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14.10.2004
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Streitkultur / Der Musical-Besuch


Jürgen und Karin sind nicht nur ein hübsches Paar, ich beneide sie um die Harmonie, die sie ausstrahlen. In all den Jahren, in denen ich sie kenne, habe ich sie noch nie streiten gesehen. Ganz im Gegenteil zu meiner Freundin und mir.

Letzten Montag habe ich Jürgen angerufen, weil ich durch einen glücklichen Zufall vier Karten für eine Musical-Vorstellung am nächsten Samstag bekommen konnte. Da die Vorstellungen immer auf Monate hinaus ausverkauft sind, freute sich Jürgen über diese Gelegenheit und sagte sofort für sich und Karin zu.
Was ich nicht wusste, war, dass Karin für gerade diesen Abend eigentlich bereits ein Treffen mit einer alten Freundin geplant hatte. Sie war vor einiger Zeit ins Ausland gezogen und nur noch selten zu Besuch in der Stadt, diesmal anlässlich einer Familienfeier. Aufgrund dessen hatte sie auch nicht viel Zeit, aber den Samstagabend hatte sie sich frei gehalten. Ob Jürgen von dieser Verabredung wusste mag dahingestellt bleiben, auf jeden Fall informierte er Karin noch am gleichen Abend von dem Besuch des Musicals. Ihre Reaktion war, begreiflicherweise, etwas zurückhaltend.
„Eigentlich hatte ich mich für den Abend mit Ulrike verabredet - “, begann sie, woraufhin Jürgen sie unterbrach, „Aber ich dachte, du wolltest dieses Musical immer schon einmal gesehen haben? Und Ulrike wird sicherlich nicht das letzte Mal hier in Hamburg gewesen sein.“
„Ja, sicher und da du die Karten schon gekauft hast. Hatte ich dir denn nicht von ihrem Besuch erzählt?“, fragte Karin Jürgen, was dieser verneinte. In Gedanken fügte er noch hinzu, dass in einer Beziehung nun mal Kompromisse geschlossen werden müssten. Diese Erfahrung hatte er selbst erst kürzlich machen müssen, als sich Karin letztens das zweite Jahr hintereinander mit dem Urlaubsziel hatte durchsetzen können. Zudem hatte er Ulrike noch nie besonders gemocht, immer wenn sich die beiden trafen, war Karin in den drauffolgenden Tagen irgendwie verändert und manchmal kam es dann sogar fast zu Streitereien. Auf jeden Fall freute er sich, dass diese missliche Situation doch so harmonisch gelöst worden war.

Am nächsten Abend erwähnte Jürgen dann, dass er am Sonntagnachmittag mit Klaus ins Fußballstadion gehen würde, dass Nordderby HSV gegen Werder Bremen stand an.
„Oh, am Sonntag?“, meinte Karin.
„Jaja, steht schon seit langem bei mir im Kalender.“, antwortete Jürgen.
„Oh Schatz, dass tut mir ja leid. Aber heute Nachmittag habe ich mit meinen Eltern telefoniert und sie für Sonntagabend zu uns eingeladen. Hätte ich das gewusst.“
Jürgen schluckte einmal und ein zweites Mal, da er ein leidenschaftlicher HSV-Anhänger war. „Und das können wir nicht verschieben?“, fragte er leise.
„Ach nein, wie sähe das denn aus. Wir haben doch schon so lange nicht mehr einfach so zusammen gesessen und dann kann ich ihnen doch kaum mit der Begründung Fußball absagen, oder?“
„Nein, natürlich nicht.“, sagte Jürgen und schwieg.

Am folgenden Donnerstagabend gingen Karin und Jürgen aus essen. Es war ihr „Kennenlerntag“ und so suchten sie aus romantischen Gründen den Italiener aus, bei dem sie vor sechs Jahren ihre erste Verabredung hatten. Solche Kleinigkeiten, darin waren sich beide einig, waren sehr wichtig, um das Leben in einer Partnerschaft zu erhalten. Und so wählten sie nun wie in den vergangenen Jahren die gleichen Speisen aus wie an diesem ersten Abend.
Als Vorspeise gab es geröstete Tomaten mit Balsamicodressing für Karin und gegrillte Auberginen und Paprika für Jürgen und danach Lasagneschleifen, Karin, sowie Kräuter-Tagliatelle mit Zitronenblättern und Scampi, Jürgen. Es schmeckte alles wie immer fantastisch und als anschließend beide mit dem Chianti anstießen, sagte er ihr, dass es wirklich ein wunderschöner Abend sei.
„Ja, wie damals.“, antwortete Karin.
„Ich weiß, dass klingt jetzt albern, “ setzte Jürgen an, „ aber ich finde dich auch noch genauso hübsch wie vor sechs Jahren.“
Karin lächelte, verlegen und geschmeichelt zugleich.
„Nein, wirklich, du hast zwar in der letzten Zeit etwas zugenommen finde ich, aber - “
„Wie bitte?“, unterbrach ihn Karin scharf.
„Also nicht viel und man sieht es ja auch kaum. Du brauchst dir deswegen auch keine Sorgen zu machen, dass ist ja auch ganz normal. Ich meine, schau dir doch Petra an, wie die schon seit Jahren ihr Gewicht hält. Da steckt doch bestimmt etwas krankhaftes dahinter.“
„So etwas muss nicht immer krankhaft sein.“, stieß Karin mit leiser Stimme hervor.
„Hat es ihnen geschmeckt?“, fragte der Kellner, der just in diesen Augenblick an den Tisch trat.
„Ja, danke, ausgezeichnet“, antwortete Jürgen mit fröhlicher Stimme.
„Wollen sie noch einen Nachtisch?“, wollte der Kellner wissen.
„Zweimal Schoko-Nuss-Kuchen bitte - mit Sahne.“, sagte Jürgen und zwinkerte dabei Karin zu, die jedoch nicht zurückzwinkerte.
Beim Nachtisch war es etwas ruhig zwischen den beiden, Jürgen versuchte zwar mehrmals das Gespräch anzustoßen, es gab jedoch keine rechte Resonanz seitens Karin. Auch war es so, dass Jürgen den Nachtisch sichtlich genoss, während Karin doch eher lustlos in ihren sahnebedeckten Kuchen rumstocherte.
„Schmeckt es dir nicht?“, erkundigte sich Jürgen, „sonst meinst du doch immer, dass du dich da reinsetzen könntest.“
Karin grummelte irgendetwas davon, dass die Pasta diesmal doch wohl etwas mächtig war und schwieg wieder.

Am Freitag war Karin merkwürdig abwesend und Jürgen fragte sich bereits, was mit ihr los sei. Er selbst hingegen war ganz guter Laune, was sich jedoch am Samstagvormittag etwas änderte. Da teilte ihm Karin nämlich ihr Missgeschick beim Waschen mit. Aus Versehen hatte sie dem Waschgang mit der Buntwäsche auch Jürgens HSV-Trikot beigepackt. Es handelte sich um jenes Trikot, das der HSV-Stürmer Yeboah vor vier Jahren nach dem grandiosen 4:4 gegen Juventus Turin in die Zuschauermenge geworfen hatte. Jürgen hatte damals das sagenhafte Glück gehabt es zu fangen. Später hatte er es sich auch noch bei einer Autogrammstunde von Yeboah signieren lassen und hütete es seitdem wie eine Reliquie. Zum schonen der Unterschrift wurde es auch nur recht selten gewaschen. Karin musste ihm nun leider mitteilen, dass sich das weiße Trikot, vor allem wahrscheinlich durch ihre neue Bluse, nun etwas verfärbt hatte.
Jürgen wusste nicht so recht, ob er das Resultat sehen wollte oder nicht, aber da holte es Karin auch schon hervor und zeigte es ihm. Es war nicht wegzuleugnen, das ehemals blütenweiße Trikot war nun, zwar dezent aber doch deutlich sichtbar, komplett rosa eingefärbt.
„Das tut mir wirklich leid. Aber wie meintest du doch letztens, ein bisschen verrückt nach Fußball ist okay, Hauptsache man weiß immer, das es nur ein Spiel ist.“
„Ja, das meinte ich wohl.“

Und so warteten meine Freundin und ich am Samstagabend nun vor dem Eingang des Musicaltheaters auf die beiden und da kamen sie auch schon. Wie immer machten sie einen sehr ruhigen und harmonischen Eindruck und bestimmt hatten sie sich auch schon die ganze Woche auf diesen Abend gefreut.

 

Hi Streifdecken,

Ich finde Deine Geschichte bis auf die letzten vier Zeilen äußerst gelungen.
Ich habe es sehr genossen, zu lesen, wie sich das Verhältnis der beiden, zum Ende hin, immer mehr zuspitzt.
Allerdings war ich vom Ende an sich enttäuscht. Passt zwar auch, aber gefällt mir einfach nicht. Wie abgestumpft muss man sein, dass man es schafft, nicht hin und wieder auszurasten?
Ich verlange ja nicht, dass die beiden sich nach dieser Woche gleich trennen, aber ich hätte erwartet, dass sie zumindest eine abgedroschene Ausrede erfinden, warum sie nun doch nicht mit ins Theater gehen.
Erfreut hätte mich auch, wenn sich beispielsweise einer der beiden aus Versehen das Genick gebrochen hätte, als er unglücklich eine Treppe hinunter gestürzt ist. Obwohl, das wäre vielleicht auch zu abgedroschen.
Jedenfalls fand ich dieses Ende zwar auf der einen Seite realistisch, aber auf der anderen Seite: Wie kann ein Mensch das so lange aushalten? Das ging ja bestimmt nicht nur die eine Woche so, oder?
Wenn ich allerdings so darüber nachdenke, kommt mir auch die Möglichkeit einer Hassliebe in den Sinn. Allerdings wären da doch Auseinandersetzungen an der Tagesordnung, oder?
Hmm... ich weiß es nicht. Wahrscheinlich hast du das mit dem Ende doch ganz gut gemacht, gerade weil man nicht unbedingt auf das Ende gefasst ist. *grübel*
Ich komm noch drauf. Der Rest gefällt mir aber wie gesagt sehr gut.

LG Fnypsi

 

Hi Fnypsi,

danke dir für dein nettes Feedback.

Ich hatte auch überlegt, ob ich es mit einem richtigen "Knaller" enden lassen soll, hätte vielleicht auch gepasst.

Letztlich wollte ich jedoch ausdrücken, dass die beiden diese Situation schon mehrere Male durchlebt haben und immer wieder durchleben werden, es ist ein Kreislauf.
Ich glaube, dass es viele Menschen gibt, die offene Konfrontationen scheuen. Statt zu sagen, was einem "stinkt" hält man lieber den Mund und sagt sich nur im stillen "Na warte, dir wisch ich auch noch eins aus". Die Beziehung selbst wird dabei gar nicht infrage gestellt, aber man ist aus irgendwelchen Gründen unfähig, offen zu sein. Das kann sein, weil man "abgestumpft" ist, wie du es formuliertest oder weil man vernünftig streiten einfach nicht kann. Deshalb auch dieses unbefriedigende Ende.

Sie hörten das Wort zum Dienstag ;)

Schöne Grüße,
Streifdecken

 

Moin!

Zu spät für ein "Willkommen auf KG.de"? :)

Und nun zum unangenehmen Teil - dem Text...

Um es mit einem Wort zu sagen: Gähn.

Na gut... ein paar mehr:

1) Sorry, dass ich das so sagen muss, aber der Text ist einfach totenlangweilig. Ein banales Geschehen, bieder geschildert, ohne Witz oder Bissigkeit plätschert das Beziehungsblabla vor sich hin. Auch sprachlich liest sich das wie ein Bericht vom letzten Kirchenbasar - Inhalt und Verpackung verströmen staubigen Reihenhauscharme ohne jeden ironischen Unterton oder formulierungstechnische Highlights. Für mich eindeutig "Alltag", noch dazu ein fürchterlich unspektakulärer.

2) Schon zu Beginn ein Kardinalfehler: Der Ich-Erzähler behauptet, er hätte J. u. K. noch nie streiten gesehen - und erzählt dann dennoch genau das! Er schildert Dinge, die er nicht nur nie mit angesehen haben kann, sondern von denen er sogar noch explizit behauptet, sie nie gesehen zu haben. Ein solcher Logikfehler gleich zu Anfang haut alles Folgende leider ziemlich in die Pfanne.

3) Was genau wolltest Du hier satirisch bearbeiten?

Dass Paare sich hin und wieder nicht einig sind? Das ist öde und ungefähr so sinnvoll wie Beschwerden über das Wetter.
Dass eine Beziehung auch ohne offenen Streit ein stummer Kleinkrieg sein kann? Das hätte man dann aber leider völlig anders anpacken müssen. Überspitzt und sarkastisch, mit starken Charakteren und ausgeklügelten, je nachdem ruhig grotesken Szenen, in denen das Absurde des Streits ohne Streit sichtbar wird, in denen das nach oben gezerrt wird, was unter der Oberfläche brodelt. Der Text bleibt allerdings ganz dediziert an der Oberfläche hängen und ist dabei so abgrundtief undramatisch, dass dagegen sogar "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" wie ein Hitchcock-Klassiker wirkt.

Soll heißen: Das ist weder Satire noch spannend erzählt. Der Fachbegriff dafür ist schlicht "langweilig" - sorry, dass ich nix besseres über den Text sagen kann.

Gruß,
Horni

 

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