberin des Campingplatzes, als wir in ihrem kleinen Café ein paar Waffeln und Kaffee bestellen. Sie lacht. „I mean … how could you possibly sleep through that?“
„Well, I think I did“, sage ich, grinse.
Hanna scheint es peinlich zu sein. Sie steht etwas abseits, tut, als gehörte sie nicht zum Gespräch. Eine klasse Strategie, denke ich. Hier kein Zeilenumbruch, weil gleiche Figur weiterspricht. Könntest du ansetzen als: ... denke ich und frage: „What about the volcano?“, frage ich.
„So far, nothing. Would you like some jam with your waffles?“
„Yes, thanks.“
„Black coffee? Milk?"
Milk? Definitely not.“ (Wiederholung optional. Kannst du auch vllt. schöner/lebendiger augenzwinkernd, gespielt entrüstet nehmen als: „Most definitely not!“)

--

„Where would I have the best view of the Brennisteinsalda?“, frage ich die Frau im Rezeptionshäuschen. „I mean: From where could I see the entire mountain range?“
Sie überlegt, nimmt ihren Bleistift. Ich schiebe ihr unsere Karte unter.
„I think you should try the main path. But you can also follow the other one here.“ Sie setzt ein Kreuz.
„Thanks a lot. (Oder geläufiger, weniger verknöchert: „Thanks a million.“). You know, I'm quite fascinated by it“, sage ich und lächle.
„Are you?“ (Wäre nett-neutral. "Ah, really?" ist recht unhöflich-anzweifelnd, schon sarkastisch – willst du das vermitteln, könntest du auch nehmen: „Are you now?“ - was fies, aber mit einem Augenzwinkern dazu auch vertraut-neckend sein kann.)
„Yes, it’s absolutely stunning.“ (Yeah, it's quite beautiful.“ – könnte je nachdem, wie sie es betont / ausspricht, eher bedeuten ‚Joar, ganz nett‘. Mein Vorschlag ist eindeutig positiv.)
(…)
„Please make sure that the whole Brennisteinsalda is in the frame. No need to include our legs, though“, bitte ich den Mann.
Er zeigt uns das Foto, wir sind zufrieden.
„Could you also take a picture of me, please?“, fragt er. „You can leave out my legs, too.“ (Oder, wenn du die Doppelung willst: No need to include my legs, either.“)
„With pleasure!“ (Nicht falsch, würde ich aber kürzer halten: „Sure!“ Freundlich gesprochen wäre das wohl das Älltäglichste – abgesehen davon, dass man das auch in anderem Kontext / je nach Aussprache als ätzend-sarkastische Bemerkung nehmen könnte.)

Hoffe sehr, du kannst was damit anfangen.
Ganz herzliche Grüße,
Katla

 

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