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Tempus fugit.

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15.11.2003
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Tempus fugit.

Tempus fugit.
Eine Kurzgeschichte.

Chloe hechtete mit einem gekonnten Sprung hinter zwei in der Ecke stehende Fässer, ihr rechter Arm schlug dabei auf eine brutale Weise gegen die Wand, was ihr einen stechenden Schmerz im Handgelenk bescherte. Verfulcht, hoffentlich ist der nicht gebrochen, dachte sie sich und kniff für einen Moment die Augen zusammen, um sie dann eine Sekunde später wieder erschrocken aufzureißen, als sie am Geräusch erkannte, daß sich einer der Leviathane durch die Fässer gebohrt hatte und sich auf sie stürzte, zm sich ebenso durch sie zu bohren. Doch Chloe haßte die schlangenartigen Wesen jetzt noch mehr als je zuvor, nachdem sie vor einigen Minuten Nojikos Brust durchstießen und ihr den letzten Lebenshauch aussaugten -- und das direkt während die beiden Mädchen in einem tiefen und leidenschaftlichen Kuß versunken waren. Eine gefährliche Mischung aus Hormonen und Adrenalin, welche sich in Chloes Blutbahnen in diesem Moment ausbreiteten wie ein Lauffeuer, veranlaßte sie dazu, die Leviathane vernichten zu wollen: koste es, was es wolle. Und sie wußte genau, daß noch niemand einen Leviathan vernichtet hatte.

Kaum hatte Chloe einen klaren Gedanken fassen können kamen die Biester aus zwei Richtungen auf sie zugeflogen und das Mädchen duckte sich nahezu intuitiv nur eine Sekunde bevor sich einer der Schlangen geradewegs durch ihren Kopf bohren konnte. Sie lief hinter den Fässern hevor und rannte auf die andere Seite des großen Raumes, um das Armband anzulegen, welches ihre Geliebte Nojiko trug und das sie ihr nur für einen kurzen Moment abnahm, um es näher zu betrachten. Doch in diesem Moment der Verwundbarkeit stieß ein Leviathan von hinten durch Nojikos Brust und tötete sie. Chloe legte sich das Armband um, den Schmerz, den es verursachte als es sich um die Wunde verengte, welche ihr der selbe Leviathan zufügte, der Nojiko tötete, ignorierend. Die beiden Leviathane rasten auf sie zu, doch diesmal dachte sie gar nicht daran, auszuweichen. Sie streckte ihren rechten Arm in Richtung der Schlangen aus, als würde sie sie greifen wollen. Das Armband hatte mittlerweile seine volle Kraft an das Mädchen übertragen. Als einer der Leviathane daraufhin den Versuch machte, sich durch ihre in greifender Position befindliche Hand zu bohren, griff sie zu und drückte fest zu, damit sie das Biest endlich erwürgen konnte. Und nach einigem Zappeln und dem Geruch aus verbranntem Fleisch, der sich aus ihrer Handfläche im Raum verbreitete, hörte das Biest auf zu zappeln und Chloe öffnete ihre Hand -- die tote Schlange fiel zu Boden. Der andere Leviathan drehte daraufhin ab und verschwand durch eine Wand, ein Loch in dieser hinterlassend.

Chloe untersuchte ihre Hand und biß dabei fest die Zähne zusammen, um die Verbrennung zu ignorieren. Die Haut von ihrer Handinnenseite war nahezu komplett verbrannt, rohes Fleisch war zu sehen. Sie traute sich nicht, auch nur einen Finger zu rühren, da der bloße Anblick der Wunde schon genug Schmerz verursachte. Nachdem das Mädchen aus ihrem T-Shirt einen Verband improvisiert hatte und diesen um die Hand wickelte, nahm sie den toten Leviathan vom Boden und berachtete ihn näher -- so hatte noch nie jemand eine der Schlangen betrachten können. Die Biester, ihrerseits etwa einen halben Meter lang und so dick wie ein Gartenschlauch, hatten einen Kopf mit zwei Augen und einem Maul an dessen Spitze, das sich in vier Richtungen öffnen ließ, als wären zwei Münder senkrecht zueinander fusioniert. Darin befanden sich ringförmig angeordnet kleine Zähne. Ihre Haut war grau und schuppig, wie die eines Fisches, und jetzt auf einmal überraschend kalt -- hatte das Biest doch vorhin noch eine Körpertemperatur von etwa 800 Fahrenheit. Und als wäre das nicht genug, konnten sich Leviathane auch noch durch alle bekannte Materie bohren; auch durch Menschen -- es sei denn, sie Trugen eines der Armbänder.

Als Chloe wieder in dem Raum anegkommen war, in dem die Leviathane Nojiko töteten, versuchte sie mit aller Kraft, den Blick auf ihre Leiche zu vermeiden. Sie wollte das Gebäude schnell verlassen doch sie brach in Tränen zusammen und schrie mehrmals in apokalyptischer Lautstärke den Namen ihrer Geliebten heraus. Ihre Hand schmerzte trotz des provisorischen Verbandes noch merklich. Sie kramte aus ihrem lädierten Mantel eine Zigarettenschachtel hervor und nahm den zweitletzten Glimmstengel heraus, bevor sie die leere Packung in eine Ecke warf und die Zigarette anzündete. Gegen eine Wand gelehnte betrachtete sie -- jetzt mutiger als zuvor -- Nojikos Leiche und den toten Leviathan, den sie in ihre Tasche gestopft hatte, eingehend, während sie die Zigarette Zug um Zug in sich hineinsog und immer wieder versuchte, die Melodie von Simon & Garfunkels 'Sound of Silence' zu summen. Ich werde sie alle töten, dachte sich Chloe mit felsenfester Überzeugung. Jeden einzelnen von ihnen.

Es verging fast eine Stunde, die Zigarette war schon lange aufgeraucht, bevor Chloe sich endlich aufraffte und einige Schritte in Richung Ausgang machte. Es waren keine weiteren Leviathane aufgetaucht und die bedrückende Stille in dem großen Saal erschuf eine gespenstische Atmosphäre. Der Raum war nahezu komplett leer und Chloes Schritte hallten mehrfach wieder, wie es ein Echo in der Höhle getan hätte. Kurz vor dem Öffnen der großen Doppeltür, welche den Ausgang darstellte, fiel ihr Blick auf einen vergilbten Zettel, der mit einem Streifen Klebeband an der Tür befestigt war; und außer den Zeichen der Zeit schien dieses Stück Geschichte von den Leviathanen und Kriegsfolgen verschont gelieben zu sein. Über Chloes Wangen liefen einige aus Erinnerungen entstandenen Tränen als sie die Zeilen las, die auf dem Papier standen.

Für die Sauberhaltung des Klassenraumes sind diese Woche eingeteilt:
Kimberly Evans
Julian Smith
Chloe Lockheart
Ronald Streeve

Chloes wandte ihren Kopf noch einmal in die andere Richung und sah Nojiko regungslos auf dem Boden liegen. In ihrer Phantasie baute sie sich den Raum wieder so zusammen, wie sie ihn aus der Zeit von vor zwei Jahren in Erinnerung hatte: Tische und Stühle mit Schülern füllen den großen Saal und vorne an der Tafel verkündete die erdachte alte Mrs. Beaver, eine kauzige aber nette Frau, ihre Geschichtskenntnisse. Aus den Fenstern blickend konnte man auf den großen Vorhof sehen, wo einige Schüler sich schon vorzeitig eine Pause gönnten und sich auf dem Gras sitzend unter den Bäumen vor dem Schein der Sonne versteckten. Erst ein lautes Poltern außerhalb des Raumes holte Chloe zurück in die finstere Realität und brachte sie dazu, das Papier schnell einzustecken und den Raum zu verlassen. Was war das?, fragte sie sich eingehend, während sie den langen Flur überblickte und schlußfolgerte, daß das Geräusch aus dem anliegenden Treppenhaus kommen mußte. Leviathane machen keine Geräusche...

Das fensterlose Treppenhaus war dunkeler als eine sternenlose Nacht und totenstill. Chloe, die vorerst nur ihren Kopf durch einen Türspalt steckte um nachzusehen, schritt jetzt ganz in den engen Raum, bemühte sich aber, mit ihrem Rechten Fuß die Tür offenzuhalten, die wenigstens etwas Licht spendete, obschon auch der Rest des Gebäudes wegen der recht dunklen Nacht nicht sonderlich gut ausgeleuchtet war. Sie griff in die Innentasche ihres Mantels und holte ihr silbernes Feuerzeug hervor, mit welchem sie eine dürftige Lichtquelle schaffte, die nicht tief genug reichte, um auch die anderen Stockwerke zu erreichen. Doch Chloe bemühte sich trotzdem, den Raum eingehend zu untersuchen und sich dabei möglichst nicht von der Stelle zu bewegen, damit die Tür nicht zufiele. Plötzlich polterte es wieder, anscheinend ein Stockwerk über dem Mädchen. Chloe zuckte zusammen -- das Poltern war aus der Nähe um einiges Lauter -- und löste nicht nur den Fuß von der Tür, die daraufhin sanft aber schnell schloß, sondern ließ auch noch das Feuerzeug fallen, welches sich durch den Treppenspalt bis ins unterste Stockwerk vorarbeitete. Und das war zwei Treppen tiefer. Angstschweiß lief ihr durch das Gesicht und sie suchte blind mit beiden Händen nach der Türklinke, um dem dunklen Raum zu entkommen. Selbst auf die verbrannte Hand, die sie bisher fürsorglichstens unbeansprucht gelassen hat, war nun voll und ganz an der Suche beteiligt, indem sie sich zusammen mit ihrem Partner an der kahlen Steinwand entlangtastete. Doch durch ihre Aufregung war Chloe nicht in der Lage, den Ausgang zu finden, obschon die Wand alles andere als groß war und sie prinzipiell direkt nebem ihrem Ziel stand.

Die Flamme des Feuerzeuges erlosch zwei Stockwerke tiefer und auch der letzte Punkt der Orientierung verschwand. Chloe versuchte, sich zu fassen und setzte sich auf den Boden, die Stille genießend. Als nach mehreren Minuten noch immer kein Geräusch zu hören war, faßte sich Chloe ein Herz und ging mit zurückgekehrter Gelassenheit erneut an die Suche nach der Klinke, diesmal auf Anhieb erfolgreich. Sie atmete in tiefer Erleichterung, als sie endlich wieder im Flur stand, der ihr jetzt erheblich heller erschien. Doch die Erleichterung wurde schlagartig beendet, als Chloe in Schmerzen aufschrie, mit dem Gedanken, sie würde verbrenne. Es war kein Feuer zu sehen, doch das Blut in ihren Adern schien zu kochen und ihr Blick wurde verschwommen und ihr zunehmend schwärzer vor Augen. Sie drehte sich mit letzter Kraft um und konnte, bevor sie zu Boden fiel und sich nicht mehr regte, den Schatten eines großen unförmigen Gebildes erkennen, daß im Flur postiert war und vorher -- das wußte sie sicher -- nicht dort stand. Der Schmerz hörte auf, als sie gefallen war, ihr war schwarz vor Augen. Wieder hörte sie das Poltern, diesmal noch lauter als im Treppenhaus und in der Ferne der Schwärze, die sie vor den Augen hatte, war ein Licht zu sehen. Bin ich tot?, fragte Chloe sich, als sie immer näher auf das Licht zusteuerte und schließlich darin eintauchte. Nojiko ... sehen wir uns wieder?

Das Erwachen war so überraschend wie erschreckend, und das, obschon es eigentlich kein Erwachen war. Im nächsten Augenblick stand Chloe mitten auf einer belebten Straße, die gerade viele Menschen überquerten. Die Sonne schien von oben auf den blanken Asphalt und es war auf einmal heiß, sehr heiß. Chloe blicke sich um und erkannte die Stadt wieder, das war New York City, genau genommen Manhattan, Broadway oberhalb der dreiundzwanzigsten Straße. Sie brauchte einige Zeit, um zu sehen, daß dies kein Traum war, und erst als die Autos schon begannen zu hupen, weil Chloe trotz der mittlerweile rotgewordenen Ampel noch immer mitten auf der Straße stand, lief sie ein wenig erschrocken auf den Gehweg. Sie blickte an sich herab und erkannte, daß sie noch immer die selben Kleider trug, die sie in der Schulruine am Körper hatte. Aus der Tasche ihres Mantels ragte der Kopf des toten Leviathans und sie drückte ihn in einer Welle von Panik schnell in die Tasche, bevor irgendjemand das tote Biest sehen konnte. Und das, obwohl sich Chloe alles andere als sicher war, ob das jetzt real war oder nicht.

"Wo kommen Sie denn her?", fragte auf einmal eine Stimme neben Chloe. "Gerade aus Alaska eingetroffen ... mit dem Mantel?"

Ein Junge, vielleicht dreizehn Jahre alt, starrte ihren dicken Mantel an, der bei den herrschenden Temperaturen in der Tat reichlich seltsam anmutete. "Hey", wandte sich Chloe an den Jungen, der ihr noch immer keck ins Gesicht grinste. "Welches Datum haben wir?"

"Den vierzehnten September", sagte dieser dann und wirkte mit einem Mal viel freundlicher, als er keine Bemerkungen mehr über Chloes Aussehen machte. Für einen Moment dachte sie darüber nach, den Mantel auszuziehen, doch dann erinnerte sie sich, daß sie darunter nur einen BH trug, da das T-Shirt ja als Verband herhalten mußte, der sich immer noch um ihre Hand gewickelt befand. "Und welches Jahr?"

Der Junge schaute ein wenig komisch, als Chloe diese Frage stellte. Jetzt war er vollends davon überzeugt, daß sie mindestens aus Alaska gekommen sein mußte, wenn sie nichteinmal die Jahreszahl wußte. "Na 2021, was'n auch sonst?", sagte er schließlich und Chloes Augen weiteten sich schlagartig. Sie rannte mit aller Kraft den Broadway herunter, der Jungen konfus zurücklassend, bis sie einen Zeitungsstand gefunden hatte. Sie starrte auf eines der Tageblätter und als sie oben in der Ecke "New York Times, 14. September 2021" entdeckte, wäre sie beinahe in Ohnmacht gefallen. Das ist der Tag, an dem das alles begann ..., dachte sich Chloe und starrte eingehender auf die Zeitungen. Der Jahrhundertsommer, Hitze bis weit in den September, beendet von einem Schwarm seltsamer Schlangenwesen, welche die Weltbevölkerung innerhalb von wenigen Tagen dezimierten. -- Chloe nannte diese Schlangen Leviathane, den Namen hatten sie und Nojiko sich ausgedacht.

"Vorsicht!", rief Chloe auf einmal, als sie sah, wie ein kleines Kind in einem auffälligen viotellen T-Shirt mit einer blauen Baseball-Kappe auf dem Kopf auf die Straße laufen wollte. Sie erinnerte sich an eine Szene, welche sie an dem Tag sah. Eben jedes Kind wollte über die Straße laufen um seine Mutter auf der anderer Seite zu erreichen und wurde dabei von einem 'Happy Pizza'-Lieferwagen erwischt, der es meterweit durch die Luft schleuderte und tötete. Das Kind drehte sich um, um Chloe anzusehen, genau wie mehrere andere Leute. Ein Lieferwagen mit der Aufschrift 'Happy Pizza' raste eine Sekunde später viel zu schnell über den momentan leeren Abschnitt des Broadway. Der Einfall schoß ihr wie eine Kugel durch den Kopf: wenn sie wußte, was passieren würde, so würde sie es verändern. Und sie wußte ebenfalls, wo die Schlangen das erste Mal auftauchten: ein am Rande der Stadt, genauer gesagt in der Hafengegend, in einem Lagerhaus. Dies war damals die letzte Meldung, die durch die Nachrichten ging, bevor einige Stunden später die Kommunikation der gesamten Welt zusammenbrach. Sie rief sich in aller Eile ein Taxi und stieg ein um dem Taxifahrer das Lagerhaus bis ins kleinste Detail zu beschreiben, damit er auch ja nicht zum falschen fahren würde. In ihrer Euphorie übersah Chloe schließlich, daß hinter ihr gerade eine Menschenmenge um ein kleines Kind versammelte, welches auf dem Boden lag, da wegen des auf der Straße parkenden Taxis ein Lieferwagen von 'Happy Pizza' auf die Gegenspur ausweichen mußte und das Kind erwischte, welches hinter zwei parkenden Fahrzeugen am Straßenrand hervorlief, da es seine Mutter und seinen Zwillingsbruder auf der anderen Straßenseite erreichen wollte. Auch der Taxifahrer schien das nicht zu bemerken, weswegen er sofort losfuhr.

Das Lagerhaus zu finden war keine Schwierigkeit, sie kannte den Straßennamen und der Taxifahrer, den sie angehalten hatte, kannte den Weg dorthin. Auch die Tür bereitete Chloe keine Probleme, denn das Schloß war morsch und ließ sich mit einem in der nähe gefundenen Eisenrohr problemlos aufstemmen. Daß in dem Lagerhaus tausende von Holzkisten standen, war jedoch eine weitaus größere Schwierigkeit. Verflucht... wie soll ich hier die Quelle der Leviathane finden?, fragte sich Chloe und trat vor Wut gegen eine der Kisten, die daraufhin einbrach, denn das Holz war ebenso morsch wie das Schloß. Heraus fiel einiges an Füllmaterial und Chloe benutzte das Eisenrohr, um die Kiste völlig zu öffnen, da es Interesse in ihr weckte, zu sehen, was hier gelagert wurde. Nach einem Umstand ob ihrer verbrannten Hand, die es sichtlich schwerer machte, das Eisenrohr adäquat zum Aufstemmen der Kiste zu verwenden, brach auch das letzte Stück Holz des Deckels ab und offenbarte eine schwarte Statuette aus Obsidian, die Chloes Meinung nach von irgendeinem Eingeborenstamm kommen mußte. Sie nahm die Figur kurz in die Hand, untersuchte sie eingehend, legte sie dann aber zurück und fragte sich, wie sie alle diese Kisten aufbrechen sollte. Eine große Uhr über dem Eingang des Lagerhauses zeigte die Zeit an: es war schon achtzehn Uhr und die ersten Leviathane wurden den Nachrichten gemäß gegen zwanzig Uhr gesichtet, also müßte hier in den nächsten zwei Stunden etwas passieren und Chloe war fest davon überzeugt, eben dieses verhindern zu müssen. Für das Schicksal dieser Welt..., sagte sie sich selber mit einem verbissenen Ton. Für Nojiko.

Eine Stunde und einigew Dutzend an Kisten später war Chloe schweißgebatet und leer von aller Hoffnung, es rechtzeitig zu schaffen. In allen Kisten fand sie nur irgendwelchen Schmuck von Eingeborenen und fragte sich, wem dieses Lagerhaus überhaupt gehörte. Sie griff intuitiv nach ihrer Zigarettenschachtel und holte die letzte Zigarette hervor, scheiterte jedoch daran, sie anzuzünden, da sie sich schließlich erinnerte, das Feuerzeug in dem Treppenhaus in der Schule verloren zu haben. Voller Wut steckte sie die Zigarette zurück in die Schachten und warf diese zwischen die Kisten. Als Chloe schließlich nach einigen Minuten der Ruhe eine Packung Zündhölzer auf einer der Kisten liegen sah, stieg sie in die Masse der Kisten um die Zigaretten wiederzuholen. Sie war jedoch viel zu angespannt vor Wut um gründlich suchen zu können und so dauerte es fast zehn Minuten, bevor sie die Schachtel endlich zwischen zwei Kisten stecken sah und sie hevorholte, der Bequemlichkeit halber mit ihrer verbrannten Hand, die wegen des Verbandes allerdings nur sporadisch zugreifen konnte. Als das Armband in die Nähe einer der Kisten kam, zwischen denen die Schachtel feststeckte, spürte Chloe auf einmal eine Anziehungskraft, wie die eines starken Magneten. Mit einigen Fußtritten öffnete sie die Kiste, da sie keine Lust hatte, erst das Rohr zu holen und dann wieder die Kiste suchen zu müssen. In dieser fand sie schließlich eine alte Vase, die eher häßlich war. Aber auf ihr befand sich eine Malerei, welche ihr sofort ins Auge stach: eine riesige Schlange, welche einen kleinen Menschen bedroht. Und sie erkannte sofort, was das war: ein Leviathan. Sie war sich sicher, die Quelle der Biester gefunden zu haben und nahm das Gefäß vorsichtig aus der Kiste, um es in den freien Bereich des Lagerhauses zu tragen. Und beim Tragen fiel ihr sofort auf, daß sich irgendetwas darin befand. Auf eine andere Kiste gestellt untersuchte Chloe die Vase eingehend und ihr fiel auf, daß diese einen Deckel hatte, der auf ihr klebte. Vorsichtig entferne sie ihn und machte sich bereit, einen lebenden Leviathan vorzufinden, den sie sofort erwürgen würde; eine Hand hatte sie schließlich noch. Doch in dem Gefäß war nichts außer einer Flüssigkeit, die seltsam roch. Chloe konnte den Geruch nicht zuordnen und zündete ein Zündholz an, um nachzusehen, ob etwas am Boden der Vase läge -- doch nichts war da. Mit einem weiteren Zündholz zündete sie sich schließlich doch die letzte Zigarette an und schaute auf die Uhr, um zu sehen, wieviel Zeit sie noch hatte. Und die Uhr zeigte halb acht.

Plötzlich schreckte Chloe auf und ließ die Zigarette auf den Boden fallen, als ihr jemand von hinten eine Waffe an den Kopf drückte und ihr sagte, sie solle sich bloß nicht umdrehen. Die Stimme des Mannes war rauh und er sprach nur gebrochen Englisch, sein Akzent klang spanisch oder mexikanisch, das konnte sie nicht genau zuordnen.

"Was tust Du hier, Mädchen?", fragte er eingehend während er mit der Waffe an Chloes Hinterkopf immer wieder hin- und herfuchtelte. Chloe wußte genau, daß sie nicht die Wahrheit sagen konnte, denn dann würde sie auf taube Ohren stoßen. Wer hätte ihr schon geglaubt, daß sie aus der Zukunft käme und diese verändern wollte?

"Wer sind Sie?", fragte Chloe ohne sich umzudrehen und eine furchtbare Angst klang aus ihrer Stimme hevor, denn wenn dieser Kerl nicht bald verschwände, so wußte sie, würde sie nicht mehr in der Lage sein, die Leviathane aufzuhalten. Sie wollte auf die Uhr schauen, doch dazu hätte sie ihren Kopf zum Eingang drehen müssen und dann hätte der Unbekannte sie sicher erschossen. Also stellte sie sich der Einfachheit halber vor, es wäre noch immer halb acht oder erst wenige Sekunden danach.

"Das gleiche könnte ich Dich fragen! Du bist hier in meinem Lagerhaus und brichst Kisten auf", sagte der Unbekannte und Chloe spürte, wie seine Blicke über die ganzen kaputten Behältnisse wanderten und vor allem über die Dinge, die vorher darin waren und auf dem Boden lagen. "Wenn Du glaubst, ich würde mich ausrauben lassen, dann hast Du Dich aber geschnitten. Ich habe die Polizei gerufen."

"Ich will nur die Vase!", rief sie laut und unterbrach den Unbekannten, der offenbar noch etwas sagen wollte. "Das ist wirklich wichtig, ich bezahle sie Ihnen auch."

Der Mann lachte. "So wie Du aussiehst, hast Du nicht gerade viel Geld."

Chloe hörte, wie der Unbekannte die Waffe scharfmachte und der Klick ließ sie ihre Augen zusammenkneifen. Als schließlich ein Schuß fiel, spürte sie jedoch nur einen leichten Druck am Hinterkopf und hörte den Mann irgendetwas stammeln, was sie aber nicht verstand. Sie öffnete die Augen und das erste, worauf ihr Blick fiel, war das Armband am rechten Handgelenk. Natürlich, sagte sie sich. Wenn dieses Ding verhindert, daß mich ein Leviathan durchbohrt, dann rettet es mich auch vor einer Kugel. Mit neuem Mut drehte sie sich wieder um und sah einen Mann mittleren Alters mit schwarzen Haaren und Drei-Tage-Bart vor sich stehen, der zitternd einen Revolver in den Händen hielt und nun, da er dem Mädchen, welches gerade von einem Schuß in den Hinterkopf nicht einmal gezuckt hat, in die Augen sah, wich er einige Schritte zurück. Chloe sah sich kurz um und erblickte auf dem Fußboden eine abgefeuerte Kugel und an der Wand über dem Eingang eine Uhr, die dreiviertel acht anzeigte.

"Hören Sie", sagte Chloe mit einer erschöpften Stimme. "Ich will ihnen nichts tun, aber sie müssen mir helfen. In fünfzehn Minuten passiert hier irgendwas, und das hat mit dieser Vase dort zu tun. Also helfen Sie mir jetzt, oder nicht?"

Der Mann nickte und ließ den Revolver fallen, bevor er zu der Vase rüberging und hineinsah. Er steckte kurz eine Hand in die Flüssigkeit, zog sie dann aber mit dem Kommentar, daß diese extrem kalt sein, zu sich zurück und trocknete sie mit seinem Hemd. Chloe ging für einie Minuten hin und her und wußte nicht, was sie tun sollte. Sie wollte eine weitere Zigarette rauchen, jedoch stellte sie fest, daß die Schachtel leer war und zertrat sie auf dem Boden. Dabei fiel ihr der tote Leviathan, den sie schon seit Stunden in ihrer Manteltasche mit sich herumtrug heraus und auf den Boden.

"Gott im Himmel! Was... was zum Teufel ist das?", schrie der Mann und starrte mit erschrockener Miene auf die tote graue Schlange, die zusammengeknüllt auf dem Boden lag. "Das", begann Chloe ihren Satz und hob das Bies auf, um es dem Unbekannten entgegenzustrecken. "...ist das was passieren wird, wenn wir nicht binnen fünf Minuten herausfinden, was es mit diesem verfluchten Gefäß auf sich hat!" -- Mit diesen Worten warf sie dem Mann die Schlange zu, der sie auch fing aber dabei schrie, als wäre er von einer Tarantel gestochen worden. In seinem Ekel vor dem Biest stopfte er sie in das Gefäß und machte den Deckel zu.

"Sie ist tot, keine Sorge", sagte Chloe und wollte gerade zu dem Gefäß schreiten, um den toten Leviathan wieder herauszufischen, da zerbarst das Gefäß und offenbarte einen lebenden, der sich sogleich mit einem kreischenden Schrei in die Lüfte erhob und den noch lauter schreienden Mann angriff. Chloe wich im Affekt einige Meter zurück und wunderte sich, warum der Leviathan sich zwar in die Kehle des Mannes bohrte, aber nicht wieder herauskam. Die Leiche lag regungslos auf dem Boden und langsam aber mit Sicherheit schritt Chloe an sie heran um sie vorsichtig mit dem Fuß anzustoßen; jedoch ergab dies keine Reaktion. Chloe drehte sich wieder um und sah auf die Uhr, es war kurz vor acht Uhr und mit dieser Erkenntnis hörte sie hinter sich einen kratzenden Ton, der, so stellte es sich heraus, von der Leiche des Mannes ausging, die seltsam über den Boden schabte. Chloe rannte in Richtung Ausgang, blieb aber kurz davor stehen um zu sehen, wieso die Leiche sich noch bewegte. Plötzlich platzte der Brustkorb des Mannes auf und über ein Dutzend Leviathane strömten aus ihr heraus. Chloe rannte aus dem Lagerhaus und blieb erst kurz vor dem Wasser stehen. Die Leviathane strömten aus dem Haus heraus und auf Chloe zu, die einen Schritt zurück machte und über ein auf dem Boden liegendes Tau stolperte, um daraufhin rückwärts in das Hafenwasser zu fallen.

"Hilfe!", schrie das Mädchen und paddelte wie in Hund im tiefen dunklen Wasser. "Ich kann nicht schwimmen!" -- Oben am Lagerhaus hörte sie, wie die Sirenen der Polizeiwagen schallten, welche der Mann gerufen hatte. "Hilfe!", schrie Chloe in der Hoffnung, daß irgendein Polizeibeamter sie hören würde, doch die waren wohl schon auf die Leviathane und die aufgerissene Leiche des Unbekannten gestoßen und viel zu beschäftigt. Chloe ging immer wieder unter und blieb schließlich unter Wasser an einem hervorstehenden Stück Metall an der Wand hängen, in welchem sich ihr improvisierter Verband verfing. Sie versuchte mit aller Kraft, den Verband zu lösen, jedoch war sie viel zu panisch und todesängstlich, um klare Gedanken fassen zu können. Und so konnte sie sich nicht befreien. Nach einigen Minuten hilflosen paddelns hatte Chloe zuviel Wasser geschluckt und verlor schließlich das Bewußtsein, bevor sie entgültig starb. Als ihr Körper sich in einer Ruhelage befand, löste sich der Verband ganz von alleine und das tote Mädchen glitt an die Wasseroberfläche. Das Armband rutschte von ihrem Handgelenk herunter und wurde aufs Meer herausgespült, wo es wenige Stunden später ein Fischer in seinem Fangnetz finden sollte, der von den Leviathanen noch keine Notiz gemacht hatte. Er schenkte das noch recht ansehnliche Schmuckstück seiner fünfzehnjährigen Tochter, die mit auf dem Boot war, da ihre Mutter vor kurzem an Krebs verstarb und der Vater nicht wußte, wo er sie lassen sollte. Der Name des Mädchens war Nojiko Umenokouji.

 

Eine gute und sehr spannend zu lesende Geschichte.
Erinnert mich an Alien. :)
Kleine Anmerkung: Der Mann lässt einfach so den Revolver auf den Boden fallen?
Das er ihn einsteckt oder auf den Boden legt erscheint (mir) logischer.
Der Schluß ist leider etwas zu knapp gehalten...

 

Moin Alex (RL ist doch was Schönes),

großen Respekt. Die Geschichte ist eine 'klassische' Kausalschleife vom Feinsten. Am Anfang zieht sie sich etwas und wirkt ein wenig trashig. Man kann im ersten Drittel durchaus an 'Alien' erinnert werden, was mich erstmal stocken hat lassen. Dann aber, ab Chloes (yeah, inspired by Fight Club? ;)) Switchen in die Vergangenheit (Zukunft), wird's klasse. Ich war jetzt zu faul die Tippfehler und stilistischen Kleinigkeiten rauszusuchen, aber behebst du diese, so ist diese kleine Geschichte - wenngleich man soetwas schon oft gelesen hat - ein würdiger Vertreter intelligenter 'Kausalschleifenscifi' :)

LG,
Tobi

 

Wieso erinnert euch die Geschichte an Alien? War mir gar nicht bewußt beim Schreiben, aber wenn es zwei sagen, zweifle ich mal nicht daran. Danke auf jeden Fall für die positive Kritik.

shiroi kumo schrieb:
Kleine Anmerkung: Der Mann lässt einfach so den Revolver auf den Boden fallen?
Das er ihn einsteckt oder auf den Boden legt erscheint (mir) logischer.
Nyo, ich hab halt damit gerechnet, daß er vor Überraschung/Schrecken einfach seine Hand lose läßt und das Ding runterfällt. Dann ist er zu beschäftigt um ihn wiederaufzuheben. Macht keinen großartigen Unterschied, find ich.

Der Schluß ist leider etwas zu knapp gehalten...
Inwiefern? Ich hab mich eigentlich bemüht, recht detailreich zu schreiben. Wäre nett, wenn Du das genauer ausführtest.

Tobi schrieb:
Am Anfang zieht sie sich etwas und wirkt ein wenig trashig. Man kann im ersten Drittel durchaus an 'Alien' erinnert werden, was mich erstmal stocken hat lassen.
Mir hat der Anfang beim Schreiben am besten gefallen. In der Urfassung war der auch noch etwa doppelt so lang, aber das wollte ich hier keinem zumuten, weil es im Prinzip inhaltlich leer war und nur Umschreibung war. ;)

[...]Chloes (yeah, inspired by Fight Club? )[...]
Nö, eigentlich nicht. Eher von Noir abgeschaut.

[...]wenngleich man soetwas schon oft gelesen hat[...]
Tatsache? Gib mir mal ein paar Buch-/ Geschichtentips diesbezüglich, ich liebe Kausalschleifen. Ich kenn allerdings keine Geschichte, die so "klassisch" darauf zielt. Das Einzige, was mit in der Hinsicht einfällt (und was übrigens auch der Auslöser für meine Liebe für das Thema ist), ist Twelve Monkeys.

Gruß,
Ranmaru.

 

Nun, mir fallen diesbezüglich auch Twelve Monkeys ein und vor allem viele alte Comics, die ich vor Urzeiten mal las. JLA, X-Men, Flash, etc... :)

Und in gewisser Weise empfinde ich Memento auch als eine Kausalschleife...irgendwie...irgendwo...

 

Tachi Ranmaru

Das mit Alien kommt einfach nur daher, dass du des öfteren deine Leviathane aus dem Brustkorb des Menschen herausbrechen lässt :)

Mir hat der Anfang beim Schreiben am besten gefallen. In der Urfassung war der auch noch etwa doppelt so lang,...
Also ich find den Anfang immernoch zu lang im Vergleich zum letzten Teil ab dem Rücksprung (, auch wenn er ganz spannend und auf Suspense hin geschrieben ist.)

Zwei Stellen fand ich sonderbar gekünstelt:
Die Sache mit dem Revolver fallen lassen hat mich gar nicht so sehr gestört. Aber kurz davor. Kann es sein, dass der Lagerbesitzer sie kaltblütig erschießt, obwohl sie bezahlen will :confused: . Ich glaub so brutal sind nicht mal Amerikaner (zumindest nich alle)

Außerdem fand ich seine Panikreaktion etwas übertrieben, als er die tote Schlange aus irgend einem Grund in die Flasche steckt. Wenn ich Angst davor hätte, würde ich darauf schießen oder sie wenigstens mit den Füßen wegstoßen, aber auf gar keinen Fall aufangen, anfassen und irgendwo umständlich hineinbuchsieren.

Aber ansonsten ha mir die GEschicht gefallen ;)

PS:Grad gelesen: Multiversum von Claudio beinhaltet auch Kausalschleifen, wenn auch keine temporalen.

PPS: Die interessanteste temporale Kausalschleife die ich kenne, stammt von Stanislaw Lem im Buch "Sterntagebücher". Dort repariert der Prot sein Raumschiff mit Hilfe seiner verschiedenen Ichs aus unterschiedlichen Wochentagen. Voll durchgeknallt.

 

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