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Zuhause sein

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16.08.2003
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Zuhause sein

Bereits seit fünfunddreißig Minuten steht Anne auf der alten Brücke über dem Fluss, der die Stadt in zwei Hälften teilt. Die Straßenbahn ist bereits viermal hinter ihr vorbeigedonnert. Ihren Blick hat sie auf die hässlichen Wohntürme gerichtet, die im Nebel liegend die friedliche Atmosphäre zerstören. Sie spürt den Widerspruch zwischen deren Starrheit und dem vom Wind bewegten Wasser unter ihr nahezu körperlich. Dissonanz, Vibration von Kopf bis Fuß. Spannung wie im wirklichen Leben. Unstimmigkeit, die der Seele ermöglicht, sich in die Landschaft zu entleeren. Ihre Gedanken verlassen ihren Kopf, breiten sich aus auf dem Wasser unter ihr und plätschern dahin. Sie beobachtet die sich prachtvoll bewegenden Schwäne, den energischen Fluss, ahnt die verdeckte aber dennoch beständige und irgendwo bald untergehende Sonne, fixiert die markanten drei Hochhäuser, um Halt zu finden. Kein Sturm kann ihnen trotzen. Im Hintergrund, nur eine Ahnung: die Berge. Es riecht nach Bier und Schokolade, was nie ein Fremder verstehen wird, der nichts weiß von den Fabriken im Übergang zwischen Wasser und Land.

Der Wind wächst zum Sturm heran, der Anne die ungewaschenen Haare unbarmherzig ins Gesicht peitscht. Es wird kühler. Anne starrt auf das zehn Meter tiefer vorbeifließende Leben, und kann nicht länger ignorieren, dass sie eine Entscheidung treffen muss. Kurz beneidet sie den Strom unter ihr, der keinen freien Willen hat, sondern dessen Vorbestimmung es ist, sich bereits in wenigen Metern mit seinem großen Bruder zu vereinigen, ob es ihm gefällt oder nicht.

„Wir lassen dieses Leben, dieses Monster von Großstadt hinter uns. Bitte Anne, lass mich jetzt nicht allein. Komm mit mir. Endlich weg von alldem. Schreiben kannst Du doch überall. Und vielleicht sucht das Ruhedorfer Echo noch jemanden wie dich.“ So Holger am Abend zuvor. Er hatte den lang ersehnten Job angefangen, letzte Woche, in der Ruhedorfer Kurklinik. Sein halbes Leben war er unbeirrbar auf dieses Ziel zugesteuert. Ruhedorf – irgendwo kurz vor der Grenze, fernab von jeder Zivilisation. In der Nähe jenes bedrohlichen Gebirges, das ihr die Kehle zuschnürt. Sie hatte die Frage, was das für ihre Beziehung bedeuten würde, stets verdrängt und gehofft, dass die 300 Kilometer zusammenschrumpfen würden wenn sie es nur wollten, irgendwie. Dann Holgers Vorschlag gestern Abend, am Ende eines ausgedehnten Telefonats, in dem sie keinen einzigen Kilometer Entfernung mehr gespürt hatte.

Wie ruhelos sie gewesen war in den letzten Jahren. Hamburg, Berlin, München – ständig auf der Reise, immer auf der Suche, ohne zu wissen wonach. Neue Menschen, neue Jobs, neue Lebensentwürfe. Und jetzt, wo sie hier heimisch geworden war, hat sie in Holger den Fixpunkt in ihrem Leben gefunden, endlich. Er hat sie ihren Frieden finden lassen.

Anne öffnet den Reißverschluss ihrer Jacke. Vielleicht würde der Wind ihre Gedanken sortieren, die Gradlinigkeit des Flusses von ihr Besitz nehmen. Sie wendet ihren Blick in Richtung Innenstadt. Diese Stadt ähnelt ihr so sehr, dem Dasein als solchen, den Menschen. Landschaftliche Idylle, verträumte Bergketten, Ruhe – das war gekünstelt, wie ein romantischer Film. Nett, ab und an, aber doch nicht echt, nicht realistisch, nicht das Leben. Glatt, ohne Widersprüche, ohne Spannung, ohne Profil. Harmlos, sanft wie Weichspüler. Aber so war das Leben nicht, so war sie nicht. Kann der Mensch in einer Umgebung leben, die ihm nicht entspricht, ihm nicht ähnelt? Heißt zuhause sein nicht eins sein mit sich und dem Umfeld, wenn die Grenzen verwischen zwischen Innen und Außen? Wenn das Innen Einfluss nimmt auf sein Drumherum, sich das Außen gestalten lässt?

Anne holt das bereits stark beanspruchte Foto, das Holger ihr zum Abschied geschenkt hat, aus ihrem Portemonnaie. Sanft streicht sie ihm über seine braunen Locken. Ich liebe ihn, denkt sie. Er ist all das, was sie nie sein kann. Soll sie ihr Zuhause verlassen für den einen Menschen, bei dem sie zuhause ist? Ihre nächsten Jahre verbringen mit Berichten über den Taubenzüchterverein von Ruhedorf, die Kurkonzerte, die Kirchweih als Höhepunkt des Jahres? Wie soll sie schreiben ohne wirkliches Leben um sie herum, das sich lohnt festgehalten, fixiert zu werden? Hier dagegen die Möglichkeit, jederzeit zwischen Großveranstaltung und Abgeschiedenheit zu wechseln. Genügend Ecken, um sich bei Bedarf zu verkriechen.

Ganz hinten in der Ferne die Berge. Näher müssen sie nicht kommen, und wenn sie sie doch sehen will, ab und an, dann fährt sie zu ihnen, um sie jederzeit wieder verlassen zu können. Aber jeden Tag diese Begrenztheit, diese Atemnot? Kein Horizont, keine freie Sicht, keine tausend Perspektiven, um ihren Blick schweifen zu lassen?

Rastlos verlässt Anne die Brücke, den Fluss, der ein wenig Kontinuität in das wirre Leben dieser Stadt bringt, die der himmlischen so sehr ähnelt. Sie lässt sich treiben durch die zwischen die Häuser gepressten Furchen der Innenstadt. Gejagt von der Angst vor einer Entscheidung, die sie sich und Holger schon seit 24 Stunden schuldig ist, passt sie ihre Geschwindigkeit an die Schnelllebigkeit des Stadtzentrums an. Schneller, immer schneller läuft sie durch die Straßen, gehetzt von dem Ekel vor diesem anderen Leben. Die Dämmerung breitet ihre Arme nach ihr aus, künstliches Licht beginnt langsam das natürliche nur unzureichend zu ersetzen. Schwere Autos brausen unaufhaltsam nur wenige Zentimeter entfernt an ihr vorbei. Gemeinsam mit der Musik aus den Gaststätten, dem ihr unverständlichen Palaver aus dem irakischen Kulturverein, dem Bohren der Bauarbeiter in einem der vielen leeren Ladenlokale bilden sie die unverwechselbare Etüde der Stadt. Kinder spielen zwischen den bunten Blechkästen und werden dies auch in Stunden noch tun. Nur die wenigsten von Ihnen sprechen Annes Sprache. Anne hastet an all dem Vorbei, sieht bekannte Gesichter, tauscht von weitem flüchtige Grüße aus und deutet Händewinken an. Man hält sie nicht auf, wieso auch. Auf den so genannten Gehwegen ist das Gehen nur erschwert möglich, wenn man den Slalom um den Unrat und die Hundehaufen erfolgreich bewältigt. Je tiefer sie eindringt in die Innenstadt, je enger die Straßen, desto wärmer wird es. Die Fassaden der Häuser sind teilweise alt, uralt, und keiner bemüht sich sie jung zu halten trotz Jugendstil. Daneben gequetscht moderner Wohnungsbau, rosa neben grün, zweigeschossig neben fünfgeschossig. Verordnete Uneinheitlichkeit, Unebenheit, Unpassenheit. Eine Bar nach der anderen, eine lauter als die andere, die potentiellen und ehemaligen Gäste sich lauthals austauschend auf der Straße stehend.

Erst im Ebertpark, dem die Häuser nicht mehr Platz zugestehen als einem Garten, hält Anne erschöpft an. Innerlich immer noch getrieben, sinkt sie auf ihre Bank, die vom Wetter gezeichnet ist. Wer sollte es auch verhindern. Er ist der einzige seiner Art in diesem Teil des Zentrums, eine grüne Lunge im Häusermeer der Innenstadt. Anne verschnauft, kommt langsam zur Ruhe. Auch der Sturm lässt nach. Drei der vier Lampen der Oase sind defekt, dies schon seit vielen Monaten, so dass sich die Dämmerung umgestört breit machen kann. Den strengen Geruch nach Hundekot kann auch sie nicht vertreiben. Auf der Bank neben Anne ein alkoholisierter Penner, der sich gemächlich brummend auf die Nacht einrichtet. Auf dem Kinderspielplatz gegenüber werden sich in wenigen Stunden die Menschen einfinden, die den Bodensatz dieser Stadt bilden. Am nächsten Morgen müssen die Erzieherinnen des angrenzenden Kindergartens erst routiniert die Spritzen aufsammeln, bevor sie ihre Schützlinge loslassen können.

Annes Entscheidung ist gefallen, als die Sonne endgültig untergeht für diesen Tag, weit weg hinter den Bergen, und den Moloch in die Nacht entlässt. Deren wiederkehrende Aufforderung, sich endlich etwas Ruhe zu gönnen, wird er sich in den nächsten Stunden erneut erfolgreich widersetzen. Anne zögert noch ein paar Minuten, um ihren neugeborenen Gedanken Zeit zu geben, sich zu Worten zu formen, bevor sie ihr Handy aus der Tasche holt und Holgers Nummer auswendig wählt. Die Stadt, sagt man, die Stadt ist der Ort der Vielfalt. Und genau wie das Außen ist auch das Innen nicht immer schön.

 

Hallo Juschi,

was mir gefällt an deiner Geschichte ist ihre Langsamkeit, ihr ruhiger Aufbau, der sich Zeit lässt auch mal mit einem Blick zu verweilen. Auch die Sprache ist sehr schön, bis auf einige kleine Aussetzer, wie "quadratisch, praktisch, gut".
Was mich störte, war deine Pointe, denn sie geht mir zu sehr auf Holgers Kosten. Während du vorher den Eindruck erweckst, dass es der Ort, in dem er wohnt wäre, der Anne am Zusammenleben hindert, ihre Verbundenheit mir dem Moloch Stadt, kanzelst du alle vorher beschrieben Gefühle ab, in dem du ihr unterstellst, langweilig hätte sie sich nicht zu sagen getraut.
Wi war das mit den Gefühlen?

Anne holt das bereits stark beanspruchte Foto, das Holger ihr zum Abschied geschenkt hat, aus ihrem Portemonnaie. Sanft streicht sie ihm über seine braunen Locken. Ich liebe ihn, denkt sie. Er ist all das, was sie nie sein kann.
Wo sind die am Ende geblieben?
Da empfinde ich deine Geschichte leider als inkonsequent.

Zwei Dinge, die mir nebenbei aufgefallen sind:

Sie beobachtet die sich prachtvoll bewegenden Schwänen,
Schwäne
Die Dissonanz der Landschaft, ihre unauswechselbare Ungleichheit, hat wohl die Unfähigkeit der Architekten von Auswärts zu verantworten.
ist wohl den Architekten

Lieben Gruß, sim

 

Hallo sim, treuster Kritiker meiner Geschichten,

danke für´s Lesen und Deinen Kommentar.
Den ersten Deiner entdeckten Fehler werde ich umgehend korrigieren. Beim zweiten bin ich mir eigentlich sicher, dass mein Satzbau richtig ist, da Subjekt nicht die Architekten sind sondern ihre Unfähigkeit... Ich lass mich aber auch gern eines besseren belehren.
;) "Quadratisch, praktisch, gut" ist übrigens eine der Anspielungen auf die Stadt, die gemeint ist, aber wahrscheinlich wirklich unverständlich für die Leser. Werde ich wohl löschen.

So, nun zum Inhaltlichen:
Genau wie Du ist auch Anne bis kurz vor dem Ende der Geschichte davon überzeugt, dass sie mit Holger zusammen sein will. Ich habe gehofft, durch Formulierungen wie

Sein halbes Leben war er unbeirrbar auf dieses Ziel zugesteuert.
oder
Er hat sie ihren Frieden finden lassen.
oder
Er ist all das, was sie nie sein kann.
dem Leser deutlich zu machen, was die Basis dieser Beziehung ist: Er ist ihr Halt, ihre Sicherheit in ihrem sonst so widersprüchlichen und komplizierten Leben - und dies hat sie irrtümlich mit Liebe verwechselt. In dem Moment, in dem sie merkt, dass sozusagen das Chaos zu ihrer Persönlichkeit gehört und deshalb die Stadt ihr Lebensort ist, erkennt sie, dass sie Holger nicht braucht. Offenbar muss ich diesen Aspekt noch deutlicher herausarbeiten - danke für den Hinweis.

Diese Geschichte unterscheidet sich von meinen vorherigen insofern, dass ich sie hier veröffentlicht habe ohne das Gefühl zu haben, sie auch wirklich abgeschlossen zu haben - woran auch immer das liegt. Ich hoffe also, dass es mir bei ihr leichter fallen wird, sie nochmal zu überarbeiten. Aber ich warte erstmal weitere Kommentare ab.

Liebe Grüße
Juschi

 

Hallo Juschi,

ja bei dem zweiten Fehler habe ich mihc eindeutig getäuscht. Was ich da wohl gestern gelesen habe? ;)

Deine Bemerkungen, mit denen Du die "Absage" durch Anne eingeleitet wissen möchtest, hatten bei mir genau den gegenteiligen Effekt. In ihnen wird zwar durchaus deutlich, dass Holger eher eine ruhigerer Vertreter ist, es kam aber so rüber als wisse Anne das besinders an ihm zu schätzen, durchaus als Ausgleich zum Chais ihrer Persönlichkeit.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo maxy,

vielen Dank für Deinen Kommentar.
Ja, die fehlende Spannung ist der Nachteil der detaillierten Beschreibungen, das verstehe ich.

Somit habe ich jetzt eine positive und eine negative Einschätzung zum Ende der Geschichte - mal sehen, ob ich den Schluss nicht doch noch konsequenter hergeleitet bekomme.

Liebe Grüße,
Juschi

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Juschi,

Deine Prot würde sich gegen ihre Liebe entscheiden, das wurde mir im Verlauf der Geschichte schon klar

Ihre Bitte nach Bedenkzeit hatte sich wie ein Pfeil tief in sein Herz gebohrt. Sie hat es gespürt, hat gelitten in dem Moment, in dem sie ihn abgeschossen hat, aber verhindern konnte sie es nicht

Ich denke mit dieser Passage hast du schon deutlich gemacht, dass deine Prot schon lange bevor Holger sie fragte, ihre Entscheidung im Herzen trug.

Ich denke nicht, dass sie diesen Mann jemals geliebt hatte, vielleicht wollte sie ihn lieben, weil er Charakterzüge hatte, von denen sie meinte dass sie liebenswert sind, welche die sie nicht hatte.

Ich liebe ihn, denkt sie. Er ist all das, was sie nie sein kann.

Das lässt auch den Schluss zu, dass sie sich nicht für liebenswert hält. Ihre Vorliebe für das Chaotische, dass Widersprüchliche, dass Gefühl noch nicht alles erreicht zu haben, aber dennoch einen Ruhepol zu ersehnen, beschreibst du gut mit den Vergleichen die du mit der Beschreibung ihrer Stadt findest. Gerade weil die Verhältnisse in der Stadt unschön und wenig einladend darstellst, erreichst du auch dass deine Prot, die sich damit identifiziert, nicht liebenswert erscheint oder gerade paradoxerweise die Stadt trotz ihrer Hässlichkeit liebenswert wird.
Was in deiner Geschichte fehlt, ist der Charakter des Mannes, den du nur kurz beleuchtest. Er ist unverdienterweise zum Prügelknaben geworden. Denn seine Rolle als Langweiler wird ihm von der Prot. zugeschrieben.
Ehrlicherweise hätte die Prot zugeben müssen:" Ich war in dich verliebt, geliebt habe ich dich nie, verzeih dass ich dir etwas vorgemacht habe, dass du glauben konntest es gäbe eine Zukunft für uns."

Gerne gelesen
Goldene Dame

PS: Vielleicht sollte ich mit meinem letzten Satz eine Geschichte schreiben :D, fällt mir gerade so ein. ;)

 

Hallo Goldene Dame,

danke für Deinen Kommentar zu meiner Geschichte. Du hast einige Dinge sehr schön und genau so erklärt, wie ich sie rüberbringen wollte - freut mich.

Gerade weil die Verhältnisse in der Stadt unschön und wenig einladend darstellst, erreichst du auch dass deine Prot, die sich damit identifiziert, nicht liebenswert erscheint oder gerade paradoxerweise die Stadt trotz ihrer Hässlichkeit liebenswert wird.
Letzeres wollte ich ausdrücken. Anne lernt sich selbst zu lieben trotz ihrer Fehler und Widersprüche, analog zur nicht der gängigen Vorstellung von "schön" entsprechenden Stadt.

Du sagst, dass Dir die Persönlichkeit Holgers in der Geschichte zu blass bleibt. Definitiv wird seiner Person hier keine große Beachtung geschenkt - weil er, wie Anne ja auch letztendlich selbst erkennt, nicht wichtig ist. Er ist ihr lediglich behilfreich, zu sich selbst zu finden, so hart sich das jetzt auch anhört.

Schön, dass Dir die Geschichte gefallen hat.
Liebe Grüße,
Juschi

 

Hallo Juschi,
Nochmal zu deiner Aussage

  • Definitiv wird seiner Person hier keine große Beachtung geschenkt - weil er, wie Anne ja auch letztendlich selbst erkennt, nicht wichtig ist. Er ist ihr lediglich behilfreich, zu sich selbst zu finden, so hart sich das jetzt auch anhört.

Wenn es Annes Bestreben ist zu selbst zu finden, sollte sie meiner Meinung nach auch erkennen, dass ihr Eigennutz, den sie aus dieser Beziehung gezogen hat, andere Menschen verletzen kann. Dazu gehört es auch, dies sich und dem anderen offen einzugestehen. Mit dieser lapidaren Erklärung auf dem Handy belügt sie sich selbst und wertet ihn ab. Das hat er nicht verdient, weil sie es war, die ihn getäuscht hat.
Goldene Dame

 

Hallo Goldene Dame,

ich nochmal. Hm, ich denke ich hab verstanden, worauf Du hinauswillst. Natürlich ist es genauso gewesen wie ich es beschrieben habe - Holger hat nie wirklich eine Rolle gespielt. Deine Frage, ob es der Prot angemessen ist, dies Holger so hart und unsensibel klar zu machen, ist allerdings berechtigt. Denn Anne war selbstverständlich bis kurz vor Ende der Geschichte davon überzeugt, dass sie Holger liebt und das keinesfalls lediglich auf einen Prozess der "Selbstfindung" zu reduzieren ist. Sie hatte niemals vor ihn zu täuschen, zu benutzen. Dementsprechend leid muss es ihr tun, als ihr klar wird, dass sie es dennoch getan hat.

Du siehst also: Botschaft angekommen ;) Ich denk drüber nach, wie man das Ende etwas fairer gestalten kann, ich bin mit der Überarbeitung der Geschichte eh schon zugange.

Danke nochmal und liebe Grüße,
Juschi

 

Hallo nochmal,

so, die Geschichte ist nun überarbeitet. Insbesondere das Ende ist neu, die Geschichte endet nun an der Stelle, an der Anne Holgers Nummer wählt - das "Wie" des Gesprächs fehlt nun völlig. Es war für die Geschichte denke ich auch nicht wichtig, ich hoffe nur, dass Annes Entscheidung trotzdem ausreichend deutlich wird. Erneute Rückmeldungen wären auf jeden Fall hilfreich
Ansonsten sind hoffentlich genau die "sprachlichen Aussetzer" überarbeitet ;)

Grüße,
Juschi

 

Ich mochte den Text, die Geschichte. Du hast die Zweifel der Protagonistin, ihre von vornherein schon getroffene Entscheidung sehr anschaulich und deutlich herausgearbeitet. Wie schon zuvor bemerkt wurde, hat der Text einen wunderbar ruhigen Fluß. Die Entscheidung, immer im Hintergrund, immer da, schon lange getroffen, nur noch nicht begriffen. Das alles ist wirklich gut, habe die Geschichte gerne gelesen.

Leider habe ich noch eine ganze Latte von Anmerkungen dazu, technische Details, viele sehr subjektive Urteile:

  • "die ungewaschenen Haare ohne Mitleid" - wie wäre es mit 'die ungewaschenen Haare unbarmherzig'
  • "Ruhedorf" ist nett, gibt es das wirklich? Die Heimat des Erschreckendsten: Ruhedorf. Vielleicht ein wenig zu auffällig, wie wäre es mit 'Ruhweiler' oder so etwas?
  • "und kann nicht länger ignorieren, dass sie eine Entscheidung treffen muss" - Mir mißfällt "ignorieren", sowie der zweite Teil. Wie wäre es mit '[...] hinauszögeren, die Entscheidung zu treffen' oder gar '[...] die Entscheidung wahrzuhaben' (oder so ähnlich).
  • Zeitstruktur: "in dem sie keinen einzigen Kilometer Entfernung mehr gespürt hat" - '[...] hatte'. Auch vorher schon einmal, an der Stelle: "Sie hat es gespürt, hat gelitten in dem Moment, in dem sie ihn abgeschossen [...]'. Vielleicht alles in Vorvergangenheit, bin nicht sicher, wirkt nur ein bißchen uneinheitlich.
  • "Heißt zuhause sein nicht eins sein zwischen sich und dem Umfeld" - 'Heißt zu Hause sein nicht eins sein mit sich und dem Umfeld'
  • "Ich liebe ihn, denkt sie. Er ist all das, was sie nie sein kann." - Weshalb nicht für die Gedanken die Ich-Perspektive beibehalten?
  • "das sich lohnt festzuhalten" - 'das sich lohnt, festgehalten zu werden'
  • "nur wenige Zentimeter entfernt an ihr vorbei" - ohne "entfernt"?
  • "Etüde der Stadt" - Verstehe ich nicht. Ist das ein Wortspiel?
  • "wenn man den Slalom um den Unrat und die Hundehaufen erfolgreich bewältigt" - 'bewältigen will'
  • "Unpassenheit" - Tippfehler oder nervige Tastatur
  • "Eine Bar nach der anderen, eine lauter als die andere, die potentiellen und ehemaligen Gäste sich lauthals austauschend auf der Straße stehend." - Das gefällt mir nicht. Ich versuche mich mal (vermutlich gefällt es Dir nicht): 'Eine Bar neben der nächsten, eine lauter als die andere; zukünftige Gäste, ehemalige; sich lautstark austauschend, auf Straßen herumstehend, auf Gehwegen...'
  • "um ihren neugeborenen Gedanken Zeit zu geben, sich zu Wörtern zu formen" - 'sie in Worte zu formen/ bringen'

Es hat auf jeden Fall Vergnügen bereitet, Deine Geschichte zu lesen, macht Lust auf mehr.

Claus.

PS: Das ist Mannheim, oder? Die "quadratische" Stadt, die im Kontrast zur "Dissonanz der Landschaft" steht?

 

Hallo Claus,

hey, danke für´s Ausgraben dieser Geschichte :) Schön, dass sie dir gefallen hat.
Danke für deine vielen Detailanmerkungen. Die meisten werde ich umsetzen, das siehst du dann in ein paar Stunden an der Geschichte. Zu einigen deiner Vorschläge würd ich gerne was sagen:

"Ruhedorf" ist nett, gibt es das wirklich?
Ich weiß es nicht. Fand ich nur einen passenden Namen für einen Ort, an dem nichts los ist ;)
Ich liebe ihn, denkt sie. Er ist all das, was sie nie sein kann." - Weshalb nicht für die Gedanken die Ich-Perspektive beibehalten?
Hier ist es tatsächlich nicht ihre Perspektive sondern eine wertende von außen. Ich glaube nicht, dass Anne in diesem Moment schon bewusst ist, warum sie ihn liebt - weil er alles ist, was sie nie sein kann.
"Etüde der Stadt" - Verstehe ich nicht. Ist das ein Wortspiel?
Das sollte nur deutlich machen, dass der Lärm und das MEnschengeschrei zu den üblichen Geräuschen, eben der Musik, der Stadt gehört.
"um ihren neugeborenen Gedanken Zeit zu geben, sich zu Wörtern zu formen" - 'sie in Worte zu formen/ bringen'
in dem Fall war es wirklich so gemeint, dass die Gedanken sich selbst in Worte transformieren. Zu kompliziert ausgedrückt?
Es hat auf jeden Fall Vergnügen bereitet, Deine Geschichte zu lesen, macht Lust auf mehr.
Das freut mich. Und "mehr" gibt es hier schon von mir, daran soll´s nicht scheitern ;)
PS: Das ist Mannheim, oder? Die "quadratische" Stadt, die im Kontrast zur "Dissonanz der Landschaft" steht?
Ja, es ist in der Tat eine Liebeserklärung ans wunderbare Mannheim. Aber ich hab´s dir ja auch leicht gemacht, nach meinem Kommentar unter deiner Heidelberg-Geschichte gestern ;)

Liebe Grüße
Juschi

 

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