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Outbound Love
"Ja, Hallo... , Meier ist mein Name, ruf' an vom 'Heidebauern', ...'"
"Der Heinz ist im Stall, das kann noch dauern...."
Seine sonore Profi-Stimme drückt das Gegenüber in der Leitung, eine Bauersfrau irgendwo nordwestlich der Weser, bis in den tiefsten Winkel ihrer Sitzgarnitur.
"Hätte Ihnen ein befristetes Weihachtsabo vorzuschlagen, was halten Sie davon ? Vielleicht entscheiden Sie ja auch ohne ihren Gatten, Frau Werder.", gibt er etwas keck zurück und hofft, dass ihr feministischer Rudimentärinstinkt so ausgeprägt ist, dass sie auf diesen recht simpel gestrickten Gesprächsköder anspringt.
"Also, ich entscheide sehr wohl ohne meinen Mann, Herr ...Meier ???, hallt es zurück.
"Ja, richtig, Frau Werder, Meier ist mein Name und ich verrate ihnen auch sofort, was sie als Exklusiv-Geschenk zusätzlich zum freien Quartal von mir erhalten." Ein Satz mit wenig Information, der einzig der Aufrechterhaltung des Gesprächsflusses dient und welchen er als bewährtes Füllsel schon öfters erfolgreich in seine maschinenartige Agitprop eingebaut hat, mit der er täglich bis zu dreihundert Anwahlen bei den Landwirten der Republik reißt.
"Suse, was gibt es denn ?", schallt es plötzlich aus dem Hintergrund und er weiß, dass er wieder von vorne beginnen muss. Ein hungriger Ehemann ist aus dem Stall zu Mittag herein gekommen und die Frage ist, ob er seinen Hunger verdrängen kann mit seinem exklusiven Vorzugsangebot für den 'Heidebauern', der in der Kaltaquise ein echter Renner seit knapp einer Stunde ist.
"Hallo, Herr Werder, Meier ist mein Name......"
"Du, der hat schon drei Mal angerufen....." wispert Suse zu Heinz.
"Ich rufe an für den Heidebauern, hatte ihnen da neulich ein Probeexemplar geschickt und wollte mal hören, ob ich sie für unser diesjähriges Herbstangebot begeistern kann, Herr Werder". Er haut den Satz mit einer verrohten Ehrlichkeit und im Glauben verankert, Herrn Werder etwas Gutes zu tun, in die Leitung, dass Herr Werder nach einer geistigen Verdauungspause von einigen Sekunden wie gewünscht reagiert.
"Was kostet er denn ?" kommt es freundlich und doch etwas besorgt von Herrn Werder.
Bingo !
"52,50 für 12 Monate, und, wie gesagt, zunächst haben sie ein freies Quartal, macht sechs Hefte, zuzüglich zu dem bereits erhaltenen kostenfreien Probeexemplar.. Zustellung frei Haus selbstverständlich inklusive," gibt er frisch und in bester Business-Laune seine überzeugende Vorteils-Argu zurück und 30 Sekunden später ist Papa Werder Bezieher des 'Heidebauern' und stolzer Besitzer eines Taschenofens, Modell "Kentucky", mit deutschsprachiger Bedienungsanleitung.
Soweit, ist dies einer der goldenen Tage, wie outbounder sie lieben. Ein 50-Euro-Hit beim 8ten oder 9ten call, gefolgt von einem weiteren Fuchs für ein lokales Jagd-Magazin, das an Bauer Twenge nach Olpmühlen gegangen ist und jetzt gerade ein weiterer Hit noch vor Mittag. Meier ist mehr als zufrieden.
Effektive Businesszeit bisher: 93 Minuten, davon gewohnheitsmäßig wenigstens ein Drittel in der Teeküche verbracht, wo Iris, die Abo-Queen, heute das Apfelkuchenimitat eines namhaften überregionalen Supermarktbetreibers für die Kollegen auf den Tisch gestellt hat und er in dem halben Dutzend Zigarettenpausen der zweiten Vormittagshälfte mit Jochen, seinem robusten Kollegen aus Süddeutschland, ein Projekt diskutiert, in welchem sie Millionen scheffeln mit Staubsauger-Dummies aus Kenia und einer 0190-Reklamations-hotline, die sie selber betreiben und mit der sie die customer noch einmal abrippen.
Meier fühlt sich großartig in seinem kleinen Unternehmerglück und sein Blick wendet sich verächtlich durch die verglasten Trennwände der Teeküche in das Sekretariat des customer-care, wo er einige bedauernswerte Lohnknechte schuften sieht, die für eine Handvoll Silberlinge pro Stunde Adressrecherche betreiben.
Da steht SIE und sie sieht ihn an. Eine junge Frau von knapp 20 Jahren, keine der high-school-Pampen, die hier zwecks Aufbesserung des Taschengeldes jobben, sondern eine attraktive working-class-woman mit einem Staubsauger in der Hand und langem, blonden Haar, das in weichen, langen Strähnen ueber ihre Schultern bis auf ihre festen Brüste gleitet, ruht am Rande der Tischlandschaft, hinter welcher seine Teen-Kollegen ihre PC's malträtieren, und wechselt den Filter ihrer Höllenmaschine.
Sie nehmen einander wahr und die bleiche Röte in seinem Poker-face, die letzte menschliche Regung, zu der ein echter outbounder fähig ist, verschmilzt für einen Moment mit der einsetzenden Röte ihrer Wangen, als sich ihre kleinverdienenden Blicke kurz treffen.
"Hör mal, Michel, mer schaffe das, Wenn Du dann später ein Konto in Jordanien abräumen tätst, wer wollte Dir denn da was.....?"
Jochen halluziniert weiter und seine Marlboro ist jetzt auch schon fast zu Ende. Schnell noch ein Stück von dem labberigen Apfelkuchen auf die Hand genommen und raus aus der Teeküche. Am Ende des Ganges sieht er sie ein letztes Mal vor sich. Sie hat ihren job auf dieser Etage beendet und wie Meier nun auf ihren Pfaden wandelt, zurück zu seinem Terminal, da nimmt er einen feinen Geruch wahr, ein Parfum, das riecht wie frischer Jasmin und durch seine Nase bis auf die Sinne schlägt.
Es stammt von ihr und der alte Haifisch spürt ein gewisses Kribbeln in den Kiemen und spürt, wie sich das kleine, dumme Wunder der Liebe in ihm ereignet hat.