Sommerabend
Die Weide tauchte ihre zarten Äste in das warme Wasser des Sees. Die Luft flirrte, die Vögel stimmten ihr Abendlied an.
Die Angler, die am Nachmittag am Ufer gesessen hatten, waren schon längst gegangen. Die Sonne verschwand langsam hinter dem Horizont. Noch glühte sie golden. Es war Zeit zu gehen. Doch irgendetwas hielt uns an diesem Ort. Es waren viele hier gewesen, wir hatten den Abschluss so richtig schön gefeiert, bis auf den Vorfall mit Pascal. Sandra hatte extra ihren Grill hierher geschleppt, und Pascal hatte zusammen mit seinem Vater, einem ziemlich lockeren Typen, kistenweise Bier angefahren. Die Stimmung war gut, jeder hatte mindestens zwei Bier intus. Manche mehr. Philip auch. Wir hatten uns gestritten, wieder wegen Kleinigkeiten. Aber wenn er besoffen war, konnte man bei ihm sowieso nicht viel ausrichten. Ich hatte vor allen anderen mit ihm Schluss gemacht, heute. Es kam mir vor, als wenn es schon ewig her gewesen wäre. Philip war danach gegangen, niemand wusste so genau, wohin. Ich dachte mir meinen Teil, er saß jetzt bestimmt in irgendeiner Kneipe und schüttete sich noch mehr zu. Ich würde ihm nicht mehr hinterherlaufen. Nie mehr.
Kathrin hatte mich bestürzt angesehen. Mit ihr konnte ich über alles reden. Auch über Philip. Und sie erzählte mir auch einiges. So auch, dass sie mitbekommen hatte, dass Jan mit Ole über mich geredet hatte. Nichts Schlechtes, wie sie mir berichtete. Ich hatte dieses Gespräch mit Kathrin vergessen, doch in diesem Augenblick, fiel es mir wieder ein. Nachdem Philip verschwunden war, ging die Party weiter. Ich war nicht besonders traurig, Kathrin und Sandra redeten mir gut zu und Pascal besorgte mir noch ein Bier mehr.
Der Nachmittag verging mit Schwimmen, Lachen, Trinken und Tanzen. Ich wollte nicht von der Party weg, aber ich wollte auch nicht dort sein. Also setzte ich mich ans Ufer und beobachtete die anderen wie sie Spaß hatten. Irgendwann meinte Kathrin, sie würde mit Holger, einem süßen Jungen aus der Parallelklasse, und ein paar anderen noch in die Disko gehen und ob ich nicht mitwollte. Ich lehnte dankend ab und wünschte ihr mit einem Augenzwinkern viel Spaß. Ich hatte keine Lust auf noch mehr Leute. Nach und nach verschwanden die meisten, auf andere Partys oder nach Hause. Pascal sammelte mit ein paar anderen den gröbsten Unrat von der Böschung. Sein Vater holte ihn um halb neun ab. Jan half ihm noch, die leeren Bierkisten auf dem Kleinlaster zu platzieren. Dann war alles ruhig. Nur Jan, Jan war noch da. Er setzte sich neben mich und wir schwiegen zusammen und lauschten den Vögeln bei ihrem Abendgesang. Es wurde langsam kälter und mich fröstelte. Jan rückte wortlos näher und legte mir seinen Pullover um die Schulter. Der Stoff roch nach Lavendel und war noch warm von seinem Körper. Ich glaube, ich wurde rot. Vorsichtig blickte ich in Jans Richtung. Doch er starrte nur verlegen auf den Boden vor sich. Er hatte genau wie alle anderen die Szene mit Philip mitbekommen. Vielleicht war es ihm deshalb peinlich. Ich aber fand es nett, wie er sich um mich kümmerte. Ich versuchte, ohne auffällige Bewegungen, mich näher an ihn zu schmiegen. Jan sah auf. Unsere Blicke trafen sich und ich bemerkte ein Lächeln in seinen Augen. Ich fühlte mich auf seltsame Art von ihm verstanden, obwohl ich in den ganzen vier Jahren kein einziges Wort mit ihm gewechselt hatte. Etwas unbeholfen hob er seinen Arm und legte ihn behutsam um mich. Ich hatte mich bei Philip nie so wohl gefühlt, wie bei Jan in dem Augenblick als er mich näher an sich zog, so als ob er mein Verlangen gespürt hätte. Zufrieden legte ich meinen Kopf auf seine muskulöse Schulter. Die Bäume über uns rauschten, ein leichter Wind war aufgekommen. Die Weide strich mit ihren schlanken Zweigen durch das vom Licht der untergehenden Sonne golden gefärbte Wasser. "Melanie..." War es das Wispern der Bäume oder hatte Jan da gerade meinen Namen geflüstert? Unfähig, mich zu bewegen, hielt ich den Atem an. Ich getraute mich nicht, ihn anzusehen, ich konnte es nicht. Es war einfach zu perfekt. Ich spürte, wie Jan seinen Arm von mir nahm. Ich schloss die Augen. Sein warmer Atem kitzelte mich im Nacken. Er strich mir die Haare aus dem Gesicht. Ich hielt es nicht länger aus und öffnete meine Augen wieder. Er hatte seinen Arm auf den sandigen Boden gestützt und hielt den Kopf gesenkt über meiner Schulter. Unsicher legte ich ihm meine Hand auf den Bauch. Er drehte sich zu mir und blickte mich mit seinen wundervollen braunen Augen an. Mir wurde heiß, aber ich hielt dem Blick stand und begann ihn zu streicheln. Jan legte seinen anderen Arm auf meine Schulter und wir glitten zusammen nach unten. Immer noch schauten wir uns in die Augen, es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Endlich legte er seine Hand in meinen Nacken, zog mich stürmisch zu sich heran, und küsste mich. Es waren wundervolle Minuten, in denen wir uns nur durch Blicke verständigten. Wir brauchten keine Worte... Wir brauchten nur uns. Die letzten Vögel beendeten gerade ihre Abendmelodie, als wir langsam aufstanden und Arm in Arm in Richtung Stadt schlenderten. Die Zeit mit den anderen und die Zeit mit Philip war vorbei, unsere hatte gerade begonnen. Als wir vor meiner Haustür standen schaute er mich liebevoll an und küsste mich auf die Wange: "Ich liebe dich..."
So, das ist meine erste Geschichte hier. Ich hoffe, sie gefällt euch wenigstens ein bisschen