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Von Toten und von Lebenden

Beitritt
19.06.2001
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Von Toten und von Lebenden

01

Selbst mit den Kopfhörern war der Lärm unerträglich laut. Seargent McKensey mußte brüllen, um sich mitzuteilen. "Zwanzig nach Drei! Wo sind wir jetzt?" Fragend sah er zu den zwei Soldaten, die schwer bewaffnet am Eingangsbereich saßen und Kaugummi kauten. Sie hießen John Williams und Teddy Green. Er hatte die beiden innerlich Dick und Doof getauft. "Was jetzt?" Die beiden zuckten mit den Schultern.
Es gab ein Knacken und der Pilot meldete sich: "Zweihundert Meilen nördlich vom Stützpunkt, Sir. Das da vorne ist Lexton. Vielleicht fünfhundert Einwohner, ziemlich abgeschnitten. Kann sein, dass die noch gar nichts mitbekommen haben."
"Okay, danke!" Er holte das Fernglas unter seinem Sitz hervor. "Dann schauen wir uns die Sache mal an!" Vielleicht hatte Bill Recht. Die Nachrichtensperre war sofort nach Bekanntwerden des Ausbruchs in Kraft getreten.
"Ja, Sir!" Der Pilot bewegte den Steuerknüppel etwas nach rechts und der Hubschrauber steuerte auf Lexton zu.
Die beiden Soldaten entsicherten ihre Waffen und spuckten die Kaugummis aus. "Dann wollen wir mal!", schrie Williams und bleckte die Zähne.
'Idioten!', dachte McKensey verärgert. Sie waren nicht hier, um alles dem Erdboden gleichzumachen. Das würden die Bomber erledigen, sollte es Anzeichen von Untoten geben.

Eine Minute später flogen sie über das kleine Städtchen hinweg. Angestrengt sah McKensey duch das Fernglas, konnte aber nichts verdächtiges entdecken. Menschen standen auf den Straßen und sahen nach oben, Autos fuhren umher, nirgendwo Spuren von Verwüstungen. "Scheint alles normal zu sein."
"Was sagten Sie, Sir?", fragte Williams laut, und irgendwie klang es auch enttäuscht.
McKensey war sich sicher, dass die beiden niederen Ränge nur darauf warteten, von Mutter Natur fehlgeleitete Kreaturen endgültig auszulöschen. Er ignorierte die Frage und beobachtete weiter das Geschehen einhundertfünfzig Meter unter ihm.
"Wir erreichen das Ende!", meldete der Pilot.
"Ja..." McKensey legte das Fernglas neben sich und rieb sich seine müden Augen. "Alles in Ordnung! Keine Anzeichen für unnormale Aktivitäten. Lassen Sie uns zum Stützpunkt zurückfliegen. In zwei Tagen kontrollieren wir noch einmal das Kaff." Seufzend lehnte er sich zurück. Aus den Augenwinkeln heraus konnte er sehen, wie die beiden Soldaten ihre Waffen sicherten und ablegten. Green zitterte, während Williams seinen Kopf hängen ließ. "Alles okay, Jungs?" Dieses Mal zuckten sie nicht mit den Schultern, sondern sahen ihn an. Das waren keine harten Kerle mehr, die Anspannung war vorbei. McKensey schluckte schwer. "Klar...", sagte er schließlich. "Der Zeitpunkt ist ziemlich Scheiße, um auf der Welt zu sein." Sich des schweren Fehlers bewußt, beeilte er sich, schnell noch nachzulegen: "Aber wir werden überleben!"

Bald war Lexton aus dem Blickfeld verschwunden. Endloser Wald lag unter ihnen. Nach einigen Minuten senkte sich der Hubschrauber etwas nach vorn. Die beiden Soldaten sahen überrascht zu McKensey. "Wir sind noch nicht da! Warum gehen wir tiefer?", rief Williams.
"Keine Ahnung, was das soll..." McKensey richtete sich aufrecht. "Was ist los, Bill?" Der Pilot reagierte nicht. "Bill!" Vorn konnte er schemenhaft den Piloten erkennen, unbeweglich, und irgendwie auch... "Großer Gott!", brüllte McKensey und zog seine Waffe.
Green und Williams brauchten eine Sekunde, um zu kapieren, was geschehen war. Sofort griffen sie nach ihren Waffen und sprangen auf.
"Gezielt schießen!", schrie der Seargent den beiden zu. "In den Kopf! In den Kopf! Und einer muß nach vorn ins Cockpit, um den Vogel in der Luft zu halten!" Rechtzeitig bemerkte er den panischen Gesichtsausdruck von Green. "Oh nein!" Schnell drehte er sich um und betätigte den Abzug seiner Waffe. Die Schüsse gingen im Lärm unter. Etwas riss McKensey zu Boden. "Schießt! Schießt doch endlich!" Er spürte einen stechenden Schmerz in der Brustgegend. "Gott...", stammelte der Seargent. In seinem Hals staute sich Blut, das er hustend und brüllend herausspuckte. Er fühlte, wie seine Kräfte und Sinne schwanden, langsam wurde um ihn herum alles neblig. "Gott...", hauchte er ein letztes Mal. Seargent McKinsey sah noch, wie eine dämonenhafte Fratze sich über ihn beugte, und dann war es auch schon vorbei.

Es schien, als ob der Hubschrauber an Ort und Stelle blieb, doch schon bald geriet er ins Trudeln und stürzte sich um die eigene Achse drehend ab. Sekunden später schoß ein gewaltiger Feuerball aus dem Wald gen Himmel, der im Vergleich zu weitaus größeren Feuerbällen, die es in jüngster Zeit mehr als oft gab, jedoch eher kümmerlich wirkte.


02

Beim Anblick der ihm angebotenen Bonbons bekam der kleine Junge leuchtende Augen, doch einfach eines zu nehmen, traute er sich nicht. Fragend sah er zu seiner Mutter, die gnädig lächelte und seufzend nickte. "Aber nicht so viele, Raymond!" Der Junge griff in das Glas und holte heraus, was seine kleine Hand fassen konnte.
"Ach, lassen Sie ihn doch." Stuart Brewster, den alle nur Stu nannten, winkte ab. "Schaden wird es dem kleinen Ray schon nicht." Er stellte das Glas zurück in das Regal.
Die Frau streichelte ihrem Sohn über den Kopf und sagte: "Sie müssen die Kosten für den Zahnarzt auch nicht tragen, Stu!" Ray schob ihre Hand weg und sah zufrieden, gleichzeitig aber auch sehnsüchtig zur Ladentür. "Magst du draußen warten?"
Stu pochte mit den Fingerknöcheln auf die Holztheke. "Schönes Wetter hat sich angekündigt... Oh! Seht doch nur!" Er zeigte nach draußen. "Es ist tatsächlich die Sonne!" Grinsend zwinkerte er dem Jungen zu. "Nun geh schon spielen!" Der Junge lachte, drehte sich um und lief aus dem Laden. "Ray macht sich prima. Nicht wahr, Ruth?"
Die Frau kramte in ihrer Handtasche herum und holte schließlich einen kleinen Zettel hervor. "Kann sein", murmelte sie. "Abgesehen davon, dass er stumm ist, ist er nicht anders als andere Jungen in seinem Alter." Sie reichte Stu den Zettel. "Hier ist die Liste."
"Ah... Mal sehen..." Der alte Mann setzte sich eine Brille auf und überflog die Liste. "Habe ich alles da, kein Problem." Er faltete den Zettel zusammen und steckte ihn in die Hosentasche. "Dauert nur einen winzigen Augenblick", sagte Stu und verschwand hinten im Lager.

Ruth stellte die Handtasche auf der Theke ab und ging zu den alten Regalen, die mit noch älteren Büchern vollgestopft waren. Für sie war es schon ein Ritual: Sie kam mit Ray in Brewsters Laden, gab Stu den Einkaufszettel, und während ihr Sohn, egal bei welchem Wetter, draußen spielte und der alte Mann im Lager die Sachen zusammensuchte, stöberte sie in den Büchern, von denen sie viele nicht kannte, und auch viele nicht verstand. Ruth zog ein dickes Buch aus dem Regal und blätterte ein wenig. Viele Fremd- und Fachwörter, ellenlange Sätze, die wohl irgendwelche Metaphern darstellen sollten... "Oh Gott!" Schnell stellte sie das Buch zurück. Ab und an sah sie zu der großen Glasscheibe und konnte sehen, wie Ray auf der anderen Straßenseite mit zwei Jungen spielte. Sie lächelte kurz, schnappte sich schließlich eine Schwarte von einem deutschen Autoren und setzte sich in den Sessel, den Stu irgendwann vor einer kleinen Ewigkeit aus der Hinterlassenschaft einer verstorbenen Witwe gerettet hatte. Der Sessel roch etwas muffig, war aber mehr als bequem. Kurz lehnte sie sich zurück und schloss die Augen. Ihr Leben war nicht einfach, war es noch nie gewesen. Dank Tom waren sie über die Runden gekommen, mehr schlecht als recht, aber es reichte für ein halbwegs würdiges Dasein. Doch Tom Mullon starb vor einem Jahr. Ein Autounfall. Ein dummer Unfall, der nicht hätte sein müssen. Sie hatten sich gestritten, während Ray nebenan im Wohnzimmer stumm seine geliebten Kinderbücher las. Schließlich war Tom im Streit gegangen. Fünf Minuten später hatte ihn ein Kleinlaster erfasst und fünfundzwanzig Meter durch die Luft geschleudert. Die Ärzte hatten ihr versichert, dass er nichts gespürt haben konnte. Geschwindigkeit, Masse und Aufprallwinkel ließen diese Schlußfolgerung zu, und Ruth glaubte daran.

Hinten im Lager packte Stu die Lebensmittel und sonstigen Sachen, die auf dem Zettel standen, in eine große Kiste. Davon hatte er nicht mehr viele, vielleicht noch vierzig Stück. Ein Großteil war bei Ruth Mullon. Manchmal fragte er sich, was sie wohl mit den vielen Kisten tat, aber nach einigen Überlegungen wischte er die Gedanken zur Seite. Manche Menschen verstanden was von Ordnung und Sauberkeit, manche Menschen eben nicht. Immerhin sorgte sie für den kleinen Ray. Er verließ das Lager, stellte die Kiste auf die Theke und ging zu den Bücherregalen. Stu zögerte einen Augenblick, die in Gedanken versunkene Frau laut anzusprechen. Vielleicht sollte er einfach noch warten. Die Ladentür ging auf, Glöckchen klingelten, und schwere Schritte waren zu hören. "Was zum..." Es war Dienstag. "Du kommst einen Tag zu früh, Joe!" Stu hasste es, wenn gewohnte Dinge sich plötzlich veränderten. Er sah noch einmal zu Ruth, die im Sessel saß und schwer atmete. "Ruth?"
"He, Stu!", rief eine tiefe Stimme.
"Ruth?" Vorsichtig berührte er sie an der Schulter. Erschrocken zuckte die Frau zusammen und sah den alten Mann mit weit aufgerissenen Augen an. Stu hob beschwichtigend die Hände. "Alles in Ordnung, Ruth. Ich habe alles zusammen."
"Stuart Brewster!" Die tiefe Stimme klang ungeduldig.
"Ja, gleich!", rief Stu verärgert. Er sah zu Ruth. "Sie sahen für einen Moment..."
"Es geht schon! Danke!", beeilte Ruth sich zu sagen und stand auf. Sie stellte das Buch zurück in das Regal. "Was schulde ich Ihnen?"
"He!" Stu legte den Kopf etwas quer. "Abgerechnet wird am Monatsende, das wissen Sie doch."
"Ich kann mir das auf Dauer nicht leisten", flüsterte Ruth. "Ich habe so schon viel zu viele..." Sie hielt inne und sah nach oben. "Hören Sie das?"
"Brewster!"
Verärgert klatschte Stu in die Hände. "Verdammt nochmal, wenn du schon einen Tag zu früh kommst, dann kannst du auch gefälligst warten!" Wütend sah er den anderen Mann an, der unschlüssig hin und her wippte, sich aber schließlich lächelnd eine Zigarette anzündete. Stu wandte sich wieder Ruth zu. Sie sah noch unglücklicher aus als sonst. "Was sagten Sie?" Und dann vernahm auch er es. Ein leises Brummen, das näher kam.
"Was ist das?", fragte Ruth und sah besorgt zum Fenster. Erleichtert stellte sie fest, dass Ray noch da war und spielte. Das Brummen wurde lauter.
Stu lachte laut auf. "Ach, es ist nur ein Hubschrauber."
"In dieser Gegend?"
"Klar, warum nicht. Er fliegt ziemlich niedrig..." Schon begannen einige leichte Teile in den Schränken und Regalen an zu wackeln, selbst die Scheiben vibrierten. Draußen auf der Straße blieben die Menschen für einen Moment stehen und sahen nach oben. Dann nahm das Brummen auch schon wieder ab. Stu nickte bedächtig. "Und weg ist er. Vielleicht Touristen, die sich etwas frische Luft gönnen wollten. Oder das Militär..." Er zeigte Richtung Süden. "Die haben da einen Stützpunkt."
Ruth rieb sich mit der flachen Hand über die Gänsehaut, die sie bekommen hatte. "Es war irgendwie unheimlich."
Der alte Mann lächelte. "Ach was, es war nur ein Hubschrauber!"
Raymond kam in den Laden gestürmt und rannte auf seine Mutter zu. "Was ist passiert, Ray?", fragte Ruth besorgt und drückte ihren Jungen an sich. "Hast du Angst gehabt? Hat dir jemand was getan?" Sie sah Stuart dankbar an. "Gute Menschen wie Sie gibt es nicht mehr so oft, wissen Sie das eigentlich?" Sie zitterte am ganzen Leib.
Brewster kratzte sich am Kinn. "Sie sollten nach Hause gehen. Der Junge sieht ziemlich mitgenommen aus." Er berührte Ray am Arm. "Hat der Hubschrauber dir Angst gemacht, ja?" Ein kaum merkliches Nicken... "Ja, war ziemlich laut, ich weiß." Er ging zur Theke und schob den Zigarette rauchenden Mann stumm zur Seite, der es widerstandslos hinnahm. "Also", sagte Stu und gab die Kiste Ruth, die mißtrauisch den Mann ansah. "Ist alles da!"
Der Mann grinste und warf die Zigarette auf den Boden. Er trat sie nicht aus. "Ich hoffe, Sie kommen damit über die Runden", bemerkte er mit einem kurzen Blick auf den Inhalt der Kiste.
"Es wird schon reichen!" Ruth und ihr Sohn Raymond verließen schnell den Laden.
Der Mann sah zu Stuart und zuckte mit den Schultern. "Was ist?"

Die Brille schmerzte. Seufzend nahm Stu sie ab und legte sie neben die alte Kasse. "Du kommst zu früh!", sagte er schließlich.
Der Mann nickte. "Und das aus gutem Grund, wie du sicherlich mitbekommen hast." Er deutete raus auf die Straße. "Wundert mich, dass die alle so tun, als ob nichts passiert wäre."
Stirnrunzelnd sah Stu aus dem Fenster. Es war so wie immer: Pickups, und vereinzelt familientaugliche Kombis, fuhren langsam über die Straße, Menschen schlenderten an den Läden vorbei, andere hetzten den Blick gesenkt zu wichtigen Geschäftsterminen, die meistens was mit der ortsansässigen Bank zu tun hatten. Ihm wurde bewußt, dass es auch ihn irgendwann erwischen würde. Zwangsläufig blieb ihm der entwürdigende Bettelgang nicht erspart. "Was meinst du?" Lexton glich einer kleinen Großstadt, obwohl nur fünfhundert Menschen in der idyllischen Abgeschiedenheit lebten. Sogar aus Turners Autosalon kam eine Kleinfamilie herausgeschlendert, mit dünnen Prospekten und eierförmigen Luftballons reichlich beschenkt. Fragend sah Stu seinen Bruder an. "Was soll denn passiert sein?" Es war Nachmittag, und er hatte noch keine Nachrichten gehört. Ihm fiel ein, dass es keine Zeitung gegeben hatte. "Meinst du die Zeitung? Nun, das hatten wir schon öfters. Möglich, dass der gute Lemond wieder einen zuviel über den Durst getrunken hat und nun friedlich schlafend im Laderaum seines Wagens liegt." Am erstaunten Blick seines Bruders wurde ihm klar, dass es sich nicht so verhielt. Zumindest bedeutete es nicht das, warum Joe Brewster entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten sein Haus verlassen hatte und in das kleine Städtchen gefahren war.
"So ein Quatsch!" Kopfschüttelnd griff Joe nach dem Glas mit den Bonbons. "Wenn es nur das wäre, würde ich nicht hier sein. Nicht heute!" Er holte sich ein Bonbon mit Zitronengeschmack aus dem Glas und öffnete umständlich die glitzernde Hülle. "Hast du schon mal was von Satellitenradios gehört?"
Stuart seufzte. Er hatte keine Ahnung, wohin das führen sollte. "Ja, so eine Sache mit Satelliten im Orbit."
"Genau!" Joe steckte sich das Bonbon in den Mund. "Satelliten im Orbit! Man kann sich global informieren. Soviel ich weiß, gibt es in Lexton nur zwei solche Geräte. Eines besitzt das Büro des Sheriffs, das andere steht auf meinem Schreibtisch. Sie sind sehr hilfreich, um sich wesentlich früher zu informieren, was gerade in der weiten Welt abgeht." Joe beugte sich etwas vor und flüsterte: "Hast du heute schon einen aus Parkers Truppe gesehen, Stu?"
"Nein..." Interessiert sah Stu zum Ladenfenster. "Nun, es ist doch aber auch alles ruhig." Aber es stimmte. Es war bereits Nachmittag, und er hatte weder Anderson, Crusher, noch Parker zu Gesicht bekommen. Er hob abwehrend die Hände. "Jetzt rück schon raus mit der Sprache! Ist etwa der Dritte Weltkrieg ausgebrochen? Und wir in Lexton haben den Mist live auf CNN verpasst?"
"Der Vergleich ist gar nicht mal so schlecht", sagte Joe trocken. Suchend sah er sich im Laden um. "Wo hast du denn... Ah!" Schnell ging er zu dem alten Radio und schaltete es ein. "Dürfte eigentlich nichts anderes kommen." Er sah zu seinem Bruder. "Du empfängst doch überregionale Sender?"
"Ein paar, ja." Draußen auf der Straße wurde es laut, ein Auto hupte, Schreie erklangen, doch er kümmerte sich nicht weiter drum.
"Ah, mal sehen..." Langsam drehte Joe an dem kleinen Rädchen, welches links am Radio angebracht war. Sie hörten nur ein unregelmäßiges Rauschen. "Okay, suchen wir mal nach Sendern, die landesweit zu hören sind. Hockt hier eigentlich niemand vor dem Fernseher?" Konzentriert ging Joe die Frequenzen durch, doch ohne Erfolg.
Stu verfolgte gähnend das Getue seines Bruders. Nach einigen Minuten sah er zum Ladenfenster. Erschrocken ging er einen Schritt zurück und stieß sich dabei schmerzhaft an der Theke. "Verdammt!" Er holte tief Luft. "Es ist keiner mehr da!"
"Was?" Schnell drehte sich Joe um. "Was hast du gesagt?"
"Alle weg!" Schwer atmend presste Stu eine Hand gegen die schmerzende Stelle. "Bei Gott, vorhin war die Straße voll!"
Joe lächelte grimmig. "Schätze, die Neuigkeiten sind nun auch bis nach Lexton vorgedrungen."
"Scheiße, Joe! Sagst du mir nun, was los ist?"
Eindringlich sah Joe Brewster seinen Bruder an. "Untote!", sagte er klar und deutlich.
Stu stöhnte und verdrehte die Augen. "Hör auf, mich zu verarschen!"
"Tue ich nicht!", sagte Joe. "Zombies! Die Toten sind auferstanden! Deshalb bin ich doch schon heute da!" Zusammen mit seinem Bruder stand er vor dem Ladenfenster und sah gebannt nach draußen. Gespenstische Stille lag in der Luft. Keiner der beiden sagte etwas.


03

Jason Smith galt in der Stadt als Tunichtgut, als ein Trunkenbold, der meistens schon mittags schnarchend auf einer Bank lag und unangenehmen Geruch verbeitete. Früher war er ein Kriegsheld gewesen, der im Alleingang einen mit Schlitzaugen überquellenden Hügel einnahm und dadurch eine Schneise schlug, die es seinem Zug ermöglichte, etwas Raum zu gewinnen. Am Ende erwies es sich als nette Fußnote in einem falschen Krieg, der nur Verlierer kannte. Immerhin hatte Smith seinen Orden, den er auch immer wieder wie ein religiöses Relikt in die Höhe hielt, um jeden zu zeigen, was passierte, wenn man in der Heimat nicht freundlich empfangen wurde. Nach seinen mit bösartigen Träumen geplagten, dennoch ausgiebigen Mittagsschläfchen, das sich bis in den Nachmittag hinzog, hatte er sich hinter dem kleinen Autosalon von Will Turner übergeben, dessen geschäftlicher Erfolg sich niemand erklären konnte. Autos zu verkaufen war legitim, jedoch in einer Stadt mit der Einwohnerzahl Lextons geradezu irrwitzig. Ein kleines Fenster über Smith war leicht angelehnt, so dass er mithören konnte, wie Turner einem Kunden die Vorteile eines Autoradios erklärte. Es interessierte Smith nicht wirklich. Doch dann, kaum, dass er sich mit seiner schmutzigen Hand den Mund abwischte, hörte er es. Und als er es gehört hatte, fiel er auf die Knie und bekreuzigte sich. Schon im nächsten Augenblick rappelte er sich mühsam auf und rannte zurück auf die Straße. "Die Apokalypse!", krächzte er heiser. "Die Hölle hat ihre Pforten geöffnet!" Hinter sich vernahm er lautes Geschrei. Langsam drehte sich Smith um und sah, wie Turner panisch in seinen Wagen sprang und, sämtliche Verkehrsregeln mißachtend, hupend losfuhr. Wütende Protestschreie schallten ihm nach, doch Turner schien das nicht zu beeindrucken. Mit quietschenden Reifen preschte er über die Kreuzung und verschwand schnell in der nächsten Kurve. Für einen kurzen Moment beherrschte Ratlosigkeit das Geschehen, selbst Smith hielt die Luft an, der Dinge harrend, die da kommen würden. Zuerst geschah nichts, Menschen und Autos blieben stehen, stumm und lautlos. Dann wurde der erste Wagen gestartet und der Insaße tat es Turner gleich, raste mit Vollgas davon. Jemand brüllte etwas, das wie "Macht, dass Ihr wegkommt!" klang. Andere riefen "Zombies!" und kurbelten ihre Fensterscheiben hoch. Als ob ein gigantischer Regentropfen in ein Nest von Ameisen gestürzt wäre, liefen von einem Moment zum nächsten die Menschen scheinbar planlos aneinander vorbei, Autos fuhren hupend über Straßen und Gehwege, fast schien das Chaos Herr der Lage zu werden. Jason Smith lief, sich an den Wänden der Häuser und Läden abstützend, die Straße entlang und schrie immer wieder: "Untote! Die Toten sind auferstanden!" Und ehe er sich versah, waren sie alle weg, hatte ein jeder das Weite gesucht, sich verkrochen. Er war allein auf der Straße. "Gott hat uns verlassen...", flüsterte Smith und fiel auf die Knie. Im Schaufenster von Brewsters Laden vor ihm lagen schön dekoriert Lebensmittel und Haushaltsgegenstände. "Stu!" Urplötzlich durchfuhr ihn ein Schmerz. "Oh nein!" Er glaubte an einen Herzinfarkt. "Brewster! Stu!" Vergebens versuchte er, an die Scheibe zu klopfen. "Stuart! Stuart! Stu..." Mit weit aufgerissenen Augen fiel Jason zur Seite und blieb nach einigen krampfartigen Anfällen, wobei ihm Blut und Speichel in Form einer dünnen Linie aus dem Mund flossen, bewegungslos liegen. Er sah Bilder von brennenden Kindern, die mit ihren brennenden Eltern vor brennenden Häusern standen. Er sah gleißend helle Flammen, die alles und jeden verschluckten. Und bevor Jason Smith in die Dunkelheit abdriftete, sah er sich und die anderen, die grinsend Poker spielten, und als Einsatz abgeschnittene Zungen und Ohren von Kindern in die Mitte des klapprigen Tisches schoben.


04

Der kleine Zellentrakt lag im hinteren Teil des Polizeigebäudes. Das vergitterte Fenster ließ einen Ausblick auf den gut zweihundert Meter entfernten Friedhof zu, dessen mächtige, uralte Kastanienbäume an heißen Sommertagen denen Schatten spendeten, die trauernd auf den Bänken saßen und still beteten. Gleich neben dem idyllischen Friedhof befand sich die kleine Kapelle von Sarah Willsen, deren freundliches Wesen so manches Mal Streit in Lexton schlichtete. Die Einwohner der kleinen Stadt mochten sie, und sie machte auch keinen Hehl daraus, dass sie stolz darauf war, von allen gemocht zu werden.
Alle fünf Minuten sprang Parker auf den kleinen Absatz, zog sich an den Eisenstäben hoch und sah nach draußen. Jedes Mal war er sich sicher, wankende Gestalten zu sehen, die aus ihren Gräbern gestiegen waren und nun Jagd auf die Lebenden machten. Doch auf dem Friedhof war es ruhig, es gab keine Anzeichen von toten Wesen, die mit ausgestreckten Armen langsam zur Stadt schlurften. 'Sie schlurfen nicht, Cole!', ermahnte er sich. 'Sie sind schnell und gefährlich...'
Es war kurz nach Dienstbeginn gewesen. Er hatte Samuel Webber abgelöst, der Nachtwache geschoben hatte. Einige Zeit später waren Harry und Wesley zum Dienst erschienen. Wie üblich tranken sie erst einmal frisch gebrühten Kaffee, anschließend gab Parker die Waffen aus, und dann hörten sie zusammen die Radionachrichten über Satellit. Was sie hörten, versetzte sie in Staunen, sekündlich angereichert mit Angst und Erschrecken, und schließlich erwuchs ein erbitterter Streit über das weitere Vorgehen. In seiner Eigenschaft als Sheriff von Lexton bestand für Cole Parker überhaupt kein Zweifel daran, dass sie nach draußen gehen und die Bevölkerung verständigen würden. Dass Harry Anderson und Wesley Crusher sich als Angsthasen entpuppten, verblüffte selbst ihn.
Kurz war es in der Stadt laut geworden, dass hatte Parker in der Zelle hören können. Autohupen und panisches Geschrei, doch von einem Moment zum nächsten war es still, gespenstisch still. Er konnte nur hoffen, dass alle in ihre Häuser geflüchtet waren. Vielleicht war aber auch nur... Parker unterdrückte den aufkeimenden, schrecklichen Gedanken. Die Pritsche, auf der er kauerte, war hart und unbequem. Falls es jemals wieder einen normalen Zustand der Welt geben sollte, würde er sie gegen bequemere Pritschen austauschen. Kein Wunder, dass die wenigen, die ab und an eine Nacht im Zellentrakt verbrachten, danach oft über Rückenschmerzen klagten. Seufzend rieb er sich die müden Augen und gähnte. Vorn im Büro war es ruhig, nur ab und an konnte er die Stimmen von Harry und Wesley hören. "Verdammte Arschlöcher!", fluchte er leise. Sie hatten ihn überumpelt, ihn in die Zelle gesteckt. "Du wirst Gott dafür danken!", hatte Wesley gesagt und ihn finster angestarrt.

"Hat sich was getan?", fragte Crusher besorgt und umklammerte fest seine Dienstwaffe.
Anderson schüttelte den Kopf. "Nein, liegt unbeweglich da." Er legte das Fernglas auf das schmale Fensterbrett und zog die Gardine wieder zu. "Aber der alte Stuart Brewster und sein Bruder Joe stehen im Laden und glotzen nach draußen. Es scheint, als ob sie Smith gar nicht entdeckt haben." Er zuckte mit den Schultern und setzte sich auf den Stuhl.
"Was?" Crusher lugte vorsichtig aus dem Fenster. "Das gibts doch gar nicht! Wie können die den übersehen?"
"Liegt wohl zu nahe an der Wand. Sie müssen sich etwas nach vorn beugen und nach unten sehen, dann vielleicht."
Mit den Fingerknöcheln trommelte Deputy Wesley Crusher nervös gegen die Wand. Eigentlich hatte er sich vorgestellt, wie jeden Tag einen ruhigen Dienst zu schieben, abends zusammen mit Freunden Billard im All Good zu spielen, und irgendwann nach Mitternacht friedlich einzuschlafen, aber heute kam alles anders. "Wie konnte das nur passieren?" Er ging zur Funkstation und schaltete das Satellitenradio ein.
"He, lass das!"
"Nein! Vielleicht..." Wesley sah gebannt auf die Anzeige, während er die Frequenzen durchging.
Anderson stand auf und ging zu Crusher. "Seit einer Stunde gibt es nichts mehr außer Rauschen, Wes!" Sanft legte er eine Hand auf die Schulter seines Freundes. "Und die Armee ist längst auf eine geschützte Frequenz gegangen."
Mißmutig hörte Crusher dem leisen Rauschen zu, was aus den Lautsprechern kam. "Und die gibt natürlich nichts nach draußen. Verdammte Scheiße!"
Harry Anderson nickte bedächtig. "Was sollen die auch sonst tun? Mit einem Schlag können die nichts gegen diese Dinger ausrichten. Du hast es vorhin selbst gehört. Stündlich werden es mehr, und niemand kann sie aufhalten."
"Sie sollten einfach alles abbrennen...
"Und was dann? Zerstörtes Land, Wesley! Zerstörtes Land!" Er deutete nach oben. "Und außerdem tun sie doch was! Wir beide haben diesen Hubschrauber gesehen, der über der Stadt kreiste. Die haben sicherlich die Lage sondiert. Die werden sich schon etwas einfallen lassen."
"Ach..." Crusher winkte ab und ging zurück zum Fenster. Die Neonröhren an der Decke begannen zu flackern und erloschen schließlich. Entsetzt starrte Wesley zu Harry. "Der Strom!"
Zerknirscht wischte sich Anderson über den Mund. "Dafür gibt es nur zwei Erklärungen. Entweder hat die Armee das Kraftwerk ausgeschaltet, oder aber..." Er sprach nicht weiter, ging zum Schreibtisch und nahm den Hörer vom Telefon ab. "Die Leitung ist tot!" Behutsam legte er den Hörer neben das Telefon.
Crusher schob die Gardine weg. "Du meinst doch nicht etwa..." Er zuckte zusammen und stieß einen schrillen Schrei aus.
"Was ist?" Schnell lief Anderson zum Fenster und sah hinaus. "Ach du heilige Scheiße!" Jason Smith stand aufrecht vor Stuart Brewsters Laden. "Ist er tot?" Wesley sagte nichts. "Wes!"
Irritiert legte Crusher den Kopf etwas quer. "Ich denke, wir sollten Parker holen..."
"Er wird uns in den Arsch treten!"
"Weiß nicht. Vielleicht sollten wir ihn wirklich rausholen!"
Anderson kratzte sich am Kinn. "Na schön."

"Großer Gott!" Wie aus dem Nichts war Jason Smith erschienen und stand nun leicht wankend auf dem Gehweg vor ihnen. Kreischend ging Stuart einige Schritte nach hinten und stolperte über einen kleinen Karton. Der plötzliche Stromausfall war erschreckend genug gewesen. Schmerzhaft fiel er auf den Boden. "Verdammt!", fluchte er. "Joe! Komm da weg!"
"Nein!" Joe Brewster runzelte die Stirn. "Etwas ist anders..." Aufmerksam beobachtete er Smith, der vor dem Laden stand. "Da stimmt etwas nicht!" Bevor er nach Lexton gefahren war, hatte er Stunden damit verbracht, den Meldungen zu lauschen, die von blutüberströmten Wesen berichteten, die einmal Menschen gewesen waren. Diese Wesen hatten graue, wässrige Augen, mit einem kleinen schwarzen Punkt in der Mitte; aufgerissene Haut, hinter der man schwarzes Fleisch sehen konnte; ihre Bewegungen waren schnell und zielstrebig, immer auf der Suche nach einem lebenden Menschen, denen sie mit einem gezielten Biss die Halsschlagader aufrissen... "Ich glaube nicht, dass er tot ist, Stu", murmelte Joe und kratzte sich nachdenklich am Kinn. "Möglich, dass Smith unglücklich fiel und bewußtlos wurde... Schau ihn dir doch an!" Er ging einen Schritt nach vorn und klopfte gegen die Scheibe. "So sieht kein Zombie aus!" Das Klopfen zeigte Wirkung: Smith hob den Kopf und sah Joe Brewster direkt in die Augen. Er öffnete den Mund und sagte etwas. Aber es war zu leise, als dass man ihn verstehen konnte. "Wir sollten ihn reinlassen!", sagte Joe bestimmt und sah kurz zu seinem Bruder, der immer noch auf dem Boden saß. "Stuart?"
"Die Ladentür ist nicht verschlossen", erwiederte dieser monoton.
Joe kniff die Augen zusammen. "Stimmt..." Er sah wieder zu Smith. "Hast du eine Waffe im Laden?"
"Ja."
"Geh sie holen!" Joe war nun fest entschlossen, Smith in den Laden zu lassen. Dennoch sollten sie abgesichert sein. Gut möglich, dass es neben den wilden Wesen, die scheinbar nur ihrem Instinkt folgten, es auch Wesen gab, die zwar tot waren, trotzdem so etwas wie überlegtes Handeln besaßen. Bei diesem Gedanken mußte er unwillkürlich lächeln.
Stuart hatte sich aufgerappelt und ging langsam zur Ladentheke. Unterhalb der Registrierkasse befand sich das alte Schrotgewehr. "Keine Ahnung, ob es noch funktioniert", seufzte er leise und nahm es an sich. "Okay!", rief er, nachdem er sich vergewissert hatte, dass im Gewehrlauf auch Patronen steckten.
"Gut!" Bei Nacht hätte Joe alles andere getan, als Jason Smith in den Laden zu lotsen. "Gott sei Dank ist es hell draußen!" Er klopfte erneut gegen die Scheibe. "Jason? Kannst du mich verstehen?" Mit der rechten Hand zeigte er zur Ladentür. "Sie ist offen! Na los, komm rein, mein Freund!"
"Du weißt, was du tust?", fragte Stu und entsicherte das Gewehr.
Joe nickte. "Falls es dazu kommen sollte, mußt du Smith in den Kopf schießen!"
"Wozu soll es kommen?" Im gleichen Moment, als er die Frage stellte, bereute Stu sie bereits. "Vergiss es! Also in den Kopf, ja? Zwischen die Augen?" Mit einer Schrotflinte einem Menschen aus kurzer Entfernung zwischen die Augen zu schießen, war in etwa so, als ob man versuchen würde, mit einer Nadel einen prallen Luftballon sauber und stilvoll zum Platzen zu bringen. 'Zwischen die Augen... Geradezu lächerlich!'
"Das haben sie jedenfalls gesagt. Ist wohl die einzige Möglichkeit, einen Untoten auf Dauer aus dem Verkehr zu ziehen." Es klang zynisch, sarkastisch, und irgendwie auch gleichgültig. "Ich denke, einfach in den Kopf genügt... Bereit?"
Stuart Brewster hielt das alte Gewehr fest in seinen Händen. "Wir beide sind zusammen einhundertvierundfünfzig Jahre alt, und ausgerechnet an unserem Lebensabend passiert so ein Bullshit!" Er räusperte sich und holte tief Luft. "Kann losgehen!"
Langsam und vorsichtig ging Joe zur Ladentür. "Jason? Jason!" Er schnippste mit den Fingern, so wie er es früher bei seinem Mischlingshund Casper getan hatte, um ihn zu sich zu locken. "Na komm, Jason! Komm in den Laden!"

Ihm war die Situation äußerst unangenehm. Wes Crusher stand vor der Zelle und sah zu seinem Vorgesetzen, den er vor wenigen Stunden zusammen mit Anderson eingesperrt hatte. Parker stand auf dem kleinen Mauervorsprung und sah durch das kleine Fenster nach draußen. "Cole?"
Der Sheriff drehte seinen Kopf etwas nach hinten und spuckte verächtlich auf den Boden. "Was willst du, Wes? Bringst du mir die Henkersmahlzeit?" Er stieg vom Mauervorsprung herab, drehte sich um und sah Crusher eindringlich an.
"Da draußen... Da..." Hilflos zuckte Crusher mit den Schultern. "Es hat sich was getan."
"Der Lärm vorhin?"
"Ja, unter anderem..."
Parker ging auf Crusher zu und umklammerte die Gitterstäbe. "Was ist passiert?"
Trotz seiner enormen Körpergröße fühlte sich Wesley so klein wie ein Zwerg, der einem starken Riesen gegenüberstand. Er mußte sich zwingen, Parker ins Gesicht zu sehen. "Nun... Ganz plötzlich wurde es unruhig, und alle sind sie verschwunden, nach Hause gefahren..."
"Haben Harry und du etwas unternommen?" Cole war klar, wie überflüssig die Frage war, hatte er die beiden doch ständig tuscheln und fluchen gehört.
Wesley schluckte und sagte leise: "Nein..." Er zeigte hinter sich, in Richtung Büro. "Wir haben nach draußen gesehen. Jason Smith lag bewegungslos vor Brewsters Laden. Und dann..."
"Ist er tot?", unterbrach Parker seinen Deputy.
"Nein... Ja..." Wesley wartete einen Augenblick, bevor er fortfuhr: "Wir haben versucht, Neuigkeiten zu empfangen, aber sämtliche Frequenzen bringen nichts außer Rauschen. Und als wir wieder nach draußen sahen... Smith! Er lag nicht mehr auf dem Boden... Er stand aufrecht auf der Straße!"
Für einen kurzen Moment verwandelten sich Parkers Beine in Gummi. Er mußte sich an den Gitterstäben festhalten, um nicht umzufallen. "Also geschieht es nun auch hier!", flüsterte er leise. "Nun hat es unsere Stadt erwischt! Es war zu erwarten, aber daran glauben wollte ich nicht. Bei Gott! Das wollte ich nicht!" Sie hörten Harry Anderson, wie er nach Wesley rief. Parker holte tief Luft und richtete sich auf. "Läßt du mich raus, Wes?"
"Harry?", rief Crusher zurück. Er schüttelte den Kopf. "Wir wollten das nicht, Cole. Aber uns erschien es sicherer, erst einmal hier den Stand der Dinge abzuwarten." Wesley holte das Schlüsselbund aus seiner Hosentasche und warf es in die Zelle zu Parker. Dann lief er zurück zu Anderson.
"Danke!", rief Parker dem Deputy hinterher und hob das Schlüsselbund auf. Er beschloss, noch einmal aus dem Fenster zu sehen, nur um sich sicher zu sein, dass bei Sarah Willsen alles in Ordnung war. Langsam stieg er auf den Mauervorsprung. "Bitte, lass alles ruhig sein, ja?", betete er leise und sah nach draußen. Auf dem Friedhof war alles ruhig. "Okay..." Parker sah zur kleinen Kapelle. Auch dort schien alles normal zu sein. Erleichtert sprang er vom Vorsprung. Er hoffte, dass Sarah die Türen verriegelt hatte. Ihm fiel ein, dass sich die Frau völlig allein in der Kapelle befand. So schnell wie möglich sollte jemand... "Sei kein Idiot!", ärgerte er sich über sich selbst. Als erstes sollte er dafür Sorge tragen, dass seine Familie sicher war. Das hatte Priorität. Alles andere war sekundär. Ihm wurde bewußt, dass dies die ersten Gedanken waren, die Rachel und Tommy betrafen. Tiefe Scham und Schuldbewußtsein überkamen Parker. Gegen Tränen ankämpfend ging er zur Zellentür und schloss sie auf. Ein paar Sekunden stand er da, unschlüssig, zweifelnd. Parker konnte nun versuchen, nach Hause zu fahren. Oder aber, er blieb hier, um Crusher und Anderson auf das nahende Unheil einzuschwören. Dass er sich vor Jahren davor verwahrt hatte, Mobiltelefone als nützliche Dinge des Alltags anzuerkennen, erschien ihm nun, angesichts des Stromausfalls, als naiver Fehler. "Scheiße!" 'Rachel wird wissen, was zu tun ist!', dachte er hoffnungsvoll. Parker steckte das Schlüsselbund ein, holte tief Luft und ging nach vorn zu Crusher und Anderson.


05

Tommy hatte draußen im Vorgarten gespielt. Er liebte es, nassen Sand zu wuchtigen Gebilden zu formen, die er auf Postkarten seiner Großeltern gesehen hatte. Postkarten aus Schottland, jenes für ihn unvorstellbar weit entfernte Land in einer ihm völlig fremden Welt. Für Tommy gab es nur Amerika, der Rest war graues Niemandsland, auf einem Globus mit bunten Schriftzügen versehen, dennoch uninteressant. Es war ihm ein Rätsel, warum seine Großeltern ihren Lebensabend ausgerechnet in Schottland verbringen wollten, und nicht bei ihm und seinen Eltern im beschaulichen Lexton. Oft hatte er Cole und Rachel Parker nach dem Warum und Weshalb gefragt. Seine Eltern kamen meistens mit fadenscheinigen Erklärungen, die selbst für einen fünfjährigen, aufgeweckten Jungen törricht schienen. Gerade, als Tommy mit den Fingern den Burggraben seiner mächtigen Sandfestung ausheben wollte, geschahen mehrere Dinge auf einmal, die den kleinen Tommy Parker zutiefst beunruhigten. Ruth Mullon rannte an ihrem Haus vorbei, ihren Sohn Raymond, den die Kinder in der Nachbarschaft den 'Stummen Gay' nannten, hinter sich herziehend. Normalerweise winkten sie Tommy immer zu, wenn sie ihn trafen, doch Ruth Mullon sah panisch nach vorn, und beeilte sich, ihr kleines Haus zu erreichen. Autohupen ertönten, Tommy konnte gar nicht so schnell schauen, so viele Autos rasten mit rekordverdächtiger Geschwindigkeitsüberschreitung über die Straße. Geschrei war zu hören, wütendes Brüllen, ängstliches Winseln. Tommy fühlte, wie sein Herz lauter und schneller zu pochen begann, sein Puls raste, und in seinem Hals hatte sich ein unangenehmer Kloß festgesetzt, der das Schlucken zu blockieren schien. Ächzend und hustend stand der Junge auf und wischte sich, was ihn selbst wohl am meisten verwunderte, den Sand von den Hosen. Denn das tat er eigentlich nie. Hinter ihm ging die Haustür auf. Tommy drehte sich um hob hilflos die Arme. "Mom?"
Zuerst war sie vom plötzlichen Lärm irritiert gewesen. Sie dachte an eine Wagenkolonne mit johlenden Männern, die vom Jagdausflug kamen und ihre Beute feierten. Aber johlende Männer, die ihre erlegte Beute feierten, klangen nicht nach ängstlichen Menschen, die schreiend nach Hause liefen. Rachel war vom gemütlichen Sofa aufgesprungen und zur Tür gerannt. "Tommy!" Sie riss die Tür auf und blieb vor Entsetzen stehen. Überall brannte es, und aus den lodernden Flammen hörte sie ein tiefes Brummen, das nicht menschlich klang. Und dann hörte sie Tommy, wie er nach ihr rief. Augenblicklich verschwanden die Flammen und das Brummen. "Tommy!" Rachel stürzte auf ihren Sohn zu und riss ihn an sich. "Tommy!"
"Mom...", schluchzte der kleine Junge und schmiegte sich an seine Mutter. "Was passiert hier?"
Hatte sie eine Vision gehabt? Eine unheimliche Vorahnung? "Tommy..." Rachel streichelte ihrem Sohn über den Rücken. "Ich weiß es nicht, Kleiner. Ich weiß es nicht..." Sie entdeckte Ruth Mullon, die mit Ray ihr Haus betrat und die Tür hinter sich ins Schloss warf. Und die Ledgers von nebenan schlugen sogar die Fenster zu. 'Was soll das?' Bei den Ledgers standen zu jeder Jahreszeit die Fenster offen. "Was zum..." Die ganze Straße war plötzlich menschenleer. Autos standen mit offenen Türen mitten auf der Straße, ein paar Hunde liefen kläffend umher und pissten vor Aufregung alle drei Meter an Holzzäune und Metallfelgen. 'Mein Gott!', dachte Rachel. 'Was um alles in der Welt...' Aber wenn was Schlimmes passiert war, so hätte Cole sich längst bei ihnen gemeldet. So lautete die Vereinbarung zwischen ihnen. "Lass uns ins Haus gehen, Kleiner."
"Mom?"
"Ja?"
"Hat Gott uns verlassen?"
Eine unsichtbare Schlinge zog sich um ihren Hals und nahm ihr die Luft zum Atmen. Mit Mühe erreichte Rachel die Stufen, die zur schmalen Verande führten. 'Streng dich an!', befahl sie sich. Nach einer kleinen Ewigkeit erreichte sich endlich die Tür, und als sie im Flur stand, mit Tommy im Arm, da löste sich die Schlinge ein wenig, noch nicht ganz, aber es reichte, um die Frage ihres Sohnes zu beantworten: "Nein, hat er nicht", sagte sie schwach. Langsam rutschte sie auf den Boden hinab und zog die Beine an.
Tommy stand vor ihr und sah in den dunklen Flur. "Kein Licht?", fragte er mit tränenerstickter Stimme.
Sie schüttelte den Kopf und antwortete: "Kein Strom..." Sie erinnerte sich, wie plötzlich die Lampen ausgingen, und das Summen des Kühlschranks verstummte. "Komm her!" Sie nahm den Jungen in den Arm und tröstete ihn. Auf dem Boden erschienen dünne, zickzackförmige Linien aus Licht. "Die Sonne gehlt langsam unter, mein Kleiner. Die Linien sind da, die du so gern beobachtest..."
Doch Tommy wollte keine Linien sehen, die durch Licht und Schatten verursacht wurden. "Wann kommt Dad?"
"Bald! Versprochen..." Rachel Parker schloss die Augen. 'Ich hoffe, du bist unterwegs, Cole!'

Dreißig Meter entfernt, im Haus gegenüber, standen Ruth und Raymond Mullon in der Küche. Ruth hatte eine große Reisetasche auf den Tisch gelegt. Aus den Schränken holte sie Konserven- und Getränkedosen, die sie in die Tasche stopfte. "Wenn es wahr ist...", sagte sie, und hielt kurz inne. "Wenn es wahr ist, Ray, dann müssen wir uns verstecken!" Sie zeigte mit dem Zeigefinger nach unten. "Wir werden uns im Keller einschließen und abwarten. Wir werden dort sicher sein, okay?" Ray nickte stumm, was sie zu einem Lächeln bewegte. "Du und ich haben gehört, was gebrüllt wurde!" Sie ging in die Hocke und öffnete eine schmale Tür des Küchenschranks. "Tote, die in der Hölle keinen Platz mehr haben." Prüfend betrachtete Ruth die Packung getrockneter Pflaumen und warf sie mit einem leisen Seufzer hinter sich. "Ob es überall auf der Welt geschieht? Oder nur bei uns?" Jede Packung, jede Dose, die sie hervorkramte, hatte das Verfallsdatum bei weitem überschritten. "Und wenn die Scheiße vorbei ist, dann räumen wir die Küche auf, Ray!" Der Schatten, den ihr Körper auf dem Fußboden warf, verformte sich etwas. "Ray?" Sie drehte sich um und schrie laut auf. "Raymond!"
Erschrocken sprang Ray von der Eckbank. Er hatte nur kurz die Gardinen etwas beiseite gezogen, um nach draußen zu sehen. Er machte eine Geste, die zeigen sollte, dass es ihm leid tat.
Ärgerlich schüttelte Ruth den Kopf. "Ich habe nicht ohne Grund die Fenster geschlossen und die Vorhänge zugezogen. Nicht ohne Grund!" Sie stand auf, ging zum Tisch und zog den Reißverschluss der Tasche zu. "Es wird reichen müssen!" Kurz nickte sie Richtung Flur. "Geh Kerzen, Batterien und die zwei Taschenlampen holen! Geh anschließend in den Keller! Warte dort auf mich! Hast du mich verstanden, Raymond?"
Der Junge nickte und machte mit Daumen und Zeigefinger ein kleines Okayzeichen. Den Kopf leicht gesenkt schlich er an seiner Mutter vorbei.
"Halt, warte!" Ruth ging in die Knie und drückte Ray an sich. "Entschuldige, Ray... Es ist nur..." Sie holte tief Luft. "Das alles geschieht so plötzlich. Und es ist so... Ich weiß nicht... So wie in einem Albtraum! Und wir beide stecken mittendrin. Es tut mir so Leid!"
Raymond gab seiner Mutter einen Kuss auf die Stirn, löste sich sanft von ihr und ging zum Flur. Die Dunkelheit machte ihm nichts aus. Schon früh hatte er gelernt, damit umzugehen. Mit seinem Vater war er manches Mal stundenlang im Haus umhergeschlichen, um zusammen seine Mutter zu erschrecken. Dunkelheit war für Raymond Mullon eine vertraute Umgebung. Nur vor dem Keller graute es ihn. Dort unten war es feucht und muffig. Doch Mom hatte gesagt, dass sie dort unten sicher sein würden. Es klang überzeugend. Es klang endgültig. Ray verdrängte die Angst. Er ahnte, dass eine größere Angst außerhalb der Stadt lauerte, dass Furcht und Schrecken bald Einzug halten würden.
Wasser tropfte aus den Ritzen des Kühlschranks. 'Klar, ohne Strom keine Kühlung...' Ruth streckte sich und öffnete ein kleines Fach im Schrank oberhalb des Kühlschranks. Wenige Augenblicke später hielt sie einen kleinen Karton in ihren Händen. Sie hörte, wie Ray die Kellertür öffnete. "Ich bin gleich bei dir...", flüsterte Ruth. Sie ging zum Tisch und setzte sich. Einen Moment zögerte sie, doch dann öffnete sie den Karton. Eine feine Staubschicht bedeckte die Pistole, ebenso die fünf Patronen. Ruth Mullon runzelte die Stirn. 'Ist das wirklich nötig?' Schnell schloss sie den Karton wieder und atmete tief durch. Dann stand sie auf, nahm die Tasche in die linke, den Karton in die rechte Hand, und sah sich ein letztes Mal um. Die batteriebetriebene Uhr an der Wand zeigte an, dass es acht Minuten nach Vier war. In zwei Stunden würde es draußen dunkel sein. Langsam, aber stetig verschwand die Sonne hinter den hohen Bergen. "Ich wünschte, du wärst jetzt hier bei uns, Tom", flüsterte sie und kniff die Augen zusammen. "Bist du es? Bist du bei uns?" Ruth Mullon verließ die Küche. Zwei Minuten später strich sie Ray durchs Haar und summte leise ein Kinderlied, um ihn etwas zu beruhigen. Dabei fragte sie sich, ob die anderen es ihnen gleich getan hatten, sich zu verstecken. Es war gut möglich, dass die meisten die Stadt längst verlassen hatten. Motorengeräusche hatte sie allerdings keine gehört.


06

Ihre Eltern waren bei einem Autounfall gestorben. Zu diesem Zeitpunkt waren Joe und Stuart Brewster zehn und sechs Jahre alt gewesen. In einer der größeren Städte hätte sich ohne Zweifel irgendeine Behörde bemüht, die beiden Adoptiveltern anzuvertrauen. In Lexton sah man solche Angelegenheiten weitaus gelassener. Bei einer konstanten Einwohnerzahl unterhalb der Fünfhunderter Marke hielt man es nicht für nötig, Menschen aus Zwang wegzugeben. Alle hatten das eine und das andere für die beiden Brüder getan. Und diese hatten zu gegebener Zeit das eine und das andere der Stadt zurückgegeben: Stuart mit seinem Laden, der alles hatte, um jeden in Lexton mit allem zu versorgen, und Joe, indem er ein paar Meilen außerhalb der Stadt ein Leben im Wald führte. Nicht das eines kauzigen Einsiedlers. Joe Brewster beglückte Lexton damit, dass er nur einen Tag die Woche sich in seinen bulligen Pickup setzte, um Einkäufe zu erledigen. Niemand vermißte seine zynische Art, seine sarkastischen Sprüche, seine arrogante Gleichgültigkeit. Die beiden Brüder waren grundverschieden, und nun standen sie gemeinsam vor Jason Smith, der auf einem Stuhl saß und hilflos mit den Augen rollte.
"Ich bin alt, ja...", sagte Stu, die Schrotflinte in den Händen haltend. "Aber das dort..." Er zeigte auf Smith. "Das sieht nicht wie ein Toter aus, der noch laufen kann!"
"Wie ich es vermutete", murmelte Joe. Es war ihm geglückt, Smith in den Laden zu locken. Zusammen mit seinem Bruder hatten sie ihn überwältig, gefesselt und den Mund mit Paketband verklebt. Einige Zeit war vergangen. Immer und immer wieder hatte Joe den Puls von Smith gefühlt, mit einer Nadel in die Haut gestochen, die Augen kontrolliert. "Sein Suff hat ihn wohl schwach werden lassen!"
"Was meinst du?"
"Ist wohl einfach nur umgekippt, im allgemeinen Trubel." Joe riss das Klebeband von Jasons Mund.
Dieser brüllte seinen Schmerz zornig hinaus: "Was fällt euch ein, ihr Ärsche!" Hustend spuckte er grünlichen Schleim auf den Boden. "Verdammt noch mal!"
Joe verschränkte die Arme vor der Brust. "Tut mir Leid, Jason. Wirklich!"
"Wir dachten..." Langsam senkte Stu den Lauf des Gewehrs nach unten. "Wir mußten uns sicher sein."
"Sicher sein?", fragte Jason. "Verdammt! Ich bin umgekippt! Ich dachte, ich würde sterben! Und dann stehe ich auf und sehe Joe. Ich komme in deinen Laden, Stu. Und was passiert?" Wütend sah Smith abwechselnd die beiden Brüder an. "Großer Gott! Habt ihr geglaubt, ich wäre eines von diesen Monstern? Habt ihr das geglaubt?"
"Es war immerhin eine Möglichkeit, Jason!" Joe nestelte sich aus seiner Jackentasche eine Zigarette.
Dieser schüttelte den Kopf. "Ach, Scheiße!"
"Was nun?", fragte Stu. Er war zur Theke gegangen und hatte das Gewehr darauf abgelegt. "Was machen wir jetzt?"
"Wie wäre es, wenn ihr mich erst einmal losbinden würdet, hm?"
"Schon gut, Jason." Joe machte sich daran, mit einem Messer die Fesseln zu durchtrennen. "Sag mal, Stu... Können Zombies Puls und Herzschlag simulieren?" Er versuchte, die Frage so beiläufig wie möglich klingen zu lassen, mit Erfolg.
"Arschloch!", zischte Smith.
"Klar, wenn du meinst..." Joe nickte spöttisch und steckte das Messer weg. "So, nun bist du wieder ein freier Mann."
Kopfschüttelnd betrachtete Smith seine Handgelenke. "Seht euch an, was ihr getan habt. Warum habt ihr nicht gleich bis ins Fleisch geschnürt?"
Schulterzuckend zog Joe an der Zigarette. "Hör auf, dich zu beschweren!"
"Hört auf!", rief Stuart. "Hört endlich auf damit!" Er deutete nach draußen. "Bald wird es dunkel sein. Meine Frage steht immer noch: Was werden wir tun?"
"Ich könnte einen Drink vertragen", murmelte Jason. Seine Kehle fühlte sich trocken an, jedes Schlucken schmerzte. 'Bei Gott, ich würde töten für einen gottverdammten Drink!' Er stand auf und sah sich suchend um. "Stu? Hast du was da?" Unsanft wurde er zurück auf den Stuhl gedrückt. "Was fällt dir ein!"
Joe ignorierte Jasons Protest. "Pack ein paar Taschen voll mit Lebensmitteln. Außerdem brauchen wir noch Batterien, Taschenlampen, Kerzen und Streichhölzer. Wir fahren mit meinem Pickup rauf zu mir. Etwas ab vom Schuß zu sein, denke ich, ist recht vernünftig." Er sah nach draußen und flüsterte: "Möglich, dass Lexton sich in eine Hölle verwandelt..."
"Zu dir?", fragte Stu und runzelte die Stirn.
"Fällt dir was besseres ein?"
Stuart deutete auf Smith. "Und er?"
"Was meinst du?" Joe sah zu Jason, der mit zittrigen Händen auf dem Stuhl saß. "Er bleibt hier!", entschied er. Der Klang seiner Stimme duldete keinen Widerspruch. "Er kann sich besaufen, und wenn Gott gnädig ist, pustet ihm jemand den Kopf weg, egal, ob er lebt oder tot ist."
"Ihr laßt mich zurück?", fragte Smith entsetzt. "Das könnt ihr nicht tun! Ihr müßt mich mitnehmen!"
"Gar nichts müssen wir!", fauchte Joe. "Du weißt selbst, dass du ein Risiko bist. Das weißt du!"
"Du kannst mich mal!" Jason sprang auf und ballte die Hände zu Fäusten. "Ich brauche euch nicht! Niemand braucht euch! Ich werde einfach durch diese Tür gehen, nach Hause. Mir wird nichts geschehen!"
"Aber...", wandte Stu ein. "Jason..."
"Lass ihn gehen, Stuart!", sagte Joe barsch. "Glaub mir, es ist besser so."
Mit seinem Bruder zu diskutieren, das wußte Stuart aus jahrelanger Erfahrung, war zwecklos. "Wie du meinst." Jedoch war er nicht bereit, Jason Smith einfach so ziehen zu lassen. "Jason?"
Vollmundig hatte er verkündet, es allein zu schaffen. Er wußte, dass dies Wunschdenken war. Ebenso wußten es die beiden Brewsters. Er sah zu Stuart. "Ja?"
"Komm, wir packen was zusammen für dich, ja?"
Kaum hörbar hauchte Smith ein "Danke".
"Wir haben keine Zeit!", rief Joe. Er stand am Ladenfenster. "Noch ist es ruhig. Beeilung!"
Smith wischte sich über den Mund. "Und wenn alles gar nicht geschieht?"
"Sei kein Idiot, Jason! Nimm, was du von Stuart bekommen kannst, und dann sieh zu, dass du verschwindest! Ich..." Joe verstummte. Er glaubte, etwas gesehen zu haben, drüben bei der Polizeistation. "Wir müssen weg!"

Er hatte darauf verzichtet, Harry Anderson ins Gesicht zu schlagen. Cole Parker hatte sich unter Kontrolle. "Du bist entlassen!", sagte er lapidar, und damit hatte es sich für ihn.
"Hör mal, ich...", versuchte Harry das Unvermeidliche abzuwenden, doch schnell gab er auf. "Ach, was solls..." Er zeigte zum Fenster. "Die haben Smith tatsächlich in den Laden geholt."
Wes zog vorsichtig die Gardine etwas zur Seite. "Er ist da reingegangen?"
"Ist das Joe Brewster am Ladenfenster?" Parker beugte sich nach vorn und stützte sich auf dem Fensterbrett ab. "Er ist es!", bestätigte er sich selbst. "Habt ihr versucht, Kontakt aufzunehmen?" Wes und Harry sahen sich verlegen an. "Habt ihr?"
"Nun..."
"Also nicht, okay." Cole seufzte. "Na gut, irgendwie verständlich."
Wesley zuckte mit den Schultern. "Wir hatten wirklich nicht die Gelegenheit..."
"Ist schon okay!", unterbrach ihn der Sheriff freundlich. Soweit er es überblicken kontte, war es überall auf der Straße ruhig, abgesehen von den Aktivitäten in Bresters Laden. "Wir gehen jetzt da raus!"
"Wir tun was?", fragte Anderson entsetzt. Vor seinem geistigen Auge sah er nach Menschenfleisch gierende Wesen, die sich in den Häusern versteckten und herausstürzten, sobald jemand sich auf der Straße befand. "Ich halte das für keine gute Idee."
"Du mußt auch nicht mitkommen, Harry."
"Muß er nicht?", fragte Crusher irritiert.
"Ich habe ihn gefeuert." Parker ging zum Waffenschrank. "Harry ist kein Deputy mehr. Er kann hier bleiben, wenn er will."
Stirnrunzelnd sah Wes zu seinem Freund. "Schöne Scheiße!" Er drehte sich zum Sheriff um, der zwei Gewehre in der Hand hielt. "Hör mal, wir sollten nichts überstürzen, Cole. Ich meine..."
"Du willst auch hier bleiben?" Parker ging zum Tisch und legte die Gewehre ab. "Du mußt es nur wollen, Wesley. Du mußt nur den Mut haben, mir in die Augen zu sehen und zu sagen, dass du es nicht schaffst! Mehr mußt du nicht tun." Es hatte nur wenige Augenblicke gedauert, und im Raum herrschte die Hierarchie, wie sie üblich war. "Wes?"
Kalter Schweiß lief an seinem Rücken hinab. Crusher fühlte sich elend. Er senkte den Kopf und sagte schließlich leise und stockend: "Tut mir... Tur mir Leid, Cole. Aber ich schaffe das nicht. Ich denke, ich werde hier bei Harry bleiben." Parker ins Gesicht zu sehen, brachte er nicht fertig.
Der Sheriff nickte. "Also gut!" Er nahm seine Jacke vom Stuhl und zog sie an. Dann schulterte er ein Gewehr, während er das andere in die rechte Hand nahm. Mit der linken fuhr er sich durchs Haar. Er sah zu Anderson und Crusher. "Viel Glück!" Und ohne eine Antwort abzuwarten verließ Cole Parker das Gebäude.
Zurück blieben verdutzt, und auch verängstigt, Wesley Crusher und Harry Anderson, die sich stumm ansahen und hilflos mit den Schultern zuckten. Innerhalb von Minuten waren sie von starken Männern, die ihren Vorgesetzten eingesperrt hatten, zu schwachen Menschen degradiert worden, die nicht wußten, was sie nun tun sollten.

Die ersten Schatten der bevorstehenden Nacht hatten Lexton erreicht. Bald würde es dunkel sein.

***​

Wenn es Nacht war in Lexton, hörte man außer dem Zirpen der allgegenwärtigen Grillen keine anderen Geräusche. Nur ab und an blies das Kraftwerk Dampf aus den Schornsteinen, aber das ging im Lärm der Grillen meistens unter. Doch an diesem Tag hörte man keine Grillen. Es war, als ob sie verschwunden waren, einfach so, als ob ein Zauberer mit einem kurzen Fingerschnippen die Insekten aus Lexton getilgt hatte. Ebenso verhielt es sich mit den Vögeln. Am Morgen waren sie scharenweise davon geflogen, und niemand hatte dies hinterfragt. Jetzt gab es nur noch vereinzelt Hunde und Katzen, die durch die leeren Straßen schlichen, die Schwänze eingezogen, die Augen wachsam aufgerissen. Die Sonne war endgültig hinter den Bergen verschwunden, der lange Schatten der Nacht hüllte Lexton in Dunkelheit. In den Häusern hockten die Menschen vor brennenden Kerzen, umarmten sich, suchten die Geborgenheit der Familie. Manche fanden sie, andere nicht. Ein jeder hatte Türen und Fenster verbarrikadiert, sich nach unten in den Keller oder auf den Dachboden zurückgezogen. Die Meldungen, die wenigen, die man mitbekommen hatte, versprachen nichts Gutes, im Gegenteil, sie berichteten vom bereits angelaufenen Untergang der Welt. Ob sie die Nacht überstehen würden, wußte keiner in Lexton. Die Menschen hatten nur die Gewissheit, dass ihr bisheriges Leben vorbei war, und ihr bevorstehendes, so sich Gott als gnädig erweisen sollte, ein völlig anderes werden würde. So manch einer hatte neben den Kerzen, Lebensmitteln und Decken auch eine Waffe liegen. Aber noch war es zu früh, davon Gebrauch zu machen. Sollte sich bewahrheiten, was außerhalb von Lexton längst schreckliche Realität war, würde eine Kugel in den Kopf den sicheren, endgültigen Tod bedeuten. Familienväter sahen besorgt zu ihren wimmernden Kindern, senkten selbst den Blick, um nicht zeigen zu müssen, wie sehr die Angst vor der Ungewissheit an ihnen nagte, sie von innen heraus zerfrass. Die Nacht war da. Die letzte Nacht in Frieden.


07

Dichter Ascheregen fiel vom Himmel. Auf dem Boden lagen Tierkadaver, Knochen und gespaltene Schädel von Menschen, und in geringer Entfernung huschten schnelle Schatten an ihnen vorbei. Einer der Schatten stürzte auf sie zu und... "Tommy!" Panisch richtete sich Rachel Parker auf. Sie hatte gedöst und war schließlich eingeschlafen. Ihr Sohn bewegte sich etwas und schmiegte sich enger an sie. 'Du hattest einen Albtraum', dachte sie und lächelte unwillkürlich. Eine der Kerzen war abgebrannt. Vorsichtig wand sie sich aus dem Griff von Tommy, stand auf und ging zum Regal, wo sie die anderen Kerzen verstaut hatte. Plötzlich hörte sie von oben ein Geräusch. Es waren Schritte, langsame Schritte, die ein in den Ohren schmerzendes Knarren verursachten. Augenblicklich blieb Rachel stehen.
Sie hatten vorsorglich die Türen verschlossen, ebenso die Fenster. Als Rachel ein letztes Mal aus dem Fenster gesehen hatte, konnte sie ein kleines Pappschild im Fenster der Conellys sehen. Sie wollte kaum glauben, was darauf stand... 'Das kann nicht sein! Es kam nichts in den Nachrichten... Das kann einfach nicht sein! So etwas gibt es nicht, kann es einfach nicht geben!' Minuten später, Rachel hatte hastig ein paar Sachen zusammengekramt und in die große Reisetasche gestopft, waren sie in den Keller geflüchtet.
Rachel sah zur Kellertreppe. 'Hast du die Kellertür verschlossen? Hast du verdammt nochmal die Kellertür verschlossen?' Sie schielte nach links. Tommy rührte sich nicht, schlief auf der Luftmatratze tief und fest. 'Ob er auch Albträume hat?' Einen Meter neben der Luftmatratze stand der Baseballschläger. Zu gern hätte sie in der jetzigen Situation eine Schußwaffe in ihrer Hand gespürt. Obwohl Cole der Sheriff von Lexton war, duldete er keine Waffen im Haus. Sie hatte das stets für eine gute, richtige Idee gehalten, doch nun zweifelte sie an ihren Prinzipien. Die Schritte über ihr entfernten sich Richtung Küche. Schnell ging sie zu Tommy und bedeckte ihn mit ihrer Decke. Wenn es dazu kommen sollte, so ihr Plan, war es nicht nötig, Tommy auf dem Tablett zu präsentieren. Möglich, dass die Untoten nur auf Sichtbares reagierten. Insgeheim hoffte sie es. Rachel nahm den Schläger in die Hand und schlich zur Holztreppe. Die Schritte kehrten zurück. Sie holte tief Luft und hob den Schläger. Dabei berührte sie mit dem vorderen Ende das Treppengeländer. Es gab einen dumpfen Laut, den sie unter normalen Umständen wohl kaum gehört hätte, geschweige denn jemand, der sich nicht im Keller aufhielt. Doch nun hallte der Laut in ihren Ohren, verbreitete sich wellenartig durch den Raum, bis nach oben, bis zum Verursacher der Schritte. 'Oh Scheiße!' Rachel ging einen Schritt zurück. 'Der Kopf! Nur der Kopf zählt! Nur der Kopf ist wichtig!' Die Kellertür wurde geöffnet. Die Scharniere knarrten. 'Nur der Kopf! Nur der Kopf! Schlag, so fest du kannst! Der Kopf! So fest du kannst! Kopf! Kopf!' Rachel dachte nur noch daran, wie sie mit dem Schläger auf den Kopf des Untoten zielen, und dann mit aller Kraft zuhauen würde. Der Untote kam die Treppe herunter. Rachel schluckte und hielt die Luft an. 'Können Zombies Türen öffnen und Treppen herabsteigen?' Es war ein kurzer Gedanke, der gleich wieder verschwand, weil er unwichtig war. Gleich würde es soweit sein.
"Rachel?", fragte der Zombie und blieb auf der Treppe stehen.
Im ersten Moment fühlte sie sich betrogen. Sie fühlte sich um den Kampf gebracht, ihr Leben und das von Tommy mit allen Mitteln zu verteidigen. Doch schnell verflog dieses unangenehme Gefühl. Ihre Finger, die krampfhaft den Griff des Schlägers umschlossen hatten, entspannten sich. "Cole?"
"Rachel!"
Tommy wachte auf, setzte sich aufrecht und rieb sich seine müden Augen. "Mom?" Der Junge sah zu seiner Mutter, lächelte sie an, und dann wurden seine Augen groß und er hob seine Arme. "Dad!"
Rachel ließ den Schläger fallen und brach in Tränen aus.
Cole nahm sie in den Arm. "Rachel..."
"Mistkerl!" Sie schob ihn weg. "Wie konntest du nur?"
"Es tut mir Leid", flüsterte Cole und ging zu Tommy. "He, mein Kleiner!" Behutsam hob er Tommy hoch und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. "Alles in Ordnung. Dad ist da..." Er sah zu seiner Frau, die an der Treppe stand, weinte und hilflos aussah. "Kommt! Wir gehen!"
Es hätte nur Sekunden gedauert, und sie hätte ihrem Mann den Schädel zerschlagen. "Wohin?", schluchzte Rachel. In ihrem Bauch rumorte es. Nervösität, Angst und Wut veranstalteten einen wilden Tanz. "Wohin, Cole?"
Er nickte und lächelte. "Weg von hier! Die Brewsters warten draußen. Ruth Mullon und den kleinen Ray nehmen wir auch mit."

Ungeduldig trommelte Joe Brewster mit den Fingerknöcheln gegen das Lenkrad. Er hatte es für keine gute Idee gehalten, einen Umweg zu nehmen, nur um noch mehr Leute aufzusammeln. Schlimm genug, dass Stu ihn überredet hatte, Smith nicht in Stich zu lassen. "Verdammt nochmal..." Im Rückspiegel konne er beobachten, wie sein Bruder Ruth Mullon und ihren Sohn half, auf die Ladefläche des Pickups zu steigen. "Beeilung!", rief er laut.
"Wann bist du so verbittert geworden?", fragte Smith, der auf dem Beifahrersitz saß.
"Wann hast du dich entschieden, ein Säufer zu sein?", entgegnete Joe, grinste Smith verächtlich an und stieg dann aus dem Wagen. "Beeilung!", wiederholte er. "Wo bleibt Parker?"
Stuart sah seinen Bruder kopfschüttelnd an. "Halt die Klappe, Joe!", sagte er verärgert und hob Ruths Tasche vom Boden auf. "Du könntest uns helfen!"
"Tue ich doch bereits...", murmelte Joe leise und winkte ab. Er lehnte sich gegen den Wagen, holte die Zigaretten hervor und nestelte sich umständlich mit spitzen Fingern eine Zigarette aus der Schachtel. Hier zu sein war gefährlich, dass hatte er Jason und Stuart unterwegs immer und immer wieder gesagt. Doch die beiden waren stur geblieben, hatten darauf bestanden, die anderen zu holen und mitzunehmen. Selbst Parker, den er als rational denkenden Menschen kannte, schien nur die Sorge um seine Familie anzutreiben, sein eigenes Schicksal kümmerte ihn nicht. Bei dem Gedanken an Parker mußte Joe ein wenig lächeln. Er hatte das Bild noch genau vor Augen: Der Sheriff war aus dem Polizeigebäude gekommen und langsam aber zielsicher auf sie zugegangen. Dabei hatte er sich öfters um die eigene Achse gedreht, vermutlich, um sich abzusichern, um im Fall der Fälle schnell reagieren zu können. Doch es hatte sich nichts getan. Und es geschah auch nichts, als sie in den Pickup stiegen und losfuhren. Nur eine seltsame, möglicherweise Unheil ankündigende Stille lag in der Luft. Joe zündete sich die Zigarette an. Bei einigen Häusern in der näheren Umgebung bewegten sich Gardinen und Jalousinen, vereinzelt öffneten sich Türen. Er konnte Gestalten in der Dunkelheit sehen, doch ob es noch Menschen waren, das ließ sich nicht erkennen. "Habt ihr es?", rief er nach hinten. Seine ohnehin schon vorhandene Unruhe verstärkte sich. Er wollte endlich weg. So schnell wie möglich.
"Fertig!", antwortete Stu und tätschelte Raymond, der müde gähnte, aber hellwach war. Vermutlich die Angst, wie Stu vermutete. "Fehlen nur noch die Parkers!" Wie lange war der Sheriff schon weg? Etwas verunsichert sah er zum Haus der Parkers. Die Haustür öffnete sich, und so dunkel es auch war, er konnte den kleinen Tommy, dessen Mutter Rachel und Cole Parker erkennen. "Da kommen sie...", sagte er erleichtert.
"Wurde auch Zeit!", brummte Joe und warf die Zigarette weg. "Na los, Beeilung!", rief er, stieg in den Wagen zurück und startete den Motor. Jason Smith war eingeschlafen, was Joe zu einem Lächeln veranlasste. "Das nenne ich doch mal Glück..."
Cole Parker hob Tommy auf die Ladefläche. "Geh zu Ray, Kleiner! Schnell!" Er nickte kurz Ruth zu, die schwach die Hand hob. "Rachel?" Er streckte seine Hand aus. "Na los, komm!" Doch seine Frau ging einen Schritt zurück. "Rachel!"
Etwas hinderte sie daran, auf den Pickup zu steigen. "Wohin fahren wir, Cole?", wollte sie wissen. Ihr war klar, was für Umstände herrschten, doch einfach so ihr Haus zu verlassen, wohl endgültig... "Ich will es wissen!" Fast wie ein Kleinkind verschränkte sie trotzig die Arme vor der Brust.
"Wir fahren zu Joe Brewster", sagte Cole und sah zu Tommy. Der Junge hatte sich neben Ray Mullon gesetzt. Die beiden wurden von Joe Brewster mit einer dünnen Stoffdecke zugedeckt. "Glaub mir", sagte er und sah wieder zu seiner Frau. "Es ist eine Chance, wirklich!"
Tränen kullerten über Rachels gerötete Wangen. "Wir lassen also alles zurück?"
"Wir können neu anfangen."
"Neu anfangen?"
Sie hatten keine Zeit mehr. Cole konnte sich Joe gut vorstellen, vorn im Wagen, die Hand ungeduldig am Lenkrad, jederzeit bereit, loszufahren. "Das klären wir unterwegs, okay? Aber nun lass uns fahren! Bitte!" Es klang fast wütend, fast verzweifelt, und fast zornig.
"Es ist gut so, Rachel", sagte Ruth. "Es ist gut so..."
Unschlüssig sah Rachel abwechselnd zum Haus und zu Cole. Seufzend schloss sie die Augen und flüsterte: "Also gut..."
Ungeduldig hatte Joe in den Rückspiegel gesehen, hauptsächlich aber zu den anderen Häusern. Gäbe es Strom, so könnte er in die Gesichter der Menschen sehen, die er kannte, zumindest vom Sehen her. Aber es gab keinen Strom. Mehr und mehr gesichtslose Gestalten kamen aus den Häusern. "Mein Gott..." Waren es noch Menschen? Erneut sah er in den Rückspiegel. Cole Parker half seiner Frau hoch auf die Ladefläche. "Wurde auch Zeit, verdammt!" Er löste die Handbremse und fuhr los.
Es gab einen Ruck, Cole und Rachel fielen nach hinten. Tommy schrie, und wollte aufspringen, doch Stu hielt ihn zurück. "Nichts passiert, mein Junge!" Er zeigte auf Tommys Eltern, die sich aufrappelten und sich an die Seitenwand setzten. Cole gab seiner Frau einen Kuss auf die Stirn. Zufrieden nickte Stu. Er hatte die Unterhaltung mitverfolgt, und für einen kurzen Moment hatte er geglaubt, Rachel würde sich gegen sie entscheiden. 'Gott sei Dank!', dachte er erleichtert und setzte sich. Plötzlich rannte ein großer Hund auf die Straße und verfolgte sie laut bellend. "Halt an, Joe!", rief Stuart und deutete Ruth an, auf das Dach der Fahrerkabine zu klopfen. "Da ist Adolf!"
Tommy stubste Raymond an. "Es ist Adolf!"
Durch das Klopfen aufgeschreckt, gab Smith einen schrillen Schrei von sich, ohne die Augen zu öffnen. Schon im nächsten Moment schlief er weiter, wobei ihm dünner Speichel aus den Mundwinkeln über das Kinn floss. Joe sah angewiedert weg und betätigte die Bremse. "Was ist?", schrie er nach hinten. Im Seitenspiegel sah er einen Hund. "Ich habe doch nicht wegen dem verlausten Hund angehalten?" Er hörte Tommy rufen, dass es sich um Adolf handeln würde. 'Adolf? Jemand nennt einen Hund Adolf?' "Blöder Köter!", zischte er genervt und fuhr wieder los.
Eine dicke Wolke aus Abgas umhüllte den Schäferhund, der winselnd den Schwanz einzog und sich auf den Boden presste.
"Adolf!", rief Tommy. "Mom? Dad? Wir müssen ihn mitnehmen!"
Fragend sah Cole zu Rachel. Diese erklärte: "Alle Kinder lieben diesen Hund..."
"Dann sollten wir ihn wohl mitnehmen, was?", murmelte Cole und lächelte verbittert.
"Joe!" Stu kroch nach vorn und hämmerte auf das Dach. "Was ist los mit dir!" Er bekam keine Antwort. "Joe! Ach, Scheiße..."
Adolf rannte ihnen noch gut eine Meile lang nach, doch als sie das Ende der Häuserreihen erreichten, blieb er stehen. Der Pickup war schnell in der Nacht verschwunden. Adolf rührte sich nicht, winselte nur kläglich leise. Erst, als hinter ihm aus einem der Häuser ein lautes Geräusch ertönte, zuckte der Hund zusammen, lief mit eingezogenem Schwanz davon, bis auch er von der Nacht verschluckt wurde.


08

Auf der Fahrt zu Brewsters Haus verlor niemand ein Wort. Tommy und Ray schliefen unruhig, die anderen sahen nach oben, oder richteten ihre Blicke nach unten. Kaum, dass sie Lexton hinter sich gelassen hatten, war in ihnen allen ein komisches Gefühl hervorgebrochen, das ihre Zungen schwer werden ließ. Über ihnen funkelten die Sterne, links und rechts in den kleinen schmutzigen Pfützen spiegelten sich diese bizarr und dreckig wieder. Kleine, grelle Punkte, welche die Augen schmerzen ließen. Der Weg war holprig, so manches Mal strich ein Zweig über sie hinweg, streiften sie kalte Blätter, verursachten verdorrte Knospen Gänsehaut. Doch die Stille blieb. Erst, als sie endlich anhielten, Brewsters Haus sahen, kehrte Leben zurück.

Das Haus von Joe Brewster entpuppte sich als eine doppelstöckige, wohl überlegte Konstruktion aus Holz und Kunststoff. Selbst Stuart mußte sich eingestehen, dass das Blockhaus Respekt einflößte. Wie ein kantiger Fels hob es sich zwischen den Bäumen hervor, nur einige Meter von der großen Lichtung entfernt, auf der früher, vor vielen Jahren, noch Kinder spielten. Doch Joe hatte die Lichtung für sich beansprucht, sie schließlich gekauft und jedem verboten, sie zu betreten. Dünne Mäste, an deren oberen Ende mehrere Kabel befestigt waren, verloren sich im Wald, endeten beim Kraftwerk, beziehungsweise am Netzwerknoten, der sämtliche Telefonleitungen im Umkreis von fünfhundert Meilen verwaltete und weiterleitete. "Schnell!", rief Joe und schlug die Wagentür zu. "Beeilt euch!" Er sah zu Smith. "Jemand sollte Jason aufwecken..." Den ganzen Weg lang hatte Smith geschlafen und geschnarcht, mitunter das einzige Geräusch, was Joe gehört hatte, abgesehen vom Motor seines Pickups. "Geht rein, sucht euch einen Platz zum Schlafen!", rief er. "Stu, im Oxford-Schrank sind Kissen und Decken verstaut."
Überrascht wandte sich Stuart seinem Bruder zu, nachdem er Ruth vom Wagen geholfen hatte. "Du hast den Schrank noch?" Es war das einzige, was sie noch an ihre Eltern erinnerte. Sonst gab es nichts mehr, nur noch den alten Schrank, der angeblich aus England stammte, und in dem er und sein Bruder sich immer versteckten, wenn es Streit zwischen Mom und Dad gegeben hatte. "Ich dachte, du hättest ihn entsorgt?"
"Wozu? Er ist so gut wie jeder andere, erfüllt den Zweck." Joe ging um den Wagen herum, öffnete die Beifahrertür. "Aufwachen!" Smith reagierte nicht. "Jason!" Kurz drehte er sich um. Die anderen gingen ins Haus, Sekunden später sah er die verschiedenen Lichtstrahlen der Taschenlampen. "Zum Kotzen!", fluchte er. Für ihn bedeutete das Nichtvorhandensein von Strom die völlige Abgeschiedenheit von der Welt. Sie würden keine Nachrichten empfangen können, ebensowenig hatten sie die Möglichkeit, mittels Telefon Kontakt aufzunehmen, ganz egal, zu wem. 'Vielleicht hat ja jemand sein Mobiltelefon mitgenommen', dachte er hoffnungsvoll. Er selbst besaß keines, hatte sich immer dagegen gesträubt. Einfach so kippte Jason Smith nach vorn, nur der Sicherheitsgurt verhinderte, dass er mit dem Kopf gegen die aus hellem Plastik gefertigte Verkleidung knallte. Erschrocken wich Joe zurück. "Großer Gott..."

Sie hatten die Kerzen überall im Wohnzimmer verteilt und angezündet. Angenehmes Halbdunkel durchflutete den Raum. Er war über sich selbst erstaunt, wie gut er sich im Haus zurecht fand. Es war Jahre, wenn nicht Jahrzehnte her, dass er das letzte Mal hier gewesen war. Zielstrebig ging Stuart in Joes Schlafzimmer, während die anderen sich im großen Wohnzimmer auf die Stühle und den Boden setzten. Die beiden Kinder wurden auf das Sofa gelegt. Sie schliefen, zuckten ab und zu, vermutlich träumten sie schreckliche Sachen. "Das darf nicht wahr sein...", murmelte Stuart, als er den Schrank sah. Mit der Taschenlampe leuchtete er von unten nach oben. Die Farbe war mittlerweile verblichen, aus dem einstigen kräftigen Rot war ein matt glänzendes Rosa geworden. Langsam ging er auf den Schrank zu und berührte ihn. Vor seinem geistigen Auge sah er sich und Joe, wie sie im Schrank hockten, sich die Ohren zuhielten, um in der schwarzen Dunkelheit den Streit ihrer Eltern abzuwarten. "Dass du sentimental bist, wußte ich nicht, Bruderherz...", murmelte Stu. Joe konnte sagen, was er wollte, aus reiner Zweckmäßigkeit hatte er den Schrank nicht aufgehoben, nicht all die Jahre. Aus dem Wohnzimmer hörte er Parkers Rufe. "Ja, ich komme!" Schnell streifte er aufkommende Gedanken aus der Vergangenheit beiseite, öffnete den Schrank, und nahm Kissen und Decken an sich. "Bin schon unterwegs!", rief Stu und beeilte sich, Joes Schlafzimmer zu verlassen. Zurück im Wohnzimmer verteilte er die Decken. "Wo ist Joe?"
Ruth gab dem schlafenden Raymond einen sanften Kuss auf die Stirn und deckte ihn und Tommy behutsam zu. "Kümmert sich wohl um Smith..."
Stu sah zum Fenster. "Jason!"
Etwas abseits hatte sich Rachel auf den Boden gesetzt. Ihr Blick barg eine gewisse Leere, sie wirkte wie jemand, der mit allem, was war, und mit allem, was kommen würde, abgeschlossen hatte. Cole kniete bei ihr, nickte Stu freundlich zu, als dieser ihm eine Decke reichte. "Danke..." Er legte die Decke um seine Frau. "Rachel?"
Sie zuckte zusammen und hob ihren Kopf. "Cole?"
"Ich bin hier."
"Gut."
"Keine Angst..." Das zu sagen bereitete ihm Schmerzen, denn wie sollte er von seiner Frau verlangen, keine Angst zu haben, wenn er selbst Furcht vor den Dingen hatte, die noch kommen würden?
"Tommy?"
Lächelnd deutete Parker hinter sich. "Der Junge liegt zusammen mit Ray auf dem Sofa. Sie schlafen."
"Das ist gut", flüsterte Rachel erleichtert und schloss die Augen. "Cole?"
"Ja?" Er berührte ihre Schulter. "Was ist?"
"Wie wird das denn nun alles weitergehen?"
Ein ungutes Gefühl begann sich in ihm zu regen, kaum, dass Rachel die Frage gestellt hatte. Er schüttelte schwach den Kopf und sah zu den anderen. Ruth Mullon legte sich direkt neben das Sofa und zog sich die Decke über den Kopf. Stu Brewster stand am Fenster und sah nach draußen. Er wirkte äußerst angespannt. "Weiß nicht...", murmelte Parker schließlich. "Wir müssen die Hoffnung bewahren, dass alles gut enden wird, Schatz!"
"Dass alles gut enden wird?" Rachel lehnte sich an die Wand zurück. "Glaubst du das, ja?", fagte sie gähnend.
"Ich..." Er beendete den Satz nicht. Parker setzte sich neben Rachel und drückte sie an sich. Von einem Moment zum nächsten hörte er sie gleichmäßig atmen. Rachel war eingeschlafen. Auch ihn überkam Müdigkeit. 'Tommy...' Angestrengt sah Parker zum Sofa. Und erst, als sich Tommy etwas regte, atmete er tief durch. Er beschloss, eine kleine Weile zu dösen, die müden Augen zu schonen. 'Nur etwas ausruhen, nicht mehr, nicht weniger.' Sein Herz raste, und irgendwie tat es gut, zeigte es doch, dass er noch lebte.
Stu stand am Fenster und wußte nicht, was er tun sollte. Im Pickup, dass konnte er trotz der Dunkelheit erkennen, hing Jason Smith im Sicherheitsgurt. 'Scheiße, was passiert da?' Er sah seinen Bruder, der etwas vom Wagen entfernt stand. 'Verdammt nochmal, was geht da vor sich? Was tun die beiden? Was hat Joe vor?' Gerade, als er an die Fensterscheibe klopfen wollte, drehte sich Joe um und kam auf das Haus zu.


09

Es hatte mehr als eine Minute gedauert, bis ihm klar wurde, was er nun zu tun hatte. Trotzdem war eine gewisse Unsicherheit noch vorhanden. Joe Brewster sah abwechselnd nach oben zu den glitzernden Sternen und zu Jason Smith, der nach vorn gebeugt im Wagen saß, nur durch den Gurt gehalten. Schließlich spuckte er auf den Boden, drehte sich um und stapfte zum Haus. Er sah seinen Bruder am Fenster und hob kurz die Hand. Er wußte selbst nicht, ob es einen Gruß darstellen sollte, oder Resignation, oder... "Hör auf zu denken!", befahl Joe sich selbst und öffnete die Tür. Aus reiner Gewohnheit betätigte er den Lichtschalter. Nichts geschah. Die Kerzen flackerten und irritierten ihn ein wenig. Joe seufzte. Eine romantischere Szenerie hatte er in all den vielen Jahren noch nie gesehen: Schlafende Menschen, mit warmen Daunendecken umhüllt, im angenehmen Schein von brennenden Kerzen. Joe Brewster lächelte selten, und wenn, dann nur aus sarkastischer Arroganz. Doch das Lächeln in seinem Gesicht kam von ganz tief innen, direkt aus dem Herzen.
Stuart sah seinen Bruder verblüfft an. Noch nie hatte er ihn so zufrieden erlebt. So entspannt, so glücklich. "Kannst ja doch ein stinknormales Arschloch sein!", sagte er. "Ich meine, dass du ein Arschloch bist, das wissen wir alle. Aber du zeigst echte Gefühle. Ich bin wirklich überrascht." Joe sagte nichts, stand einfach nur da und lächelte. Stu machte sich ernsthafte Sorgen. "Ist alles in Ordnung?"
"Ja."
"Wirklich?"
"Ja, verdammt!", fluchte Joe wütend.
Stu seufzte. "Ich wollte ja nur..."
Joe unterbrach seinen Bruder. "All die Jahre kennst du mich, und doch kennst du mich nicht", murmelte er und holte tief Luft. Das Lächeln in seinem Gesicht verschwand so schnell, wie es erschienen war. "Gut, dass sie schlafen!" Er gähnte kurz und ging dann zu seinem Schreibtisch, auf dem Telefon, Computer, Funkgerät und ein Satellitenradio standen. "Du mußt mit rauskommen, Stu!" Er zog die untere Schublade heraus und holte eine Pistole hervor.
Beim Anblick der Waffe bekam Stuart ungewollt eine Gänsehaut. Er war den Anblick von Waffen gewohnt, hatte viele Male davon Gebrauch gemacht, und auch auf der Fahrt hierher hatten sie Gewehre mitgenommen. Die Pistole, die Joe prüfend begutachtete, glänzte so sehr, dass Stu mit den Augen blinzeln mußte. "Was hast du vor?" Jason Smith kam ihm in den Sinn. "Was ist mit Jason?" Joe presste die Lippen zusammen und schraubte einen Schalldämpfer auf den Lauf der Pistole. "Joe!", sagte Stu etwas lauter.
Kurz sah Joe zu seinen Bruder und steckte die Pistole in die Jackentasche. Er nickte mit dem Kopf Richtung Tür. "Komm, gehen wir!" Als er am Sofa vorbeikam, blieb er stehen und sah nachdenklich die beiden Kinder an, die leise schnarchten. 'Wacht nicht auf, Jungs!', dachte Joe verbittert. 'Nicht aufwachen!'
"Joe!"
"Worauf wartest du?", fragte Joe monoton und ging nach draußen.
"Joe!" Wütend folgte Stuart seinem Bruder.

Mit der Taschenlampe leuchtete Joe in das Innere des Pickups. "Und? Was denkst du?"
Stu schluckte. "Scheiße..." Das Gesicht von Smith hatte sich verfärbt, war dunkler geworden. Die offenen Augen überzog eine leicht gräuliche, wässrige Substanz, hinter der nur noch die Pupillen als kleiner schwarzer Punkt zu sehen waren. "Das ist beängstigend!", flüsterte er.
"Das ist es in der Tat." Joe deutete auf Jasons Arme. "Da!"
Neugierig, angewiedert und fasziniert zugleich betrachtete Stu die Arme von Smith. An einigen Stellen war die Haut aufgeplatzt, und einige Risse waren so breit, dass man schwarzes Fleisch sehen konnte. Stu hatte genug gesehen. "Ist es das, was ich denke?"
"Es ist so, wie die Untoten beschrieben wurden." Joe schluckte und ging einen Schritt zurück. "Wir sollten kein Risiko eingehen", sagte er und holte die Pistole aus seiner Jacke.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er es nicht glauben wollen, doch nun, vor ihm im Pickup seines Bruders, saß ein Untoter, der äußerst tot wirkte, jedoch sich jeden gottverdammten Moment wie ein hungriger, gequälter Wolf aufbäumen konnte, um das zu tun, was auch immer er tun mußte. Bewußt oder unbewußt. "Unsere Flucht war also sinnlos." Stu schüttelte den Kopf. "Es hat nichts genützt!"
"Waren wir das? Waren wir auf der Flucht?", fragte Joe und lud die Pistole durch. "Oder haben wir nur versucht, dem Unvermeidlichen etwas Zeit abzuringen." Er hielt die Waffe an Smiths Schläfe und betätigte den Abzug. Begleitet von einem dumpfen Geräusch, platzte Smiths Kopf wie eine überreife Melone. Jede Menge Staub verteilte sich im Wageninneren, kleine Teile, die wie zerbrochene Cracker aussahen, schlugen gegen die Frontscheibe. Verwundert wischte Joe mit dem Finger über das Glas. "Merkwürdig." Er sicherte die Pistole und legte sie auf die Ablage. "Weißt du, Stu, er hat auf der Fahrt geschlafen, hat sich nur ein paar Mal kurz bewegt, aber ansonsten... Und nun sieh dir das an!"
Stuart hielt sich die Hand vor dem Mund. Ohne Zweifel handelte es sich bei den zerbrochenen Crackern um Stücke vertrockneten Gehirns. Schlagartig war die Luft stickiger geworden, und es roch nach Fäulnis. Er hatte Mühe, sich nicht übergeben zu müssen. Joe schien das nichts auszumachen, in stoischer Ruhe betrachtete er den Leichnam von Jason Smith, den dunklen Staub im Wageninneren, die Hirnstückchen. 'Wie hält er das nur aus?'
"Wir müssen ihn vergraben!", sagte Joe. Es klang entschlossen.
"Was ist mit den anderen? Was, wenn einer von denen..." Stu wagte es nicht, den Gedankengang zu beenden. Er sah zum Haus und horchte. Alles war ruhig, keine Geräusche von marodierenden und grunzenden Zombies drangen nach draußen. Das beruhigte Stu ein wenig. Natürlich war es gut möglich, dass die anderen so wie Smith tot waren und somit, der Logik folgend, sich nicht bewegen konnten. "Scheiß auf die verdammte Logik!", fluchte er leise.
Kurz hatte Joe überlegt, schließlich sagte er: "Den anderen wird schon nichts passiert sein." Dann hörte er, wie sein Bruder leise fluchte. "Was?"
Stu winkte ab. "Nichts." Er sah zu Smith. "Vergraben willst du ihn?" Zu seiner Erleichterung hatte sich der faulige Gestank verflüchtigt, und es war auch nicht mehr so stickig.
"Hinter dem Haus ist eine Grube. Wir werfen ihn rein, schütten Erde drüber, und gut ist. Das müßte reichen." Joe nickte. "Ja, so machen wir es. Anschließend sollten wir uns hinlegen. Schlaf täte uns gut, besonders uns beiden. Schließlich sind wir nicht mehr die Jüngsten."
"Eine Grube?" Stu fragte sich, warum um alles in der Welt sein Bruder eine Grube ausgehoben hatte, auch noch hinter dem Haus.
"Ja, eine Grube!", bestätigte Joe und machte eine endgültige Geste. "Zerbrich dir nicht den Kopf darüber, Stu."
Dieser zuckte mit den Schultern. "Keine Angst, werde ich nicht. Allerdings..." Er zeigte auf Smith. "Was, wenn wir schlafen und dadurch wie er werden?"
Joe berührte Smiths toten Körper und lehnte ihn gegen den Sitz, so konnte er besser an das geräumige Handschuhfach seines Pickups gelangen, aus dem er zwei Paar Handschuhe hervorholte. "Du kannst ja wach bleiben, Bruderherz. Ich persönlich jedoch..." Er hielt inne und runzelte die Stirn. "Ich fühle mich, als ob ich mein ganzes Leben lang wach war und nun all den Schlaf nachholen muß, der mir entgangen ist. Verstehst du das?" Er warf seinem Bruder Handschuhe zu.
Widerwillig streifte sich Stu die Handschuhe über. "Natürlich verstehe ich das. Weiß du? Es ist deine Gleichgültigkeit." Seufzend löste er den Sicherheitsgurt. Smith kippte zur Seite. "Fass du vorne an!"
Zusammen hievten sie Smith aus dem Wagen und schleppten ihn ächzend und keuchend hinter das Haus. Joe hatte tatsächlich eine Grube ausgehoben, und was für eine. Stu schätzte die Tiefe auf etwa drei Meter, und die Seitenränder maßen ungefähr sechs Meter. Ein riesiges Quadrat, an dessem Grund Würmer und Käfer krabbelten, und an einigen Stellen schmutziges Wasser blubbernd an die Oberfläche kam. Die Wände waren leicht angeschrägt, so dass, wenn man es genau nahm, es sich um eine Art Trichter handelte. Der große Haufen Erde und Geröll wirkte frisch. Sie rollten Smith die Grube hinab, wo dieser mit unnatürlich nach hinten gebogenen Armen und Beinen liegenblieb.
"Wann hast du sie ausgehoben?", wollte Stu wissen.
"Gestern Nacht", murmelte Joe und zündete sich eine Zigarette an. "Weißt du, vielleicht warten wir noch, bis wir die Erde wieder reinschaufeln."
"Warum?"
"Weiß nicht..." Joe sah nach oben und kniff die Augen zusammen. "Ich habe ein ungutes Gefühl."
Stu winkte verärgert ab. "Ach, und ich etwa nicht?" Er sah runter zu Smith. " Ich glaube kaum, dass er jemals wieder aufrecht gehen kann."
"Komm schon! Oder willst du hier Totenwache schieben?", brummte Joe, drehte sich ohne ein weiteres Wort zu verlieren um und stapfte davon.
Angewidert sah Stu in die Grube, während er sich die Handschuhe abstreifte und achtlos auf den Boden warf. 'Ein gottverdammter Albtraum!' Er spuckte aus und folgte seinem Bruder.

***​

Joe hatte sich sofort ins Schlafzimmer begeben, um zu schlafen. Die Tür war nur leicht angelehnt, so konnte Stu schon nach wenigen Minuten das Schnarchen seines Bruders vernehmen. Er selbst hatte einen Stuhl ans Fenster gestellt, auf dem er müde saß und angestrengt nach draußen sah. Die Kerzen im Raum bildeten helle, sich leicht hin und her bewegende Punkte auf der Glasscheibe. Je länger Stu in die Dunkelheit starrte, um so mehr Einzelheiten konnte er erkennen. Etwa zwanzig Meter vom Pickup zeichneten sich mächtige Kastanienbäume ab, die seit Jahrhunderten wuchsen. Dazwischen gab es eine Schneise, die Auffahrt von der Straße zu Joes Haus. Und dann konnte Stu auch die Berge sehen. Er blinzelte mit den Augen. 'Was ist das?' Ein merkwürdiges Schimmern lag auf den Berggipfeln, verschwand vom einen Augenblick zum nächsten, nur um schnell wieder zu erscheinen. Es schimmerte gelblich. Fast sein ganzes Leben hatte Stu in Lexton verbracht, aber so etwas hatte er noch nie gesehen. Gebannt starrte er zu den Bergen. Plötzlich änderte das Schimmern die Farbe, strahlte im hellen Rot, und dann war es endgültig verschwunden. Überrascht zuckte Stu zusammen. Nun sah er nur noch eine schwarze Wand vor sich. Erst nach und nach gaben sich die Umrisse des Pickups und der Bäume wieder zu erkennen. Als er das Schimmern entdeckt hatte, meldeten mehrere Signalgeber tief in seinem Inneren, dass etwas nicht stimmte. Stu hielt die Luft an. Er hörte Joe im Schlafzimmer schnarchen. Er hörte das Knistern der Kerzendochte, wenn die Flammen sich ein weiteres Stück abwärts durch das Wachs fraßen. Er hörte sein pochendes Herz, sein Atmen und sein Blut, wie es durch die Venen und Adern schoss. Er hörte das Knarren des Holzes und den Wind, der leise pfiff. Aber ansonsten hörte er nichts. Langsam stand Stu auf und drehte sich um. Im Raum verteilt lagen die Parkers und Ruth Mullon mit ihrem Sohn. Und sie gaben kein hörbares Geräusch von sich. Er kämpfte gegen aufkommende Tränen an, doch es gelang ihm nicht. Kraftlos fiel Stu auf den Stuhl zurück. Tränen kullerten über seine kantigen Wangen, blieben kurz am Kinn hängen, und fielen dann hinab. Das Grauen hatte sie schließlich nicht nur gefunden, es hatte auch Besitz von ihnen ergriffen. 'Wie soll das nur enden?', fragte sich Stu verbittert. Ob es in Lexton noch Menschen gab? Echte Menschen? 'Der Hubschrauber!' Hoffnung keimte auf. Am Nachmittag war dieser Hubrschrauber über sie hinweg geflogen. Möglich, dass es einer vom Militär gewesen war. 'Die werden schon wissen, was zu tun ist...' Alle Gedanken, welche diese Hoffnung zunichte machen konnten, blockierte er trotzig, verdrängte sie. Stu schloss die Augen, und so sehr er sich auch dagegen sträubte, binnen Sekundenbruchteilen war er eingeschlafen.


10

Nachdem er vergeblich dem heulenden Monstrum hintergelaufen war, hatte Adolf zunächst versucht, in das Haus zu gelangen, das sein Zuhause war, wo Futter und ein gemütlicher Schlafplatz auf ihn warteten. Normalerweise. Jaulend kratzte der Hund an der grauen Holztür, doch niemand machte auf. Einige Minuten lang saß Adolf auf der Veranda und winselte vergeblich um Einlaß. Drinnen im Haus stieß jemand polternd Möbel um. Das laute Geräusch erschreckte den Hund und er lief schnell davon. Er schlug sich, stets darauf bedacht, niemanden über den Weg zu laufen, bis zur Hauptstraße Lextons durch, die eine einzige große Pfütze war. Sein an sonnigen Tagen glänzendes Fell war bis auf die Haut durchnässt, er fror und verspürte Hunger. Zitternd schlich Adolf über die Straße. Sein Ziel war die kleine Kapelle, wo er schon des öfteren mit Zuneigung und Futter bedacht wurde. Auf dem Weg dorthin vermied Adolf es, sich mit einer Horde Katzen anzulegen, die fauchend durch die Straßen rannten. Als er schließlich den Friedhof erreichte, blieb er stehen. Etwas war anders als sonst. Noch nie hatte er Angst verspürt, wenn er an den Gräbern des kleinen Friedhofs vorbei trottete, im Gegenteil, die Ruhe genoss er meistens, und auch die Schatten der großen Bäume waren ihm so manches Mal willkommen. Der Regen trübte seine Wahrnehmung. Sein Instinkt verriet ihm, dass er nicht allein war. Etwas schlich zwischen den Gräbern umher. Adolf winselte kläglich, als ein beißender Geruch ihn erreichte. Hinter sich hörte er das Fauchen der Katzen, das näher kam. Er schüttelte die kalten Regentropfen aus dem Feld und rannte los. Schwarz und weiß zeichnete sich die Kapelle vor ihm ab, links und rechts drangen zischende und gurgelnde Laute durch den Regen, die er nicht einordnen konnte. Im Innersten zutiefst verängstigt rannte Adolf weiter auf die Kapelle zu. Als er sie erreichte, wollte er wie immer laut bellen und mit der Pfote an der Tür kratzen. Der Hund sprang die vier Stufen hinauf und blieb auf der Stelle stehen. Die Tür war bereits offen. Nach einigen Augenblicken näherte sich der Schäferhund vorsichtig dem Eingang. Mißtrauisch stupste er mit der Nase die Tür an, die ein weiteres Stück aufging. Adolf schlüpfte durch den Spalt. Überall waren Kerzen aufgestellt worden, die der Hund nur als helle Punkte wahrnahm. Die Luft war stickig, und plötzlich drang ein fremdartiger Geruch in seine empfindliche Nase. Angewidert jaulte der Hund auf. Die Tür hinter ihm wurde mit einem lauten Knall zugeschlagen. Ehe Adolf reagieren konnte, wurde er auch schon von etwas am Schwanz gepackt, in die Luft gehoben und mit imenser Wucht durch den Raum geschleudert. Winselnd prallte Adolf gegen die Wand und rutschte schmervoll auf den Boden. Putz bröckelte ab, Hohlräume waren zu erkennen, aus denen hunderte Kakerlaken quollen. Der Schäferhund wedelte schwach mit seinem buschigen Schwanz. Er konnte nicht mehr aufstehen. Dann wurde er wieder hochgehoben, und Bruchteile von Sekunden später riss ihm etwas den Bauch auf.

Es war keine vierundzwanzig Stunden her, dass sie Sarah Willsen gewesen war. Nun stand das Wesen breitbeinig im Vorraum der Kapelle und hielt einen toten Hund in seinen Händen, aus dem es gierig Fleischbrocken herausriss und sich in den Mund stopfte. Zu seinen Füßen hatte sich eine Lache aus Blut gebildet, eine rote Pfütze, die sich wie ein Stern über den Boden ausbreitete und in den Ritzen des Holzbodens zu versickern drohte. Das Sarah-Wesen sah nach unten. Einen Moment lang verhaarte es in der Position, dann ließ es sich auf die Knie fallen. Den toten Hund warf es achtlos weg. Das Willsen-Wesen beugte sich hinab und begann mit seiner schwarzen Zunge das Blut aufzulecken. Vier Meter von ihm entfernt, dort wo es den Hund an die Wand geschleudert hatte, krabbelten unzählige Kakerlaken aus dem Loch, ergossen sich über den Boden, und rannten scheinbar wahllos in sämtliche Richtungen. Einige der Insekten berührten Kerzen, die nach kurzem Wackeln umfielen, und schnell die Holzdielen in Brand setzten. Das Sarah-Wesen grunzte und richtete sich auf. Schnell breitete sich das Feuer aus. Flammen erreichten die einstige Pfarrerin von Lexton. Zu keinerlei Schmerzempfinden fähig glotzte das Sarah-Wesen auf seine Hände, die lichterloh brannten. Das Feuer hatte sich an den Wänden entlang nach oben gearbeitet, und so stark der Regen auch war, die Flammen waren stärker. Ungelenk stand das Sarah-Wesen auf und sah nach oben. Kleine Funken und graue Asche schwebten von der Decke herab, berührten die aufgerissene Haut, verursachten einen noch nebligeren Schatten auf den Augen. Dann gaben die ersten Stützpfeiler des Gebäudes nach. Krachend fielen sie in sich zusammen, rissen dabei die Wände ein und ließen die kleine Kapelle erschüttern. Schließlich brach das Dach ein und begrub das Sarah-Wesen unter sich. Und so sehr der Regen sich auch bemühte, er schaffte es nicht, das Feuer zu löschen.

***​

In den Seitenstraßen lagen Kadaver von Hunden und Katzen, die es nicht geschafft hatten, in den Wald zu gelangen. Aus einem unerklärlichen Zwang heraus hatten sich nach und nach alle Einwohner Lextons auf der Hauptstraße eingefunden. Stumm beobachteten sie, wie die Kapelle brannte. Der Regen prasselte auf sie hinab. Breitbeinig standen die Wesen da, wankten hin und her und sahen ab und an nach oben, als ob sie auf etwas warten würden. Und als ob irgendjemand irgendwo einen Schalter umgelegt hatte, hörte der Regen von einem Moment zum nächsten plötzlich auf, verschwanden wie von Zauberhand die dunklen Wolken. Einfach so. Die Wesen gaben gurgelnde Laute von sich. Ein unnatürliches Zischen kam hinzu, als der erste Hubschrauber sich am Horizont abzeichnete, aus der Sonne kam, den Regenbogen durchflog und schließlich zusammen mit zehn weiteren Todesengeln der Armee die Stadt unter Beschuss nahm. Die Menschen in Lexton waren in der Nacht gestorben. Sie waren im Morgenrauen als Resultat einer unerklärlichen, landesweiten Katatrophe wieder auferstanden. Und nun starben sie durch das Feuer von imposant explodierenden Napalmbomben endgültig.

Im Tiefflug rasten die Hubschrauber von Süden kommend über die Stadt hinweg, setzten ihre tödliche Fracht frei, kehrten um und wiederholten das Ganze, nur um sicher zu gehen.
"Wuha!", brüllte Quincy begeistert und feuerte mit seinem Maschinengewehr in die Flammen. Aus dem Kasettenrekorder, den sie mit Paketband über den Kopfstützen befestigt hatten, dröhnte die Musik von Wagner. "Es ist wie in dem Film! Ihr wißt schon, wo sie die Schlitzaugen fertig machen!", schrie Quincy. Aus den Flammen stürzten vier Gestalten, die wild mit den Armen ruderten und davon liefen. "Dort unten! Dort!" Quincy schlug mit der flachen Hand gegen das im Helm integrierte Bordmikrofon. "Geh runter, Jones! Die Drecksviecher flüchten!"
Der Pilot, der Lou Sanchez hieß, und den alle aus unerklärbaren Gründen Jones nannten, bestätigte und drückte den Steuerknüppel sanft nach vorn. Sofort senkte sich die Nase des Hubschraubers A6/Zulu und sie gingen tiefer. "Laßt es krachen, Jungs!", gab er durch. "Der Befehl ist eindeutig." Als er über die vier flüchtenden Untoten flog, hörte er, wie Quincy und Columbo hinten vor Freude beinahe quickten. Jones lächelte und schüttelte den Kopf. "Kinder...", murmelte er.
Sein Co-Pilot, Major Richardsen, zuckte mit den Schultern. "Sollen sie sich austoben." Konzentriert bediente der mit vielen Auszeichnungen versehene Soldat die moderne, hochauflösende Kamera, mit der er das Szenario festhielt. "Nur noch dieses Kaff! Dann können wir uns um das Kraftwerk kümmern."
Zusammen mit den anderen neun Zulu-Einheiten fegten sie über die kleine Stadt, warfen Bomben und feuerten Raketen ab, und die Soldaten schossen mit sichtlichem Genuss blindlings in die ätzenden Flammen, aus denen Wesen rannten und torkelten, die zwar keinen Schmerz spüren, aber dennoch nachvollziehen konnten, dass ihr Untergang unmittelbar bevorstand. Über allem dröhnte Wagner. Apokalypse Now.
Jones sah kurz auf die Landkarte, die er über den Amaturen angebracht hatte. "Da gibt es noch ein Haus, zwanzig Meilen außerhalb."
Richardsen nickte und sagte: "Ja, später." Dann fügte er leise hinzu: "Hast du mitbekommen, was Atlanta gemeldet hat?" Er bekam keine Antwort. "Ja, schöne Scheiße!"


11

Zu seinem eigenen Erstaunen hatte er tief und fest geschlafen. Traumlos. Zumindest nahm er es an. Joe lag im Bett und starrte nach oben an die Decke. 'Du hättest bei jedem Geräusch aufwachen müssen, verdammt!' Joe runzelte die Stirn. 'Es gab keine Geräusche! Nur Stille!' Die Tür war leicht angelehnt. Angestrengt lauschte Joe. Nichts war zu hören. "Oh nein..." Langsam stand er auf und ging vorsichtig zur Tür. Mit jedem Schritt meldete sich seine Blase schmerzhaft zu Wort. Ihm wurde bewußt, dass er seit gestern vormittag nicht mehr auf Toilette gewesen war. 'Verdammt, nicht jetzt!' Sein Herz raste vor Aufregung und Angst. Gut möglich, dass die anderen zu Untoten mutiert waren, dass, wenn er die Tür weiter aufmachte, sie sich auf ihn stürzen und auseinanderreißen würden. Bis auf das wilde Pochen seinen alten Herzens hörte er immer noch kein Geräusch. 'Selbst das Haus meldet sich nicht', dachte Joe. Im Haus gab es immer irgendwo irgendwelche Laute, doch jetzt... 'Denk nicht weiter daran! Denk nicht...' Er holte tief Luft und zog die Tür zurück, gleichzeitig ging er einen Schritt nach hinten und ballte die Fäuste. Niemand griff ihn an. Er zählte stumm einen kurzen Countdown rückwärts und betrat das große Wohnzimmer. Schnell verschaffte er sich einen Überblick: Ruth Mullon lag vor dem Sofa, die Decke über den Kopf gezogen. Sie bewegte sich nicht. Joe sah nach links zu Rachel und Cole Parker. Beide saßen angelehnt an der Wand, die Köpfe aneinandergelegt. Sie bewegten sich nicht. Auf Rachels Haut hatten sich kleine dunkle Flecken gebildet. Unter dem rechten Auge des Sheriffs zog sich ein feiner Riss bis zum Ohr. Wie angewurzelt verharrte Joe auf der Stelle, war unfähig, sich zu bewegen. 'Es hat sie erwischt! Es hat sie alle erwischt! Selbst die...' Er schielte zum Sofa, auf dem die Kinder geschlafen hatten. "Sie sind weg?", rief er leise erstaunt. Auch sein Bruder befand sich nicht im Raum. 'Wo zum Teufel sind sie?' Aus den Augenwinkeln heraus glaubte er, eine Bewegung gesehen zu haben. Ein kaum wahrnehmbares Zischen drang in seine Ohren. Und dann klopfte jemand an die Fensterscheibe.

Als Stuart Brewster aus unangenehmen Alpträumen aufgewacht war, lief er, ohne sich um die anderen zu kümmern, als erstes nach draußen, rannte zum erstbesten Baum und erleichterte sich. Während er gegen die morsche Rinde urinierte, ließ er die letzten Stunden Revue passieren. "Zumindest lebst du noch", murmelte er und lächelte. Als er fertig war, holte er tief Luft und streckte sich. Nie wieder, das schwor er sich, würde er auf einem Stuhl schlafen. 'Für Leute in meinem Alter ist so etwas einfach nicht mehr machbar, denk daran!' Dann erinnerte er sich an Jason Smith und zuckte zusammen. Joe hatte gesagt, wenn man den Untoten in den Kopf schoss, dann wären sie endgültig tot. Für ihn bedeutete das vielleicht Beruhigung, für Stu allerdings war es nicht wirklich hilfreich. Tote, die wieder lebendig wurden. Warum sollte ein Schuß in den Kopf genügen? Selbst wenn der Kopf nicht mehr existent war? 'Du kannst nachsehen, wenn du dich traust...' Aber wollte er das wirklich? In der Nacht hatte es stark geregnet. Das Gras unter seinen Füßen war nass, auf dem Schotterweg vorm Haus hatten sich zahlreiche Pfützen gebildet, und obwohl die Sonne schien, und sich in weiter Ferne ein wunderschöner Regenbogen gebildet hatte, war die Luft immer noch stickig und feucht zugleich. Stuart entschied, dass es nicht nötig sein würde, um das Haus zu gehen, nur um nachzusehen, ob ein kopfloser Leichnam verzweifelt versuchte, die rutschige Erdwand nach oben zu gelangen. 'Die Grube ist voll mit Wasser und Schlamm. Smith ist Vergangenheit!' Als er zurück zum Haus ging, kam er am Pickup vorbei. Stu blieb stehen und sah den Wagen nachdenklich an. 'Und wenn du jetzt gehst? Wenn du jetzt einfach verschwindest?' Die Schlüssel steckten noch. Unschlüssig trommelte Stu mit den Fingerspitzen gegen die Scheibe. Eine schwach leuchtende Kugel spiegelte sich im Glas. Irritiert drehte sich Stu um und erstarrte. Am Tag hatte man von Joes Haus einen hervorragenden Ausblick. Man konnte die Berge sehen, die Wälder, und Lexton. Die helle Kugel entpuppte sich als eine gewaltige Explosion. "Großer Gott...", stammelte Stu entsetzt. Die kleine Stadt brannte. In der Luft surrten schwarze Punkte umher, von denen Feuerblitze ausgingen. "Oh Scheiße..." Er riss die Tür auf und setzte sich auf den Sitz. Als er den Zündschlüssel zur Seite drehen wollte, hielt er inne. 'Du kannst sie nicht im Stich lassen! Zumindest die Kinder haben es nicht verdient.' Seufzend stieg er wieder aus und rannte auf das Haus zu. Die Armee war in Lexton eingefallen und verwandelte alles in Schutt und Asche. Es war nur eine Frage der Zeit, wann einer der Hubschrauber den Weg zu Joes Haus finden würde. Zu ihnen... "Ach, so ein Mist!" Er öffnete die Tür und betrat das Haus. Im Schlafzimmer hörte er Joes gleichmäßiges Schnarchen. 'Er lebt als noch', stellte er nüchtern fest. Tommy und Ray lagen auf dem Sofa. Schnell und darauf bedacht, keine unnötig lauten Geräusche zu verursachen, schlich er zu ihnen. Er beugte sich dicht über sie. "Ray..." Sanft berührte er den Arm des Jungen. "Wach auf!" Tommy murmelte etwas und drehte sich auf die Seite. Stu schluckte und sah zu Ruth, die unmittelbar zu seinen Füßen auf dem Boden lag, die Decke über den Kopf gezogen. "Ray!", wiederholte er. Der Junge öffnete die Augen und sah ihn fragend an. Stu kam es vor, als ob Ray wissen würde, was nun geschah. Und tatsächlich: Ray richtete sich auf, rieb sich die Augen und lächelte. "Okay, Kleiner..." Der Junge wog nur wenige Kilogramm, dennoch hatte Stu Mühe, Ray hochzuheben. 'Zuerst Raymond, dann Tommy!' Stu drückte Ray an sich und begab sich zur Tür. Dort angekommen, drehte er sich um. "Alles okay, kleiner Mann!", flüsterte er und öffnete die Tür. "Ich werde dich in den Wagen setzen, ja? Dann hole ich noch schnell Tommy, okay?" Die Beifahrertür stand noch immer offen. 'Wir haben sie nicht geschlossen?' Ray drückte sich von ihm weg. "Okay, habe verstanden..." Er setzte den Jungen ab. Ray Mullon lief zum Pickup und kletterte auf den Sitz. "Gut gemacht!", rief Stu anerkennend. Hinter sich hörte er, wie jemand durch einer der vielen Pfützen lief. Ray grinste und hob den Daumen. 'So ist das also', dachte Stu. 'Du bist also auch schon tot...' Zögernd drehte er sich um. Tommy Parker stand vor ihm. "Tommy!"
Der Junge sah den alten Mann mit weit aufgerissenen Augen an. Ohne Vorwarnung ging er schnell einen Schritt auf Stuart Brewster zu und streckte die Arme nach ihm aus...

An einem fernen Ort spielten Vater und Mutter mit ihrem Sohn an einem weißen Strand vor der idyllischen Kulisse eines hellblauen Ozeans. Das Bild zersplitterte in abertausende Bruchteile, und die Scherben verschwanden im Nichts. Es herrschte nur noch Dunkelheit. Langsam öffnete die in der Nacht verstorbene Rachel Parker ihre mit grauen Schatten belegten Augen.
Nur wenige Schritte vom Wesen entfernt, hangelte sich Tommy vom Sofa hinab, blieb einen Moment stehen, und schlich dann zur Tür.
Das Rachel-Wesen öffnete seinen Mund und gab einen kaum hörbaren Zischlaut von sich. Gerade, als es aufspringen wollte, um das kleine Geschöpf noch vor der Tür abzufangen, bewegte sich etwas neben ihm. Das Rachel-Wesen drehte seinen Kopf nach links, und spreizte dabei die Finger der rechten Hand.
Schweißgebadet wachte Cole Parker auf und hätte am liebsten laut losgebrüllt. Zu beängstigend war sein Traum gewesen, den er noch deutlich vor Augen hatte: Unendliche Flammen, die bis ans Ende des Horizonts reichten, und dazwischen immer und immer wieder vertraute Gesichter, von unsäglichem Schmerz gepeinigt. Doch Cole brüllte nicht, blieb stumm. Er sah seinen Sohn, wie dieser die Tür öffnete und nach draußen verschwand. 'Er läuft weg! Etwas Schreckliches ist passiert! Er läuft davon und ich sitze hier mit Rachel, und wir sollten doch...' Etwas bohrte sich mit ungezähmter Kraft in seine Seite. Blut schoss in den Rachen, lief aus Nase, Ohren und Mund. Unfähig, einen Laut von sich zu geben, stieß Parker mit dem Kopf gegen die Wand. Er spürte, wie eiskalte Finger in seinem Bauch alles durcheinander brachten. Das Blut in seinem Rachen lief nun auch in die Luftröhre und drohte ihn zu ersticken. Gurgelnd schaffte er es, den Kopf zur Seite zu drehen. Rachels Gesicht zierte ein langer Riss unter dem rechten Auge. Schwarzes, ausgetrocknetes Fleisch war zu sehen. Parker begann heftig zu schlucken, spie dabei Blut aus, gleichzeitig kamen aus Penis und After ein Gemisch aus Kot, Blut und Urin, verursachte einen beißenden Geruch, der jedoch nur kurz anhielt und sich schnell verflüchtigte. Cole wollte noch etwas sagen, bevor er starb. Er wollte Rachel sagen, wie sehr er sie liebte, wollte Tommy sagen, wie stolz er war, dass es ihn gab. Und er wollte sie noch einmal in die Arme nehmen, sie an sich drücken, sie mit Küssen foltern, ihnen seine ganze Liebe zeigen. 'Du hast es vermasselt...' Ein dunkler Schleier legte sich über seine Augen. In seinem Bauch spürte er, wie Rachels Finger sich zusammenpressten und etwas aus ihm herausrissen. Längst hatte er die Grenze überschritten, Schmerzen zu empfinden und sie durch schrille Schreie lebendig werden zu lassen. Cole Parker schloss die Augen und hörte auf zu atmen.
Das Rachel-Wesen hatte das kleine Ding, welches das Haus verlassen hatte, vergessen. Es zog die Hand aus dem Körper des toten Menschen, hielt sie sich vor das Gesicht und schnupperte daran. Es zischte erneut und stopfte sich gierig Nieren-, Fleisch- und Darmstücke in den Mund, würgte sie herunter, und rollte dabei mit den weit aufgerissenen, grauen Augen. Plötzlich wurde eine Tür aufgestoßen. Das Rachel-Wesen zuckte zusammen und hielt inne, aufgeschreckt wie ein tollwütiger Wolf. Eine große Gestalt betrat den Raum, sah sich um, atmete heftig und laut. Das Wesen zischte leise, ohne, dass es das wollte. Es konnte das Zischen einfach nicht verhindern. Dann gab es ein Geräusch, welches das Wesen nicht einzuordnen wußte, dazu waren seine Erinnerungen, Rachel Parkers Erinnerungen an das Leben, zu sehr verblaßt.

Seine Erleichterung war enorm gewesen, als sich der kleine Tommy Parker nicht als Untoter entpuppte. Und eigentlich hatte Stuart Brewster nicht die geringste Lust gehabt, noch einmal in das Haus seines Bruder zu gehen.
"Mom? Dad?" Tommy sah zu Ray, dann zu Stu. "Was ist mit unseren Eltern?"
Seufzend fuhr sich Stu durchs graue Haar. "Na schön! Aber ihr bleibt im Pickup, klar!" Die beiden Jungen nickten. "Gut." Er schlug die Tür zu und ging zum Haus. Er hatte nicht vor, einfach so die Tür aufzumachen und "Hallo?" zu rufen. Er sah durch die Fensterscheibe. Joe stand im Raum, bewegte sich nicht. "Oh Scheiße...", murmelte Stu und begann fieberhaft zu überlegen, auf was er nun setzen sollte: Lebte sein Bruder noch? War Joe zu einem Zombie geworden? Die Chancen waren 50:50. Doch dann sah er trotz der schmutzigen Scheiben, trotz der Dunkelheit im Raum, Joes Augen. Und diese wirkten mehr als lebendig. "Alle Kerzen sind in der Nacht abgebrannt...", flüsterte Stu zu sich selbst und lächelte. Er klopfte mit dem Fingerknöchel gegen die Scheibe. "Joe!", rief er. Ruth Mullon setzte sich aufrecht hin, die Decke immer noch über dem Kopf. "Oh nein..." Dann sah er, wie Cole Parker auf die Seite fiel und Rachel mühsam aufstand. "Joe!"

***​

Er mußte schnell reagieren, wollte er nicht sterben. 'Du wirst so oder so sterben, aber nicht jetzt!' Joe drehte sich um und rannte zurück ins Schlafzimmer. Panisch schlug er die Tür zu und drehte den Schlüssel zweimal nach links. Es machte zweimal Klack, die Tür war verschlossen. Dann sprang er auf das Bett, um das große Fenster zu öffnen. Zügig löste er die kleinen Riegel und schob das mit wasserabweisendem Holz verkleidete Fenster nach oben. Den Bruchteil einer Sekunde später stieß er einen wütenden Schrei aus und schlug mit der Faust gegen das Eisengitter, welches er selbst vor gut einem Jahrzehnt vor dem Fenster montiert hatte, aus Furcht vor herumstreunenden Bären. Nie war ein Bär im Umkreis von einhundert Meilen in Erscheinung getreten. Und nun gab es eine nur mäßig stabile Tür, die ihn von zwei Kreaturen trennte, die nach seinem Leben trachteten. Joe saß in einer von ihm selbst geschaffenen Falle. "Verflucht!" Er sah sich nach einem geeignetem Gegenstand um, womit er das Gitter aushebeln, zumindest sich gegen die Untoten wehren konnte. Sein Herz raste, er schwitzte vor Anstrengung, und zu allem Überfluß mußte er dringend pissen. "Verflucht!", wiederholte er keuchend. Joe fand, dass ein Mann seines Alters alles andere verdient hatte, nur nicht so eine Situation, in der er nun steckte.

Mit offenem Mund hatte Stu die Sekunden verfolgt, erst, als die Schlafzimmertür krachend ins Schloss fiel, zuckte er zusammen. Er duckte sich und mußte die Zähne zusammenbeißen, um nicht zu stöhnen, so sehr hatten seine Gelenke bei der plötzlichen Bewegung geschmerzt und geknackst. Sein Blick fiel auf die Öllampe neben der Tür. Dort verwahrte Joe den Zweitschlüssel, zumindest hatte er ihm das vor einigen Jahren erzählt. Sollte es sich bewahrheiten, konnte Stu die Haustür von außen verschließen, das würde bedeuten, dass er mehr Zeit hatte, um eine Entscheidung zu treffen. Zwar würde es den beiden Zombies ein leichtes sein, einfach die Fenster zu zerschlagen, aber, und das war Stus Überlegung, vielleicht war die Fähigkeit, überhaupt an so eine Möglichkeit zu denken, ihnen durch Tod und unnatürliche Wiederauferstehung abhanden gekommen. Er sah zum Pickup und winkte den beiden Kindern zu, die stumm zurückwinkten. "Bleibt im Wagen!", rief er und machte mit Daumen und Zeigefinger ein Okay. Er sah zu der Lampe. 'Es ist einen Versuch wert...' Während drinnen Möbel und Glas zu Bruch gingen, robbte er dicht an der Wand lang zur Tür. Wasser hatte sich angesammelt, längliche Pfützen gebildet. Es war nicht weit, höchstens zwei Meter, aber es reichte, um völlig durchnässt zu werden. 'Großer Gott! Nässe bedeutet Tod, alter Knabe! Denk daran, wie alt du bist!' Er hustete kurz und spuckte aus. Als er die Tür erreichte, stand er auf und öffnete die Öllampe, die in Kopfhöhe rechts neben der Tür angebracht war. Tatsächlich hatte sein Bruder die Wahrheit gesagt. Der Schlüssel, den Stu in seiner Hand hielt, war schmutzig und an einigen Stellen sehr stark zerkratzt. Schnell steckte er ihn in das Schlüsselloch. 'Es wird klappen! Es wird klappen! Es wird...' Klack. Stu stieß ein Stoßgebet aus und holte tief Luft. Die Tür war zu. Er zog den Schlüssel aus dem Schloss und steckte ihn in seine Hosentasche. Dann rannte er um das Haus herum, zum Schlafzimmerfenster. Soviel er wußte, hatte Joe ausgerechnet dort ein Eisengitter angebracht, angeblich zum Schutz vor Bären, die hier in der Gegend vor vielen Jahren einmal gehäuft auftraten. So hieß es damals. Dass man in all den Jahren keinerlei Spuren von Bären in der Umgebung fand, hatte Joe nicht dazu veranlaßt, das Gitter wieder zu entfernen. Und ausgerechnet das, dachte Stu verbittert, wurde seinem Bruder nun zum Verhängnis. Während er ächzend um das Haus rannte, mußte er an Lexton denken, an die Flammen, an die todbringenden Hubschrauber. 'Verdammt!'

Blitzschnell war das Rachel-Wesen Richtung Schlafzimmertür gesprungen und verfehlte sein Ziel nur um wenige Zentimeter. Mit ungebremster Wuchte prallte es gegen die Tür, so hart, dass das Holz an einigen Stellen barst und die Scharniere ein wenig aus der Fassung gehoben wurden. Das Wesen kratzte am Holz, trat und schlug gegen die Bretter, doch es gelang ihm nicht, in den anderen Raum zu gelangen, in dem die große Gestalt Zuflucht gefunden hatte. Mit einem Schrei, durchaus mit Wut und Zorn vergleichbar, ließ das Wesen von der Tür ab, sprang und lief durch das Zimmer und stieß Lampen und Möbel um, zerschlug die dünnen Stützbalken, und schließlich riss es mit roher Gewalt den Kopf des toten Sheriffs ab und warf ihn durch den Raum. Es sprang ihm hinterher, hob ihn wieder auf und pulte mit den spitzen Fingern Fleisch- und Hirnstückchen heraus, um sie sich in den Mund zu stopfen. Dann beruhigte sich das Wesen etwas und ging in die Hocke. Draußen rannte jemand um das Haus herum. Die tote Rachel Parker verfolgte mit ihrem kalten Blick die Richtung, bis sie wieder zur Schlafzimmertür starrte. Sie begann zu zischen und leise zu knurren, wie ein wildes Tier, dem man die Nahrung vorenthielt. Fast schien es, als ob das Wesen nachdenken, den nächsten Schritt zum Erreichen des Ziels planen würde. Mit der rechten Hand kratzte es sich den Kopf, und jedes Mal riss es sich büschelweise Haare aus, bis nur noch ein kahler Schädel da war, den kleine Risse zierten, unter denen man eine hellbraune Masse sehen konnte. Pechschwarze Ringe umrundeten die Augen des Wesens, unzählige dunkle Flecken leuchteten wie eitrige Pestbeulen auf der Haut. Hin und her schwankend stand das Wesen auf und ließ Cole Parkers Kopf achtlos fallen. Im Nebenraum hörte es lautes Geschrei und andere, für es nicht definierbare Geräusche. Mit einem gewaltigen Satz übersprang es das Sofa, übersprang dabei ein seltsames Gebilde, das sich leicht bewegte, aber absolut still und von etwas bedeckt war, was das Rachel-Wesen nicht kannte. Es kümmerte sich nicht weiter darum und lief zur Tür. Dort ballte es beide Hände zu Fäusten und schlug wieder zu. Gezielt. Immer auf die gleiche Stelle. Mehr und mehr begann das Holz zu bersten, bis das erste Brett durchschlagen war. Es konnte sehen, wie die Gestalt von einer anderen Gestalt nach draußen gezogen wurde. Wild heulte das Rachel-Wesen auf und schlug noch kräftiger zu. Wenige Sekunden später durchbrach es die Tür und stürzte laut zischend in den anderen Raum hinein.

Das Hämmern an der Tür hatte er so gut es ging verdrängt. "Nichts!" Es gab nichts, was ihm helfen konnte, das Eisengitter zu entfernen. Alles Werkzeug, was er besaß, befand sich im oberen Stock des Hauses, wo er sich in vielen Jahren ein riesiges Atelier eingerichtet hatte. "Ein Künstler willst du sein, Joe?", fluchte der alte Mann und rüttelte verzweifelt am Gitter. "Skulpturen bauen und Sachen reparieren, was?" Plötzlich wurde es still. Joe stieg vom Bett und ging vorsichtig zwei Schritte Richtung Tür. 'Was hat es vor?'
"Joe!"
Wie vom Blitz gestroffen zuckte Joe Brewster zusammen. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihn, seine Beine verwandelten sich in Gummi, und ohne eine Chance es zu verhindern, kippte Joe zur Seite. Keuchend rollte er sich auf den Rücken. "Verdammt, Stu! Willst du, dass ich an einem Scheiß Herzinfarkt krepiere?" Mühsam stützte er sich auf den Armen ab und sah zum Fenster. "Bei Gott, ich hätte nie gedacht, dass ich mich jemals freuen würde, dich zu sehen..." Er schüttelte leicht den Kopf und spuckte aus. "Ich dachte, du wärst verschwunden."
Stu runzelte die Stirn. "Ich konnte die Kinder nicht zurücklassen." Es war das klarste Bekenntniss, was er seinem Bruder geben konnte. Wären Tommy und Ray nicht gewesen, er hätte längst das Weite gesucht. "Los jetzt!", rief er und rüttelte am Gitter. "Irgendwie müssen wir das Scheißteil abbekommen!"
"Ich habe hier nichts, um es lockern zu können", röchelte Joe angestrengt. Er war noch immer leicht mitgenommen vom plötzlichen Auftauchen seines Bruders. Schwerfällig rappelte er sich auf und wankte zum Bett. "Tommy und Ray?"
Stu ließ vom Gitter ab. "Sie warten im Wagen." Fieberhaft sah er sich um. 'Irgendwas muss es geben, verdammt!' "Warte!"
Stu verschwand vom Fenster. "Stuart!" Panik machte sich in Joe breit, als er seinen Bruder nicht mehr sehen konnte. Sekunden vergingen. "Stuart!" Erleichtert atmete er tief durch, als Stu wieder da war, mit einer Brechstange in der Hand. "Wo hast du sie her?"
"Lag auf der Ladefläche. Gleich haben wir es!", sagte Stu und setzte die Stange an. "Du mußt gegen das Gitter drücken!"
"Ja, okay!" Das Hämmern gegen die Tür setzte wieder ein, und dieses Mal war es genauer, zielstrebiger. "Scheiße!" Joe stemmte sich gegen das Gitter. "Nun mach schon!"
"Ich hab es gleich..." Stu biss die Zähne zusammen und zog die Stange nach unten. Die ersten Schrauben sprangen aus der Fassung. Dann gab das Gitter nach. "Jetzt!"
Schnell stieß Joe das Gitter weg und hangelte sich aus dem Fenster. Hinter ihm krachte die Tür auf. Er riskierte einen letzten Blick nach hinten, bevor er von Stu rausgezogen wurde. "Scheiße! Zieh mich raus! Zieh mich raus!" Er glaubte, jemanden hinter der Untoten gesehen zu haben, aber wirklich sicher war er in Anbetracht der Umstände nicht.
Mit einem kräftigen Ruck zog Stuart Joe aus dem Fenster. Er fiel nach hinten und landete äußerst unsanft auf dem Rücken. Für einen kurzen Moment blieb ihm die Luft weg. Dann fiel Joe auf ihn, mit den Händen voran. Seltsamerweise tat es nicht weh. Stu verschwendete keinen weiteren Gedanken daran. Er schob seinen Bruder von sich. "Zum Wagen!", stieß er hervor. Er sah zum Fenster und erstarrte. Rachel Parker lehnte sich aus dem Fenster. 'Heilige Scheiße...', dachte er. Von der einst schönen Frau war nichts mehr übrig geblieben. 'Das war es endgültig. Sie wird sich auf dich stürzen und zerfleischen!' Wie aus weiter Entfernung hörte er Joe kreischen und winseln. Er selbst blieb ruhig. 'Du solltest auch schreien, nur um zu zeigen, dass du noch ein Mensch bist!' Rachel Parker öffnete den Mund und rollte mit ihren leblosen Augen. Stu glaubte, einen leisen Schrei zu hören, von drinnen. Augenblicklich verschwand die Untote. Eine Sekunde später wurde er von Joe gepackt und hochgezogen.
"Los! Schnell zum Wagen!", schrie Joe und zerrte seinen Bruder mit sich.
"Hast du das gehört?", fragte Stu verunsichert. "Ein Schrei..."
Joe gab keine Antwort. Er war sich sicher, sobald sie um das Haus herum gelaufen waren, würde dieser verfluchte Zombie bereits auf sie warten, sie in Empfang nehmen, sie töten, sie selbst zu Ausgeburten der Hölle machen. Aber eine andere Chance gab es nicht...
Drinnen im Haus schrie jemand. Es war eindeutig der Schrei eines Menschen.

Niemand empfing sie, als sie um die Ecke bogen. Bis zum Pickup waren es gut zwanzig Meter. Joe konnte Tommy und Ray sehen. "Auf den Rücksitz!", brüllte er ihnen zu. Hinter sich hörte er Stu ächzen und keuchen. "Los! Nicht aufgeben! Nicht jetzt!" Mit letzter Kraft schleppte er seinen Bruder zum Wagen, öffnete die Beifahrertür und hievte ihn unter größter Anstrengung auf den Sitz. Er vermied es, zum Haus zu sehen. "Gleich!" Er nickte den Kindern zu. "Alles okay..." Schweiß lief ihm in Sturzbächen über das Gesicht, brannte in den Augen und verwandelte das Shirt, das er anhatte, in einen gigantischen Waschlappen. Im Haus gab es erneut einen Schrei, dieses Mal lauter und verzweifelter. Joe biss die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf, als ob er versuchen wollte, den Schrei nicht in seine Ohren dringen zu lassen. Die Kinder sahen ihn mit großen Augen an. Joe war klar, was sie dachten, welche Fragen sie stellen wollten, aber sie hatten keine Zeit mehr. "Schnallt euch an!", befahl er barsch und schlug die Beifahrertür zu. Hastig rannte er um den Wagen herum und stieg auf den Fahrersitz. Während er den Zündschlüssel umdrehte und auf die Kupplung trat, um den Gang einzulegen, sah er kurz in den Rückspiegel. Der Pickup stand ungünstig, wie er verbittert feststellen mußte. Joe sah Ruth Mullons Gesicht an einem der Fenster, ihren entsetzten und flehenden Gesichtsausdruck, ihre flachen Hände, die gegen das Fenster schlugen. Und er sah eine andere Hand, die Ruth von hinten packte und vom Fenster zog, in die Dunkelheit, in einen grausamen Tod. "Nicht umdrehen, Kinder!", murmelte er leise, zog die Tür zu und gab Gas. Die Reifen drehten leicht durch, fanden schließlich Halt, und mit einem großen Sprung vorwärts fuhr der Pickup los. Joe hatte Mühe, den Wagen unter Kontrolle zu bringen, erst als sie kurz vor der Auffahrt waren, hatte er ihn einigermaßen im Griff. Leicht hin- und herschlingernd lenkte er den Pickup den schmalen Weg hinab zur Straße. "Stu!", rief er.
Stu saß mit kreidebleichem Gesicht da. Seine Adern waren stark angeschwollen. Langsam sah er zu Joe. "Sie war noch am Leben..."
"Scheiße, ja!" Wütend riss Joe das Lenkrad herum. 'Wir haben uns geirrt! Ruth saß unter dieser verdammten Decke und war noch ein Mensch! Es ist zu spät! Denk nicht daran!'

Sie hatten die Straße erreicht. In nicht allzu weiter Ferne sah er eine gigantische Feuerbrunst, deren schwarzgrauer Rauch den Himmel verdunkelte. Er trat auf die Bremse. Mit quietschenden Reifen blieb der Pickup stehen. Joe beugte sich etwas nach vorn. "Was zur Hölle ist das?"
Tommy nahm Ray in den Arm, der zu weinen angefangen hatte. "Sir?", fragte er leise.
Joe schloss die Augen und atmete tief durch. "Ja?"
Der kleine Junge deutete auf das Feuer. "Wir fahren nicht dahin, oder?"
Für ein Kind, das gerade seine Eltern verloren hatte, stellte der Knirps durchaus logische Fragen, wie Joe fand. "Natürlich nicht", brummte er. "Keine Angst."
"Hubschrauber!", sagte Stu plötzlich. "Die Armee..."
Sie hörten ein leises Brummen auf sich zukommen. "Die Armee hat Lexton in eine Hölle verwandelt?", zweifelte Joe.
Als ob Stuart Brewster das Stichwort gegeben hatte, erschien wie aus dem Nichts ein Hubschrauber, der über sie hinwegdonnerte. Sekunden später sahen und hörten sie eine gewaltige Detonation, genau dort, wo Joes Haus gestanden hatte.
"Großer Gott!", flüsterte Stu und schlug sich die Hände vor das Gesicht.
Joe sah zu den Kindern. "Alles okay! Nichts passiert!" Er trommelte mit den Fingern gegen das Lenkrad. Leise sagte er: "Sie haben uns sicherlich gesehen. Sie werden umkehren..."


12

Schützend hielten sie sich die Hände vor die Augen, während sich das Holzhaus in ein Etwas aus Feuer, Rauch und Tod verwandelte.
"Volltreffer, Jones!", rief Columbo in sein Helmmikrofon und grinste seinen Kumpel Quincy zufrieden an.
Der nickte und lachte laut auf. "Nichts und niemand hat das überlebt!"
Eine Weile kreiste der Hubschrauber noch über dem Inferno. In der kleinen Stadt hatte es sich gezeigt, dass so mancher Tote aus den Flammen flüchtete. Die Besatzung von A6/Zulu hielt fieberhaft Ausschau, konnte aber nichts entdecken.
"Okay", gab Richardsen durch. "Wir haben diesen Pickup gesehen..."
Quincy überprüfte das Magazin des Maschinengewehrs. "Von mir aus kann es losgehen, Sir!"
Jones schaltete den internen Funkverkehr ab. Vorn in der Pilotenkanzel konnte man sich durch lautes Brüllen miteinander verständigen, ohne dass es die restlichen Crewmitglieder mitbekamen. "Wer auch immer am Lenkrad saß, sie sind gefahren! Gefahren! Tote können nicht Auto fahren!"
"Ja, schon gut!", winkte Richardsen ab. "Unsere Befehle sind eindeutig, okay?"
Seufzend gab Jones den Funkverkehr wieder frei und drehte ab. "Also dann..."
Der Hubschrauber flog durch den dunklen Qualm und verschwand hinter den Bäumen.

Schnell erreichten sie die Straße. Der Pickup stand seitlich auf der Fahrbahn, die Fahrertür war offen.
"Da ist das Vieh!", brüllte Columbo triumphierend und deutete auf eine torkelnde Gestalt, die scheinbar ziellos, aber schnell die Straße entlang lief. "Ich habe es entdeckt! Das Ding gehört mir!"
"Den Wagen nicht unter Beschuss nehmen!", gab Richardsen durch.
Solch einen Befehl mußte man Columbo nicht geben. Wenn der ganze Mist irgendwann vorbei war, würde jeder funktionierende Wagen den Aufbau der Zivilisation beschleunigen. "Ja, Sir!", bestätigte der Soldat. "Fortschritt durch Technik!", rief er Quincy zu, der lachend abwinkte.
Jones meldete sich. "Machen Sie es kurz!"
"Ja, Sir!", bestätigte Columbo erneut und konzentrierte sich auf sein Ziel. Sie konnten Spaß haben und den Untoten erst die Beine wegschießen, so dass dieser sich nicht mehr bewegen konnte. Doch aus irgendeinem Grund wollte Jones es nicht. Die Gestalt war ein alter Mann, der mit den Armen ruderte. Kurz zögerte Columbo. 'Sieht nicht wie ein Zombie aus', dachte er leicht verunsichert.
"Nun mach schon!", schrie Quincy und klatschte in die Hände.
"Ja, verdammt!" Columbo nahm sein Ziel ins Visir und gab zwei kurze Feuerstöße ab. Der Zombie kippte augenblicklich um, rollte über die Straße und blieb bewegungslos liegen. "Kopf ab!", meldete Columbo und sah zu Quincy. "Sah nicht wie ein Toter aus, wenn du mich fragst."
"Dich fragt aber keiner, Kumpel!"
Im Cockpit riss Jones die Landkarte ab und warf sie hinter sich. " Zurück zum Stützpunkt!" Er drehte mit dem Hubschrauber noch eine Runde über dem Pickup und flog dann Richtung Süden.

***​

Für Demokratie hatte Joe Brewster noch nie etwas übrig gehabt. Und so traf er ganz allein die Entscheidung. "Stu!" Er packte Stu am Arm. "Hör mir zu!"
Die Kinder begannen unruhig auf dem Rücksitz hin und her zu rutschen. Dabei sah Ray immer wieder nach hinten. "Kommt er zurück?", fragte Tommy besorgt.
Joe ignorierte die Frage. "Stuart!"
Endlich erwachte Stu aus der Lethargie. Er blinzelte mit den Augen. "Was?"
Sie hatten zwei Möglichkeiten... "Wir haben zwei Möglichkeiten: Eine gute Chance, und eine weniger gute Chance." Zu gern hätte er jetzt eine Zigarette geraucht. "Wir nehmen die gute Chance!"
"Was hast du vor?", fragte Stu mißtrauisch.
"Sie haben uns gesehen", sagte Joe und zeigte hinter sich. "Sie haben mein Haus in die Luft gejagt, und Rachel und Cole, und... und auch Ruth. Sie werden zurückkommen!"
Da war es wieder, diese Sache, die Stu an Joe immer gehasst hatte. "Rede nicht um den heißen Brei herum! Was hast du vor?"
"Also gut!" Joe rieb sich die Augen. Er sah zuerst zu den Kindern, anschließend zu Stu. "Du nimmst die beiden und versteckst dich mit ihnen im Wald. Ihr müßt nicht weit laufen. Ich werde die Besatzung des Hubschraubers ablenken. Wenn alles so läuft, wie ich denke, dann können die Kinder und du mit dem Pickup abhauen." Er hielt inne. "Ich meine, wohin auch immer. Vielleicht nach Norden zur Grenze, oder ans Meer." Nervös kaute er auf seinen schmalen Lippen herum.
Im ersten Moment wollte Stu Joe für verrückt erklären, aber dann empfand er Bewunderung für den sechs Jahre älteren Bruder. Immer hatte sich dieser als egoistisches Arschloch gegeben, und nun, beim Abgang der Welt... "Es ist dir Ernst, nicht wahr?", fragte er leise.
Joe lächelte und zuckte mit den Schultern. "Ich denke", flüsterte er und sah zu Tommy und Ray, "Ich denke, die beiden haben besser dich an ihrer Seite, als mich."
Ray zuckte zusammen, und Tommy hielt sich die Ohren zu. "Der Hubschrauber!"
Langsam näherte sich das bedrohliche Summen und Donnern.
"Es wird Zeit!", sagte Joe monoton und stieg aus.
"Tommy? Ray? Los, aussteigen!", wies Stu die beiden an. Sein kurzer Anfall von Angst und Resignation war vorbei, wie er glücklich feststellte.
"Stu?" Joe lief um den Wagen herum und half ihnen beim Aussteigen. "Ich denke, es reicht, wenn ihr euch hinter der Böschung versteckt." Er gab Ray einen Klaps auf den Hintern. "Versteckt euch im Wald, na los!" Zufrieden nickte er, als die Kinder im Gebüsch verschwanden.
"Danke, Joe", sagte Stu und reichte seinem Bruder die Hand.
Joe schlug ein und drückte fest zu. "Falls die Kinder..."
"Keine Angst!", unterbrach ihn Stu. "Wenn es soweit kommen sollte, dann werde ich schon..." Er beendete den Satz nicht. "Bist du auf deine alten Tage doch noch ein guter Mensch geworden."
Joe gab keine Antwort. Stattdessen grinste er, drehte sich um und begann merkwürdig vom Wagen wegzutorkeln.
Stu lief zum Wald. Kaum, dass er Deckung hinter der Böschung gefunden hatte, rauschte der Hubschrauber über ihnen hinweg. Er sah zu den Kindern und nickte zuversichtlich. Dabei bemerkte er, dass Raymond auf dem Rücken lag und die Augen geschlossen hatte. "Was ist passiert", fragte er.
Tommy zuckte hilflos mit den Schultern. "Wir haben uns hingelegt, und er ist eingeschlafen."
"Er ist eingeschlafen?" Stu hatte keine Zeit, sich weitere Gedanken über diesen Umstand zu machen, denn das Rattern eines Maschinengewehrs hallte in seinen Ohren. "Joe..." Er schloss die Augen und wartete ab. Nach etwa einer Minute verschwand der Hubschrauber. In dieser kurzen Zeit hatte er Bilder gesehen, die ihn ängstigen ließen: Meterhohe Berge aus Menschenknochen, zentimetertiefe Asche- und Staubschichten zwischen verfallenen Häuserschluchten, und der Himmel bedeckt mit dunklen, blitzenden Wolken... "Joe!" Keuchend stützte sich Stu auf dem Boden ab. Einen Moment lang wurde ihm schwindelig, doch schnell fing er sich wieder.
"Er schläft immer noch", sagte Tommy.
'Bemerkenswert, wie er den Tod seiner Eltern wegsteckt. Wirklich bemerkenswert!' Vielleicht war es aber auch nur der Schock, der Tommy so teilnahmslos wirken ließ, kam ihm in den Sinn. "Er ist also einfach eingeschlafen?" Joe kroch zu Tommy. "Ja?"
"Ja, Sir."
"He, nenn mich Stu!"
"Okay, Stu."
"Vielleicht ist er zu erschöpft gewesen." Besorgt betrachtete Stu Rays Arme und Hände. Nirgends waren dunkle Flecken oder Risse auf der Haut zu erkennen. "Wir werden nach Norden fahren, Tommy."
Der Junge nickte stumm.
"Vielleicht haben wir im Norden Glück." Stu nickte ebenfalls. "Im Norden ist es bestimmt besser als hier." Sie warteten noch eine Weile, dann hob Stu den schlafenden Ray auf und lief gemeinsam mit Tommy vorsichtig ("Wenn was passiert, lauf in den Wald!") zurück zum Wagen. Alles war ruhig, nur das Feuer, welches Lexton auffraß, knisterte in der Luft. Gut einhundert Meter entfernt sah Stu den Leichnam seines Bruders auf der Straße liegen. Behutsam legte er Ray auf den Beifahrersitz. "Steig ein, Tommy! Ich muß noch etwas erledigen." So gut er konnte, demonstrierte er Zuversicht und Gelassenheit.
"Mister Brewster hat sich für uns geopfert, nicht wahr?", fragte Tommy, der umständlich über Ray hinweg geklettert war und nun auf dem Fahrersitz saß.
"Das hat er", antwortete Stu. "Ich möchte mich noch von ihm verabschieden, okay?"
"Werden Sie für ihn beten?"
Stu schluckte. "Klar."
"Das werde ich auch", sagte Tommy und sah unglücklich zu den Flammen und den bedrohlichen Rauchwolken.

Stu drehte sich um und lief los. Tränen brachen hervor, gegen die er nichts machen konnte, außer, sie mit dem rauen Handrücken wegzuwischen. Aber wollte er das überhaupt? Ihm kam es wie in Zeitlupe vor, der Weg zu Joes Leichnam. Schließlich hatte er ihn erreicht. Wer auch immer das Maschinengewehr an Bord des Hubschraubers bedient hatte, war ein lausiger Schütze gewesen. Immerhin, stellte Stu kopfschüttelnd fest, war es demjenigen gelungen, Joe von seinem Kopf zu befreien. Stu ging in die Hocke und hielt sich die Hand vor Augen. Unzählige Schußwunden waren über Joes Körper verteilt. Schluchzend berührte er das von Kugeln zerfetzte linke Bein von Joe. Da hatte niemand gezielt geschossen. Stu kam es vor, als ob dieser gottverdammte Schütze einfach wahllos draufgehalten hatte. "Blödes Arschloch!" Er seufzte und wischte sich salzig schmeckende Tränen aus dem Gesicht. Plötzlich hörte er Tommy schreien. Panisch stand er auf und drehte sich um, so schnell und schwungvoll, dass er nach vorne fiel und unsanft auf dem harten Asphalt landete. Ohnmächtig mußte er mit ansehen, wie Tommy aus dem Wagen sprang, ein paar Meter in seine Richtung torkelte, und dann zusammenbrach. "Nein!" Er sah, wie der kleine Ray langsam und unförmig aus dem Pickup kletterte, mit den Armen fuchtelte, ihn direkt anzusehen schien, und schließlich im Wald verschwand. "Nein!" Stu hatte große Mühe, auf die Beine zu kommen, die sich in weiches Gummi verwandelt hatten. "Tommy!" Immer und immer wieder stürzte er schmerzhaft, zog sich Schürfwunden und Kratzer zu. Nach einer kleinen Ewigkeit hatte er endlich Tommy erreicht. Der Junge lag auf dem Rücken und atmete heftig. "Tommy..." Sanft und zugleich ratlos strich Stu dem Kind über die Stirn. "Oh nein!" Das Shirt des Jungen war zerrissen, eine tiefe Wunde klaffte vom Bauchnabel schräg hoch bis zum rechten Schlüsselbein. Teile von Tommys Organen hingen dampfend heraus, Blut schwappte in kurzen Intervallen über die Haut und bildete unter dem Jungen eine schmutzige, dunkelrote Pfütze. Geruch von Kot und Urin drang in Stus Nase, so schnell und heftig, dass der alte Mann sich zur Seite beugen mußte, um nicht auf den Jungen zu kotzen. Tommy selbst schnappte hilflos nach Luft, röchelte und gurgelte, bewegte kraftlos die Finger und war nicht in der Lage, etwas zu sagen. Stu wischte sich Reste von Erbrochenem vom Mund und nickte. "Ich weiß, Kleiner. Ich weiß...", flüsterte er und ergriff die kleine Hand des Kindes. Ein letztes Mal bäumte sich Tommys Körper auf, spannte an, um nach wenigen Augenblicken schlaff zusammenzubrechen. Tommys Kopf schlug auf dem harten Asphalt auf. Stu hatte die Hand nicht losgelassen, er hielt sie auch noch fest, als die toten Augen von Tommy sich zu verwandeln begannen. Aus den Tränensäcken heraus kroch eine graue Substanz über den Augapfel und bildete einen Schleim mit einem kleinen Loch in der Mitte. Es war so, wie sie es bei Smith gesehen hatten: Graue Augen und eine schwarze, starre und unheimliche Pupille. Erst jetzt ließ Stu die Hand los und stand auf. Nicht einmal vierundzwanzig Stunden hatte es gedauert, um sein Weltbild von Sein und Nichtsein völlig aus den Angeln zu heben. Stumm sprach er ein Gebet für Tommy, bekreuzigte sich und ging zur Ladefläche des Pickups. Die Waffen waren weg. Verwundert betrachtete Stu den leeren, schmutzigen Metallboden vor sich. 'Haben wir sie mit ins Haus genommen?' Dann erinnerte er sich, wie Joe Smith den Kopf weggeschossen hatte. Vielleicht hatte er Glück, und die Pistole befand sich noch unter dem Sitz. Er glaubte, etwas gehört zu haben, verdrängte es aber sofort. Die Welt war nun ein Hort des Grauens, je früher man sich damit abfand, umso besser. Sollte ihm eine Ausgeburt der Hölle doch die Kehle zerfleischen, ihm würde es egal sein. Er ging zurück zur Beifahrertür. Drei Meter entfernt lag Tommy immer noch so auf der Straße, wie er ihn verlassen hatte: Unbeweglich. Tot. Stu tastete mit der Hand unter dem Sitz und hatte die Pistole sofort gefunden. 'Du mußt das nicht tun', dachte er. Seufzend lud er die Pistole durch und ging zurück zu Tommy.

***​

Das Ray-Wesen war durch den Wald gerannt und gesprungen, spürte die ihm entgegenpeitschenden Zweige und Äste nicht, achtete nicht auf harte und spitze Steine. Irgendwann erreichte er einen Ort, der früher eine beschauliche Kleinstadt gewesen war, die sich eine Bank und einen Autosalon leistete. All das zählte nicht mehr. Es gab nur noch brennende Ruinen, zwischen denen stinkende Kadaver von Tieren und kopflosen Untoten lagen. Das Ray-Wesen schlich um die abgebrannten und eingestürzten Häuser herum, bis es plötzlich verharrte und angestrengt auf ein Haus sah, welches noch halbwegs stand. Die Umgebung kam ihm bekannt vor, obwohl das Wesen nur noch von der Gier nach Fleisch und Zerstörung getrieben wurde. Der kleine Untote ging in die Hocke und zischte. In dieser Stellung blieb er einige Minuten, bevor er begann, auf allen Vieren auf das Haus zuzukrabbeln. Zunächst langsam und scheinbar bedächtig, doch mit jedem Hopser wurde er schneller, bis er schließlich mit einem gewaltigen Satz die kleine Treppe hoch und durch die Tür sprang, die Feuer und Wasser standgehalten hatte, aber dem Untoten keinen Widerstand mehr leisten konnte. Zunächst ging das Ray-Wesen wieder in die Hocke, zischte erneut und hob den Kopf. Dann schlich es sich an der verkohlten Wand entlang zu einer Tür, die angelehnt war. Tapsig stieß es die Tür auf. Eine Treppe führte nach unten, der das Wesen folgte. Der Keller war angenehm warm und feucht. Von Grund auf verändert, sich keiner Erinnerung bewußt, hatte das Ray-Wesen gezielt diesen Weg genommen. Es konnte sich nicht wirklich erinnern, schon einmal hier gewesen zu sein, aber die Umgebung kam ihm vertraut vor. Das Ray-Wesen kroch in eine Ecke und kauerte sich auf den an dieser Stelle leicht schimmeligen Boden. Es starrte zur Treppe und wartete.


13

Hinten auf der Ladefläche tobte und zischte Tommy, gehalten durch zwei starke Seile, die Stu etwas versteckt unter dem Fahrersitz gefunden hatte. Einen Augenblick lang war er bereit gewesen, dem Jungen mit einem oder mehreren Schüssen den Kopf wegzuschießen. Die einzige Möglichkeit, um einen Toten wirklich zu töten. Er hatte es nicht über das Herz gebracht. Als der Junge sich wieder zu rühren begann, hatte er ihn an den Händen gefesselt und ihn auf die Ladefläche des Pickups geworfen, wo er ihn an Metallverstrebungen an der Seite festband. Stu saß vorne im Wagen und achtete darauf, nicht zu schnell zu fahren. Sie waren bereits ein gutes Stück voran gekommen. Den Weg nach Süden hatte er nicht eingeschlagen, eine weitere Begegnung mit schießwütigen Soldaten wollte er, so gut es ging, vermeiden. Auch den Plan, nach Norden zu fahren, um an der Grenze das Glück zu suchen, hatte er aufgegeben. Mit einem toten Kind, das alles andere als tot war, geradezu ein irrwitziges Unterfangen. Joe hatte gemeint, vielleicht sollte er mit den Kindern ans Meer fahren. Stu war sich nicht ganz klar darüber, wie Joe das gemeint hatte, aber je mehr er darüber nachdachte, umso mehr mußte er grinsen, und mit jeder gefahrenen Meile wurde das Grinsen breiter. In seinem Leben war er nicht oft Auto gefahren, aber wenn er es tat, so war das Autoradio stets eingeschaltet. In dieser Hinsicht hatte sich Stu nicht geändert. Gleichmäßiges Rauschen dröhnte aus den Boxen, die Joe hinten über der Rückbank eingelassen hatte. Auf die eine Art war das Rauschen natürlich bedrohlich, zeigte es doch, dass die Zivilisation zusammengebrochen sein mußte. Auf der anderen Seite wiederum beruhigte das Rauschen Stu, glich ihn aus. Nach all den Vorkomnissen der letzten Stunden tat es ihm gut.

Auf der Fahrt zum Atlantik sah er des öfteren Explosionen in weiter Ferne, kopflose Kadaver an den Straßenrändern, brennende Dörfer und Wälder, riesige Vogelschwärme, die nach Süden flüchteten, aber nie begegnete er Soldaten oder gar Untoten. Die ganze Zeit zerrte und zog Tommy an den Seilen, jedoch vergeblich, und irgendwann beschränkte sich das kleine, schmächtige Wesen darauf, nur noch zu zischen und ab und an ein lautes Grunzen von sich zu geben. Diese Geräusche drangen durch das laute Rauschen zu Stu, der anfangs noch zusammenzuckte, sich aber bald daran gewöhnt hatte. Eine Zeit lang machte er sich den Spaß, die Sekunden zu zählen, die zwischen Zischen und Grunzen lagen, doch schnell wurde dieses Spiel langweilig. Die dünne Plastiknadel an der Tankanzeige machte ihm bewußt, dass sie weit über einhundert Meilen zurückgelegt haben mußten. Einhundert Meilen einsame Fahrt durch eine apokalyptische Welt. Die Sonne hatte den Zenit überschritten und machte sich auf ihren beschwerlichen Weg hin zum Ende des Horizonts. Stuart rieb sich die müden Augen und gähnte herzhaft. Zu der aufkeimenden Müdigkeit gesellten sich noch Hunger und Durst. Mißmutig hörte er seinen Magen knurren. 'Wie lang kann ein lebender Mensch ohne Nahrung aushalten? Drei Tage ohne Wasser? Zwei Wochen ohne Essen?' Er wußte es nicht ganz genau, er hatte auch nicht vor, seine Überlegungen in die Praxis umzusetzen. Natürlich hatten sie keine Zeit gehabt, Verpflegungspakete zu machen, die sie bequem unter den Sitzen verstauen, und bei Bedarf benutzen konnten. Schließlich war es um Leben oder Tod gegangen. "Na, hauptsächlich darum, wegzukommen...", murmelte Stu, runzelte die Stirn und hielt den Pickup an. "Großartig!" Vor ihm, mitten auf der Straße saß ein Hund. Neben dem Hund lag ein Mensch, halb verfault und kopflos, den tausende Fliegen umschwirrten. Dem Hund schien das nichts auszumachen, er wedelte nur schwach mit dem buschigen Schwanz, um die lästigen Insekten zu vertreiben. Ein aussichtsloses Unterfangen, wie Stu feststellte, der gebannt auf die Straße starrte und mit den Händen das vom Schweiß klebrige Lenkrad unschlüssig nach links und nach rechts bewegte. Direkt neben dem Leichnam lag ein großer Koffer. All seine körperinternen Warnsignale deuteten ihm an, weiterzufahren, Hund Hund, Leichnam Leichnam, und Koffer Koffer sein zu lassen. Doch aus irgendeinem Grund stieg Stuart Brewster aus. "Tommy?" Augenblicklich wurde es auf der Ladefläche laut. Zufrieden nickte Stu. "Gut! Nicht weglaufen!", sagte er und ging langsam auf den Hund zu. 'Wer weiß, wie lange das Vieh schon auf der Straße hockt. Warum ist es nicht fortgerannt? Alle Tiere sind schließlich geflüchtet...' Darauf bedacht, keine hektischen Bewegungen zu machen, und somit den eventuell gefährlichen Hund zu provozieren, setzte Stu einen Fuß vor den anderen, bis nur noch knapp zwei Meter ihn und den Hund trennten. "Braves Kerlchen", sagte er bewußt sanft, und zeigte dem Hund seine Handflächen. Vor einigen Jahren hatte er mal gehört, dass Tiere, insbesondere Hunde und Katzen, mißtrauisch wurden und in eine Art Abwehrhaltung gingen, wenn man ihnen mit geballten Fäusten entgegentrat. "Hälst du Wache für dein totes Herrchen?" Ein kurzer Blick auf den Leichnam genügte, und Stu fügte noch schnell hinzu: "Oder Frauchen?" Der Hund begann zu knurren und duckte sich auf den Asphalt. Stu hielt augenblicklich inne. "Ruhig, mein Großer! Ganz ruhig..." Ohne Vorwarnung begann der Hund zu knurren, bellte laut und lief mit eingezogenem Schwanz davon. Verwundert starrte Stu ihm hinterher. 'Was ist los? Was ist passiert?' Sorgfältig, so gut es ging, sah er sich um. Nichts verdächtiges war zu spüren, zu hören und zu sehen. "Sachen gibts..." Er ging zum Koffer und kniete sich auf die Straße. Der Gestank war unerträglich, so dass er durch den Mund atmen mußte. Mit der Hand schlug er um sich, um die Fliegen zu verscheuchen, aber wie schon der Hund, so versagte auch Stu in dieser Hinsicht. 'Scheiß auf die Fliegen!' Gebannt strich er mit der flachen Hand über das raue Leder des Koffers. Alles Mögliche konnte da drinnen sein: Unterwäsche, Akten und Papiere, Verpflegung, der Fötus eines Ungeborenen... Kurz entschlossen schob Stu die Verschlüsse zur Seite. Der Koffer öffnete sich einen winzigen Spalt. Stu hielt die Luft an und zog den Kofferdeckel nach oben. Was er sah, ließ ihn laut lachen. "Das nenne ich Glück!" Wie ein kleiner Schuljunge über sein gutes Zeugnis, so freute sich Stu über zehn Stangen Kekse und acht Flaschen Mineralwasser. Schnell machte er den Koffer wieder zu, nahm ihn an sich und lief zurück zum Wagen, wo er den Koffer auf den Beifahrersitz warf. "Das Meer ist nicht mehr weit, Tommy!", log er, als er losfuhr, den Wagen um den Leichnam lenkte, und dann auf das Gaspedal trat. Er hatte es plötzlich eilig.
Hinten auf der Ladefläche des Pickups starrte das Tommy-Wesen nach oben, hoch zu den dunklen Regenwolken, die sich plötzlich gebildet hatten. Dann sah es auf die Straße, die davonflog, und das Tommy-Wesen sah einen Hund, der ihnen nachlief. Es hörte auf zu zischen und zu grunzen, stattdessen verformten sich seine blutleeren Lippen zu einem absurden Grinsen.
Im Rückspiegel sah auch Stuart den Hund, hielt aber nicht an. "Tut mir Leid...", murmelte er verbittert und fuhr weiter die Straße entlang.

Das Autoradio gab nur Rauschen von sich. Er überlegte kurz, es abzuschalten, ließ es dann aber doch an. Man konnte nie wissen, ob nicht doch irgendwo jemand saß, der lebendig genug war, eine der Frequenzen mit Leben zu füllen. Stu fragte sich, warum nur Kekse und Wasser in dem Koffer waren, der neben ihm auf dem Beifahrersitz lag, ließ es aber schnell sein. Längst war er über dem Punkt hinaus, sich über unnötige Fragen Gedanken zu machen. Und wie auf einem Schlag war auch seine Müdigkeit verschwunden. 'Du hast einfach den toten Punkt überschritten, alter Knabe!', dachte er und gähnte. Nur ganz kurz schloss er die Augen. Traumbilder flogen an ihm vorbei. Bilder von einer glücklichen Kindheit, die zu schnell ein Ende gefunden hatte. Es gab ein Rumpeln und Knarren. Und als er die Augen wieder öffnete, lag er schmerzhaft im Sicherheitsgurt gefangen auf dem Boden der Fahrerkabine. Direkt vor ihm sah er zwei mit dunklen Flecken versehene Hände, an denen zerrissene Seilfetzen hangen. Unter Schmerzen gelang es Stu, den Kopf etwas nach links zu drehen. Er sah nicht nur den mit saftig grünem Gras bedeckten Abhang, den der Pickup heruntergerutscht war. Er sah nicht nur die zerbrochene Frontscheibe, an der Insekten und Gras klebten. Stu sah in graue, mit pechschwarzen Pupillen verzierte Augen. "Oh Scheiße!", stammelte der alte Mann, als Tommy seinen Mund weit aufriss und sich auf ihn stürzte. Er hörte noch ein jämmerliches Bellen, wohl das des Hundes, der ihnen nachgelaufen war. Dann spürte er einen stechenden Schmerz in seinem Hals. Blut schoss in seine Luftröhre. Unterhalb des Bauchnabels gruben sich spitze Finger in seinen Körper. Stuart schoss Blut aus Nase und Mund. Aus den Augenwinkeln heraus erhaschte er einen Blick auf die Sonne, die glutrot strahlte. Zumindest hatte er es versucht. 'Verdammt, du hast es versucht... Immerhin...' Er versuchte zu lächeln, was ihm nicht gelang, und starb.
Das Tommy-Wesen stopfte sich Fleischbrocken und Organstückchen des alten Mannes in den Mund, zerkaute sie kaum und schluckte sie gierig herunter, ohne zu wissen, warum und weshalb. Nach einer Weile kroch es zischend aus dem zerbeulten Autowrack und kletterte den Abhang hoch zur Straße und war schnell verschwunden.

Als der Pickup über den Straßenrand geprescht war, sich dabei mehrere Male überschlagen hatte, und schließlich kopfüber liegenblieb, war das Autoradio zunächst ausgegangen. Kaum, dass das Tommy-Wesen das Wrack verlassen hatte, sich eine graue Substanz über Stuart Brewsters Augen zog, schaltete es sich wie von Geisterhand wieder ein. Ganz dicht lag Stu, tot und bald als unerklärliche Kreatur wiedergeboren, am Regler des Radios. Das Rauschen verstummte, und so unglaublich es war, aus den intakten Boxen tönte eine menschliche Stimme, bruchstückhaft und verzweifelt: "Der Marsch... Atlanta... Wenn Sie das hören können... Versuchen Sie... Gelbes Leuchten... Lösung... Leuchten am Himmel... Organisation... Wenn Sie... Keine Regierung... Stützpunkte überrannt... Versuchen Sie nicht... Weltweit haben sich... Millionen haben sich... Sie marschieren... Ein Ziel... Wir müssen beten... Hoffnung... Verstecken Sie sich... Fliehen Sie... Verstecken... Wir sind... Erreichen uns an..." Im Inneren des Radios gab es ein Knistern, Schaltkreise verpufften, Funken stoben hervor und entzündeten die benzingetränkte Luft um den Pickup. Augenblicklich stand der Wagen in Flammen. Es gab keine Explosion. Stuart Brewster erwachte als Toter und glotzte zischend und verständnislos in die lodernden Flammen, die ihn aufzufressen begannen.


Epilog

Etwas kam torkelnd die Treppe herab, stürzte die letzten Stufen und rollte lärmend über den Boden. Umständlich richtete sich das Wesen wieder auf. Kleiderfetzen hingen am mit Brandblasen, dunklen Flecken und schmalen Rissen geschundenen Körper.
Das Ruth-Wesen zischte.
Das Ray-Wesen zischte zurück und stand mühsam auf.
Die beiden Untoten liefen steif aufeinander zu und trafen in der Mitte des Kellers aufeinander. Sie umarmten sich. Das Ruth-Wesen strich ungelenk dem Ray-Wesen über den Kopf. Dann kauerten sie sich auf den Boden, hielten sich gegenseitig fest und verharrten in dieser grotesken Position.
So blieben sie, selbst als das Haus über ihnen längst zu Staub verfallen war.

ENDE

copyright by Poncher (SV)

15.04.04 – 18.06.04​

 

hihallöchen poncher!


Der Zeitpunkt ist ziemlich Scheiße, um auf der Welt zu sein."
toller satz

hoffe, Sie kommen damit über die Runden
na, dass lässt ja auf einiges schließen!

'Sie schlurfen nicht, Cole!', ermahnte er sich. 'Sie sind schnell und gefährlich...'
aber wenn sie aus den gräbern kommen, glaub ich, dass sie schon schlurfen. immerhin sind sie dann ja schon teilweise oder ganz verwest. ;)

"Tote, die in der Hölle keinen Platz mehr haben."
greetings to dawn of the dead ;)

"Natürlich verstehe ich das. Weiß du? Es ist deine Gleichgültigkeit
weißt du

sah nach links zu Rachel und Cole Parker. Beide saßen angelehnt an der Wand, die Köpfe aneinandergelegt. Sie bewegten sich nicht.
Das Rachel-Wesen öffnete seinen Mund und gab einen kaum hörbaren Zischlaut von sich. Gerade, als es aufspringen wollte, um das kleine Geschöpf noch vor der Tür abzufangen, bewegte sich etwas neben ihm. Das Rachel-Wesen drehte seinen Kopf nach links, und spreizte dabei die Finger der rechten Hand.
Plötzlich wurde eine Tür aufgestoßen. Das Rachel-Wesen zuckte zusammen und hielt inne, aufgeschreckt wie ein tollwütiger Wolf. Eine große Gestalt betrat den Raum, sah sich um, atmete heftig und laut
"Alle Kerzen sind in der Nacht abgebrannt...", flüsterte Stu zu sich selbst und lächelte. Er klopfte mit dem Fingerknöchel gegen die Scheibe. "Joe!", rief er. Ruth Mullon setzte sich aufrecht hin, die Decke immer noch über dem Kopf.
irgendwas stimm da nicht. joe geht in den raum und das ehepaar parker lehnt aneinander (merke: sie ist noch nicht dabei cole zu zerfleischen). Joe hört ein klopfen. (merke 2: es ist stu).
stu verlässt mit den kindern den raum und rachel frisst ihren mann. stu geht zurück, sieht seinen bruder, der gerade den raum betreten hat und klopft.
:confused:

Ohnmächtig mußte er mit ansehen,
wie kann er irgendwas sehen, wenn er bewusstlos ist?

wow! also, ich glaube, ich bin jetzt eine ewigkeit hier gesessen und hab gelesen (ich glaube, meine augen bluten?).
und das bedeutet was. eine total spannende geschichte. sehr gut geschrieben.
und was mir am besten gefällt: ohne happy end.

cu Tama

 

Hallo Poncher!

Du weisst, ich bin in ein großer Fan deiner Geschichten, auch wenn diese hier wieder mal in den USA spielt und bis zu der Stelle, an die ich bis jetzt gelesen habe, kein Kleinstadt-Klischee außer Acht lässt.
Allerdings solltest du meiner Meinung nach dringend mehr Absätze machen, vor allem bei wörtlicher Rede, da ansonsten der Lesefluss enorm leidet.
Wie gesagt: ich habe die Story noch nicht zuende gelesen, da ich momentan nicht drucken kann.
Ausführlichere Kritik folgt.

Grüße

Cerberus

 

Tagchen!

@Tamira: Keine Angst, mir ist da nichts durcheinander geraten. Allerdings muß ich zugeben, es wohl ein wenig zu kompliziert gemacht zu haben. Das ist alles die selbe Szene aus verschiedenen Perspektiven. Jetzt, da du weißt, wie ich es meine, sollte es verständlich sein. (Ist natürlich meine Schuld als Autor)

Ich hoffe, deine Augen haben nicht zuviel Blut verloren. Danke fürs Lesen!


@Jo_oder_so: Ah! Der mit dem tollen Nick... Hehe. Danke für die Aufzählungen. Momentan muß ich diese Geschichte aber erstmal sacken lassen, soll heißen, ich habe keine Zeit/Kraft/Lust/Muse, um Verbesserungen einzubauen. Und was die Länge betrifft: Nun, wenn es sich im Großen und Ganzen flüssig liest, stellt sowas mE kein Problem dar. Klar, die "Definition von einer KG" ist wohl in diesem Fall etwas ausgereizt...

Auch dir Danke fürs Lesen, schön, dass es dir gefallen hat.


@Cerberus81: Ich bin gespannt auf dein vernichtendes Urteil.


Grüße,
Poncher

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich bin gespannt auf dein vernichtendes Urteil.

So schlimm ist es nicht :D

Da ich diese Geschichte (wie viele in letzter Zeit) auf der Arbeit gelesen habe, kann ich dir leider keine Zitate anbieten.

Der Anfang ist - wie bereits erwähnt - von Klischees geradezu überladen. Da kommt das stumpfsinnige Militär daher (obwohl ich leider fürchte, dass dies nur teilweise ein Klischee ist). Dann die brave amerikanische Kleinstadt mit ihrem "Tunichtgut", dem gerechten Sheriff und einem kleinen Krämerladen....Aber verdammt! Solche Szenarien sind für eine Zombiestory nunmal optimal. Auch wenn ich ein Verfechter der hierzulande spielenden Geschichten bin, so ist es wahrlich alles andere als leicht, geeignete Locations zu finden. Kleinstädte gibt es hier zwar auch, aber sind diese eben ganz anders, als die in den USA.
Der langen Rede einen kurzen Sinn verpassend: Ein wenig stören mich diese ewigen Wiederholungen der immer gleichen Schauplätze schon, aber eine richtige Alternative kann ich dir in Bezug auf diesen Text auch nicht nennen.
Okay, weitere Ausschweifungen:
Bei der Sache mit dem Autosalon ist dir scheinbar selbst aufgefallen, das dieser an einem solchen Platz irgendwie keinen Sinn macht *g*
Die beiden Deputies (Deputys?), na, die beiden Polizisten halt, spielen keine wichtige Rolle und trotzdem erzählst du ellenlang über sie. Da ich auf Geschwafel stehe, ist das okay. Was ich allerdings wirklich überflüssig fand, war die Szene mit dem Hund, der sich in die Kapelle flüchtet. Zuerst bin ich davon ausgegangen, die Szene hätte eine elementare Bedeutung für den Plot. Hatte sie aber nicht und deshalb ploppte hier dieses imaginäre Fragezeichen über meinem Kopf auf.
Alle anderen Charaktere hast du meiner Meinung nach ausgesprochen brilliant in den Text integriert und ihnen (wenn auch teilweise eine etwas platte) Persönlichkeit verliehen.
Die Endzeitatmosphäre kommt zudem gut rüber, auch wenn ich es etwas arg unglaubwürdig finde, dass die Menschen erst so spät von der Katastrophe erfahren. Gut, du schiebst das darauf, dass es nur zwei Satellitenradios in der Stadt gibt, aber bei einem Desaster diesen Ausmaßes, bei dem bereits das Militär zum Einsatz kommt, da müsste längst etwas im Fernsehen laufen und Fernseher wird es ja wohl selbst in dieser Stadt geben, oder?
Ansonsten eine nicht wirklich typische Poncher Geschichte. Natürlich ignorierst du wieder konsequent alle Fragen nach dem "Warum" und lieferst lediglich Andeutungen in Form düsterer Traumvisionen...für meinen Geschmack ist das ausreichend. Was ich aber wirklich gerne gewusst hätte ist, wie sich das vermeintliche Virus auf die Menschen übeträgt. Einige infizieren sich im Schlaf, andere nicht. Auch beim Ende bin ich nicht durchgestiegen und da ich selbst oft solche kryptischen Plots entwerfe, bei denen am Schluss niemand mehr kapiert, um was es geht, erlaube ich mir jetzt mal eine ziemlich dreiste Bemerkung: Ich denke, du bist beim Ende ebenfalls nicht durchgestiegen, oder?
Du konfrontierst den Leser mit vielen Gedankenanstößen, die aber später nicht mehr relevant sind. Zum Beispiel fragt Stu sich, weshalb ausgerechnet Kekse und Mineralwasser in dem Koffer sind, so, als wenn du den Leser auf irgendetwas aufmerksam machen wolltest. Später spielt dies keine Rolle mehr und auch die Radiodurchsage kam ziemlich pseudo mystisch daher; verstärkt noch durch das Zombiewesen, das im Keller wartet. Natürlich wirkt das irgendwie. Aber die Stories, die ich bislang von dir gelesen haben, waren in sich schlüssiger, auch wenn du bei diesen ebenfalls vieles im dunkeln gelassen hast. So hat sich diesesmal nicht wirklich eine Gänsehaut bei mir eingestellt.
Aber größtenteils hast du ja auch Wert auf Action gelegt und das wiederum ist dir sehr gut gelungen. Vom Stil her sehr gut geschrieben und mitreißend, stellenweise richtig spannend.
Das am Ende alle draufgehen, war mir zwar klar, aber die Beschreibung der Flucht ist dir trotzdem genial gelungen.

Fazit: Ausgesprochen unterhaltsame Geschichte, spannend geschrieben, schön lang, aber teilweise etwas kitschig und der Versuch der Mystik ist diesesmal etwas auf der Spur liegen geblieben. Außerdem sehr viele Klischees. Habe die Story aber dennoch gerne gelesen.

Beste Grüße

Cerberus

 

hi nochmal!

mit den unterschiedlichen perspektiven find ichs ja okay, auch verständlich, aber irgendwie tut joe etwas und rachel tut nichts. dann tut rachel etwas und joe etwas anderes (klingt jetzt bescheuert)

Joe

Er holte tief Luft und zog die Tür zurück, gleichzeitig ging er einen Schritt nach hinten und ballte die Fäuste. Niemand griff ihn an. Er zählte stumm einen kurzen Countdown rückwärts und betrat das große Wohnzimmer. Schnell verschaffte er sich einen Überblick: Ruth Mullon lag vor dem Sofa, die Decke über den Kopf gezogen. Sie bewegte sich nicht. Joe sah nach links zu Rachel und Cole Parker. Beide saßen angelehnt an der Wand, die Köpfe aneinandergelegt. Sie bewegten sich nicht. Auf Rachels Haut hatten sich kleine dunkle Flecken gebildet

Rachel
Das Rachel-Wesen hatte das kleine Ding, welches das Haus verlassen hatte, vergessen. Es zog die Hand aus dem Körper des toten Menschen, hielt sie sich vor das Gesicht und schnupperte daran. Es zischte erneut und stopfte sich gierig Nieren-, Fleisch- und Darmstücke in den Mund, würgte sie herunter, und rollte dabei mit den weit aufgerissenen, grauen Augen. Plötzlich wurde eine Tür aufgestoßen. Das Rachel-Wesen zuckte zusammen und hielt inne, aufgeschreckt wie ein tollwütiger Wolf. Eine große Gestalt betrat den Raum, sah sich um, atmete heftig und laut. Das Wesen zischte leise, ohne, dass es das wollte.
ich schätze die Gestalt war Joe, oder lieg ich da falsch?

Stu

Er sah durch die Fensterscheibe. Joe stand im Raum, bewegte sich nicht. "Oh Scheiße...", murmelte Stu und begann fieberhaft zu überlegen, auf was er nun setzen sollte: Lebte sein Bruder noch? War Joe zu einem Zombie geworden? Die Chancen waren 50:50. Doch dann sah er trotz der schmutzigen Scheiben, trotz der Dunkelheit im Raum, Joes Augen. Und diese wirkten mehr als lebendig.

ich versteh das trotzdem nicht.
Joe betritt das Wohnzimmer und die beiden Parkers oder wie sie heißen lehnen an der Wand (Merke sie frisst ihn noch nicht, ich bin mir sicher, das hätte er nicht übersehen, oder?)
Rachels Sicht: Sie frisst ihren Mann und dann öffnet sich die Tür und eine große Gestalt betritt den Raum

Ich checks ned. :confused:

Erklärst mir bitte.

cu Tama :D

 

Zum Gruss Poncher

Ich muss sagen in letzter Zeit habe ich eher lustlos hier auf Kg.de vorbeigeschaut. Deine Geschichte war glaube ich, die erste seit langer Zeit, die ich mal wieder ganz durchgelesen hab. :hmm:

Also, wie schon erwähnt wurde ist die Geschichte ziemlich lang, aber eben sehr flüssig geschrieben und wirklich gut zu lesen.
Du beschreibst ziemlich ausführlich und umfangreich, was mir persönlich wirklich gut gefällt. Im Gegensatz zu Cerberus, fand ich zum Beispiel die Stelle mit dem Hund ziemlich genial.

Der Schäferhund wedelte schwach mit seinem buschigen Schwanz. Er konnte nicht mehr aufstehen. Dann wurde er wieder hochgehoben, und Bruchteile von Sekunden später riss ihm etwas den Bauch auf.

Fand ich ja fast schon zum heulen traurig... :crying:

Naja ein bisschen zu "meschlich", waren die Gefühle vom lieben Adolf (rofl) schon. Aber ich fands halt wirklich gut. :)

Das es kein Happy End gab hatte ich schon erwartet und fand das Finale ziemlich cool. Man merkt halt wie Stu langsam aber sicher den Verstand verliert - von wegen Sekunden zählen zwischen Grunzen und Zischen. :D
Und auch seine Gedanken als er den Koffer öffnet...zeimlich bizarr.

Jetzt das neagtive: Die meisten der Prots. wirken ziemlich hohl, ausdruckslos, fast schon grau und langweilig.
Besonders lange Zeit, konnte ich mich nicht entscheiden wer langweiliger war; Stu oder sein Bruder. (Sorry!) :shy:
Auch den beiden Kindern hast du meiner Meinung nach nicht genug Leben eingehaucht. :hmm:

Aber alles in allem, war die Story sehr unterhaltsam und super zu lesen.
Ich hab die Geschichte dummerweise auch am Monitor gelesen...! Aber das ist ja wohl meine Schuld. :D

Noch ne kleine Frage: Warum hast du den einen Bullen bloß Wesley Crusher genannt? Wie bei Kirk in der Doody Falls? Story musste ich permanent an die Enterprise denken! ;)

MFG Odin

 

Auf die Schnelle:

Cerberus: Okay, Klischees... Ich arbeite daran. Für mich als Autor ist eigentlich alles klar und verständlich. Eine Erklärung, wie und warum das Virus (oder was auch immer) wirkt, gibt es nicht. Aber du hast Recht, vielleicht wäre ein kleiner Hint wohl angemessen gewesen. Okay, für die Zukunft vermerkt.

Odin: Ich hab Wesley Crusher immer gehasst! Ein neunmalkluger Bengel auf der Brücke des Flagschiffes der Förderation - zum Kotzen! Das die Charaktere oberflächlich bleiben, nun gut, es war wohl der Action geschuldet. (werd mich aber bemühen)

Tamara: So auf die Schnelle nicht möglich. Stell es dir als Film vor, mit den entsprechenden Schnittfolgen, also keine einzige Kameraperspektive. Ja, ich weiß... zu kompliziert.

Wie schon oft gesagt: Mille Grazie fürs Lesen und Durchhalten.

Gruß,
Poncher

 

Hi Poncher

die kg finde ich nur teilweise gelungen. Das auffälligste ist eigentlich, dass du so viele Figuren 'produzierst'. Ich halte das eigentlich für überflüssig und sogar schädlich. Mit welcher Figur soll ich mich denn identifizieren? Außerdem handeln die Leute auch irgendwie komisch.

Kaum hören sie gerüchteweise von Zombies schon stieben sie alle auseinander wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen? Die Regierung weiß von den Zombies, lässt das Dorf aber einfach ins offene Messer laufen? Warum haben die den Sheriff eingesperrt? Aber vielleicht habe ich da was überlesen.

Was ich auch komisch fand, war dass die Menschen offensichtlich gar nicht tot sein müssen, um zum Zombie zu mutieren. Irgendwie mutet das ziemlich willkürlich an.

Die stärkste Szene war mMn mit der brennenden Kirche, der Priesterin und dem Hund. Ziemlich symbolträchtig. Am Ende die Fahrt mit dem kleinen Zombie fand ich auch nicht schlecht. Aber dem Kuddelmuddel in der Hütte, wo du gleich zweimal die Geschichte mit der Bärentür erzählst, konnte ich nicht so viel abgewinnen. Weiß auch nicht weniger Personen wär vielleicht mehr gewesen.

Fazit: doch etwas durchwachsen.

Nichts für ungut
Texter

 

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