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...und sagte einfach nur: „Danke“

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20.03.2004
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...und sagte einfach nur: „Danke“

„Du wolltest gern eine Rückmeldung, über den Erfolg der Therapie … Möchtest du die Kurzversion? … Dann sag ich ‚ja’. Oder möchtest du einen ausführlichen Bericht?“

„Hm“, sie legte den Kopf schief – ihre Neugier war geweckt – und sagte: „Mich würde der ausführliche Bericht eher zusagen.“

„Gern“, antwortete ich, „aber nicht in deiner Praxis, nicht als Patient. Wenn du magst können wir uns unten am Fluss treffen, da erzähle ich´s dir gern. Allerdings muss ich dazusagen, es wird dir vielleicht nicht gefallen, oder besser gesagt, du wirst über das was ich sage überrascht sein.“ Sie willigte ein.

Wir trafen uns am Nachmittag, tauschten nur einige wenige Freundlichkeiten aus und gingen schweigend ein Stück des Weges entlang. Es war aber keine peinliche Ruhe, eher eine erwartungsvolle Stille.

Nach einer Weile durchbrach ich die Stille: „Weist du … ich hab lange überlegt, was ich dir schreiben soll, weil du mich ja gebeten hattest, dir eine Rückmeldung zu geben. Es freut mich ganz besonders, dass ich jetzt die Möglichkeit habe, direkt mit dir zu sprechen. Aber es macht es nicht einfacher die Worte zu formulieren.“ Sie hörte gespannt zu.

„Es ist nicht meine Art, jemand nach dem Mund zu reden … sagen wir´s so: Deine Therapie war ein Erfolg. Aber nicht wegen der Behandlungsmethode, also ich meine nicht allein wegen der Behandlungsmethode an sich, oder den Geräten, die du verwendest, sondern ich sehe den Erfolg eher in dich als Person begründet.“ Ihre Augen weiteten sich.

„Ich möchte keine Diskussion über medizinische Methoden oder Heilverfahren durchführen, ich will nur sagen, … dass ich das Gefühl habe – und ich müsste mich ganz schön irren –, dass du Menschen in Not aus ganzem Herzen helfen willst, dass du echtes Interesse am Menschen hast. Dein Gedanke ist nicht Geld verdienen, oder ein tolles Haus, Auto oder sonst was zu besitzen, sondern, dass du einfach ein riesengroßes Herz hast. Das zeigt auch deine Lebensweise. Du hast ein altes, kleines Auto, wohnst nicht in Luxus“

„Es war das Vertrauen, ein uneingeschränktes Vertrauen, das ich nur zu wenigen Menschen habe. Ich konnte mich dir völlig öffnen, uneingeschränkt alles sagen. Dinge, die ich nur ganz wenigen sagen würde. Du hast dir Zeit genommen, richtig Zeit. Gemeinsam haben wir die Ursachen der Probleme ganz tief aus der Seele ausgegraben. Nicht das die Geräte, die du benutzt, oder die Medikamente nichts taugen, nein, aber wenn ein anderer – frag mich nicht wie das gehen soll – mit genau derselben Prozedur, genau derselben Stimme, denselben Worten, die Behandlung durchgeführt hätte, hätte es nicht funktioniert, weil er oder sie nicht du bist. Es gibt nur wenige wie dich. Eine unter Millionen. Das! Das empfinde ich als wahren Erfolg.“

Wir gingen eine Weile nebeneinander den Weg entlang, langsam, ohne zu reden. Plötzlich blieb sie stehen, drehte sich um und blickte mir in die Augen. Ich erwiderte ihren Blick und sagte einfach nur: „Danke.“ Aber es war nicht ein „danke“, wie wenn jemand einem einen Kaugummi gegeben hätte. Dieses eine Wort drückte die Empfindung aus, dass sie ein Stück Leben gegeben hatte, Atem, viele Herzschläge.

Es entstand eine tiefe Freundschaft und wann immer wir uns sahen, begrüßten wir uns sehr herzlich – irgendwie anders als die üblichen Begrüßungen.

 

Hallo Ivo!

Ich bin ein Anfänger - beim Schreiben und auch beim Kritisieren. Du wirst mir deshalb verzeihen, wenn meine Meinung nicht unbedingt fachmännisch rüberkommt. Ich habe in deinem Profil nachgesehen und deshalb glaube ich, daß du hier eine selbsterlebte Situation erzählst. Aber irgendwie berührt mich diese Geschichte nicht wirklich. Ich habe auch recht spät begriffen, wer da wen behandelt hat. Ich denke, du kannst aus dieser Erzählung eine richtig berührende Geschicht machen, die ich dann gerne wieder lesen würde.

Lg hanini

 

Hallo hanini,

alle Achtung, du hast mich wirklich beeindruckt mit deiner einfühlsamen Art zu sagen: ‚vielleicht nicht schlecht, aber arbeite noch daran‘ (ich hoffe, ich habe deine Antwort richtig interpretiert).

Zur Geschichte: Das Gespräch hat nie stattgefunden. Ich habe mit der Geschichte versucht eine Brücke zu finden, zwischen Anerkennung und Kritik.

Meinem Empfinden nach ist das, was ich versucht habe dir gelungen. Ich würde deine Antwort zu der Kategorie: „Wertvoll“ einsortieren!

Vielen Dank und liebe Grüße Ivo

 

Hallo Ivo,

es ging mir ein bisschen wie hanini: Es ist eine schöne, sanfte, einfühlsame Geschichte, vom Thema her originell, aber ich war nicht wirklich berührt.

Nach meinem Gefühl gibt es dafür zwei Gründe:

Einmal erzählst du zu wenig und berichtest zu viel. Darin enthalten ist auch das kleine Manko, dass du aus der Ich-Perspektive schreibst und die Ich-Person trotzdem Aussagen über die Therapeutin macht. Das geht natürlich nicht.

Zitat:
„“Hm“, sie legte den Kopf schief - ihre Neugier war geweckt“

Geht vielleicht gerade noch so, besser wäre aber z.B.: „sie legte den Kopf schief, offensichtlich neugierig geworden.“

Schlimmer ist da:

„Sie war hin- und her gerissen. Auf der einen Seite war sie auf ihre Methoden stolz, hatte sie in jahrelanger Arbeit entwickelt und verbessert. Auf der anderen Seite war sie von dem, was ich sagte berührt.
Ihr Leben war nicht leicht. Sie hatte viel durchgemacht, hatte hart gearbeitet und es war tatsächlich ihr tiefster Wunsch für andere da zu sein. Es war ihr wichtiger, als ihr eigenes Wohl.“

So was geht nicht aus der Ich-Perspektive. Der Ich-Erzähler kennt nur seine eigene Seele und seine eigenen Eindrücke. Also z.B: „Ich habe sie immer nur hart arbeiten sehen“, etc.

Davon abgesehen ist dieser Absatz aber auch zu berichthaft. Solche trockenen, unkonkreten Sätze wecken im Leser kein Gefühl. Besser wäre, du schilderst an Beispielen, wie sehr sich die Therapeutin einsetzte. („Ich konnte sie Tag und Nacht anrufen“ ... „Sie fragte so hartnäckig nach, bis ich die ganze Wahrheit hervorgestammelt hatte, was ich noch nie zuvor geschafft hatte“ ... etc. Sind natürlich nur grobe Vorschläge.)

Gut gelungen ist dir das zum Beispiel hier:
„Dein Gedanke ist nicht Geld verdienen, oder ein tolles Haus, Auto oder sonst was zu besitzen, sondern, dass du einfach ein riesengroßes Herz hast. Das zeigt auch deine Lebensweise. Du hast ein altes, kleines Auto, wohnst nicht im Prunk““
(„im Prunk“ klingt ungewöhnlich, ließ mich etwas stutzen. „... hast keine teuren Möbel“ wäre z.B. konkreter und vertrauter.)

Auch das:
„ ... mit genau derselben Prozedur, genau derselben Stimme, denselben Worten, die Behandlung durchgeführt hätte, hätte es nicht funktioniert, weil er oder sie nicht du bist. Es gibt nur wenige wie dich. Eine unter Millionen. “

hat mich sehr angesprochen. Der letzte Satz aber : „Das! Das ist wahrer Erfolg.“ ist mir zu schwammig, trifft auch nicht das Thema. Es geht nicht um Erfolg, sondern, was die Therapeutin beim Patienten bewirkte. Besser wäre z.B.: „Das hat mich wirklich erreicht/berührt.“

Das zweite Problem, das mit einfließt, ist: Du hast dir eine schöne, schwere Aufgabe gestellt: Dich nur auf die Bilanz einer Therapie zu konzentrieren. Langatmige Schilderungen der Therapie selbst haben deshalb nichts in der Geschichte verloren, und du meidest das meiner Meinung nach zu Recht. Allerdings ist es dadurch umso schwerer geworden, die Personen und ihre Gefühle plastisch werden zu lassen. Sie sind zu blass, die Handlung ist zu unkonkret.

Eine Verbesserung wäre schon, ihnen Namen zu geben.
Dann, entweder noch konkreter zu schildern, wie die Personen beschaffen sind, neben dem Lob an die Therapeutin auch die Kritik (Therapiemethoden, die den Ich-Erzähler wohl nicht so beeindruckt haben) ein wenig zu konkretisieren. Ich zerbreche mir zum Beispiel die ganze Zeit den Kopf, welche Geräte man bei einer Psychotherapie einsetzt ... ;-)
Oder aber du gibst dem Dialog mehr Seele und Feuer. Lass alles, was relevant ist, in wörtlicher Rede erscheinen, lass die Therapeutin betroffen, vielleicht sogar beleidigt sein, das Gespräch sich entwickeln.

Wie auch immer: Die Personen müssen greifbarer werden. Wenn dadurch notwendig wird, auch den Inhalt der Therapie ein wenig anzureißen, wäre das, glaube ich, okay, ohne dass der Leser das Gefühl bekäme, du kommst vom Thema ab. Die Therapie ist ja schließlich der Grund für alles.

Der Titel trifft das Thema nicht so ganz, finde ich. Es geht nicht nur ums Dankesagen.

Das ist mein Lieblingssatz:
„Dieses eine Wort drückte die Empfindung aus, dass sie ein Stück Leben gegeben hatte, Atem, viele Herzschläge.“

Also, halt dich ran ... :)


Viele Grüße
Pischa

 

Hallo pischa,

whow, jetzt bin ich aber platt. Du hast ja eine umfangreiche Textanalyse gemacht! :)

Entschuldige, dass ich so spät antworte, aber ich hab deine Antwort erst einmal ausgedruckt und bin ihn zu Hause – hab’ keinen eigenen Rechner; ich surfe :comp: in der Bücherei -, in aller Ruhe mit dem Textmarker durchgegangen.

Dein Kommentar hat mir gezeigt, dass ich in die typische Ich-Perspektiven-Falle getappt bin. Deine Begründung konnte ich gut nachvollziehen. Ebenso was du über das „Berichten“ sagst.

Schön fand ich auch deine positiven Bemerkungen, die – im Gegensatz zu den nicht gelungenen Passagen -, nicht der Berichtigung bedürfen, aber einem für zukünftige Geschichten Richtung, bzw. Anhaltspunkte geben. :thumbsup:

Übrigens: dein Lieblingssatz ist auch der meine.

Vielen Dank für deine Mühe und Liebe Grüße
Ivo

 

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