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The Fool on the Hill

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25.01.2002
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The Fool on the Hill

"Day after day, alone on the hill:
the man with the foolish grin is sitting perfectly still.
And nobody wants to know him,
for they know that he's just a fool,
and he never gives an answer...

But the fool on the hill sees the sun going down
and the eyes in his head see the world spinning round."
-The Beatles: The Fool on the Hill

Das sind nicht die Augen eines Idioten, dachte Janice bei sich, als ihr Blick auf das Gesicht des regungslosen Mannes fiel. Sicherlich hätte das alberne Grinsen den Eindruck totalen Schwachsinns erweckt, wenn nicht ein seltsames waches Funkeln in den Augen seine gesamte Erscheinung überstrahlt hätte. "Hallo", sagte sie, und trat einen Schritt näher zu ihm heran. Er erwiderte: "Wäre es nicht besser, die Geschichte von vorn zu beginnen?"

Eine Reise in irgendeines dieser verschlafenen kleinen Dörfer in Wessex, das war genau Janice Linklater's Vorstellung von einem erholsamen und inspirierenden Urlaub. Den hatte sie auch unbedingt nötig, jetzt da ihr Roman endlich veröffentlicht war, die Frucht vieler harter Arbeitsstunden. Dann hatte sie in der Lokalzeitung von dem kleinen Dörfchen Littlefield gelesen, das demnächst sein 500-jähriges Bestehen feierte. Nun ja, hatte sie gedacht, eines ist wohl so gut wie das andere, hatte ihre Koffer gepackt und sich in den Zug nach Littlefield gesetzt. Genauer gesagt, in die nächste größere Stadt, denn in Littlefield selbst gab es nur eine Schmalspurbahn, man mußte also zuvor umsteigen. Außer der kleinen Eisenbahn gab es noch eine einzige Straße nach Littlefield, damit wären auch schon sämtliche Verkehrsanbindungen aufgezählt. Die Bahn fuhr nur zweimal am Tage, am Morgen aus dem Dorf in die Stadt, und am Abend wieder zurück. Mehr hätte die altersschwache Dampflok, die vor den Zug gespannt war, wohl auch kaum verkraftet. Als die Bahn also am vorigen Abend in den winzigen Bahnhof hineingetuckert war, hatte Janice einen Blick auf ein Schild erhaschen können, auf welchem stand: "Willkommen in Littlefield. Einwohner: 985." Irgendwie jämmerlich, dachte sie, da gibt es dieses Dorf nun schon seit fast 500 Jahren, und sie haben noch nicht mal eine vierstellige Einwohnerzahl erreicht.

Danach hatte sie sich zielsicher zum einzigen Haus des Dorfes begeben, welches Gästebetten anbot. Es war ein altes, zweistöckiges Fachwerkhaus direkt am Marktplatz. In der unteren Etage war ein verrauchtes Lokal, das von der Musik aus einem total verstimmten Klavier und dem Gemurmel der Stammtischgäste angefüllt war, während sich in der oberen Etage ganze zwei Gästezimmer befanden. Janice mietete von den zwei Zimmern dasjenige, in welchem das grauenhafte Klavier etwas weniger laut zu hören war. Am nächsten Morgen versuchte sie zuerst, von den Einheimischen etwas über das Dorf und die Umgebung zu erfahren.

"Weißt du, hier gibt es üüü-berhaupt nichts", erklärte der bärtige Mann an der Bar, nachdem Janice ihm zuvorkommend ein Maß Bier ausgegeben hatte. "Niemand kennt Littlefield. Niemand interessiert sich für Littlefield. Wir sitzen hier am Arsch der Welt und züchten Erdbeeren."
"Erdbeeren?" fragte sie etwas überrascht. Der Mann brummte: "Natürlich. Das einzige, was es sich lohnt, aus diesem Nest zu exportieren. Das Getreide wächst nicht so gut auf unseren Feldern, aber lieber Gott, die Erdbeeren wuchern nur so."
Als er daraufhin eine Weile schwieg, hakte Janice nach: "Aber gibt es denn hier überhaupt nichts sehenswertes? Ich habe gelesen, in den umliegenden Hügelländern könnte man keltische Ruinen finden."
"Von wegen. Da gibts überhaupt nichts. Alles, was man da finden kann, sind ein paar Schafe. Und natürlich der Verrückte auf dem Hügel."
"Was denn für ein Verrückter..?"
"Na, eben ein durchgeknallter. Ein Schwachkopf. Einer, dem's ins Hirn geregnet hat."
"Und was macht der auf dem Hügel, wenn ich fragen darf?"
"Er sitzt einfach nur da. Völlig bewegungslos. Brabbelt schwachsinniges Zeug. Halt dich fern von dem kleinen Berg im Osten, wenn ich dir einen Rat geben darf."
"Wieso denn das? Ich würde gern einmal mit ihm reden."
Der Mann fuhr sie förmlich an: "Was soll das heißen, du willst mit ihm reden? Niemant redet mit dem! Der hat sie nicht alle, oder er benutzt sie in der falschen Reihenfolge! Vielleicht ist er sogar gefährlich... Genau, vielleicht ist das ja auch einer von diesen Außerirdischen, von denen man immer hört!"
In diesem Moment erkannte Janice, das sie von diesem alten Trunkenbold wohl keine nützlichen Informationen mehr bekommen würde. Sie entfernte sich von ihm, während er immer weiter brabbelte, er hatte an der Idee von dem Außerirdischen offensichtlich Gefallen gefunden.

Janice hatte sich vorgenommen, mal so richtig auszuspannen. Sie hatte sich vorgenommen, sich alte keltische und gälische Stätten anzuschauen, und sich einige Inspirationen für ihren nächsten Roman zu holen. Sie hatte sich garantiert nicht vorgenommen, wunderliche Leute aufzusuchen, die allein auf irgendwelchen Hügeln lebten. Und doch war sie im Begriff, genau das zu tun. Wieso? Das wußte sie selbst nicht genau, es war eine absolut impulsive Entscheidung gewesen. Der kleine Berg im Osten, das hatte der Mann in der Bar gesagt. Also hatte sie sich auf den Weg gemacht. Sie war durch die Erdbeerfelder außerhalb des Dorfes gewandert, und hatte schließlich den Hügel entdeckt, auf dem offenbar ein kleines Häuschen stand. Das mußte der richtige sein. Sie begann mit dem Aufstieg. Als sie endlich die Anhöhe erreicht hatte, zeigte ihre Uhr, daß es bereits später Nachmittag war.

Und dann sah sie ihn dasitzen. Er saß auf einem umgestürzten Baumstamm nicht weit von der kleinen Lehmziegelhütte, und rührte keinen Muskel. Mit seiner einfachen, groben Kleidung und dem langen, verfilzten Haar sah er tatsächlich selbst wie ein Relikt aus der Zeit der Kelten aus. Man hätte dieses Bild malen oder fotografieren können, wenn nicht der dämliche Gesichtsausdruck das Gesamtbild in den Bereich des Lächerlichen verschoben hätte.

Das sind nicht die Augen eines Idioten, dachte Janice bei sich, als ihr Blick auf das Gesicht des regungslosen Mannes fiel. Sicherlich hätte das alberne Grinsen den Eindruck totalen Schwachsinns erweckt, wenn nicht ein seltsames waches Funkeln in den Augen seine gesamte Erscheinung überstrahlt hätte. "Hallo", sagte sie, und trat einen Schritt näher zu ihm heran. Er erwiderte: "Hallo. Es überrascht mich angenehm, nach so langer Zeit mal wieder Besuch zu haben." Sein Gesichtsausdruck machte es unmöglich, auch nur zu erahnen, was er dabei dachte. Janice kam zögerlich noch etwas näher und sagte: "Darf ich fragen, wer sie sind, und was sie hier tun?"
"Wer ich bin? Das willst du wissen? Ich bin nur der Verrückte auf dem Hügel. Was ich mache? Ich schaue mir die Welt an."
"Ja, aber sie haben doch sicher auch einen Namen?"
"Wozu brauche ich einen Namen? Wieso meinst du, daß ich einen Namen habe?"
Etwas verwirrt entgegnete Janice: "Menschen... haben eben Namen. Das ist einfach so."
"Ja, aber wozu?"
"Naja, äh, damit man sie nicht verwechselt, vielleicht?"
Das Grinsen auf dem Gesicht des Mannes wurde noch breiter, als er entgegnete: "Siehst du, die Menschen brauchen Namen, damit man sie nicht verwechselt. Weil es nämlich so viele gibt. Mindestens tausend! Mich gibt es nur einmal. Mich kann man nicht verwechseln. Also brauche ich auch keinen Namen."
Janice wußte nun endgültig nicht mehr, was sie denken sollte, und war kurz davor, den Mann tatsächlich für vollkommen übergeschnappt zu halten. Der redete indessen munter weiter:
"Schau dir Gott an. Er ist einzigartig. Deshalb hat er keinen Namen. Er braucht keine Sprache, weil es niemanden gibt, mit dem er sich unterhalten könnte. Ich brauche keinen Namen."
Janice fragte mißtrauisch: "Sie halten sich also für Gott?"
Der Mann begann sich nun erstmals doch zu bewegen, er machte mit den Armen wilde Gebärden, um seine Rede zu unterstreichen: "Gott erschuf die Welt. Ich erschaffe die Welt in jedem Moment neu, nur indem ich sie wahrnehme. Du erschaffst die Welt neu, indem du sie wahrnimmst. Jeder Mensch ist Schöpfer der Welt, ja, des gesamten Universums! Jeder ist Gott!"

Janice meinte: "Das sind ja interessante philosophische Theorien, die sie da äußern. Wenn auch etwas radikal. Mir scheint, die Menschen da unten im Dorf haben vielleicht eine falsche Meinung von ihnen. Wissen, sie, die halten sie nämlich für komplett verrückt."
"Ich weiß genau, was diese Leute von mir halten. Sollen sie, sollen sie! Sie verstehen nicht. Willst du verstehen?"
"Äh sicher, aber das ist wohl nicht so einfach. Sie haben doch bestimmt viele Jahre hier in der Einsamkeit verbracht und sinniert. Das kann ich nicht, ich habe doch auch ein Leben... Verpflichtungen, wissen sie.."
Der Mann schüttelte den Kopf. "Jahre sind nicht vonnöten. Wenn du nur einmal von hier aus gesehen hast, was passiert, wenn die Sonne dort hinter den Hügeln verschwindet... Dann wirst du verstehen." Dabei klopfte er mit der Hand auf den Baumstamm neben sich, um ihr zu bedeuten, sie solle sich setzen. Janice zögerte nur kurz, dann setzte sie sich neben den seltsamen Mann. Von da aus hatte sie tatsächlich eine wunderschöne Aussicht über Littlefield, die Erdbeerfelder und das umliegende Hügelland.

"Wissen sie..." begann Janice, aber der Mann unterbrach sie: "Rede jetzt nicht mehr. Sonst funktioniert es nicht." Langsam näherte sich die Sonne dem Horizont. Der Himmel begann, sich zu verfärben: zuerst rosafarben, dann orange, und schließlich - Janice lächelte bei der Vorstellung - erdbeerrot. Dann zerfloß die Sonne zu einem goldenen Streifen aus Licht. Im nächsten Moment geschah es. Leise flüsterte der Mann: "Kannst du es jetzt sehen? Verstehst du jetzt?"
Gebannt, verzaubert und verwandelt antwortete Janice: "Du meine Güte... Ich sehe es!"

Bald ging der Mond auf und badete die beiden regungslos dasitzenden Gestalten in weichem, magischem Licht.

 

Hallo LeManiac,

das Licht der untergehenden Sonne bestimmt also, was auf den Feldern wächst. :)

Eine schöne Geschichte, nicht sonderlich spannend, aber angenehm zu lesen. Ein paar Bitten habe ich noch dazu.

Die Bahn fuhr nur zweimal am Tage, am Morgen aus der Stadt ins Dorf, und am Abend wieder zurück
Morgens in die Stadt und abends zurück würde den Bewohnern eine Chance lassen, außerhalb zu arbeiten
Sie entfernte sich von ihm, währent er immer weiter brabbelte,
während
wäre schön, wenn du diesen Absatz so formatierst, dass beim Wechsel der wörtlichen rede eine neue Zeile anfängt. Es wird dann einfach übersichtlicher


Lieben Gruß, sim

 

Hallo sim!

Danke, daß (äh, dass) du dir die Zeit für meine Geschichte genommen hast. Deine Ratschläge habe ich befolgt und noch ein wenig an der Geschichte herumgedoktert. Ich hoffe, jetzt wird sie dem hohen Standard dieser Seite gerecht. ;-)

MfG Lukas

PS: Strawberry Fields Forever!!!

 

Hallo LeManiac,

muss ja der Webmaster nicht wissen, aber meine Vorschläge kamen eher meiner Faulheit beim Lesen zu Gute, als dem Standard dieser Seite. ;)

Lieben Gruß, sim

 

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