Was ist neu

Verkaufsoffener Sonntag

Mitglied
Beitritt
20.04.2004
Beiträge
16
Zuletzt bearbeitet:

Verkaufsoffener Sonntag

Geht es Ihnen auch so: Ein geschäftlicher Termin jagt den anderen jagt einen privaten Termin jagt einen weiteren geschäftlichen jagt einen privaten jagt noch einen privaten und dann wieder einen geschäftlichen Termin?

Die Zeiten sind schnelllebig geworden, wir aber sind die Alten geblieben. Die Zeit, die ich im Büro verbringe, ist ausgeschöpft. Eine meiner Arbeitstugenden ist der Multitasking-Stil. Während ich mit der einen Hand telefoniere oder gar den Hörer sehr ungesund zwischen Schulter und Ohr klemme, arbeite ich mit der freien Hand permanent an meinem PC. Gleichzeit beantworte ich durch Kopfnicken oder Bewegen der Lippen Anfragen von Kollegen und Vorgesetzten.

Abends verlasse ich das Büro als hinkender, buckliger Glöckner von Notre Dame und bin so antörnend, dass lediglich noch die Alarmanlage der Firma scharf wird. Das nächste, an das ich mich erinnern kann ist, wie mich meine Frau in unserer gemeinsamen, bescheidenen Hütte begrüßt. Alle meine Gedanken drehen sich um einen großen Scotch und/oder ein heißes Bad, doch meist werde ich dann doch noch eindringlich daran erinnert, irgendeinen Geburtstag, den versprochenen Restaurant- oder Theaterbesuch oder sonst etwas nicht zu vergessen. Vielleicht ist heute auch einer der Tage, an dem noch sportliche Aktivitäten auf dem Programm stehen und wir eigentlich schon los müssten.

Oder aber es gibt noch einen dieser besonderen Pflichttermine, die man so gerne wahrnimmt, wie z.B. das leidige Einkaufen. Kommen Sie unter der Woche dazu? Nein? Dann gehören Sie sicherlich auch zu den Menschen, die am Samstag oder verkaufsoffenen Sonntag einkaufen. Normalerweise müssen wir Büromenschen an den Wochenenden nicht oder wenigstens äußerst selten arbeiten. Das ist auch gut so, denn die Wochenenden sollen der Familie gehören. Außerdem ist nur am Wochenende Zeit dazu, endlich einmal den eigenen Hobbys nachzugehen. Wenn Sie auch in einer sog. funktionierenden Partnerschaft leben, dürfte sich die Zeit für die Hobbys aufgrund einiger Beiträge zur Reinhaltung der Wohnstätte reduzieren. Mit diesen kleineren Beiträgen, wie staubsaugen und abstauben, große Kehrwoche, Keller aufräumen, Arbeitszimmer auf Vordermann bringen, etwas reparieren, etwas nicht reparieren, Auto waschen-föhnen-legen etc. ist mit Sicherheit einige (oder alle) Zeit des Samstages belegt.

Manchmal muss der Samstag zusätzlich noch für verschiedene, meist ehelich angeordnete Einkaufstrips genutzt werden. „Du solltest dir dringend wieder einmal ein paar neue Hemden kaufen!“ - „Aber ich habe doch genügend, liebe Frau“ - „Aber du hast keine guten Hemden mehr.“ - „Ich habe doch noch reihenweise gute Hemden“ - „So? Welche denn?“ - „Ja zum Beispiel das karierte Langarmhemd.“ -„Ach das, das habe ich doch längst weggegeben. Das war doch nicht mehr gut. So kannst Du doch nicht ins Büro gehen. Wenn Deine Kunden so ein Hemd sehen, fällt das auf mich zurück und es heißt ‘Wie lässt DIE ihren Mann rumlaufen’“ usw. Na ja, dann lässt man sich halt breitschlagen und geht mit auf den Einkaufstrip.

Früher gab es nur einmal im Monat einen langen Samstag, was das Einkaufsvergnügen zumindest etwas beschränkte. Heute ist fast jeder Samstag lang. Und da sind dann auch noch die verkaufsoffenen Sonntage!

Irgendwie kommt es mir vor, als wären diese Tage wesentlich öfter, als diese gesetzlich erlaubt sind oder erlaubt sein sollten. Anstatt meiner wohlverdienten Ruhe nach ausgiebigem Frühstück ist jetzt schnelles Anziehen und vorbereiten auf den Einkaufstrip angesagt. Wie meine liebe Frau mir mitteilt, dient dieser Besuch verschiedener Kaufhäuser nur zu Informationszwecken. Und was glauben Sie, wie viele Familien nur zu Informationszwecken unterwegs sind? Wie auf einem arabischen Basar scheinen die einzelnen Abteilungen der Kaufhäuser näher zusammenzurücken und nur noch einen ganz kleinen Strom von Menschen zwischen sich hindurch zu lassen.

Gerade zieht meine Ehegattin mich an einer Umkleidekabine vorbei, vor der eine resolute Dame mit vier verschiedenen Herrenhosen steht und sagt „Heinz, probier jetzt nur noch diese eine Hose“. Aus der Kabine muffelt Heinz „Nein, mir reicht’s. Jetzt habe ich schon 32 Hosen probiert! Ich habe die Schnauze voll!“ - „Aber Heinz, immer wirst du gleich so böse!“ Meine Gattin zieht mich an diesem Trauerspiel vorbei. Auch in der Damenabteilung stehen sehr viele Herren gelangweilt herum und warten darauf, dass ihre Frauen endlich etwas Passendes finden. Auf die Frage „Kannst Du nicht unter der Woche schauen? Da hast Du doch viel mehr Zeit!“ erhält der Herr neben mir einen mordenden Blick. Im selben Moment verändert sich Gesicht und Haltung des Herrn und ich habe den Eindruck, einem geschlagenen Hund gegenüberzustehen. Meine Frau unterbricht dieses Schauspiel, indem Sie meine Aufmerksamkeit mit einem „Wie findest Du denn dies hier?“ auf sich lenkt. „Schön“ - „Ach, da hab’ ich doch einen viel zu großen Hintern, findest Du nicht?“ - „Nein, absolut nicht. Du siehst fabelhaft aus.“ - „Ach, das gefällt mir doch nicht so, ich lege es wieder weg.“ Dieser Wortwechsel wird sich heute noch mehrfach wiederholen. Und wissen Sie was? Gegen später gehen wir wieder nach Hause - ohne was gekauft zu haben. Und Heinz? Heinz ist auch zu Hause, hat vermutlich keine Hose gekauft, aber hoffentlich auch keinen Mord begangen.

 

Es gibt immer so wenig zu sagen, wenn einem ein Text gefallen hat. Deshalb zuerst das: fand ich gut. Dann: ich hab' noch einige

Vorschläge/ Detailanmerkungen:

  • "und bin so antörnend, dass lediglich noch die Alarmanlage der Firma scharf wird" - fand ich nicht so gelungen, stehe mit dieser Ansicht aber vielleicht alleine da.
  • "um einen großen Scotch und/oder einem heißen Bad" - 'und/ oder ein heißes Bad'
  • "Heinz ist auch zu Hause, hat keine Hose gekauft, aber einen Mord begangen." - zu arg. Mit kleiner Änderung ließe es sich vielleicht halten: '... hat vermutlich keine Hose gekauft, aber hoffentlich auch keinen Mord begangen.'
  • An einigen Stellen fand ich alles ein wenig hektisch; vielleicht noch einmal kritisch editieren?

 

Danke für die Tipps, die Änderungen kann ich gut verwerten.

"Alarmanlage" --> will sagen: Ich schalte die Alarmanlage der Firma scharf und antörnend ist nichts mehr ;-)

Hektik --> die Hektik ist gewollt, denn die "Aufgaben" und "Termine" der Frau sollen den Protagonisten in diese Hektik treiben. Allein seine Aussagen bzgl. der gewünschten Geruhsamkeit sind Zeuge seiner Wünsche.

Aber trotzdem glaube ich, dass Heinz den Mord begangen hat :-)

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom