schwarz.
Heute wird es endlich soweit sein. Heute werde ich dem Kreis der ewigen Dunkelheit beitreten und endlich mein Blut mit dem meiner Schwestern vereinen. Vorfreude schießt durch meinen Körper wie ein gutes Aufputschmittel. Oh ja ich musste lang warten bis sie mich als ihrer würdig akzeptierten, und es sind zuviele verdammte Jahre vergangen, in denen ich an ihren Rockzipfeln gehangen bin wie ein junger Hund. Draußen wird es langsam dunkel. Ich sollte mich auf den Weg machen. Ich gehe in mein Zimmer und öffne den Schrank. Ganz unten liegt die schwarze Robe, die von nun an auch ich tragen werde. Dieser faszinierende Geruch. Freudenfeuer, Fruchtwasser. Ich sauge ihn tief in mich ein, dann ziehe ich mich nackt aus und ziehe ehrfürchtig die Robe über. Als ich so vor dem Spiegel stehe, durchfährt mich wieder eine Welle der Vorfreude. Bestimmt wird es ganz großartig bei dem Kreis der ewigen Dunkelheit dabeizusein. Ich werde eine zweite Familie haben, eine wo der Vater nicht die Kinder schlägt und die Mutter keine saufende Nutte ist.
Der Kreis der ewigen Dunkelheit ist eine Gemeinschaft, deren Mitglieder sorgfältig ausgesucht werden. Wir glauben daran, dass der Wald der Ursprung allen Lebens ist und die Dunkelheit die Zucht des Bösen. Und da wir auf der Seite des Bösen sind, stehen wir für alles Dunkle und Böse. Wer der Gemeinschaft beitritt hat eine Biografie, die sich in einem Bewerbungsschreiben nicht gut machen würde und etwas, das wir den dunklen Kern nennen. Man sieht ihn in den Augen, er ist der Ausdruck unendlichen Leids. Ich weiß, dass ich ihn habe. Und ich habe Gründe dafür. Mit sechs zum ersten Mal vom Vater vergewaltigt. Mit zehn von der Mutter mit auf den Strich genommen. Mit elf erster LSD-Trip vom älteren Bruder. Mit dreizehn regelmäßig an Verwandte zum Sex verliehen. Jetzt, mit sechzehn, regelmäßiges Aufputschmittelschlucken. Trotz alldem habe ich nie daran gezweifelt dass mein Leben ein Geschenk ist, das man nicht vergeuden darf.
Ich bin im Wald. Der Stoff meines Gewandes ist bis zu den Knien mit Wasser vollgesogen, weil ich durch die ungemähten Wiesen gegangen bin. Miranda, die oberste Schwester, hat mir versprochen dass man mir nicht weh tun wird. Himmel, mein Herz schlägt so schnell wie zum letzten Mal bei meiner Einschulung, doch was mich hier erwartet ist so viel größer als ein Klassenzimmer und ein Lehrer. Ich sehe schon den Schein des riesigen Feuers, das sie immer machen. Das wir immer machen. Ich gehöre bald dazu..ein Schauer der Vorfreude durchfährt mich. Warum ich unbedingt zu ihnen gehören will, fragst du? Nun. Der Kreis der ewigen Dunkelheit ist ausschließlich für schwermisshandelte Frauen oder junge Mädchen wie mich. Wir finden die Übeltäter und tun ihnen noch schlimmere Dinge an als sie uns angetan haben. Wir wühlen in ihren Eingeweiden wie Ratten im Müll, während sie noch am Leben sind. Ich war nur einmal bei so einem Racheakt dabei, und als Neue hatte ich die undankbare Aufgabe dem Kerl das Licht auszuknipsen. So viel Blut.
Endlich, endlich kann ich sie sehen. Mein Herz schlägt immer schneller. Für heute Abend ist zur Feier meines Einstieges eine besonders große Racheaktion geplant. Ich sehe zwei Typen in einem Käfig sitzen, der eine ruft immer wieder nach seiner Mutter, der andere hämmert mit seinem Kopf gegen die Metallstäbe. Er soll bloß aufhören, sonst ist er schon hinüber bevor wir uns seiner annehmen können. Wäre doch schade, oder? Miranda kommt auf mich zu, umarmt mich. Wieder dieser Geruch-Freudenfeuer, Fruchtwasser. "Komm mit, Schwester Carolin," sagt sie zu mir und führt mich zu einem Altar. Vor uns lodert das Feuer. "Schwestern, tretet heran! Unsere neue Schwester Carolin ist zu ihrer Weihe erschienen!," ruft sie, und zwanzig schwarzgekleidete Gestalten scharen sich um den Altar. Die Männer schweigen in ihrem Käfig. "Wir heißen dich hiermit in unserem Kreis willkommen. Schwöre bei der Macht des Feuers und der Macht der Dunkelheit, dem Kreis auf ewige Zeit treu zu bleiben." Sie schaut mich gebieterisch an. "Ich schwöre," antworte ich, und meine Stimme zittert ein wenig. "Entblöße deinen rechten Arm," fordert Miranda. Eine andere Frau hält etwas an einer Zange ins Feuer. Meine Augen weiten sich. "Aber...Miranda..." "Sei still und akzeptiere. Den Schmerzen in deinem Leben diesen hinzufügen ist wie in einen Eimer Wasser einen Tropfen zu gießen. Er wird deshalb nicht übergehen." Die Frau steigt zum Altar herauf. Sie reicht Miranda die Zange, und als ich den glühenden Stempel sehe, weiß ich es. Ich soll gebrandmarkt werden wie ein Kalb auf dem Markt. Aber keine Angst. Für die ewige Schwesternschaft. Ich schließe die Augen, und als das heiße Metall zischend meinen Arm berührt, weißer Schmerz durch meinen ganzen Körper zuckt und es nach verbrannter Haut zu riechen beginnt, schreie ich nicht. Im Gegenteil. Eine unerwartete Zufriedenheit durchströmt mich. Miranda umwickelt meinen Arm mit einem Verband aus Kräutern und rollt meinen Ärmel wieder herunter. "Und nun," wendet sie sich den Schwestern zu. "Zur Rache. Die Schwestern, die Opfer dieser Kerle wurden, kommen bitte zu mir herauf." Ich trete einen Schritt zurück und mache Platz. Zwei junge Mädchen, ein wenig älter als ich, betreten den Altarplatz. Sie nehmen ihre Kapuzen ab und eine, mit langen roten Locken, beginnt zu sprechen. "Ich heiße Fabienne. Er hat..." Sie verstummt. Kämpft mit sich. "Er hat zuerst mich vergewaltigt und dann meine sechsjährige Schwester Carmen. Anschließend hat er unsere Mutter an die Küchenwand genagelt wie Jesus an das Kreuz. Die Polizei hat ihn nie gefunden, auch ich wusste seinen Namen nicht. Der allumfassenden Macht des Kreises der ewigen Dunkelheit ist zu verdanken, dass meine geschändete Familie heute ihre Rache bekommt." Die Schwestern johlen, und ich reiße ebenfalls meine Arme in die Höhe. Dieses Schwein. Dieses Arschloch. Stirb, stirb, stirb.
Jetzt wird der erste aus dem Käfig geholt. Es ist der, der mit dem Kopf gegen die Stäbe geschlagen hat. Man bindet ihn auf dem Altar fest, Miranda und Fabienne nehmen eine Kettensäge. Ihr Kreischen durchschneidet den Frieden des Waldes wie ein Schwert ein Stück Stoff. Sie schneiden dem Mann ein Bein ab und werfen es johlend ins Feuer. Ich bin dabei, ich schwimme auf der Welle der Euphorie mit. Der Kerl brüllt vor schmerzen, und in dem Stumpf der einmal sein Oberschenkel war, zucken Nerven, Sehnen und Fleisch im Takt seines Geschreis. Dann das andere Bein. Knirschend durchdringt die Säge seinen Knochen, das Bein ist abgetrennt vom Oberkörper. Es wird durch die Reihen gereicht, manche spucken darauf, manche beißen ein Stück ab. Ich habe gerade eine Nase voll Rotz, die ich auf dem Körperteil entlade.
Jetzt ist das Glied dran. Der Mann ist jetzt ein geschlechtsloser Oberkörper mit Armen, der sich wahrscheinlich wünscht niemals jemandem etwas angetan zu haben. Er ist halb bewusstlos, ich schätze wegen dem Blutverlust, es ist wirklich eine ganze Menge die sich da zu unseren Füßen ansammelt. Ich schreie Miranda zu sie soll schnell machen, doch sie holt mich zu sich herüber und flüstert mir zu: "Machs besser!" Ich nehme die Kettensäge. Sie ist so schwer...Genüsslich trenne ich die Arme ab, während ich dem sterbenden Mann in die Augen schauen. Ein göttliches Gefühl. Dann den Kopf. Er schreit ein letztes Mal und verstummt.
Oh, dieses Gefühl. Wo ist der nächste?