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Reden mit Jim

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14.07.2003
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Reden mit Jim

Nach Wien fahre ich.

Hallo. Mein Name ist Jim.

Wahrscheinlich sind wir uns schon des öfteren begegnet. Zumindest, wenn sie hin und wieder mit der Bahn fahren. Ich bin der Typ, der am Bahnsteg die Zigarettenstummeln und Papierfetzen mit einem spitzen Stock aufspießt.

Jajaja... Sie sind etwas verspannt nicht wahr? Naja, egal...

Ich habe eine Bitte, wissen sie? Geben sie um Himmels Willen nicht das Rauchen auf! Lassen sie sich das nicht einmal durch den Kopf gehen. Egal was die Gesundheitserziehung in den Medien und an den Schulen behauptet... Weg mit diesen Gedanken! Futsch. Gut so.

Nun ja... Etwas nervös? Vor mir müssen sie sich nicht fürchten. Haha.

Haben Sie schon einmal eine Bierflasche aus Ägypten gesehen? Ich schon.Vor kurzem sah ich eine solche leere Flasche auf der Parkbank am Bahnhof stehen. Da sind jede Menge arabische Zeichen drauf, trotzdem steht auf der Etikette hinten ein englischer Text mit den Alkoholwerten. Ich sammle Bierflaschen. Diese ägyptische bekam natürlich einen Ehrenplatz in meiner Sammlung gleich neben der australischen, die ich damals in der Innenstadt gefunden habe und neben der spanischen Flasche, die ich mir um einen horrenden Preis im Supermarkt kaufen musste. Da ist sogar noch das Bier drinnen. Es wäre zu schade gewesen, diese leer zu trinken. Besonders bei einem Preis von 2,10 EUR.

Jaja.

Bitte? Wie war das? Warum ich ihnen einen Vortrag über Raucherprävention und Bierflaschenkonservierung halte fragen sie sich? Sie sind mir vielleicht einer... Sie haben doch das Gespräch begonnen! Da sitzen sie neben mir im Bus und fragen mich ganz locker nach der Uhrzeit und wohin ich denn fahre. Dann beginne ich ein Gespräch mit ihnen und sie tun so, als hätten sie das nicht beabsichtigt!

Sie sind ein seltsamer Mensch, hat ihnen das schon einmal jemand gesagt? Aber egal, ich mag seltsame Menschen. Ich bin ja selber einer, glaube ich.

Bevor ich weiterrede, noch eine Bitte! Starren sie um Himmels Willen nicht so starr nach vorne als würden sie gerade einen imaginären Text von irgendwo ablesen, sie können sich ruhig entspannen, locker lassen und mir in die Augen blicken.

Danke.

Also wissen sie was ich letztens in der Zeitung gelesen habe? Der Bundeskanzler soll ja angeblich...

Sie machen es ja schon wieder! Was sehen sie denn nur dort vorne? Dieser starre Blick! Zu gerne wüsste ich was in ihrem Kopf los ist.

Aber egal. Ich muss ohnehin schon aussteigen, der Bus hält gleich.

Adios, bis irgendwann vielleicht!

 

Hallo Jingles!

Die Idee zu deiner Geschichte und der dazu ausgewählte Titel (der mich sofort angesprochen hat) finde ich sehr gut.
Leider tritt die Aussageabsicht noch nicht so gut hervor.
Ich denke mal, dass du mit dieser Geschichte den "seltsamen" Charakter deines Prot aufzeigen wolltest.
Bei dem Abschnitt mit dem Bierflaschensammeln ist dir dies auch gut gelungen.
Ich finde, du hättest noch mehr solcher eingenartiger Eigenschaften des Prot. aufzeigen sollen, damit seine Andersartigkeit besser zur Geltung kommt.
Sätze wie "Nun ja... Etwas nervös?" sind ja nichts, was aus der Noramlität aussticht!

Die vielen Absätze und Sätze wie "Jajaja... Sie sind etwas verspannt nicht wahr? Naja, egal..." geben einem eher das Gefühl, dass da tatsächlich ein Dialog stattfindet, aber das soll ja nicht, oder?

Eine Idee wäre auch gewesen, wenn du deinen Prot das "Gespräch" hättest beginnen lassen, dieser sich dann schließlich in seinen Gedanken verliert und immer mehr redet, über sich selbst erzählt, oder einfach nur erzählt was ihm gerade in den Sinn kommt (wenn er z.B. jemanden sieht, der seine Fahrkarte abstempelt, soetwas in der Art wie "Haben Sie schonmal darüber nachgedacht, was es für ein Gefühl ist nur da zu sein, um in einen Schlitz geschoben, abgestempelt und dann zerknüllt auf den Boden geworfen zu werden? Wissen Sie, in meinem Beruf habe ich schon viele solcher achtlos weggeworfener Fahrkarten aufsammeln müssen....")
und irgendwann plötzlich alleine dasitzt und am Ende des Gesprächs wirklich nur mit sich selbst spricht, es aber auch gar nicht mehr merkt, weil es für ihn nicht mehr wichtig ist.
Das könntest du dann verdeutlichen, indem du am Ende einen erzählenden Satz einfügst, wie zB: "Der Mann in dem schwarz-gelben Anzug (es sollte doch ein "Müllaufsammler" sein, oder?) bemerkte nicht, dass der Sitz neben ihm schon längst wieder leer war."

Naja, ich weiß nicht, ob das die Aussage deiner Geschichte trifft ;)
Aber ich denke, du hast schon verstanden, was ich sagen wollte:
Deine Idee ist gut, aber meiner Meinung nach erfährt der Leser noch zu wenig über den Charakter des Prot. bzw. ist das was man erfährt noch nicht erwähnenswert "seltsam" genug (bis auf die Bierflaschen)

lg, Babelfish

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich habe die Geschichte deshalb in Seltsam gepostet, weil der Protagonist mit dem Leser, also mit DIR spricht. Der Leser sitzt im Moment des Durchlesens auf dem Bussessel neben dem Protagonisten und ist durchs Lesen Teil der Handlung. Deshalb auch der starre Blick und die nervöse angespannte Haltung (durchs Lesen).

Das war der eigentliche Sinn der Geschichte.

P.S.: Aber in deinen Fahrkarten-abstempel-Satz habe ich mich verliebt...

 

Ach, so ist das gedacht!
Tut mir leid, dann habe ich wohl die ganze Geschichte nicht verstanden!

Aber ich finde, dass du den Leser schon zu Anfang des Textes durch den Satz "Nach Wien fahre ich" auf eine falsche Fährte bringst, die du dann nochmal durch den Bus bestätigt.
Dieser Gedankensprung, dass der Prot sich einerseits in einem Bus befindet, aber trotzdem auf irgendeine Art und Weise den Leser sieht, sich mit ihm unterhält, der Leser diese "Unterhaltung" aber nur auf dem Monitor liest, war für mich leider zu groß!

Freut mich aber, dass dir mein Fahrkarten-Satz gefallen hat ;)

Babelfish

 

Hmm, möglicherweise. Aber der Satz "Nach Wien fahre ich" ist von wesentlicher Bedeutung. Immerhin ist dieser Satz ja die Antwort auf die Frage des Lesers, mit der die Unterhaltung in Gang gebracht wird. Man müsste einen Teil des Konzeptes umschreiben um diesen Satz löschen zu können.

 

Ich finde die Erzählstruktur gelungen. Es ist immer mal erfrischend, als Leser direkt angesprochen zu werden.
Was die Aussage angeht, sehe ich die Selbstisolierung des modernen Privatmenschen deutlich angeprangert. Finden wir es nicht psychisch auffällig, wenn jemand im Zug plötzlich anfängt, sich mit einem selbst zu unterhalten? Vielleicht ist derjenige tatsächlich etwas seltsam - aber er hat nicht unbedingt einen Schaden.
Wirklich ein gelungenes Experiment!

Uwe
:cool:

 

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