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Where The Wild Roses Grow

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30.12.2002
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Where The Wild Roses Grow

Where The Wild Roses Grow

They call me The Wild Rose
But my name was Elisa Day
Why they call me it I do not know
For my name was Elisa Day

Ich sah sie sofort, als sie den düsteren Club betrat. Sie war alleine und Traurigkeit umhüllte sie. Dunkles, leicht gelocktes Haar, das ihr über den Rücken fiel, ein geschminktes Gesicht und ein enges, schwarzrotes Kleid über das sie eine Lederjacke trug. Sie sah älter aus, als sie war und ich schätzte ihr wahres Alter auf süsse Sechzehn. Wie kann ein solch junger Mensch von einer derartigen Traurigkeit umgeben sein?
Irgend etwas zog mich an ihr an. Die ganze Nacht liess ich sie nicht aus den Augen. Sie tanzte die ganze Zeit und ihr Tanz hatte etwas ekstasisches an sich. Sie erschien mir wie in Trance und sie nahm nur noch die Musik wahr. Mein Verlangen erwachte, ich wollte dieses Mädchen kennen lernen, wollte alle ihre Geheimnisse erfahren.
Spät in der Nacht klärte sich ihr Blick ein wenig und sie setzte sich in einer Ecke des Clubs an ein kleines Tischchen. Ich sah, dass meine Chance gekommen war, und ich lief zu ihr hinüber. Mit einem sanften Lächeln schaute sie mich an und meine Augen setzten sich auf ihrem Mund fest. Ihre Lippen hatten die Farbe einer dunkelroten Rose. Ich schaute ihr in die Augen und sie erwiderte meinen Blick. Langsam näherten sich meine Lippen den ihren. Und ohne dass wir uns vorher unterhalten hätten, küssten wir uns. Ihre Lippen waren unglaublich weich und zart und sie strahlten ein schmerzliches Verlangen aus. Ich rutschte neben sie und nahm sie liebevoll in den Arm. Dieses kleine Mädchen, das doch eigentlich gar nicht so erwachsen war, wie sie sich geben wollte.
Ich schalte mich selber einen Narren. Wie konnte ich nur mein Herz so schnell an ein solch junges Ding verlieren. Doch als sie sich noch weiter an mich kuschelte und meine Lippen suchte, warf ich alle Bedenken über Bord.

From the first day I saw her I knew she was the one
She stared in my eyes and smiled
For her lips were the colour of the roses
That grew down the river, all bloody and wild
When he knocked on my door and entered the room
My trembling subsided in his sure embrace
He would be my first man, and with a careful hand
He wiped at the tears that ran down my face

Eigentlich wollte ich nur eine Nacht lang durchtanzen. Doch dann war da dieser Typ. Kein Schönling, nein. Aber er hatte irgend etwas Geheimnisvolles an sich, dass mich faszinierte. Und als er dann zu mir rüberkam und mich einfach so küsste, sah die Welt schon viel besser aus. Später gingen wir zu ihm. Dort angekommen, war ich ein bisschen unsicher. Man wusste ja nie, welchen Typen man so über den Weg lief. Doch als er anfing, mich unglaublich zärtlich zu küssen, verflogen diese Zweifel schnell. Vorsichtig bedeckte er mein ganzes Gesicht mit Küssen, die so leicht waren, dass ich sie kaum spürte. Doch gerade diese angedeuteten Berührungen brachten mich zum Zittern. Und er blieb nicht bei meinem Gesicht. Immer tiefer glitt er, zuerst über den Hals, dann über die Brust, mit seinen Lippen über den rauhen Stoff meines Kleides streifend.
Nach einer mir endlos lange erscheinenden Zeit hob er mich vorsichtig hoch und trug mich auf sein Bett.

Ich stand neben meinem Bett und schaute ihr beim Schlafen zu. Sie war so unglaublich schön, dass ich es kaum fassen konnte. In meiner Hand hatte ich eine Blume, die ich ihr schenken wollte. Doch ich konnte mich gedulden. Um nichts in der Welt wollte ich sie jetzt wecken. Meine Gedanken schweiften zurück zur letzten Nacht. Dieses Mädchen war perfekt. Dabei kannte ich noch nicht einmal ihren Namen. Wie sie wohl heissen mochte? Doch letztendlich war es egal. Und so sass ich weiter neben ihr und schaute sie an.
Nach einer Weile fing sie an, sich zu bewegen. Mit kleinen Seufzern erwachte sie langsam und als sie endlich ihre Augen öffnete, hätte ich sie am liebsten sofort geküsst. Doch ich hielt mich zurück und lächelte sie nur liebevoll an. Ebenfalls lächelnd setzte sie sich hin und bedachte mich mit einem Blick, der mich halb wahnsinnig machte. Einem Blick, der nur jungen Mädchen eigen war.
Die Unschuld mit dem Feuer vermischt.
Da konnte ich nicht mehr widerstehen und fing an sie zu küssen. Begierig erwiderte sie meinen Kuss, doch dann zog ich mich zurück. Schliesslich hatte ich ein Geschenk für sie.
Und ich gab ihr eine Rose. Eine Rose, wild und blutig. Wie ihre Lippen.

On the second day I brought her a flower
She was more beautiful than any woman I’d seen
I said: „Do you know where the wild roses grow
So sweet and scarlet and free?“
On the second day he came with a single red rose
Said: „Will you give me your loss and your sorrow“
I nodded my head, as I lay on the bed
He said „If I show you the roses, will you follow?“

Beim Aufwachen fühlte ich mich so gut wie schon lange nicht mehr. Und als ich dann auch noch die wunderschöne Rose bekam, hätte ich am liebsten geweint. Die Rose war dunkelrot, noch nicht ganz geöffnet. Sie roch wild und trotzdem süss. Während ich an der Blume schnupperte, nahm er mich in die Arme und sagte zu mir, er werde dafür sorgen, dass ich nie mehr traurig sein würde. Ich glaubte ihm. Glaubte ihm, dass er mich beschützen würde.
Und als er mich fragte, ob er mir zeigen solle, wo die wilden Rosen wuchsen, nickte ich.
Zum ersten Mal in meinem Leben war ich glücklich.

Am nächsten Tag wartete ich in einem Café auf ihn. Ich hatte ein bisschen Angst, dass ich vielleicht alles nur geträumt hatte oder dass es für ihn nur ein Abenteuer war. Doch dann sah ich ihn kommen. Mein Herz schlug schneller. Er kam auf mich zu und nahm mich in die Arme, küsste mich zur Begrüssung. Danach nahm er mich bei der Hand und führte mich zu seinem Auto. Wir stiegen ein und er fuhr los. Ich wusste nicht genau, wohin wir fuhren. Ich wusste nur, dass es in Richtung Rosen ging. Während der ganzen Fahrt schwiegen wir, doch es war ein angenehmes Schweigen. Ich dachte über die Rosen nach. Wie unglaublich schön musste ein Ort sein, an dem solche Blumen wuchsen.
So verging die Zeit, und als er anhielt, waren wir weit in der Wildnis. Weit und breit keine Dörfer, geschweige denn eine Stadt. Das Wetter war nicht besonders gut, dunkle Wolken bedeckten den Himmel. Doch das konnte meine Laune nicht trüben. Wir stiegen aus und er führte mich zu dem Fluss hinunter. Und dann verschlug es mir den Atem. Ein blutrotes Feld voller wilder Rosen. Er hob mich hoch und trug mich darüber. In der Mitte des Feldes legte er mich ab. Sofort schlug der süsse Duft der Rosen über mir zusammen und ich schloss die Augen. Eigentlich erwartete ich einen Kuss von ihm, doch als der nicht kam, öffnete ich meine Augen wieder. Lächelnd hatte er sich über mich gebeugt, in seiner Hand befand sich ein Stein. Das Letzte, was ich sah war, wie er weit ausholte.

On the third day he took me to the river
He showed me the roses and we kissed
And the last thing I heard was a muttered word
As he knelt above me with a rock in his fist
On the last day I took her where the wild roses grow
And she lay on the bank, the wind light as a thief
And I kissed her goodbye, said: „All beauty must die“
And lent down and planted a rose between her teeth

Als ich sie da so liegen sah, so jung und schön, wollte ich sie niemals mit jemandem teilen. Deshalb wusste ich, dass ich das Richtige machen würde. Ein letztes Mal erinnerte ich mich an die eine Nacht. Ich war der Erste und ich würde der Letzte sein.
Den Stein hatte ich schon vorher ausgesucht. Wie sie da lag. Wahrscheinlich erwartete sie einen Kuss. Als sie die Augen öffnete und mich anlächelte, holte ich aus und schlug zu.
So starb das junge Mädchen dort, wo die wilden Rosen wuchsen.

Ein paar Tage später erfuhr ich durch die Zeitung ihren Namen.
Sie hiess Elisa Day.

Das Copyright von dem Song "Where The Wild Roses Grow" liegt bei Nick Cave and the bad seeds & Kylie Minogue

 
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Berian schrieb:
Das Copyright von dem Song "Where The Wild Roses Grow" liegt bei Nick Cave and the bad seeds.

Ich glaube, gelesen zu haben, dass auch Kylie an dem Lied mitgeschrieben hat, aber erschlag mich nicht mit einem Stein und versenk mich, wenn ich Unrecht habe.

Da ich das Lied, das Video und die The Bad Seeds liebe, habe ich Geschichte natürlich gelesen.
Erstmal: Großartig geschrieben. Der Stil ist so flüssig wie Kylies letzte Ruhestätte, und das macht es einfach, die Geschichte in einem Zug durchzulesen.

Inhaltlich war mir und jedem, der das Lied und das Video schon kennt, natürlich klar, dass er Mann sie erschlagen und versenken würde. Deshalb konnte mich das nicht mehr überraschen.

Dennoch hat es die Empfehlung und die Teilnahme an den Top 2003 verdient. Top Story!

Vollkommen sinnloses Geschwafel:

Du schreibst, dass das Lied die Vorgabe war... aber dennoch drängen sich mir zwei Fragen auf:
1. wie konnte das Mädchen noch davon berichten, was mit ihr geschah (vor allem den letzten Augenblick)?

Das kommt aus em Video. Man sieht Kylie Minogue, die eigentlich schon tot im See liegt, aber dennoch singt. Das kann man sowohl im Video als auch in der Geschichte als Stilmittel betrachten.

2. warum genießt der Prot nicht erst die gemeinsame Zeit und tötet sie erst dann,
wenn er Anzeichen von Trennungswünschen bei ihr erkennt?

Weil sie ihm während dieser gemeinsamen Zeit vielleicht die Trennungsrede halten könnte? So würde ich es mir jedenfalls erkläre, müsste ich mir in dieser Geschichte überhaupt noch was erklären, wo sie doch so schön überstilisert erzählt ist.

Nick Cave hat eine echt seltsame Stimme :) .

Er hat eine großartige Stimme. Aber eine ziemlich beknatterte Frisur.

Übrigends, da es bisher noch niemandem aufgefallen ist: Nick Cave hat es ohne die Bad Seeds gesungen, dafür aber mit Kylie Minogue. Ich denke, das sollte man schon unten im Copyright- Vermerk eintragen.

Grüße,

Lestat

 

@ Jo_oder_so

Ich vesuche mal, deine Fragen zu beantworten.
1. Ich wollte es so darstellen, dass der Leser während des Lesens in die Haut der Charaktere schlüpft, und zwar immer abwechslungsweise. Die Geschichte wird nicht von dem Mädchen oder dem Mann an eine dritte Person erzählt. Man sieht einfach, was die jeweilige Person auch gerade sieht. Und deshalb kann sie auch genau bis zu ihrem Tod erzählen und danach nicht mehr. Naja, es tönt jetzt ein bisschen wirr, aber vielleicht hilft es dir ja.

2. Naja, auf diese Frage gibt es nicht wirklich eine Antwort. Ich wollte die Kleine halt möglichst schnell tot haben. Launen der Autorin :-).

@ Lestat
Danke fürs Lesen und "verteidigen" :-). Ich muss ehrlich sagen, dass ich das Video zu dem Zeitpunkt, als ich die Geschichte geschrieben habe, noch nicht gekannt habe.
Schön, dass dir die Geschichte so gut gefallen hat und danke für die Komplimente.
Wegen dem Copyright habe ich keine Ahnung, aber ich schaue nach und ändere es gegebenfalls.

Liebe Grüsse!
Berian

 

Inzwischen die dritte Geschichte von dir, die mich restlos überzeugt.
Sicher, am Anfang machst du ein paar Flüchtigkeitsfehler, die mir deswegen ins Auge gefallen sind, weil ich nach dem ersten Abschnitt noch nicht so drin war (Interpunktion, Rechtschreibung), aber der Inhalt verbunden mit deinem beeindruckenden Stil sorgt dafür, dass diese kleinen Fehler nicht ins Gewicht fallen.
Der Cave-Song ist inzwischen ja fast unsterblich, Kylie ist Kult, und deine Hommage kommt so schlafwandlerisch sicher auf den Punkt, dass ich am Ende der Geschichte beinahe sprachlos wahr.

"Nach einer Weile fing sie an, sich zu bewegen. Mit kleinen Seufzern erwachte sie langsam und als sie endlich ihre Augen öffnete, hätte ich sie am liebsten sofort geküsst. Doch ich hielt mich zurück und lächelte sie nur liebevoll an. Ebenfalls lächelnd setzte sie sich hin und bedachte mich mit einem Blick, der mich halb wahnsinnig machte. Einem Blick, der nur jungen Mädchen eigen war.
Die Unschuld mit dem Feuer vermischt.
Da konnte ich nicht mehr widerstehen und fing an sie zu küssen. Begierig erwiderte sie meinen Kuss, doch dann zog ich mich zurück.
Schliesslich hatte ich ein Geschenk für sie.
Und ich gab ihr eine Rose. Eine Rose, wild und blutig. Wie ihre Lippen."

Diese Passage könnte auch von Nabokov stammen. Großartig.

Louis Cyphre

 

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