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Short Message Servant

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02.02.2003
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Short Message Servant

In meiner Jackentasche geht plötzlich die Titanic unter. Ich erschrecke ganz fürchterlich. Stehenbleiben, tief durchatmen, Augen zu, Augen wieder auf, Handy raus. Mein Rammelhasenlogo ist verschwunden. ‚Eine Kurzmitteilung erhalten’ leuchtet mich tückisch an. Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen: ‚Zeigen’. Halt! Jetzt noch nicht. Ich stecke das Telefon wieder weg. Hat noch Zeit, denke ich. Ein Schritt weiter in die richtige Richtung, noch einen und noch einen. Dann stehe ich wieder, fingere hektisch in meiner Tasche herum, werde angerempelt und entschuldige mich dafür. Endlich halte ich meinen Schatz wieder in Händen. Freigabe. Ich will es wissen. Jetzt * drücken. Weiß ich, du dämliches Ding! Und gehorche. Wieder schwebt mein Daumen über ‚Zeigen’. Zögern.

Früher, davon bin ich überzeugt, war es einfacher sich zu trennen. Bequem konnte man sich hinter seinem Liebeskummer verschanzen, den Trennungsschmerz gemütlich um sich herum aufstapeln, ohne Angst, dass diese Mauer von digitalen Flakgeschoßen zum Einsturz gebracht wird. Es gab kein Mobiltelefon, kein Internet, keine Shortmessage, keinen Personal Computer, keine E-Mail, keinen Chatroom, keinen Instant Messenger. Wir hatten nur das Telefon. Und das konnte man abstecken. Ich glaube, dass wir damals mit unserem Unglück glücklicher waren. Das Loslassen war nicht so eine wackelige Angelegenheit, nicht so ein dorniger Weg, gepflastert mit all dem modernen Krimskrams, der es uns heute so schrecklich einfach macht, unser Leid bit- und bytekodiert auf den Weg zu schicken. Wir sind erreichbarer geworden. Disponierbarer. Verwundbarer.

Und jetzt stehe ich hier; zu feige, um mir dieses eine verdammte SMS anzusehen. Wie ein Idiot verharre ich im Menschenstrom, wie ein Bär auf Lachsjagd, starre auf mein Handy, lasse den Daumen zwischen ‚Zeigen’ und ‚Löschen’ hin- und herpendeln und bin einfach nur unglücklich. Und neugierig. Ja, sie ist ein raffiniertes Luder, diese Neugier, und schließlich ist sie es, die mich in die Knie zwingt: ‚Zeigen’!

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Arschlöcher, denke ich. Und gehe weiter.

 

Hallo!
Insgesamt eine interessante Geschichte. Allerdings gehört sie, glaube ich, eher in die Rubrik "Gesellschaft", da du ja die moderne Medien- und Kommunikationsgesellschaft kritisierst.
Den Gedanken, dass die Technik uns kontrolliert und das Leben schwerer macht bringst du schön rüber. Allerdings solltest du etwas näher auf das Paradoxe daran eingehen: Die Technik soll unser Leben einfacher und besser machen, erschwert es uns dann aber doch. Aber dem Inhalt der SMS entnimmt man dann doch den Grund, warum diese Technik letztendlich wirklich existiert: zum Geld machen.
Wie gesagt, eine Nette Geschichte. Man könnte aber noch etwas mehr daraus machen. Sie wirkt beim Lesen irgendwie etwas oberflächlich. Das könntest du noch etwas verbessern.
Auch über deine Formulierungen solltest du noch etwas nachdenken. Vielleicht geht es nur mir so, aber bis ich draufgekommen bin, dass

In meiner Jackentasche geht plötzlich die Titanic unter.
heißen soll, dass in deiner Jackentasche ein Ereignis stattfindet, welches (für dich) eine Katastrophe darstellt, da musste ich schon etwas nachdenken. wenn ein Text zum Denken anregt ist das zwar gut, allerdings sollte das der Inhalt, nicht die Formulierungen.
Und Gedanken wie
Weiß ich, du dämliches Ding!
solltest du in kleine 'Anführungszeichen' setzen, damit der Text strukturierter wirkt. Das verbessert den Lesefluss.

Insgesamt ein guter Ansatz und eine nette Idee. Keep trying!

 

Hallo journey2heaven!

Ein klasse Anfangssatz und eine nette Schlusspointe - der Rest des Textes gefällt mir leider weniger. Er ist einfach zu übertrieben, zu gekünstelt - und in dem Bemühen, Spannung aufzubauen und witzig zu sein auch zu lang, ohne dass wirklich Handlung erfolgt.
Die Emotionen und Gedanken Deines Prot sind mir zu aufgesetzt - ich mag diese SMSzeug auch nicht (wer mag das schon), aber ANGST etc ... man liest es halt, ärgert sich, löscht es. So erscheint es unglaubwürdig.

schöne Grüße
Anne

 

Hallo Seth Rock,

Hab Dank für deine doch recht ausführliche Kritik an meiner kurzen Story. Für mich passt dieses Teil doch eher in 'Alltag', obwohl 'Gesellschaft' aus den von dir angegebenen Gründen natürlich auch nicht von der Hand zu weisen ist. Meine Betrachtungsweise ist aber weniger die Kritik an der modernen Technik, sondern eine kurze Momentaufnahme, wohin uns eben diese Technik schon gebracht hat.

Bei "In meiner Jackentasche geht plötzlich die Titanic unter. " überinterpretierst du. Hier handelt es sich um nichts weiter als eine Andeutung/Umschreibung für dieses penetrante S-O-S-Geklingle, das man auf vielen Mobiltelefonen für den Erhalt einer SMS einstellen kann.

Über die Anführungszeichen kann man natürlich stundenlang diskutieren, aber mein Gedankengang ist: keine direkte Rede - keine Anführungszeichen.

lg p.

 

Bei "In meiner Jackentasche geht plötzlich die Titanic unter. " überinterpretierst du. Hier handelt es sich um nichts weiter als eine Andeutung/Umschreibung für dieses penetrante S-O-S-Geklingle, das man auf vielen Mobiltelefonen für den Erhalt einer SMS einstellen kann.
genauso hab ichs verstanden. ;)
ich fand die Formulierung halt einfach gut. :)

 

Hallo Maus,

Auch ein herzliches Danke für deinen Kommentar. Und herzlichen Glückwunsch, dass du nicht zu jenen bedauernswerten Menschen gehörst, die weite Teile ihrer Beziehung über SMS bestreiten - ein Radiobericht zu genau diesem Irrsinn hat mich eigentlich erst zu den obigen Zeilen 'inspiriert'.

Dass du den Rest gekünstelt und bemüht findest (Spannung aufbauen? witzig sein wollen? wo genau?) finde ich natürlich schade.

lg p.

 

Bei "In meiner Jackentasche geht plötzlich die Titanic unter. " überinterpretierst du. Hier handelt es sich um nichts weiter als eine Andeutung/Umschreibung für dieses penetrante S-O-S-Geklingle, das man auf vielen Mobiltelefonen für den Erhalt einer SMS einstellen kann.

*hust* ich will nicht kleinlich werden, aber bei dem erwähnten (Nokia-)Ton handelt es sich nicht um 3 x kurz, 3 x lang, 3 x kurz und damit um SOS, sondern um 3 x kurz, 2 x lang, 3 x kurz und damit bedeutet dieser Ton "SMS" ... was ja letztlich eine sehr treffende Aussage ist *g*, aber damit nicht mehr sonderlich viel mit besagtem unsinkbaren Schiff zu tun hat ...

Im übrigen wäre es gar nicht zulässig, ein international genormtes Notsignal als Klingelton zu verwenden ...

zum Nachschlagen: http://www.kidsweb.de/schule/morse.htm

 

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