Was ist neu

Verlust

(Vor)lese-Alter
(Vor)lesealter: ab 12
Mitglied
Beitritt
02.08.2019
Beiträge
1

Verlust

Verlust​
Die Fliege würgte sich um seinen Hals, seine Füße mit den Schuhen von Bugatti wogen Tonnen, die Blumen in seinen Händen…schwer wie Gewichte. Seine Bewegungen waren monoton und eintönig. Ein Uhrwerk präzise, mit einem klaren Ziel, welches er aber nicht erreichen wollte. Der Wind verspielte ihm sein Haar. Er blieb stehen, betrachtete, wünschte sich weg von hier, trotz der Schönheit des Ortes. Sonnenstrahlen von Blätter und Zweigen zerbrochen, erhellten die Wege. Der Wind brachte eben diese Strahlen zum Tanzen und ließ den Ort so friedlich erscheinen. Er lauschte den Klängen, die entstanden, wenn die Luft die Blätter streichelte, die Symphonie, welche von der Natur persönlich gespielt wurde. Für einen Moment beruhigte er sich, sein Herz kam zur Ruhe, das Pochen hörte auf, kurz hatte er vergessen, wo er war. Er war weg von diesem Ort. Weg an jenen Tag, der ihn zeichnete.

„Kommst du, Gerralt?“ „Ja ich komme!“ Die Fliege saß wie angegossen, der Anzug war nahezu maßgeschneidert, jedenfalls sah er so aus. Er huschte die Treppe runter. Währenddessen ertönte aus dem Radio, welches seinen Ton durch die sonnengeflutete Küche verbreitete: „Guten Morgen alle miteinander, einen weiteren Samstag dürfen wir genießen, mit einem fantastischen Wetter und noch besserer Stimmung. Aber als nächstes kurz noch die Wettervorhersage, ach was rede ich denn da? Es bleibt natürlich sonnig und das bringt denke ich nicht nur mich zum Lachen. So Freunde, jetzt erstmal etwas Musik und später dann ein wenig Smalltalk, bis dann!“
Der Radiosprecher, komischer selbstverliebter Typ , aber er machte Stimmung. „Gerralt, wo bist du d…?“ Er rannte in sie hinein, als sie ihn gerade fragen wollte. „Hier.“ Sie küssten sich! Es war kein normaler Kuss! Dieser Kuss war voller Emotionen und Erfahrung, voller Leid und Glück, voller Streit und Friede. Dieser Kuss war perfekt. Wie ein Blitz durch beide Körper, durch jegliche Nervenbahnen. Ihre Lippen lösten sich langsam voneinander und sie guckten sich in die Augen. Stille! Es musste nichts gesagt werden, jedes Wort hätte den Moment zerstört. Ihre eine Hand auf seinem Herz, die anderen in seiner Hand. Seine eine Hand an ihrem Rücken, die eine in ihrer. Perfektion beschreibt diese Situation nicht annährend gut genug. In ihren Augen spiegelten sich die letzten Jahre, in denen sie sich gestritten, geliebt, gehasst, verführt, getröstet, verletzt, gekümmert, gesorgt, vertraut, misstraut haben. All diese Dinge in diesem Moment vereint.

Die Blumen waren mit ihrem Gewicht aus seinen Händen gefallen und rissen ihn wieder in die Wirklichkeit. Monoton hob er sie auf. Die Bewegung tat ihm nicht weg, sie war auch nicht unangenehm für ihn, aber er ließ sich Zeit. Er brauchte sie, er fühlte sich immer noch nicht willkommen an diesem Ort, obwohl er an Schönheit schwer zu übertreffen war. Er ging weiter mit schweren Beinen und schwerer Atmung. Sein Blick wanderte von Name zu Name und somit wanderten seine Gedanken mit. Der Schotterweg unter seinen Füßen machte jedes Mal ein Geräusch bei einem seiner Schritte. Dieses Geräusch, nerventötend, quälend, unangebracht. Wie ein ironisches Kommentar bei jedem seiner Schritte. Er kannte den Weg, er kannte das Geräusch, aber gewöhnen wird er sich nie daran. Es war nicht mehr weit, nur noch zwei Ecken, dann war er da. Jeder Schritt wurde schwerer, jedes Geräusch penetranter, jeder Funken von Mut schwand. Jedes Mal, jedes gottverdammte Mal stand er hier und traute sich kaum. Die Tränen kamen, er fühlte es, er konnte es nicht, er konnte es schon wieder nicht. Versager! Jeden Tag steht er hier und es geht nicht weiter. Die erste Träne rollte über sein vom Leben gezeichnetes Gesicht. Das Luftholen wurde schwer, das schluchzen begann. Sein Gesicht versank in seiner einen Hand. Die Blumen fest umklammert. Es waren Frauenspiegel, die er seitdem pflanzt. Er stand da, bewegte sich nicht, sein Körper war Lehm, sein Herz war Stein, er selbst war kaputt.

„Na, komm schon, sie warten doch schon alle auf uns!“ „Ich bin doch schon soweit!“ Ein klassischer Pärchenausflug mit dem Fahrrad mit anschließendem Grillen. Sie trug einen roten Hut. Das machte sie nur, wenn sie glücklich war. Sie saß schon halb auf dem Fahrrad und wollte losfahren. Er suchte noch die letzten Komponenten für den Korb. Er hatte sie, sie konnten los. Mit Schwung preschte er nach vorne, sie hatte kleine Schwierigkeiten. Sie verließen ihr Grundstück durch eine kleine Pforte im Zaun. Ihr Haus sah malerisch aus, klein aber fein, mit so viel Liebe gestaltet und gebaut. Man merkte, dass die Seelen beider in diesem Haus vereint war. Sie düsten die Straße entlang, ihre Haare wehten im Wind, goldbraune Haare, fast so schön wie das Licht selbst. „Uh da vorne kommt der Hügel, bist du bereit?“ Sie liebte den Hügel, jedes Mal wenn wir in die Stadt fuhren, genoss sie es mit voller Wucht herunter zu fahren und jetzt nachdem er ihre Bremse repariert hatte…..
Nun erinnerte er sich nur noch an das letzte Lächeln, welches sie ihm zu warf, als sie das letzte Mal über ihre Schulter guckte. Zu ihm. Und ihn ein letztes Mal direkt in sein Herz traf.

Sie ging, aber der Schmerz blieb. Immer noch hatte er diese Last auf seiner Brust, immer noch spürte er den Stich. Der Tag an dem er aufhörte mit ihr zu existieren. Er stand noch immer da, bekam es einfach nicht hin. Als sei er gefesselt. Die Schuhe, Tonnen. Die Blumen, Gewichte. Ein Fuß ging tatsächlich nach vorne und berührte den Schotter mit jenem ironischen Kommentar. Der nächste Schritt! Die Tränen waren da, die Monotonie war da, aber die Bewegung ging weiter. Die Schritte kosteten ihm Kraft, jeder einzelne, jeder war eigentlich einer zu viel. Es ging weiter, immer weiter und weiter. Der Wind spielte weiter, die Sonne strahlte weiter, während er weiterging. Und dann stand er da! Kein roter Hut, kein herztreffendes Lächeln, kein perfekter Kuss….nur Marmor. Er ließ die Blumen fallen.
„Es tut mir leid!“

 

Moin, moin @Juvo749 ,

und ein ganz herzliches Willkommen von mir. Schön, dass Dich die Leidenschaft fürs Kurzgeschichten schreiben hierher geführt hat. Ich gehe davon aus, das Du Dich schon umgeschaut hast und daher weist, was auf Dich zukommt. Es ist für beide Seiten - Autor und Leser wirklich extrem lehrreich, sich im Detail mit Geschichten auseinanderzusetzen, ins Detail zu gehen und die gefühlte Meinung zu begründen. Aber es ist auch immer subjektiv und nie persönlich gemeint. Ich mache mal eine Anfang und hab mir ein paar Stellen (von Kleinkram bis Grundsätzliches) herauskopiert.

Verlust
Der Titel kann weg, macht unser System ganz brav allein. Ein schweres Thema, an das Du Dich hier heranwagst, ich bin gespannt.

Die Fliege würgte sich um seinen Hals, seine Füße mit den Schuhen von Bugatti wogen Tonnen, die Blumen in seinen Händen…schwer wie Gewichte.
Mit persönlich sind erste Sätze sehr wichtig, gerade Online klickt man bei Nichtgefallen ja schnell weiter, die Auswahl ist groß ...
Schauen wir mal: Äh, eine Fliege würgt ihn, Mist ich hatte ein Insekt vor Augen, also nochmal. Ja, das Zweite Bild mit den schweren Füßen leuchtet ein, wenn es auch sehr ausgelutscht ist. Mh - na so richtig neugierig bin ich jetzt nicht ...
Technisches:
- Händen… hier müsste ein Leerzeichen zwischen Wort und Auslassungspunkte, denn Du lässt ja ein Wort und nicht einzelne Buchst... weg.
- schau mal Deinen Text auf Possessivpronomen durch. Meist kann man sie einsparen oder nur eines im Satz verwenden, sie machen den Text träge, oft muss man auch schmunzeln (nur er kann wissen, das die Schuhe schwer sind, weil es seine Füsse sind)

monoton und eintönig
es mag eine Unterschied geben, aber erst einmal drückt es doch das Gleiche aus, oder?

Ein Uhrwerk präzise, mit einem klaren Ziel, welches er aber nicht erreichen wollte.
Es mag ja an meine kleine Augen in der Mittag, hier fehlt etwas, so ist die Satzbedeutung nur zu erraten.

verspielte
wie macht der das, mit Schaufel und Eimerchen, das Wort passt nicht

nahezu maßgeschneidert,
widersprüchlich in sich

Das sind alles nur Kleinigkeiten, aber durch genau diesen Feinschliff gewinnen unsere Texte an Struktur und Wirkung, probiere es einfach mal aus. Und wie gesagt, rein subjektiv von mir ...

Sie küssten sich! Es war kein normaler Kuss! Dieser Kuss war voller Emotionen und Erfahrung, voller Leid und Glück, voller Streit und Friede. Dieser Kuss war perfekt. Wie ein Blitz durch beide Körper, durch jegliche Nervenbahnen.
Das ist eine Behauptung! Und ich als Leserin muss sie Dir bzw. dem Erzähler einfach glauben. Mag ich aber nicht, also bin nicht mit dem Gefühl dabei, kann die Leidenschaft nicht miterleben - so ist Lesen langweilig, Fachbücher lese ich wegen dem Inhalt, alles andere möchte ich spüren. Da kommt das Prinzip Show, don´t tell! ins Spiel. Zeige mir die Emotionen. Wie küssen sie sich, was machen ihre Hände, Augen, Zungen? Du bist in seinem Kopf, also was fühlt er, wie schmeckt sie, an was denkt er dabei. Seine Knie werden weich, er kann immer noch den Brathering unter dem Mundwasser schmecken, aber ihre Leidenschaft für Fisch kennt keine Grenzen. Lass mich mitfühlen!

Ihre eine Hand auf seinem Herz, die anderen in seiner Hand. Seine eine Hand an ihrem Rücken, die eine in ihrer.
hier wieder ein gutes Beispiel für Possessivpronomen! Es ist verdammt schwierig, die einzugrenzen, aber ein Versuch lohnt immer.

In ihren Augen spiegelten sich die letzten Jahre, in denen sie sich gestritten, geliebt, gehasst, verführt, getröstet, verletzt, gekümmert, gesorgt, vertraut, misstraut haben. All diese Dinge in diesem Moment vereint.
Okay, wenn ich nicht einen Kommentar schreiben wollte, wäre ich jetzt raus. Vorlesealter 12 hast Du wahrscheinlich nur willkürlich gewählt, aber das hier ist "Schmalz", sorry.
Ich glaube, das Vorlesealter braucht es nur bei Kindergeschichten, bin aber auch nicht ganz sicher, was der Webmaster sich da genau gedacht hatte ...

Jeder Schritt wurde schwerer, jedes Geräusch penetranter, jeder Funken von Mut schwand. Jedes Mal, jedes gottverdammte Mal stand er hier und traute sich kaum.
In diesem Abschnitt hast Du mich durchaus, ich bin ihm nahe, kann ihn verstehen und leide ein wenig mit ihm ...
Das "traute sich kaum" passt für mich persönlich nicht zur Erzählstimme, das klingt so, wie "Trau Dich" im Kindesalter, aber hier geht das ja viel tiefer, als einmal Klingelstreich

„Uh da vorne kommt der Hügel, bist du bereit?“ Sie liebte den Hügel, jedes Mal wenn wir in die Stadt fuhren, genoss sie es mit voller Wucht herunter zu fahren und jetzt nachdem er ihre Bremse repariert hatte…..
Nun erinnerte er sich nur noch an das letzte Lächeln, welches sie ihm zu warf, als sie das letzte Mal über ihre Schulter guckte. Zu ihm. Und ihn ein letztes Mal direkt in sein Herz traf.
okay, die Wendung ist hart, gut gemacht, Du hast die kleine Spannung vor der Ausfahrt gut aufgebaut. Aber dieser Satz mit den dreimal letzten und dem Treffer ins Herz macht es für mich kaputt. Wenn Du mir das als Leserin so reindrücken musst., dann stimmt Deine Vorarbeit einfach nicht. Versuch doch mal, den zweiten Teil auf ein, zwei kurze Sätze einzudampfen. Nur als Beispiel: Mit einem kecken Blick über die Schultern, schaute sie mir in die Augen - das letzte Mal.
In diesem Abschnitt fällt mir auch ganz besonders auf, das ich es als besser empfinden könnte, wenn Sie einen Namen hätte, so ist es total anonym.
Technisches:
- Wenn Du den Sprecher wechselst, erleichtere es dem Leser bitte mit einem Zeilenumbruch.
- es gibt selten Stellen, an denen ein "welches" sich besser anhört, als ein ganz einfaches "das", es klingt nur geschraubt.
- Leerzeichen bei den Auslassungspunkten

Er ließ die Blumen fallen.
„Es tut mir leid!“
Tja, ich kann ihn verstehen (er gibt sich die Schuld für die versagenden Bremsen), aber eigentlich fehlt mir zuviel, als dass ich mit ihm leiden könnte.

Zusammengefasst kann ich sagen, das ich Deine Idee gut finde, der Plot gibt viele Möglichkeiten, der Einbau der Rückblenden ging für mich in Ordnung. Ich bin vielleicht einfach nicht die geeignete Leserin, mir war einiges zu dick aufgetragen, dafür fehlte es mir an gezeigtem Gefühlsleben, gerade am Anfang.
Schau mal in die Geschichten anderer rein und gib ein kleines, begründetes Feedback dazu, dann fällt einem am schnellsten auf, was gemeint ist.
Ich bin jedenfalls gespannt, was Du aus Deinem Erstling noch machst
Beste Wünsche
witch

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom