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Sein ärgster Feind

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03.07.2004
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Sein ärgster Feind

Nacht auf Greifenhöhe. Alle schlummerten, nur Hugo, der Burgherr, wälzte sich schlaflos auf seinem weichen Bett. Die Nachricht, die ihm sein Bote am Abend überbracht hatte, raubte ihm den Schlaf.

"Was soll ich tun? Übermorgen wird er vor dem Burgtor stehen, mein ärgster Feind. Und das Geld für die Reparatur des Tores wollte ich sparen. Schließlich haben wir Frieden im ganzen Land und die reisenden Handwerker sind heutzutage geradezu Luxus mit ihren überzogenen Forderungen. Die sind ja bald reicher als unsereiner - eine verkehrte Welt ist das. Alle wollen das wenige, was ich mir sparen konnte haben - aber ich werde mich wehren. Das Burgtor könnte mir sowieos nicht helfen. Dazu ist er viel zu mächtig, mein ärgster Feind.

Was also tun? Die wenigen Haare ausraufen nützt nichts", ermahnte Hugo seine Finger, die sich selbständig gemacht hatten. "Ich muß logisch vorgehen. Die wenigen Schätze im Keller in einer Höhle verbergen? Ja wenn es Sommer wäre, aber jetzt - der Winter kommt und ein Bär in der Höhle, der würde uns für lange Monate vom Notgroschen abschneiden.

Die Wintervorräte? Ja, die Ernte war gut, wir haben viel einlagern können, vielleicht sogar recht viel für meine Leute. Aber schließlich trage ich für sie die Verantwortung. Und ich möchte nicht noch einmal erleben, daß einer meiner Leute den Winterkoller bekommt, weil die Zeit so lang und hart und vor allem so einsam und langweilig ist. Nein, ein gutes und abwechslungsreiches Essen ist eine der wenigen Freuden, die wir gemeinsam genießen können. Außerdem - wenn ich die Vorräte aus der Burg schaffe, muß ich alle Leute, die laufen können, einsetzen und bin dann allein auf der Burg mit den Alten und Schwachen - das würde sogar einem Blinden auffallen - und das ist er bestimmt nicht dieser Fiesling."

Außerdem schneite es schon recht heftig, wie Hugo bei einem Blick aus dem Fenster in die sonst finstere Nacht feststellen mußte. Aber als er gedankenverloren in den fallenden Schnee schaute, überkam ihn die Erleuchtung, was denn sein Wertvollstes war und beruhigt drehte er sich zur Seite und schlief ein.

Am nächsten Morgen ließ er die Alarmglocke läuten, bis alle seine Leute auf dem Burgplatz versammelt waren. "Der Feind steht vor unseren Toren, morgen wird er da sein." begann er und er merkte, dass alle verstanden, von wem er redete. Kurz und präzise erläuterte er sein Vorhaben und schnell begann ein Gewusel, das wie ein heilloses Durcheinander wirkte, aber alles verlief nach Plan. Alle Ochsenkarren wurden mit Vorräten beladen und sobald ein Wagen beladen war, verließ er mit 4 Mann die Burg und fuhr gemächlich Richtung Bergland. An den beschädigten Karren wurden so lange Ersatzteile ausgetauscht, bis sie fahrbereit waren.

Am frühen Nachmittag standen nur noch vier traurige zusammengebrochene Karren in der Remise und die herrschaftliche Kutsche, bei der ein Rad offensichtlich heißgelaufen und dann gebrochen war. Die jungen Frauen und Kinder waren mit dem letzten Wagen mitgefahren und nun trugen die Alten und Gebrechlichen zerbrochenes Geschirr, alte Möbel und zerschlissene Kleider in alle Zimmer.

Die letzten kräftigen Männer, die noch in der Burg waren, hoben derweil mehrere große Kuhlen auf dem schönen Burgrasen aus. füllten sie mit den Weinkrügen und den Schatzkisten aus den Kellern und warfen die Erde wieder in die Löcher. Einige roh zusammengezimmerte Kreuze steckten sie noch in die Erde.

Der stetig fallende Schnee deckte die Spuren der Karren ebenso zu wie den trostlosen Anblick des Burghofes. Die jungen Männer bekamen jeder soviel Schnaps, wie sie ohne Hilfe schlucken konnten und torkelten schließlich in ihre Betten. Statt der warmen Daunendecken mussten sie sich mit alten Säcken zudecken, aber ihnen war ja innerlich warm genug. Der Schatz des Burggrafen aber, seine ihm treu ergebenen Leute waren mit ausreichend Vorräten unterwegs. "Und wenn sie in vier Tagen wiederkommen, wird mein ärgster Feind über alle Berge sein", lächelte Hugo. "Die Zeiten sind zwar friedlich, aber eine so katastrophale Winterseuche wie wir sie hier vorspielen, wird jeden Menschen, der noch bei Verstand ist, schnellstens vertreiben."

Und so kam es: am nächsten Morgen zeigte der vom Koch gut mit verschiedenen Zutaten gewürzte Schnaps seine Wirkung. Die Burg schien ein einziges Jammertal zu sein und bleiche Gestalten hockten auf den Mauern, nachdem der Abort schon am frühen Morgen überfüllt war. Auch Hugo hatte einen schönen Gewürzkaffee mit heißem Bier getrunken und hockte mit heftigem Magengrimmen in seinem Privatkabinett. "Manche Opfer müssen halt sein", frohlockte er. "Mag er doch kommen mit seinen Soldaten und Henkersknechten, seinen Schnüfflern, Fährtenlesern und Spürhunden - er wird nichts finden, mein ärgster Feind, der königliche Steuereintreiber".

 

Sein ärgster Feind

Hi jobär,

auch von mir ein herzlich Willkommen.

Dein Einstieg :cool:

Wie früher, so heute. Kann auch eine Geschichte darüber schreiben.

Überraschendes Ende. Hätte man eigentlich drauf kommen müssen.
Denn die Sorgen und Nöte des Burgherren sind ja nicht anders als Heute.
Das es diese unliebsamen Staatsvertreter immer noch gibt, müsste eigentlich verboten werden, meinst du nicht? ;)
Oder bist du gar selber einer :hmm:

Nette Rätselgeschichte, die neugierig machte.

lieben Gruß,
coleratio

 

Der nächste Stammtisch in Hamburg kommt auf uns zu und ich schau mal meine paar Geschichten durch. Diese habe ich beim letzten Stammtisch entworfen und es freut mich, dass sie gefällt. Den Fehler habe ich korrigiert und so bleibt mir im Augenblick nur noch eins zu sagen: Ich bin nicht beim Finanzamt tätig, habe aber auch so meine Erfahrungen mit dieser Spezies.

Liebe Grüsse

Jobär

 

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