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Warteschlange

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04.05.2003
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Warteschlange

Vor der Tür wartet eine Schlange von KlientInnen, die unruhig auf ihren Stühlen wippen. Ein Teil von ihnen läuft den Gang auf und ab, andere können sich vor Resignation nicht mehr bewegen. Wie eine kleine Ameisenstrasse, die zwar auf gewisse Art und Weise organisiert sein mag, aber von außen betrachtet wie ein chaotisches Gewühl wirkt. In den Gesichtern mischt sich ein Ausdruck, der nach Sicherheit, Geborgenheit, Information oder Hilfe schreit. Über ihnen liegt ein Schleier der Erwartung. Erwartend, dass sie sich besser fühlen, sobald sie den Gang verlassen und die Tür hinter ihnen ins feste Schloss fällt. Sie alle wünschen sich, draußen im freien, auf die Straße und Bäume schauend, durchatmen zu können und sich befreiter und endlich mit Hoffnung gefüllt, fühlen zu können. Ein bisschen Freiheit durch die Nase inhalieren.

„Die nächste bitte“, höre ich mich sagen, ohne dass es sich anfühlt, als hätte ich das eben gesagt. Den Blick lasse ich nach wie vor durch den Gang streifen. Ich atme tief, um die Atmosphäre schnell aufsaugen zu können, in den 10 Sekunden, wo ich die Tür meines Büros öffne. Und in diesem Moment hätte ich mir gewünscht (Wünsche, sie sind hier ein Verbot und nicht zugelassen), es wäre jemand anderer an der Reihe gewesen. Jemanden, ich meine eine Ausnahme, dem ich eine positive Nachricht hätte übermitteln können. Der Begrüßung folgend wusste ich, dass mein nächster Satz mein Gegenüber treffen würde wie ein Schuss. Eine Granate, die sie kannte aus ihrer Vergangenheit, der Grund, warum sie überhaupt vor mir Platz nahm.

„Es tut mir leid für Sie, es bleibt weiterhin steinig und hart für Sie!“ Volltreffer! Wissentlich! Dennoch kann ich sie nicht verschonen, auch dann nicht, wenn ich wollte oder mir ersehnte. Schlimmer ist es, eine Hoffnung zu schüren, die nach dem Granateneinschlag zusammenstürzt. Und ich weiß, dass der Angriff starten wird, ob sie standhalten kann bezweifle ich. Der Staat ist mächtig, unbeeindruckt von dem Gesichtsausdruck meines Gegenübers und den Emotionen von ihr und mir, weil er sie nicht einmal kennt. Sie bleibt lediglich eine Nummer während des ganzen Prozesses. Opfer haben im Krieg kein Gesicht! Ich werde zwar an ihrer Seite stehen, doch ich kann nicht fallen. Ich bin in Sicherheit, bin neutral, weil ich über das richtige Dokument verfüge. Ein Stück Papier!

„Ihrem Antrag auf Schutz wird wohl nicht stattgegeben werden, die Chancen stehen schlecht, nach wie vor!“ Sie beginnt stotternd, in gebrochenem Deutsch, mir Wörter entgegenzuhusten, die von ihrer Heimat erzählen. ... und ich, ich werde sie bald unterbrechen, weil ich die Geschichte kenne, ich sie verstehe aber weitere Informationen brauche, die sie schmerzen aber vielleicht retten. In mir das Gefühl, dass die Kehle schürt. Ich kann mich nicht abfinden, warum mir die Hände dennoch gebunden sind. Aber für Gefühle bleibt auch bei mir wenig Raum, lediglich ein kleiner Unterschlupf. Wichtiger ist eine ausgefeilte Strategie und ich beginne wieder und wieder Fragen zu stellen, suche nach Lücken, nach Informationen, die ihr ein Schutzschild bauen könnten. Ich merke, wie sie enttäuscht ist, dass ich rational wirke. Doch ich weiß, dass das die einzige Hilfe ist, die ich ihr jetzt bieten kann. Es hilft nicht zu reden, was sie fühlt, sondern nach Fakten zu suchen, die sie retten. Es ist eine gefährliche Suche, wie nach Minen, die sie kennt und die so gefährdend sind, dass sie ihr das Leben nehmen können oder zumindest zur Hölle machen können.

„Ich will bleiben“ sagt sie zum Abschied“! Ich finde mich in der Position in der Schlacht, wo ich ihr gerne Hoffnung geben möchte, ihr flüstern möchte, dass sie das bestimmt schaffen kann. Ich wünschte ihr, dass sie den Gang verlassen könnte, hinter ihr die Tür schließt und lächelt, weil ich ihr das gab, was sie sich erwartet hat.

„Wir werden berufen!“ Wir kämpfen weiter, wissend, dass wir mit schlechten Waffen ausgerüstet sind. Die Munition und Abwehr des Westens sind ebenso schmerzvoll, wie in ihrer Heimat, denke ich mir, als ich ihr ins Gesicht sehe und die Muskeln erschlaffen.

„Durchhalten“ sage ich und drücke kurz ihre Hand, während ich ihr direkt in die Iris sehe. Ich begleite sie zur Tür, öffne sie und sehe in den Flur, die Schlange nach wie vor nicht enden wollend – obwohl fünf Menschen gleichzeitig meine Büro stürmen – Kinder laufen quietschend und aufgeweckt durch mein Büro, während vier trostlose Augen auf das Aufnahmeformular vor mir starren und ich ihre erste Frage beantworte, „Ja – dieses Land ist ein sicherer Staat.“ Und alles was folgt ... wird ihnen den Magen umdrehen.

 

Hallo Sabine,

das Thema deiner Geschichte hat mir gut gefallen. Die Hoffnungslosigkeit auf beiden Seiten hast du gut verdeutlicht. Was für eine Aufgabe, mit wenigen Sätzen über das Schicksal dieser Menschen zu entscheiden.

Die Umsetzung hat mir leider nicht ganz so gut gefallen. Gestört haben mich die Fehler in der Grammatik und im Satzbau, weil sie das Lesen schwer gemacht haben - bei einigen Sätzen hatte ich nach mehrmaligem Lesen einfach das Gefühl, dass sie unvollständig sind. Ich hab mal ein Beispiel rausgesucht:

Ich wünschte ihr, dass sie den Gang verlassen könnte, hinter ihr schließt und lächelt, ich das gebe, was sie sich erwartet hat.
Vielleicht hast Du ja Lust, die Geschichte nochmal diesbezüglich zu überarbeiten. Lohnen würde es sich, denn dann wäre die Geschichte richtig gut!

Liebe Grüße
Juschi

 

Hallo Sabine,

auch mir hat das Thema gut gefallen. Nach dem Lesen hatte ich aber das Gefühl, dass mir irgendwas fehlte. Das kann aber auch an mir liegen.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Menschen, die in solchen Behörden arbeiten ( ich denke, es ist eine eher eine Behörde als eine Kanzlei, oder? Die Andeutungen mit dem Gang, etc, lassen darauf schliesen), oft abgestumpft sind. Ich will nicht behaupten, dass ihnen alle Schicksale egal sind, aber es ist wohl wie bei einem Arzt, der sich ja auch nicht erlauben kann, alles zu nahe an sich herankommen zu lassen. Natürlich fühlen sie mit, aber es ist eben ein Schutzmechanismus, um nicht selbst kaputt zu gehen.

Beim Lesen ging es mir ähnlich wie Juschi. Manche Sätze kamen mir etwas merkwürdig vor. Vielleicht würde es manchmal schon helfen, aus einem Satz zwei zu machen.

Der letzte Satz hingegen hat mir sehr gut gefallen. Ich denke auch, dass Du noch viel mehr aus Deiner Geschichte herausholen könntest :)

Liebe Grüße,
gori

 

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