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Seltsame Schützenwelt

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21.04.2002
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Seltsame Schützenwelt

Ein Wirtshaus. Lange Holztische, die, eingekleidet in schmutzige, blau-weiß karierte Wolldecken, schwere, tönerne Bierhumpen mit gußeiserenen Deckeln darauf stemmen.
An den Tischen sitzen Männer mit grünen Hüten. Einige von ihnen tragen Unmengen Metall vor ihrer Brust. Sie reden und lachen laut.
Sie trinken aus ihren Bierkrügen. Sie knallen die Krüge mit Schwung auf die Tische, deren Aufächtzen in ihrem Geschwätz untergeht.
Wenn sich der am Kopfende des Tisches erhebt, schweigen sie plötzlich. Der am Kopfende hat einen aufgezwirbelten Bart. Die Enden des Bartes wippen, wenn er spricht. Er hat das meiste Metall auf der Brust. Er ist ihr König. Und der örtliche Parteichef.
Am Tresen sitzen junge Männer, entsprechend ihrem geistigen Entwicklungsstand „Burschen“ genannt. Ihre Autos und das Bier in der Kneipe sind ihr größtes Vergnügen.
Samstags gehen sie zum Fußball.
Sonntags sitzen sie am See.
Lachen. Betrinken sich. Und nähern sich mit derben Scherzen der holden Weiblichkeit. Wenn es ihnen zu bunt wird, fahren die alten Weiblein dazwischen.
Reicht das nicht, wird der Patriarch hinzugeholt. Hier wird noch gehorcht. Die Frau ist dem Manne untertan. Man geht brav zur Kirche. Und wenn der muntere Lärm der Dorfjugend im Wirtshaus die Reden des Königs stört, werden die Burschen kollektiv und derb zurechtgewiesen.
Man feiert Feste. Man schmückt den Pfingstochsen. Die Dorfjugend kämpft mit der des Nachbarortes um den Maibaum und viel Bier. Man trägt Heiligenfiguren in Prozessionsmärschen durch den Ort.
Und dann sind da Feste zu Ehren des Königs. Alles, was ein Gewehr in der Hand halten kann, übt um die Wette für den Krieg. Und am Ende siegt immer der König.
Der Pfarrer kennt alle Geheimnisse.
Die Frauen kennen alle Geheimnisse. Sind die Männer im Wirtshaus, ist die Dorfstraße mit dem Getuschel der älteren Frauen gefüllt. Hier liegt die eigentliche Machtzentrale. Was hier verhandelt wird, wirkt sich auch auf die Rangstufe derer im Wirtshaus aus.
Teile und Herrsche. Zeige Bauernschläue. Sei mißtrauisch gegenüber allem Fremden.

 

Hi,
teilweise durchaus treffende Bilder. Dein Schützentreffen passt zu meinen Erinnerungen an die Schützenfeste, die in dem Ort stattfanden, in dem ich aufwuchs(und - nebenher gesagt - bestätigt es meine ablehnende Einstellung). Besonders gefällt mir:

Er hat das meiste Metall auf der Brust. Er ist ihr König. Und der örtliche Parteichef.
:D *schlag auf die Brust*
Das einzige Problem mit dem Text (der ja nun keine richtige Geschichte ist - eher Satire) ist, dass er, da sowas ja in jedem Ort irgendwie so ist, als Beschreibung von bekannten Zuständen etwas an einem vorbeiplätschert.

Gruß, baddax

[ 23.05.2002, 22:35: Beitrag editiert von: baddax ]

 

Ich weiß nicht so recht was ich von deiner geschichte halten soll. Einerseits gefällt mir deine schilderung sehr gut, sie schaft es wie auch schon in deinem letzten Text einen in die Situation hinein zu füren, das ganze für den betrachter lebendig wirken zu lassen.
Andererseits verstehe ich die Geschichte nicht so ganz, zummindest nicht wenn sie in Alltag steht.
Mir kam es leicht fantasyhaft, aber auch leicht satierisch und gesellschaftskritisch vor.
Es geht um das verhalten von Kleinstadtbürgern, das ist klar, aber was soll es mir jetzt sagen?
Vieleicht kann ich mich einfach nicht mit der Geschichte identifiziere...(grübel)
Auserdem fehlt mir einfach die Handlung.. ;)

 

Heyho,
jetzt hast du einen eingefleischten Kleinstadtschützen angelockt ;)
Aber warum auch nicht? Zwei kleine Fehler am Anfang:

Ein Wirtshaus. Lange Holztische, die, eingekleidet in schmutzige, blau-weiß karierte Wolldecken schwere, tönerne Bierhumpen stemmen.
Nach Wolldecken noch ein Komma. Dafür kannst du zur Not auch das zwischen "schwere, tönerne" weglassen.

Sie trinken aus ihren Bierkrügen. Sie knallen die Krüge mit Schwung auf die Tische, deren aufächtzen in ihrem Geschwätz untergeht.
"Aufächtzen"

Die durchaus gelungene Schilderung erinnerte mich an diverse Zeichnugnen von Dorfgemeinschaften aus dem Fernsehen oder aus, z.B:, "Schlafes Bruder".
Auch wenn unsere Schützenfeste noch einen Tacken "zivilisierter" verlaufen ( hoffe ich... ), konnte ich mir diese Dorfgemeinschaft sofort vorstellen.
Man könnte dir jedoch Klischeehaftigkeit vorwerfen.
Nichtsdestotrotz zeugt deine Erzählung - eher Stimmungsbild als klassische Kurzgeschichte - von schriftstellerischem Können. Dicker Pluspunkt: Sie war recht kurz gehalten. Schön, auch mal eine knappe, verdichtete Aussage aufgetischt zu kriegen und sie nicht immer aus vier Wordsseiten heraussuchen zu müssen, wie das oft der Fall ist.
Fazit:
:prost: :king: :rotfl:
Nein, im Ernst:
:thumbsup:
Viele Grüße,
para

 

:thumbsup: :thumbsup:
wenn eine geschichte dem leser emotionen wachkitzeln, dann ist sie schon gelungen.
ich musste wirklich schmunzeln (und ich lache nie *g*)!
deine geschichte ist eine leckere satire, ich mag die darstellungen der alten klischees.

.

Hier wird noch gehorcht
ja-ja -- genau *g*

das ende war leider sehr plötzlich - ich hatte natürlich erwartet, dass noch eine kleine bissige bemerkung mir das ende würzt. - das kommt halt davon, wenn der leser verwöhnt wird.

baba
barde

 

Waidmannsdank (hab' echt gegrübelt, ich weiß, das man det hier bei'n Jäger sacht, aber watt sacht der Schütze???) erstmal für die Resonanz.

Ich muß auch zugeben, das alle genannten Kritikpunkte IM PRINZIP richtig sind - aber halt nur im Prinzip ;)

Das einzige Problem mit dem Text (der ja nun keine richtige Geschichte ist - eher Satire) ist, dass er, da sowas ja in jedem Ort irgendwie so ist , als Beschreibung von bekannten Zuständen etwas an einem vorbeiplätschert.
Andererseits verstehe ich die Geschichte nicht so ganz, zummindest nicht wenn sie in Alltag steht.
Mir kam es leicht fantasyhaft, aber auch leicht satierisch und gesellschaftskritisch vor.
So paßt's zsamma: zu Marot muß ich sagen, das natürlich stimmt, das das Genre etwas unglücklich gewählt ist. Da hab' ich irgendwie eh' immer Schwierigkeiten mit, und vordergründig geht es eben, wie angemerkt, um ALLTÄGLICHKEITEN, die AN JEDEM ORT irgendwie so passieren.
Das die Handlung fehlt, ist Mittel zum Zweck: es geht um die reine Atmosphäre, einerseits um das erkennen des Unangenehmen dieser Atmosphäre und andererseits das erkennen der Alltäglichkeit dieser Atmosphäre. Es ist ja der Schützenverein eine Parabel auf die gesellschaftliche Hierarchie.
Somit zum kurzen, knappen Ende: es geht darum, das die Geschichte ein Loch zurückläßt, das vom Leser mit Inhalt gefüllt wird. Ich erwarte halt :xxlmad: wie ich bin, das meine Leser sich den richtigen Reim machen.

Scientista

 

Gut, das da Gesellschaftskritik hintersteckt, ist akzeptabel. Aber dafür finde ich das Korsett der Schützen um ihren König doch etwas zu eng.

Da ich es noch nicht explizit gesagt habe - stilistisch ist Dein Text voll okay. :)

Gruß, baddax

 

:D Nun ja, der Einäugige ist des Blinden König und wenn man schon alles hat, bekommt man's nachgeschmissen...

Will sagen: Je mehr Volk beim und Brimborium um den König, desto zwielichtiger wird er.

Kauderwelsch, aber :whocares:

:lol: :teach:

 

So, hab' jetzt endlich mal die Formfehler berichtigt - danke nochmal, Para - und ein kleines Detail ergänzt. Wer's findet, darfs behalten :D

 
Zuletzt bearbeitet:

Dein Detail will ich nicht, aber das dir meine Anmerkungen geholfen haben, freut mich natuerlich.
Apropos Details. Barde und ich haben den :thumbsup: benutzt. Dabei hiess das wohl urspruenglich so was wie "send him to the gods", was wir wohl beide nicht so gemeint haben... also: :thdown: , du darfst auf Erden weilen.
:teach: Klugscheisserisch,
...para

 

Hallo, Mad Scientist.

Mir gefällt deine Szenenbeschreibung sehr gut, doch zu einer schönen kg fehlt aus meiner Sicht die Story. Vielleicht verirrt sich ein "Unwissender" in die Weolt der Schützen und findet es erstaunlich ... prickelnd? Vielleicht ...

Liebe Grüße

 

Hallo Mad Scientist,

mir fehlt bei Deinem Text eine Geschichte, so ist es nur die Beschreibung einer Szene. Beim Tuscheln der Frauen und dessen Auswirkung ist der Ansatz für eine Handlung zu spüren. Vielleicht hättest Du auch einen Schritt weitergehen und ganz auf die Stärke einer Satire setzen sollen.
Trotzdem - eine interssante Thematik..
Der erste lange satz sollte durch einen Punkt geteilt werden, das „Stemmen“ (auf die Tische bezogen), kommt ziemlich spät. Ansonsten kommt nach „Deckeln darauf“ noch ein Komma.


@baddax

Das Wachkitzeln von Emotionen ist doch nicht schon ein Anzeichen einer gelungenen Geschichte?

Tschüß... Woltochinon

 

@Woltochinon: Da scheint die grundsätzliche Meinungsverschiedenheit zu liegen: ihr mögt es gerne ausgewalzt - und baddax, ich etc. finden offensichtlich die LÜCKEN der Gschichte wichtiger als die Geschichte selbst. Für uns ist das wachkitzeln von Emotionen vielleicht wichtiger, als eine augefeilte Story, die für den eigenen Gedanken eigentlich keinen Platz mehr läßt.

M A D

 

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