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Der Armbrustmörder

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31.10.2003
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Der Armbrustmörder

Stille durchzog den Wald wie ein schleichendes Raubtier. Selbst der seichte Wind war nicht stark genug, beim Durchstreifen der Baumwipfel ein wahrnehmbares Geräusch zu erzeugen. Und doch vernahm man von Zeit zu Zeit ein leises Rascheln, ab und an ein Knacken. Dann wieder nichts.
Eine Waldlichtung, in deren Mitte eine baufällige Holzhütte seit Jahrzehnten der gewöhnlich rauen Witterung trotzte und die an einer Seite mit Graffiti beschmiert war, wurde durch den Vollmond erhellt. Die Schatten der umstehenden Bäume wirkten auf ihr wie langgezogene Gestalten, deren Köpfe sich einem gemeinsamen Ziel entgegenreckten.
Als die beiden Männer den Wald betraten, wurde das schleichende Raubtier verscheucht. Äste knackten, Kichern war zu hören. Ein lauter Furz, gefolgt von gackerndem Prusten.
Wenig später hatten die Männer die Lichtung erreicht und der Hagere klammerte sich enger an seinen Begleiter. Er wankte, doch hatten die starken Arme, die ihn in Höhe der Hüfte fassten, keine Mühe, ihn zu halten.
"Was hast du vor?", fragte er. Ein Kichern drang über seine Lippen.
Der Kräftige drückte ihn fester an sich. "Dreimal darfst du raten."
"Ich brauch nicht dreimal zu raten."
"Dann komm mit zur Hütte."
Der Dünne ließ sich zu dem Gebäude auf der Lichtung ziehen. "Wie heißt du?"
"Erik. Aber ich will eigentlich nicht quatschen."
"Okay, ich heiße Maik."
Der Andere erwiderte nichts.
Wenig später lehnte sich der Mann mit dem Namen Erik an das raue Holz und zog den anderen an seine Brust. Er küsste ihn ungestüm.
Maik ging in die Hocke, öffnete Eriks Hose. Dieser hatte seine Augen geschlossen und den Mund leicht geöffnet.
Das leise Knacken am Rande der Lichtung hörte keiner der beiden. Ebenso wenig sahen sie den kleinen Schatten, der sich lediglich durch seine geringere Größe von den übrigen Schatten abhob. Arme, die einen Gegenstand hielten, tauchten zwischen den Bäumen auf.
Maik genoss derweil das immer schneller werdende Atmen seiner Bekanntschaft, Eriks dezente Beckenbewegung. Er wollte seine eigene Hose ebenfalls öffnen, als er ein zischendes Geräusch vernahm. Es war nur flüchtig - ein bis zwei Sekunden vielleicht - gefolgt von einem Plopp.
Maik stutzte, als er merkte, wie sich Eriks Körper im Bruchteil einer Sekunde anspannte, um kurz darauf zu erschlaffen. Er riss den Kopf hoch, sah den noch immer offen stehenden Mund seines Freundes. Viel zu weit geöffnet!
Dann erkannte er dieses dünne Ding mit den winzigen Federn am Ende, das knapp unter dem linken Auge aus dem Gesicht ragte. Eine geleeartige Masse lief daran entlang, tropfte herab und landete auf seinem Nasenrücken. Maik wollte schreien und spürte, wie sich sein Magen verkrampfte.
Im selben Moment hörte er wieder das Zischen. Ein heißer Schmerz klatschte gegen seinen Handrücken und nagelte die Hand an die Holzwand. Maik kreischte. Sah den Pfeil, der sich durch seine Hand gebohrt hatte.
Hinter seinem Rücken hörte er schnelle Schritte. Ein Fluchen.
Maik fuhr herum. Ein erneutes Zischen riss ihm ein Stück Haut von der Stirn. Diesmal schrie der Schütze. Wütend.
Maik griff an sein Handgelenk und versuchte, die festgenagelte Hand vom Holz zu befreien. Immer wieder jagte sein Blick nach hinten. Er sah die Gestalt, jetzt hockend, an einem Gegenstand herumhantieren. Wenig später erhob sie sich, legte an. Der Gegenstand pendelte. Ganz leicht. Nur kurz.
Maik riss an seinem Arm. Pfeil und Knochen in seiner Hand brachen. Er wirbelte herum, wollte wieder schreien, doch kein Laut drang über seine Lippen. Er kannte den Schützen, der nun in der Mitte der Lichtung stand und ihn über die Armbrust hinweg anvisierte. Maik wimmerte, als er die blutende Hand nach vorn streckte.
Das nächste Plopp, das seinen Schädel an die Holzwand nagelte, hörte er nicht mehr.


* * *


Es war Ende der Siebziger, als ich zusammen mit meinem Kumpel Rudi (der eigentlich Rüdiger hieß) im Garten meiner Oma saß, und wir uns die wildesten Abenteuer ausdachten, die zwei vierzehnjährige Jungs in einem kleinen Dorf an der Ostsee erleben konnten. Piratenkacke würde man heutzutage lapidar sagen.
Es war jene Zeit, die durch Nachrichten wie dem bis dahin schwersten Zwischenfall in einem Kernkraftwerk in den USA überschattet wurde. John Wayne sollte einen Monat später sterben und die globalen Nachrichten einer Kernschmelze in den Hintergrund drängen. Alles jedoch Dinge, die uns Kinder nicht sonderlich interessierten. Viel zu weit weg. Das sagte auch meine Oma immer, wenn sie mit Mutter in der kleinen Wohnstube hockte und Opas Socken stopfte, obwohl dieser bereits vor gut zehn Jahren das Zeitliche gesegnet hatte.
"Wat juckts mich, wenn bei den Amis ne Atombombe hochgeht", sagte sie immer. "Ham doch im Kriech selbst damit umsichgeworfen, als wär's Kamelle."
Mutter sagte dazu nie etwas.
Was aber alle im Ort mehr als brennend interessierte, war: der Armbrustmörder.
Der Armbrustmörder war nicht weit weg, nicht irgendwo bei den Amis, nicht irgendwo da, wo die Kernkraftwerke schmolzen. Nein, er war hier. Hier in unserer Stadt. Irgendwo mitten unter uns.
"Hast du von dem Pärchen gehört, das sie im Wald gefunden haben?", fragte Rudi und riss mich aus meinen konfusen Gedankengängen.
"Was?" Ich blickte ihn mit einer Mischung aus Verständnislosigkeit und Neugier an.
Rudi rückte seine Massen näher zu mir heran. Er wies mit Sicherheit das Dreifache an Gewicht und Umfang von mir auf; okay, ich war vielleicht nicht das, was man als neutrales Vergleichsobjekt hätte hinzuziehen sollen. ("Der Jung isst viel zu wenig", sagte meine Oma mindestens einmal am Tag, wenn sie mich sah. "Nur Haut und Knochen ist er. Wie unsere Soldaten im Kriech, nachdem der Russe sie fertig gemacht hat.")
Ich konnte Rudis Schweiß riechen, als er näher an mich heranrückte. Irgendwie erinnerte er mich immer an den Geruch von ranzigem Käse. Aber es störte mich nicht weiter.
Seine speckigen Finger griffen nach einem Grashalm, rissen ihn ab und steckten ihn in den Mundwinkel, wo er heraushing wie ein grünes Schnurrhaar eines Kaninchens. "Heut früh hat's in der Zeitung gestanden. Mein Vater hat's vorgelesen."
"Was hat da gestanden?"
"Na, dass sie wieder zwei gefunden haben. Unten im Wald auf der Lichtung. Da bei der Gruselhütte, weißt du? Damit sind es inzwischen drei. Und wenn die den nicht bald fassen, dann waren das auch nicht die Letzten. Sagt mein Vater. Weißt du, was das bedeutet?"
"Wen haben sie gefunden?", heuchelte ich Interesse. Die Hitze machte mir zu schaffen. Ganz zu Schweigen von dem anderen Problem, das mich seit einiger Zeit beschäftigte. Seit jenem Tag, als ich Mutter dabei erwischte ... Seit jenem Tag, an dem Vater sich eine Kugel in den Kopf jagte.
"Die beiden Schwulen. Der Armbrustmörder hat sie erwischt. Peng! Peng!" Rudi klatschte dabei in seine dicken Hände. "Jeweils ein Schuss genau durch die Rübe. Möcht nicht wissen, was die da getrieben haben." Er steckte sich seinen Daumen in den Mund und machte eine eindeutige Bewegung. "Mensch, wenn das so weitergeht, haben wir hier bald n Serienmörder. Was hältst davon, wenn wir mal rausgehen. Vielleicht finden wir ja noch Blutreste irgendwo." Er beugte sich näher heran und die Käsewolke umgab ihn wie einen Schwarm Mücken. "Oder Gehirn ..."
Ich musste an den Tag denken, als ich Vater in seinem Arbeitszimmer fand. Schlaff sitzend in seinem Stuhl hinter dem Schreibtisch. Den Kopf im Nacken. Ich wollte Rudi anschreien, ihn schütteln und ihm die Worte Weißt du, wie Blut und Hirnreste an einer Wand aussehen? Wie sie an der Fensterscheibe glänzen, wenn die Sonne draufscheint? Weißt du das? ins Gesicht spucken. Stattdessen sagte ich nur: "Nein danke."
Ich merkte, dass Rudi seine Geschichte noch etwas ausschmücken wollte, sah die hämische Fratze in seinem Mondgesicht, spürte, wie sich meine Fäuste langsam ballten, als ich diese Stimme von der anderen Seite unseres Hauses hörte.
Das Blut schoss in meinen Kopf ein, als hätte man an einem Ventil gedreht. Das Grinsen verschwand aus Rudis Gesicht. "Was is los, Alter. Du siehst aus, als wärst dem Teufel persönlich begegnet."
"So ähnlich ist es auch." Ich stand auf. "Los, komm mit."
Wir liefen zur Ecke des Hauses und ich presste meinen Körper gegen den heißen Stein. Hinter mir keuchte Rudi seinen Käsegeruch in die schwüle Luft.
"Wer ist das?", fragte er leise.
"Schhhh!", zischte ich und blickte um die Ecke herum. Und da sah ich ihn. Schwarze Anzughose, weiße Slipper und weißes Hemd. Die bunte Krawatte mit den roten und blauen Karos schien seinen schmierigen Hals abzuschnüren. Die spitze Nase ragte aus dem Gesicht hervor, wie der gekrümmte Schnabel eines Geiers.
"Was für ein wunderschöner Tag, nicht wahr, Gnä Frau?" Mit der einen Hand strich er sich die Pomade durchs Haar, in der anderen hielt er einen roten Gegenstand mit einem schwarzen Schlauch. Es war einer dieser neumodischen, mobilen Feuerlöscher.
Mutter stand im Eingang - in Trauer gekleidet - und blickte sich um. "Ja, wunderschön", sagte sie, ohne den gehetzten Blick in alle Richtungen einzustellen.
Der schmierige Kerl trat einen Schritt nach vorn, wobei er Mutter verdächtig nahe kam. "Ich wollte es mir doch nicht nehmen lassen, Ihnen unseren neuesten Verkaufsschlager vorzustellen, Gnä Frau." Jetzt wiegte er den Feuerlöscher in seinen Armen, als sei dieser ein metallisches Kind. Der schwarze Schlauch hing herunter. Mir wurde schlecht.
Mutter flüsterte irgendetwas - weiterhin gehetzt - dann fasste sie den Arm des Mannes und zog ihn in den Eingang. Die Tür wurde geschlossen.
"Was will denn der schleimige Peterson hier?", fragte Rudi und machte die Bewegung des Mannes durch seine Haare nach. "Oh, Gnä Frau ...", trällerte er mit einer hohen Fistelstimme.
"Hör auf mit dem Scheiß", zischte ich und Rudi verstummte.
"Hey, Alter, was ist denn los?"
"Der alte Scheißtyp fickt meine Mutter", sagte ich und stampfte zurück in den Garten.
Rudi schlurfte hinterher. "W... was? Der Peterson und deine Mutter? Wie kommst denn darauf?"
Ich ließ mich in das Gras fallen an genau dieselbe Stelle, an der ich zuvor gesessen hatte. Rudi tat es mir gleich.
"Das wird er büßen." Ich wusste nicht, ob ich den Satz leise ausgesprochen oder nur gedacht hatte. Wohl eher Letzteres, denn Rudi reagierte nicht.
Eine Weile schwiegen wir, während Rudi sich wieder einen Grashalm in den Mundwinkel steckte.
Ich zog das Messer, das Vater mir kurz vor seinem Tod geschnitzt hatte, aus der Schlaufe an meiner Hose. "Eigentlich sollte es ein Peter-Pan-Messer sein", sagte ich und ließ es durch die Finger gleiten.
Rudi sah mich fragend an. "Ein Peter-Pan-Messer?"
"Ja, kennst das nicht? So eins mit dickem Griff, dann ein Fingerschutz und eben ne spitz zulaufende Klinge."
"Hm ...", machte Rudi. "So sieht es echt nicht aus."
Ich betrachtete das Messer, das Vater aus einem dünnen Ast geschnitzt hatte. Es war an einem der wenigen Tage, an denen er nicht auf Montage gewesen war. Der Griff war rund und immer noch mit Rinde umzogen. Kein Fingerschutz, sondern direkt eine unbeholfene Klinge, die so stumpf war, dass man sie jemanden ins Auge hätte rammen können, ohne dass dieser auch nur hätte blinzeln müssen. "Ich war echt enttäuscht, als er es mir gab", sagte ich leise. "Aber er war so verdammt stolz drauf."
"Naja, so schlecht ist es ja nicht geworden."
Ich blickte Rudi tief in die Augen. "Ich würd's dem ollen Wichser in seine Kehle rammen, wenn es schärfer wär."
Rudis Augen wurden riesengroß. "Du meinst dem Peterson?"
"Ja."
Rudi streckte mir die Hand entgegen. "Heute Nacht?"
Ich lächelte und schlug ein.


* * *


Es war zwei Nächte später, als zwei Jungs - einer dürr wie ein Gerippe mit einem Rucksack auf dem Rücken, der andere mit dem Umfang eines Treckerreifens und einer Plastiktüte in der Hand - um den Laden mit dem seltsamen Namen "Petersons Allerlei" herumschlichen.
Ich war beeindruckt von Rudis Enthusiasmus, dem Liebhaber meiner Mutter eins auszuwischen.
Natürlich war er nicht wirklich davon ausgegangen, dass wir Peterson das geschnitzte Messer in den Hals rammen würden; auch ich hatte lauthals gelacht, als er mich dort im Garten meiner Oma fragte: "Aber wir bringen ihn nicht in echt um, oder?"
Wir würden ihn nicht umbringen. Nein, mit Sicherheit würden wir ihn nicht umbringen. Meine Idee war da um einiges grandioser.
Wir schlichen an der Schaufensterscheibe vorbei, in der ein großes Schild mit der Abbildung einer schreienden Hausfrau vor einem Herd, auf dem ein brennender Topf stand, hing. Darunter stand in blutroten Lettern: Schützen auch Sie Ihre Familie! Mit einem Feuerlöscher von GLORIA!
Unter dem Plakat standen fünf Feuerlöscher, aufgereiht wie Soldaten beim morgendlichen Appell. Die schwarzen Schläuche hingen akkurat an der Seite herab. Wieder keimte diese unbändige Wut in mir auf und ich verdrängte die Gedanken, die diese verursachten. Es würde wohl erst vergehen, wenn alles erledigt war.
Wir schlichen weiter und ließen die vordere Seite des Gebäudes hinter uns.
"Da hinten ist eine Tür", flüsterte Rudi. In seiner Hand hielt er die Plastiktüte, deren Inhalt seinen Käsegeruch mit Leichtigkeit in den Schatten stellte. An einer Stelle der Tüte befand sich ein kleines Loch, aus dem sich der dünne Faden einer braunen Masse einen Weg nach draußen bahnte. Ich grinste.
Kurz darauf hatten wir die Rückseite erreicht und standen vor einer alten Holztür mit rostigem Griff und riesigem Schlüsselloch.
Rudi sah mich an. "Alter, wenn das Loch nur ein bisschen größer wär, dann könntest du da durchkriechen." Er presste sich die dicken Finger vor den Mund und prustete hinein.
"Sehr witzig. Irgendwie ist es kalt hier." Eine Gänsehaut überzog meine Arme, obwohl ich einen Pulli angezogen hatte. Es war die Vorfreude auf das Ereignis, das uns erwartete. Rudi lief wie gewohnt nur im T-Shirt herum und sah mein Lächeln nicht.
"Du hast nur Schiss", sagte er.
"Du bist sicher, dass er nicht da ist?"
"Kannst dich drauf verlassen. Kann von meinem Zimmer genau auf seinen Eingang gucken, und da ist er vor ner halben Stunde raus. Lass uns jetzt da rein, sonst ist bald nix mehr in der Tüte drin."
Er hob seinen Arm und ich erkannte, dass das Loch schon größer geworden war.
"Wir hätten Kuhscheiße nehmen sollen", sagte ich. "Die ist dickflüssiger."
"Ja", grinste Rudi. "Aber Schweinescheiße stinkt mehr."
Da hatte er recht. Wenn wir uns nicht beeilten, würde der Gestank bald einige Nachbarn ans Fenster locken.
"Was hast eigentlich in deinem Rucksack drin?", fragte er.
"Abwarten."
Ich blickte mich um, doch bis auf das Licht der wenigen Straßenlaternen war alles dunkel. Ich nahm den Rucksack ab, öffnete ihn und griff hinein. Kurz darauf lag Vaters schwere Taschenlampe in meiner Hand.
Etwas knackte, ich fuhr herum und knipste das Licht an. Rudi, der mit einem langen Draht in dem Schlüsselloch herumstocherte, blickte auf. "Wenn du dir gleich noch in die Hose scheißt, dann haben wir noch mehr." Er deutete auf die Tüte neben seinen dicken Beinen und lachte.
Ein weiteres Knacken, dann sprang die Tür auf. "Coole Idee mit der Lampe", sagte er. "Leuchte mal hier rein, da geht ne Treppe runter. Glaub, die führt in den Keller."


* * *

Fünf Minuten später hatten wir den Keller verlassen und standen in einem Raum vor einer Treppe, die in den ersten Stock führte. Hinter uns befand sich die Haustür, durch deren kleines Fenster der Lichtschein der Straßenlaterne fiel.
Rudi sah mich an und irgendwie schien sämtlicher Enthusiasmus aus seinem Gesicht verschwunden zu sein. Schweiß perlte auf seinem Gesicht.
"Scheiße", keuchte er. "Irgendwie ist mir das Ganze hier doch nicht geheuer. Was machen wir eigentlich, wenn er jetzt zur Tür reinkommt?"
Ich hielt das Holzmesser hoch. "Na, wer scheißt sich jetzt in die Hose?" Dann leuchtete ich ihm mit der Taschenlampe ins Gesicht, sodass er die Augen zukniff und aussah wie ein zerdrückter Teigklumpen.
"Lass den Mist und komm!" Er stampfte die Treppe hinauf, wobei die Plastiktüte ihren Inhalt in Form einer dünnen Spur auf den Stufen hinterließ.
Als ich ebenfalls die erste Stufe erreicht hatte, fiel mein Blick durch eine weitere Tür, die sich neben der Treppe befand. Es war der Verkaufsraum, in dem sich Petersons Allerlei befand. Einige Regale waren im Licht der Straßenlaterne zu erkennen. Werkzeuge lagen darin, das wusste ich. Die Schatten der Feuerlöscher zogen sich über den Holzboden bis in den hinteren Bereich des Raumes, wo sich die Ständer mit den Anzügen und Kleidern befanden.
Eine Explosion in meinem Inneren wollte mich auseinanderreißen, ließ meine Adern am Hals und auf der Stirn bedrohlich anschwellen. Ich versuchte, ruhiger zu atmen.
Genau hinter einem dieser Kleiderständer hatten sie es getrieben. Mutter hatte sich wie ein Hund von hinten nehmen lassen, während ihr der schmierige Typ mit heruntergelassenen Hosen bei jedem Stoß mit dem Feuerlöscherschlauch auf den Arsch geschlagen hatte. Ruhiger atmen!
Durch das Schaufenster hindurch hatte ich sie gesehen, ein ekelerregender Stummfilm, der sich auf ewig in mein Gehirn gebrannt hatte. Und während sie es im hinteren Teil des Ladens trieben, schaukelte das Geschlossen-Schild im Schaufenster sanft hin und her. Atme ruhiger. Du kannst es doch. Nur ganz ruhig atmen.
Er würde dafür bezahlen. Heute Nacht.
"Hey, was ist los? Soll ich das alleine durchziehen?" Rudi stand am oberen Ende der Treppe und blickte herunter.
Ich schluckte und stieg langsam zu meinem dicken Freund hinauf, während der Rucksack auf meinem Rücken immer schwerer wurde. Ich blickte nach unten, sah meine Füße, die mühsam Stufe um Stufe erklommen. Ich wollte Rudi nicht dort oben stehen sehen.
Als ich oben ankam, hob ich meinen Blick. Rudis Gesicht war schneeweiß.
"Was hast du?", fragte ich leise. Ich sah, wie er schluckte.
"Scheiße ..." Er keuchte.
"Was ist?"
"Ich weiß, wo er ist." Noch immer keuchte er und ich befürchtete, dass er gleich hier oben am Treppenansatz zusammenbrechen würde.
"Wie meinst du das, du weißt, wo er ist? Du meinst Peterson?"
Jetzt wurde Rudi hektisch. "Ja! Peterson! Mensch, Alter, denk doch mal nach. Seit wann hat er seinen Laden hier?"
Ich überlegte. "Vielleicht seit nem Jahr."
Rudi sah mich mit großen Augen an. "Seit knapp nem Jahr."
"Und?", fragte ich leise, obwohl mir langsam dämmerte, worauf er hinaus wollte.
"Kapierst du es immer noch nicht? Wann hat der Armbrustmörder das erste Mal zugeschlagen?"
"Keine Ahnung. Vor ein paar Monaten?"
"Es war Anfang Februar!", sagte er. "Weißt du das denn nicht mehr? Jetzt haben wir Ende Mai. Das sind vier Monate! Kapierst du? Er hat sich erst ein bisschen eingelebt hier. Damit's nicht auffällt." Jetzt kam er wieder ganz nahe an mich heran und seine Stimme klang so, als würde er gleich losheulen. "Alter, wir sind im Haus des Armbrustmörders!" Ich mochte seinen Geruch.
Sein gesamter Körper zitterte. Er tat mir leid.
"Hey, findest du nicht, das ist arg an den Haaren herbeigezogen?" Meine Stimme war ganz ruhig. Meine Atmung ebenfalls. "Und außerdem, wenn Peterson der Armbrustmörder wäre, meinst du nicht, die Polizei hätte das schon längst rausgefunden?"
"Wie denn?" Rudi kreischte hysterisch. "Er hinterlässt doch keine Spuren! Hier im Ort ist nie was passiert. Nie sowas wie n Mord. Nie! Und jetzt, seit Peterson hier wohnt, da passiert auf einmal sowas. Drei Tote!"
Ich sah ihm tief in die Augen, wusste aber nicht genau, was ich darauf erwidern sollte.
"Und genau jetzt ist er wieder auf Beutezug! Nach heute Nacht sind's vier! Oh mein Gott, Alter. Warum sind wir nicht schon vorher darauf gekommen? Oh mein Gott! Wenn er jetzt wiederkommt ... Da ... da unten durch die Tür!"
Ich berührte seine bebende Schulter, spürte die Nässe seines Shirts. "Schhhh."
Er riss sich los und ließ die Tüte mit dem Schweinekot fallen. "Wie kannst du nur so ruhig dabei bleiben? Wir müssen hier raus!" Wie ein Berserker stieß er mich zur Seite und stampfte die Stufen hinunter. Ich schloss die Augen.
Es war soweit.
Langsam nahm ich den Rucksack ab, griff hinein und holte den Gegenstand heraus, der sich darin befand. Dann stellte ich mich an den oberen Rand der Treppe, spannte den Bogen und legte den Pfeil auf den Sehnenweg.
"Rudi." Er muss an meiner Stimme erkannt haben, dass etwas nicht stimmte. Und ich glaube im Nachhinein, dass er damals, in genau diesem Moment, gewusst hatte, dass er mit seiner These, Peterson sei der Armbrustmörder, falsch gelegen hatte.
"Es tut mir leid", sagte ich so leise, dass ich mir nicht einmal sicher war, ob er es überhaupt gehört hatte.


* * *


Noch in der selben Nacht verständigte Frau Matthiesen, die direkt gegenüber von Petersons Allerlei wohnte und wegen ihres hohen Alters nur einen leichten Schlaf hatte, die Polizei. Sie habe gehört, wie Peterson schreiend aus seinem Haus gerannt sei. Er sei es nicht gewesen, hätte er in einer Tour in die Nacht hinaus gekreischt.
Oberwachtmeister Mertineit hatte ihn wenig später festgenommen, nachdem man Rudis Leichnam mit durchbohrtem Hirn in Petersons Haus gefunden hatte. Selbst die Tatwaffe hatte sich noch am Ort des Geschehens befunden.
Bereits am nächsten Tag waren die Zeitungen voll vom grandiosen Erfolg der hiesigen Polizei. In einem der Artikel stand sogar der Satz eines hochrangigen Polizeibeamten, man habe schon länger vermutet, dass Peterson der Armbrustmörder sei, doch hätten bislang stichhaltige Beweise gefehlt. Den traurigen Verlust des jungen Rüdiger bedaure man zutiefst.

* * *


Heute, knapp zwanzig Jahre nach Petersons Tod - er war bereits kurz nach der Festnahme auf dem Weg zum Gefängnishof von einem Mitgefangenen mit einem mobilen Feuerlöscher erschlagen worden (auch davon waren die Zeitungen voll, denn Peterson hatte keine zwei Wochen zuvor das Gefängnis mit den Löschern versorgt) - hocke ich hier, wie so oft, an Vaters Grab und denke an die Zeit zurück, als er mir mit glänzenden Augen das geschnitzte Messer überreichte.
Er muss wohl damals die Enttäuschung in meinen Augen erkannt haben (hatte dieses geschnitzte Etwas doch nicht im Entferntesten Ähnlichkeit mit dem Messer von Peter Pan), denn noch am gleichen Abend holte er mich zu sich ins Arbeitszimmer und öffnete die große Holztruhe, die neben seinem Schreibtisch stand. "Die hier ist für dich, Junge. Und bitte verzeih, dass ich handwerklich nicht so geschickt bin. Das olle Messer kannst du wegschmeißen."
Ich hatte die Armbrust entgegengenommen und ich glaube, diesmal hat er den Stolz in meinen Augen erkannt.
Neben der Armbrust besaß Vater viele Waffen, die er nie benutzt hatte. Bis auf das alte Jagdgewehr, mit dem er sich zwei Wochen später in den Mund geschossen, nachdem er das mit Peterson und meiner Mutter erfahren hatte.
Und wenn ich heute daran zurückdenke, so bin ich überzeugt davon, dass das die Geburtsstunde des Armbrustmörders war. Meine Güte, wie lange hatte ich an dem Plan gefeilt? Taten mir die Tiere und später die Personen leid, die für meinen Plan herhalten mussten? Ich kann es nicht sagen.
Was ich aber sagen kann, ist, dass ich damals verdammtes Glück gehabt habe, denn trotz aller Planung hatte ich einen wesentlichen Aspekt außer Acht gelassen. Was wäre passiert, wenn Peterson für besagte Nacht ein Alibi gehabt hätte?
Ich stehe auf und gehe zwei Reihen weiter. Vor einem kleinen, gepflegten Grab bleibe ich stehen. Geliebter Sohn, steht auf dem Grabstein, viel zu früh wurdest du uns genommen. Darunter ein in Stein gemeißeltes Bild meines dicken Freundes Rudi.
Ich knie nieder und greife in meine Tasche. In meiner Hand halte ich das alte Holzmesser, dessen Rinde inzwischen zum größten Teil abgeblättert ist.
"Schatz, kommst du?" Hinten am Ende des Weges steht meine Frau mit den beiden Kindern.
"Danke für alles", sage ich an Rudis Grab gewandt, lege das Messer unter sein Bild und bedecke es mit Erde.

 

Ahoi zusammen. Ohje, ich bewege mich auf völlig neuem Terrain.
Ich versuche es einmal; habe schließlich auch eine "harmlose" Seite ;)

 

Hallo Salem

Als ich den Titel las, war mein erster Gedanke Wilhelm Tell, natürlich in Schillers Version. :D

Doch die Geschichte beginnt …

Ohje, ich bewege mich auf völlig neuem Terrain.

ganz in alter Manier. Im ersten Akt, ein klassischer Einstieg in die Welt des Gruselns, dann schlägt es um in eine Erzählung, die auch für ein Jugendbuch geschrieben sein könnte. Doch da hätte die Zensur wohl vor dem Ende des vierten Teils den Text schwarz eingefärbt und erst ab dem Sechsten wieder freigegeben.

Nicht ein gewöhnlicher Krimi, mit den eingebrachten Elementen fantasievoll aufgebaut und durchgehend spannend. Ich denke, du hast dich im neuen Terrain gut bewegt.

Gern gelesen, zu mitternächtlicher Stunde.

Gruss

Anakreon

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Anakreon.


Gern gelesen, zu mitternächtlicher Stunde.
Na, dem kann ich ja nichts entgegen setzen ;)
Vielen Dank.

Bezüglich des Titels war ich mir arg unsicher, da es sich hier leidiglich um den Arbeitstitel handelt. Aber irgendwie fand ich ihn später ganz sympatisch (glaube gerade wegen seiner Abgedroschenheit :D)

Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren. Und es ist mir wahrlich nicht leicht gefallen, einen Text ohne Splatterelemente zu schreiben. Das muss hier einmal ausdrücklich hervorgehoben werden ;)

Gruß! Salem

 

Hallo Salem,

das ist eine gute Geschichte! Dir gelingt es, mit wenigen Worten Sinneseindrücke festzuhalten, die starke Bilder erzeugen, so wie gute Zeichner das Wesentliche einfangen können:

Der Wald lag beinahe in absoluter Stille. Von Zeit zu Zeit vernahm man ein leises Rascheln, hin und wieder ein Knacken. Dann wieder nichts.
Der Vollmond warf sein diffuses Licht auf die kleine Lichtung mit der zerfallenen Holzhütte, die aussah, als müsse man nur einmal kräftig niesen und sie würde mit einem lauten Poltern zu Staub zerfallen.
Diese Beschreibung der Hütte im Vollmondlicht fand ich allerdings nicht stimmig. Das ist in diesem Fall sicher Geschmackssache. An anderen Stellen schießt du eindeutig übers Ziel hinaus und das Zuviel an Beschreibung ließ mich an Romanabdrucke in Illustrierten denken. Zum Beispiel die männlichen Lippen, die in der folgenden Szene verlangend küssen:

Als sich sein Partner wenig später gegen das Holz lehnte und ihn an seine Brust zog, konnte er einen leichten Modergeruch wahrnehmen, der zwischen den Brettern hindurch auf sie zuzukriechen schien. Dann wurde der Geruch durch den männlichen Geruch seines Gegenübers überdeckt. Er spürte, wie sich ein warmes Gefühl in seinem Innern ausbreitete, das sich im unteren Bereich seines Körpers konzentrierte und nur darauf wartete, hervorzubrechen.
Als ihn die männlichen Lippen wenig später verlangend küssten, passierte genau dieses. Er riss die Knöpfe seines Hemdes auf, hörte ihn kurz aufstöhnen und ließ seinen Geruch in sich hineinströmen. Er ging auf die Knie und grinste ihn von unten herauf an; sah, dass er seine Augen geschlossen und seinen Mund leicht geöffnet hatte.

Die große Stärke der Geschichte ist das Abweichen vom Üblichen: Der Jugendliche entpuppt sich als der Armbrustmörder. Das ist super gemacht! Zwei inhaltliche Schwächen gibt es aber noch:

Erstens reicht es sicher nicht aus, den toten Rudi auf Petersons Grundstück zu platzieren, um seine Verurteilung zu erreichen. Hier braucht es mehr, damit man als Leser denkt: So könnte das sein. Vielleicht Petersons Fingerabdrücke auf dem Armbrustpfeil, Zeugenaussagen, oder das Auftauchen der Mordwaffe bei ihm.

Zweitens finde ich, die Geschichte würde viel stärker wirken, wenn du nicht erklären würdest, wie der Protagonist zur Armbrust kam und was seine Motive für die Morde waren. Hier sind die Möglichkeiten, die einem beim Lesen der Stelle, wo der Erzähler sich Rudi als Armbrustmörder zu erkennen gibt, viel anregender als die Erklärung.

Den Schluss am Grab und den Verweis auf das biedere Familienleben des Armbrustmörders fand ich wieder sehr schön.

Freundliche Grüße,

Berg

 

Hallo Berg.

Dir gelingt es, mit wenigen Worten Sinneseindrücke festzuhalten, die starke Bilder erzeugen
Vielen Dank :)

Diese Beschreibung der Hütte im Vollmondlicht fand ich allerdings nicht stimmig.
Auch ich war hier hin und hergerissen. Wusste ich doch nicht, wie ich diese Geschichte beginnen sollte. Da sie aus der Sicht des Prot erzählt wird (ab 2. Abschnitt) habe ich bewusst hier den übergeordneten Erzähler gewählt. Zumindest in den ersten Sätzen, um das Setting zu beschreiben. Dann schwenke ich auf den Dünnen um, also im Prinzip ein Kameraschwenk von oben herab auf die einzelne Person. Hm ... :confused:
An anderen Stellen schießt du eindeutig übers Ziel hinaus
Du erwähnst hier speziell die erste Szene. Und ich muss gestehen, dass ich mich mit ihr am Schwersten getan habe. Die beiden Männer sollten bewusst nich näher charakterisiert werden; somit ließ ich sogar die Namen weg.
Und ich musste echt feststellen, dass es nicht einfach ist, die beiden auseinanderzuhalten. Ich denke, dadurch entstanden auch die "männlichen Lippen", um nicht immer vom Dünnen und vom Starken zu sprechen.

Erstens reicht es sicher nicht aus, den toten Rudi auf Petersons Grundstück zu platzieren, um seine Verurteilung zu erreichen
Da hast du Recht, deshalb habe ich noch diese eingefügt:
In einem der Artikel stand sogar der Satz eines hochrangigen Polizeibeamten, man habe schon länger vermutet, dass Peterson der Armbrustmörder sei, doch hätten bislang stichhaltige Beweise gefehlt.
vielleicht hatten die schon was ...

Zweitens finde ich, die Geschichte würde viel stärker wirken...
Gerade die Erklärung finde ich wichtig, denn der Armbrustmörder ist ja nicht nur der Armbrustmörder, der aus Lust am Töten meuchelt.
Ich fand gerade diese Entwicklung diesbezüglich interessant.
Den Schluss am Grab und den Verweis auf das biedere Familienleben des Armbrustmörders fand ich wieder sehr schön.
Vielen Dank.

Habe mich sehr über deinen Kommentar gefreut.

Gruß! Salem

 

Hallo Salem,

herzlich willkommen in der Krimiabteilung!

Mit dieser Geschichte hast du hier einen guten Einstieg vollbracht.

Das Motiv für solche Taten ist etwas dünn, aber pubertierende Jungs sind in ihren Handlungen manchmal extrem extrem. Hinzu kommt wohl auch eine große Verwirrung des Knaben.

Die zeitlichen Abläufe find ich recht eng.
Peterson wohnt seit knapp einem halben Jahr im Ort. Die Armbrustmorde hatten vor 4 Monaten begonnen. Da bleiben knapp 2 Monate für den Beginn der Liebschaft, den Selbstmord des Vaters und den Mordplänen (inclusive der Durchführung des ersten Mordes) des Jungen.

Ansonsten sehr spannend, schlüssig und wirklich bildhaft geschrieben.


Einige Dinge, die mir am Text aufgefallen sind:

Der Wald lag beinahe in absoluter Stille. Von Zeit zu Zeit vernahm man ein leises Rascheln, hin und wieder ein Knacken. Dann wieder nichts.
Der Vollmond warf sein diffuses Licht auf die kleine Lichtung mit der zerfallenen Holzhütte, die aussah, als müsse man nur einmal kräftig niesen und sie würde mit einem lauten Poltern zu Staub zerfallen.

Wortwiederholungen „wieder“ und „zerfallen“
„Zu Staub zerfallen“ poltert nicht.

Der Kräftige drückte ihn fester an sich und zog ihn auf die Lichtung.
Dort sind sie bereits. Etwas weiter oben steht: „Als die beiden Männer die kleine Lichtung betraten, …“

Dabei grinste er und es war genau dieses Grinsen, das den Schlanken immer dahinschmelzen ließ wie ein Eiswürfel auf einer heißen Herdplatte.
Statt immer würd ich immer wieder/jedes Mal schreiben. Er schmilzt ja nicht ständig.

Er versuchte seine Gedanken diesbezüglich zu fokussieren,
Auf verstaubtes Kanzleideutsch Bezug nehmend, …

"Komm mit zur Hütte", flüsterte sein Begleiter und zog ihn in Richtung der alten Bretter.
Das kann raus. Denn etwas weiter im Text steht: „Was soll's?, dachte er und ließ sich von den starken Armen zu dem baufälligen Gebäude auf der Lichtung ziehen.“

Dann wurde der Geruch durch den männlichen Geruch seines ...
Wordwiederholung. Da würd ich unterscheiden zwischen: Gestank/Mief – Duft/Aroma

Als ihn die männlichen Lippen wenig später verlangend küssten, passierte genau dieses.
„Männlich“ ist eine überflüssige Information. Sind ja nur Männer da. Vielleicht raue Lippen oder überraschend zarte Lippen oder oder …

Ebenso wenig sahen sie den kleinen Schatten, der sie jetzt durch die Bäume hindurch beobachtete.
Ein kleiner „Schatten“ mit Augen? Eine verborgene/lauernde Gestalt vielleicht.

gefolgt von einem unterdrückten Plopp.
Wer oder was unterdrückt das Ploppen? Und wieso kann er es dann noch hören?

Der Mann stutzte, als er merkte, wie sich der Körper seines Freundes im Bruchteil einer Sekunde anspannte, um im selben Augenblick zu erschlaffen.
„als er merkte“ ist logisch, kann raus.
„im selben Augenblick“ anspannen und erschlaffen geht nicht.

Es war Ende der Siebziger, als ich zusammen mit meinem Kumpel Rudi (der eigentlich Rüdiger hieß)
Was für eine Überraschung. Einen Kumpel Rudi, der eigentlich Wolfgang hieß, fänd ich interessanter.

Wenn man uns von Weitem betrachtete, dann wies er mit Sicherheit das Dreifache an Gewicht und Umfang von mir auf;
Aus der Nähe betrachtet nicht? Dann sind sie gleich?

Was uns Jungs aber mehr als brennend interessierte, war: der Armbrustkiller.
Der Armbrustkiller war nicht weit weg, nicht irgendwo in den Vereinigten Staaten, nicht irgendwo da, wo die Kernkraftwerke schmolzen. Nein, er war hier. Hier in unserer Stadt. Irgendwo mitten unter uns.

„Uns Jungs“ und „mitten unter uns“ bezieht den Prot mit ein. Ich meine, da wird der Leser zu arg hinters Licht geführt.


Finger griffen nach einem Grashalm, rissen ihn ab und ließen ihn fachmännisch in seinen Mundwinkeln verschwinden, wo er jetzt heraushing wie ein grünes Schnurrhaar eines Kaninchens.
Was ist daran fachmännisch?
Äh – das wird jetzt kompliziert: Einerseits lässt er den (einzelnen und ganzen) Halm in beiden(!) Mundwinkeln verschwinden(!), andererseits sieht man ihn noch, aber nur wie ein (einzelnes) Schnurrhaar.

Ich merkte, dass Rudi noch etwas sagen wollte, sah das Grinsen in seinem Mondgesicht, als ich diese Stimme hörte.
„Diese Stimme“ hängt in der Luft. Ist die Stimme nur in seinem Kopf?
Nur der Erzähler kann was damit anfangen, weil er weiß, wie es weiter geht.
Vielleicht: als ich diese Stimme von der Haustür her hörte?

Unter dem Plakat standen fünf Feuerlöscher, aufgereiht wie Soldaten kurz vor dem Ansturm des Feindes. Die schwarzen Schläuche hingen akkurat an der Seite herab.
Soldaten erwarten einen Angriff nicht aufrecht stehend – jedenfalls war das in den 70gern nicht so. Hab da eher ein Bild von einem Appell vor Augen.

Fünf Minuten später hatten wir den Keller durchquert und standen in einem Raum vor einer Treppe, die in den ersten Stock führte.
Vom Keller in den ersten Stock, nicht ins Erdgeschoss/Parterre? Den Keller verlassen und standen ...

Ich erkannte dicke Schweißperlen, die überall in seinem Gesicht standen.
Hier mal als Beispiel: So breit angelegte Beschreibungen scheinen dein Stil zu sein. Nichts dagegen, erwähne es aber, um dich drauf aufmerksam zu machen.
Dicke Schweißperlen standen in seinem Gesicht, täts bei mir vollauf.

Lieben Gruß

Asterix

 

Hallo Salem

Was mir auffiel:

wie einen Eiswürfel auf einer heißen Herdplatte.
und zog ihn auf die Lichtung.
und zog ihn in Richtung der alten Bretter
Wieder war da dieser Schauer, der ihm jetzt für einen kurzen Moment eine Gänsehaut auf die Arme zauberte.
Modergeruch wahrnehmen, der zwischen den Brettern hindurch auf sie zuzukriechen schien. Dann wurde der Geruch durch den männlichen Geruch seines Gegenübers überdecktging auf die Knie und grinste ihn von unten herauf an

hin" heißt: von mir zu einem anderen Ort

"her" heißt: von einem anderen Ort zu mir

Die erste Passage war mir zur schwerfällig erzählt.
Dann im zweiten Absatz riss mich dein Erzählstil in die Geschichte.

Die Auflösung war spannend und hallte morbide in mir nach.

Insofern hast du nur einen schmalen Grat von Horror weg überschritten. :D

Was mir nicht so gut gefiel: Serienmörder sind unheimliche Menschen. Die ganze Geschichte wirkt durch diesen Umstand und die Gräuelbilder, die du beschwörst. Ich würde mir wünschen, wenn deine Figuren authentischer werden.

Trotzdem gerne gelesen

Liebe Grüße

GD

 

Hey Astrix.

Deine Kritiken zaubern jedesmal ein wohliges Grinsen auf meine Lippen :)
Vielen Dank. Alle deine Anregungen sind nachvollziehbar und wurden direkt umgesetzt.
Irgendwie denke ich mir dann immer: Meine Güte, hättest du ja selbst merken können.
Aber dafür sind wir ja hier; um irgendwann einmal von dieser Betriebsblindheit weg zu kommen.
Ach, der Rudi heißt aber immer noch Rüdiger und nicht Wolfgang ;)
Vielen Dank für deine wirklich hilfreiche Kritik. (das mit dem Zeitfenster muss ich nochmal genau überdenken und dann entsprechend ändern; kommt also auch noch)

Hey Goldene Dame.

Auch bei dir möchte ich mich fürs Fehlersuchen bedanken (wurden selbstverständlich auch direkt ausgemerzt).
Ja, die erste Passage. Bin selbst noch nicht zu hundert Prozent zufrieden damit. Mal sehen, vielleicht krieg ich sie noch mal runder hin.

Insofern hast du nur einen schmalen Grat von Horror weg überschritten
Na, da bin ich ja beruhigt :D ;)

Auch dir ein herzliches Danke fürs Lesen und KOmmentieren.

Gruß! Salem

 

Hallo Salem!

Wir hatten noch nicht das Vergnügen, glaube ich.

Ich steige gleich voll ein (in die Version vom 16.4.). Du schreibst (besonders im ersten Abschnitt) in einem sehr blumigen Stil (viele Metaphern, Vergleiche, auch viele Adjektive). Mir gefällt klare, direkte Sprache besser.

Beispiele, was mir nicht gefällt:
"Der Wald lag beinahe in absoluter Stille." => Absolut ist etwas sehr Starkes. Absolut ist eben absolut. Das "beinahe" passt dazu nicht. "Fast still" wäre okay. Aber "fast absolut still"?

"diffuses Licht auf die kleine Lichtung mit der baufälligen Holzhütte" => Die Adjektive sind mir zu geballt, und die "kleine Lichtung" benutzt du gleich im nächsten Satz wieder.

"überzog ein leichter Schauer den Rücken des dünneren und er klammerte sich enger an seinen Begleiter. Er wankte leicht" => zweimal "leicht"

"die ihn in Höhe der Hüfte fassten keine Mühe," => Komma nach "fassten".

"fragte er und ein Kichern drang jetzt über seine Lippen.", "ihn fester an sich und zog ihn", "Dabei grinste er und es war genau" => Solche und-Wendungen benutzt du häufig. Die lesen sich nicht schön und lassen sich oft vermeiden.

"dahinschmelzen ließ wie einen Eiswürfel auf einer heißen Herdplatte." => Das Bild finde ich nicht ganz in Ordnung, denn wenn man einen Eiswürfel auf eine heiße Herdplatte legt oder wirft, schmilzt der nicht einfach ruhig (romantisch) vor sich hin. Eis in der Sonne schmilzt ganz anders.

Übrigens finde ich deine Art, Namen zu umgehen, nervig, sorry. Liest sich wie eine Schreibaufgabe aus einem VHS-Kurs: "Sie dürfen keine Namen verwenden, müssen den Text aber abwechslungsreich gestalten. Finden Sie möglichst viele Synonyme." Der Dünne, der Schlanke, der Dicke, der Kräftige, der Mann, sein Begleiter, sein Partner, der Hockende ...

"baufälligen Gebäude" => Deine Adjektive erscheinen mir ein wenig lustlos. Das "baufällig" benutzt du hier schon das zweite Mal - und was soll sich der Leser konkret unter "baufällige Holzhütte" vorstellen? Das ergibt doch nicht wirklich ein Bild, das man vor Augen hat. Oder die "kleine Lichtung". Wie klein - oder groß - ist die denn? Da muss eine Vergleichsgröße her! Nicht mal so groß wie ein Fußballfeld. Abgedroschen, aber vorstellbar.

"Er riss die Knöpfe seines Hemdes auf, hörte ihn kurz aufstöhnen und ließ seinen Geruch in sich hineinströmen. Er ging auf die Knie und grinste ihn von unten hinauf an; sah, dass er seine Augen geschlossen und seinen Mund leicht geöffnet hatte." => Hier sind dir die Synonyme ausgegangen und ich habe Schwierigkeiten, zu folgen. Er, ihn, sein, sich, er, ihn, er, seinen - das sollen zwei Personen sein, ja? Wer ist wo wer?
Übrigens, du setzt Semikoli nach Gutsherrenart, nicht nach deutscher RS.

"sahen sie den keinen Schatten," => Hier stimmt was nicht.

"der sie jetzt durch die Bäume hindurch zu beobachteten schien." => Schien? War es so oder nicht?
Noch ein übrigens: Du hast ein Faible für "jetzt". Das Wort lässt sich oft (auch hier) einfach streichen.

"Dann vernahm er wieder den Modergeruch," => Vernehmen tut man Geräusche, Gerüche nimmt man wahr.

"Eindeutig kein Orgasmus!" => Äh, ja, klar. Ist das jetzt ein Gedanke von dem Typen? Ich finde diesen Einwurf merkwürdig.

"Er wies mit Sicherheit das Dreifache an Gewicht und Umfang von mir auf" => Das ist so ein Bild, mit dem ich absolut nichts anfangen kann. Er wies Gewicht auf. Ist mehr eine technische Umschreibung. Vierzehnjährige würden einfach sagen: er war fett wie ... Oder bei Freunden eine nettere Umschreibung finden, aber eine, die eben ihrer Gedankenwelt entspringt, nicht: er wies Gewicht auf.

"Da bei der Gruselhütte, weiß du?" => Hier fehlt ein t.

"einen Schwarm Mücken" => Ist schon dein zweiter Mücken-Vergleich im Text.

"wie ein Streichholzkopf wirkte. Die spitze Nase ragte daraus hervor, wie der gekrümmte Schnabel eines Geiers." => Streichholzkopf mit Geierschnabel? Ein Vergleich zu viel, um ein gutes, aussagekräftiges Bild zu ergeben. In einem satirischen Text wäre es eine gute Karikatur.

"er einen roten Gegenstand mit einem schwarzen Schlauch." => Das hingegen ist zuwenig Bild. Ich kann mit nichts darunter vorstellen. Was für eine Form hat der Gegenstand, wie groß ist er, an welcher Stelle ist der Schlauch daran befestigt?

"blickte sich verstohlen um."
"gehetzten Blick" => Wenn der Blick gehetzt ist, kann er kaum verstohlen sein.

"ohne den gehetzten Blick in alle Richtungen einzustellen." => Den Blick einstellen. Das ist alles so bemüht, gewollt, aber es liest sich nicht. Was Einfaches wäre zehnmal besser.

"als sei dieser ein metallisches Kind." => Jetzt erst erfährt der Leser, dass der Gegenstand aus Metall ist. Warum nicht gleich?

"das Vater mir kurz vor seinem Tod geschnitzt hatte aus der Schlaufe" => Komma nach "hatte".

"Es war zwei Nächte später, als zwei Jungs" => Warum fängst du hier denn schon wieder mit den Umschreibungen an? Das ist doch ein klares "wir", jedenfalls aus deiner Schreib-Perspektive.

"als zwei Jungs", "als es darum", "gelacht, als er mich" => Drei aufeinander folgende als-Sätze lesen sich nicht schön.

"Wieder keimte diese Übelkeit in mir auf und ich verdrängte die Gedanken, die diese verursachten." => Sowas mag ich überhaupt nicht gerne lesen. Wenn ein Ich-Erzähler, der nunmal alle Informationen hat, diese Informationen nicht preisgibt, sondern immer wieder dieses: "Ich weiß was, aber ich sag's euch nicht. Ätsch!" kommt.

"deren Inhalt seinen Käsegeruch" => Die Käse-Sache hast du auch schon zu oft gebracht.

"Gänsehaut überzog meine Arme,"
"überzog ein breites Lächeln" => WW. Mein Komm wird lang, wie es aussieht. Ich habe wohl deine Schreibqualitäten ein wenig überschätzt.

"darein" => Zwei Wörter, da rein. Nicht dar-ein, drein.

"Abwarten", grinste ich." => Man kann keine wörtliche Rede grinsen.

"griff hinein. Kurz darauf lag Vaters schwere Taschenlampe in meiner Hand." => Wieder so unglaublich umständlich. Warum nimmt er nicht einfach die Taschenlampe heraus?

"gleich noch in die Hose scheißt, dann haben wir noch mehr" => WW noch

"und standen in einem Raum"
"Schweißperlen standen auf seinem Gesicht." => WW standen. Lass den Schweiß perlen, statt die Perlen stehen.

"fiel mein Blick durch die Tür, die sich neben der Treppe befand. Es war der Verkaufsraum" => Ich dachte, neben der Treppe ist die Haustür: "standen in einem Raum vor einer Treppe, die in den ersten Stock führte. Neben uns befand sich die Haustür"

"während der Rucksack auf meinem Rücken immer schwerer zu werden schien." => Lass das "schien" doch einfach weg. Gäbe ein viel stärkeres Bild.

"Weiss" => ß und t

"Es tut mir leid", sagte ich so leise" => Oh, nee. Der vierzehnjährige Ich-Erzähler ist also ein Serienkiller, der nun seinen besten Freund umbringt, ja? Im ganzen Text nicht ein klitzekleiner Hinweis darauf, dass er ein Psychopath ist. Auch nicht darauf, dass er ein meisterhafter Schütze ist.
=> Warum soll ich dir das abkaufen?

"Nachdem man", "dass Peterson der Armbrustmörder sei" => Wer ist "man"? Und Beweise brauchte man 1979 noch nicht, nein? Abgesehen davon, wie konnte sich dein vierzehnjähriger Mörder denn sicher sein, dass Peterson kein Alibi für die Tatzeit hat? "Kinderleiche im Haus von Allerlei-Kramer gefunden. Dieser war zur Tatzeit auf dem Feuerwehrball, wie fünfzig Feuerwehrmänner bestätigen."

"hatte sich kurz nach der Festnahme in seiner Zelle mithilfe seiner schmierigen Krawatte mit den roten und blauen Karos aufgehängt" => Gürtel, Schnürsenkel und Krawatten haben in Zellen von Untersuchungshäftlingen nichts zu suchen. Denk dir was Besseres aus.

"hatte. Bis auf die alte Schrotflinte, mit der er sich zwei Wochen später den Schädel weggepustet hatte, nachdem er das mit Peterson und meiner Mutter erfahren hatte" => Also, Peterson zieht in den Ort, fängt sofort ein Verhältnis mit der Mutter an, der Vater erfährt das umgehend und erschießt sich (nicht den Liebhaber). Alles innerhalb von sechs Wochen. Sohn erfährt ebenfalls von dem Verhältnis (sieht es mit eigenen Augen, sehr diskret, die Leute dort), wird über Nacht Meisterschütze und fängt sofort an, Leute abzuschießen, kaltblütig, ohne Skrupel. => Ist absolut nicht glaubwürdig.

Am Ende noch eine Nachfrage, da du es im Text nicht aufklärst: Warum riecht der eine der Männer am Anfang immer wieder was Modriges? Muss doch wichtig sein, wenn du es mehrfach erwähnst.

Ja, sorry, so viel Genöle. Wortwiederholungen und Bilder sind eine Sache, die andere ist die Frage der Glaubwürdigkeit. Ich bin der Auffassung, in einem Krimi, also einem Text, der in der Realität fußt, muss man wirklich auf sowas achten. Im Gegensatz zu deinem Spezialgebiet, dem Horror, wo man ohne Probleme mit phantastischen Mitteln die Naturgesetze aushebeln kann.
=> Gute, glaubwürdige Krimicharaktere und Krimiplots erfordern knallharte Recherche.

So, das reicht nun.

Grüße
Chris

 

Hey Chris.

Ich hätte jetzt behauptet, dass du schon mal eine meiner Geschichten zerrissen hast, aber da kann ich mich auch täuschen :)

Nein, im Ernst: vorab zwei Punkte zu deiner Kritik
1) absolut konstruktiv und hilfreich (habe die Geschichte auch deshalb herausgenommen und überarbeitet). Ich gehe weiter unten genauer drauf ein.
2) "Mein Komm wird lang, wie es aussieht. Ich habe wohl deine Schreibqualitäten ein wenig überschätzt."
den letzten Satz hättest dir verkneifen können, da er einfach nur unter die Gürtellinie geht und verletzt

So, kommen wir zu den Details:

Du schreibst (besonders im ersten Abschnitt) in einem sehr blumigen Stil (viele Metaphern, Vergleiche, auch viele Adjektive). Mir gefällt klare, direkte Sprache besser.
Ich nehme diese Zitat einmal stellvertretend für den ersten Abschnitt.
Ich habe diesen komplett überarbeitet (nicht, dass ich blumigen Stil nicht mag) aber er gefiel mir insgesamt nicht und ich wusste nicht warum. Mit deiner Hilfe meine ich es herausgefunden zu haben.
Ich habe in der alten Version versucht, die Szene möglichst von weit weg zu betrachten, doch mein Fehler war, dass ich immer wieder versucht habe, nahe auf die Personen einzugehen, ja mich sogar mit ihren Gedanken und Gefühlen beschäftigt habe.
Dieses spielt aber für den Verlauf der Geschichte absolut keine Rolle.
In der neuen Fassung habe ich versucht, wirklich nur ganz außen vor zu bleiben. Mich lediglich auf das Wesentliche konzentriert.

Im Folgenden gehe ich auf deine Hinweise ein, die ich nicht geändert habe. Für alle anderen ein herzliche Dankeschön.

Er wies Gewicht auf. Ist mehr eine technische Umschreibung. Vierzehnjährige würden einfach sagen: er war fett wie ... Oder bei Freunden eine nettere Umschreibung finden, aber eine, die eben ihrer Gedankenwelt entspringt, nicht: er wies Gewicht auf.
Ich sehe das so, dass der erwachsene Prot die Geschichte ja erzählt / sich daran erinnert.

"Es war zwei Nächte später, als zwei Jungs" => Warum fängst du hier denn schon wieder mit den Umschreibungen an? Das ist doch ein klares "wir", jedenfalls aus deiner Schreib-Perspektive.
Hier wäre mir persönlich ein "wir" zu langweilig gewesen. Klar hast du Recht, aber mir gefällt es so, zumal es sonst auch nicht zu dem Rest des Satzes passen würde.

"Wieder keimte diese Übelkeit in mir auf und ich verdrängte die Gedanken, die diese verursachten." => Sowas mag ich überhaupt nicht gerne lesen. Wenn ein Ich-Erzähler, der nunmal alle Informationen hat, diese Informationen nicht preisgibt, sondern immer wieder dieses: "Ich weiß was, aber ich sag's euch nicht. Ätsch!" kommt.
Die Übelkeit habe ich insgesamt rausgenommen, aber dieses langsame Draufhinführen macht doch gerade die Spannung aus, oder nicht? Also ich finde sowas in Büchern immer toll. Besser als solche Dinge, die manche Autoren gern benutzen: "Er wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass er den nächsten Angriff nicht überleben würde." :D
Die Käse-Sache hast du auch schon zu oft gebracht.
Das finde ich gehört einfach zu Rudi. So wie sein Dicksein.

Kurz darauf lag Vaters schwere Taschenlampe in meiner Hand." => Wieder so unglaublich umständlich. Warum nimmt er nicht einfach die Taschenlampe heraus?
Hier war ich mir zunächst auch unschlüssig, aber ab und zu mag ich diese Umständliche.


"gleich noch in die Hose scheißt, dann haben wir noch mehr" => WW noch
Ich denke, in der wörtlichen Rede macht sich keiner große Gedanke über WW. Vor allem nicht in solchen Situationen.

"Es tut mir leid", sagte ich so leise" => Oh, nee.
Ich habe mal versucht, dezent drauf hinzuarbeiten.

die andere ist die Frage der Glaubwürdigkeit. Ich bin der Auffassung, in einem Krimi, also einem Text, der in der Realität fußt, muss man wirklich auf sowas achten.
Auch diesbezüglich habe ich den Text noch einmal überarbeitet. Vielleicht ist es ja so besser.

Wie gesagt, deine anderen Anmerkungen habe ich alle umgesetzt. Und ich muss gestehen: Die Story gefällt mir um einiges besser.
Nun ja, ist mein erster Krimi. Von daher nenn ich ihn mal Übungsmaterial.
Und ich muss zugeben: macht echt Spaß.

Ich danke dir noch nochmal ganz herzlich für deine Mühe und Hilfe.

Gruß! Salem

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Salem!

Spannend war die Geschichte schon beim ersten Mal lesen, aber ich glaube du hast einiges verändert, denn jetzt gefällt sie mir auch sprachlich gut. Am Anfang hattest du ein paar 0815 Formulierungen, die jetzt durch Besseres ersetzt wurden. So auch shon in den ersten Sätzen. Ist sicher was anderes als Horror zu schreiben. Plötzlich will dir jeder Logikfehler beweisen und sowas... Für mich, der ich wirklich kein Krimileser bin, steht aber die Spannung an erster Stelle und die Unterhaltung auch. Das ist zwar nicht möglich, aber ich denke du verstehst ;) Mein Versuch hier war auch kein Krimi, aber besser als die Horrorversuche.. Mir hat das Lesen jedenfalls Spaß gemacht und deshalb :thumbsup:

Gruß

herrlollek

 

He Salem,

da musst du aber noch ordentlich nachgelegt haben. Das erste Mal, als ich deine Geschichte angeklickt habe, habe ich es nicht weit geschafft. Der EInstioeg holperte stilistisch doch sehr arg und wollte mich nicht einfangen.
Gut, dass ich dem Text einen zweite Chance gegeben habe, denn jetzt fin deich ihn ausgezeichnet.
Um es psychologisch noch runder zu machen, hätte ich mir einen Querverweis zu den Schwulen gewünscht. Der hätte ja auch am Ende kommen können, da man hier ja nichts mehr verraten kann. Also vielleicht Schwulenhass seitens des VAters oder so.
Ansonsten habe ich die Geschichte sehr gern verfolgt und mich auch gut auf deinen beiden Jugendlichen einlassen können. Gemein, aber es hat sogar Spaß gemacht :aua:

Das leise Knacken am Rande der Lichtung hörte keiner der beiden. Ebenso wenig sahen sie den kleinen Schatten, der sich lediglich durch seine geringere Größe von den übrigen Schatten abhob.
überflüss. Ein Adj mehr gekillt. Die Größe des Schattens wird doch im Nachhinein noch klargestelt

Maik genoss derweil das immer schneller werdende Atmen seiner Bekanntschaft. Er spürte, dass es nicht mehr lange dauern und dieser sich in einer bahnbrechenden Explosion in ihm entleeren würd
du hast ja schon ausgedünnt, aber das kann hier auch getrost raus, gibt dem ganzen einen albernen Anstrich

"Nein danke. Verzichte", sagte ich angewidert bei dem Gedanken an gräulich schimmernde Hirnstücke an einem Pfeil aufgespießt.
unschön

Stark, was du aus dem Text gemacht hast

grüßlichst
weltenläufer

 
Zuletzt bearbeitet:

Jo,

Big Summer Sale M., hier schreibt Proof, du weißt Bescheid.

Stille durchzog den Wald wie ein schleichendes Raubtier.

Das ist gleich zu Beginn so ein schräges Bild, da würde ich simpler anfangen. Überhaupt:


Als die beiden Männer den Wald betraten, wurde das schleichende Raubtier verscheucht.

Hier könnt's losgehen. Alles bis dahin ist so „Es begab sich aber zu einer Zeit ...“


Wenig später hatten sie die Lichtung erreicht

"Die Männer" statt Pronomen, ist zwei Sätze her, dass sie zuletzt erwähnt wurden. Bezug nicht eindeutig.


Wenig später lehnte sich der Mann mit dem Namen Erik

Wenig später lehnte Erik sich


Ebenso wenig sahen sie den kleinen Schatten, der sich lediglich durch seine geringere Größe von den übrigen Schatten abhob.

Ki-Ki-Ki, Ma-Ma-Ma. Finde ich, von der Atmosphäre her jetzt. Proof mag das.


dass es nicht mehr lange dauern und dieser sich in einer bahnbrechenden Explosion in ihm entleeren würde.

dass es nicht mehr lange dauern würde, bis dieser sich in einer Explosion in ihn entleerte. Wobei Entleeren eigentlich mehr nach dem Muss der Körperflüssigkeiten klingt, nicht so sehr nach dem spaßigen Kann, das selbstverständlich auch öfter mal sollte. Sonst platzt man ja. Ähem. Bei Horrorfilmen ab 16 packen sie manchmal Trailer ab 18 mit drauf, weil der rote Flatschen auf der Hülle cooler aussieht.



Mir fällt spontan nichts Besseres ein, aber dass das Geräusch, das ein Pfeil macht, der in Fleisch und Blut fährt, wirklich mit Plopp umschrieben ist, glaube ich persönlich jetzt eher nicht. Dass das Ding gleich ins Auge gehen muss, ist auch sehr Kill them, Mommy!, eigentlich solltest du die Schwulen durch eine Cheerleaderin und eine Football-Dumpfbacke ersetzen.


Armbrustkiller

Ob die Leute in so einem Dorf den nicht eher Armbrustmörder nennen würden?


als wärst dem Teufel persönlich begegnet."

du


das Messer, dass

das. Oder wo.


Ich war beeindruckt über Rudis

beeindruckt von


den Liebhaber meiner Mutter eins auszuwischen.

dem


"Abwarten", grinste ich.

Eine Aussage kann man nicht grinsen.


Ich grinste

Es wird sehr viel gegrinst in der Geschichte, ich würde mir die Stellen nochmal angucken und überlegen, ob das überall wirklich sein muss.


Geschlossen-Schild

Geschlossen-Schild


Weiss du das denn nicht mehr?

ßt


(auch davon waren die Zeitungen voll, denn Peterson hatte keine zwei Wochen zuvor das Gefängnis mit den Löschern versorgt)

Schöne Idee.


mit der er sich zwei Wochen später den Schädel weggepustet hatte

Auch wenn er vierzehn ist klingt das sehr „cool“. Kann der Vater sich nicht einfach mit dem Gewehr in den Kopf geschossen haben?


Gerade die Erklärung finde ich wichtig

Berg hat insofern recht, als dass du deine Geschichte um eine beunruhigene Dimension erweitern würdest. Das motivationslose Böse ist immer so Hu-Hu-Hu (Schüttelfrost), diese nachgeschobenen Erklärungen dagegen wirken stets eher wie ein Relikt aus alten Fernsehkrimis, gerade wenn sie wie hier so geballt im letzten Absatz daherkommen.


Also, der freitagsmäßige Einstieg hat mir gut gefallen, auch die Szene später in dem Laden war spannend. Meine Probleme hatte ich mit der Motivation des Täters. Ein derart traumatisches Erlebnis wie ein blutiger Selbstmord des Vaters ist sicher ein guter Ansatz, wird aber zu lapidar abgehandelt, dein Prot ist einfach viel zu lässig, viel zu wenig kaputt, er leidet nicht genug, als dass ich ihm eine Mordserie abnehmen würde.

Du solltest, falls ich es nicht überlesen habe, deutlich herausstellen, dass der Junge die Leiche gefunden hat, dann hast du schon mal eine nachvollziehbare seelische Erschütterung (Synonymwörterbuch ist auch nicht immer der Weisheit letzter Schluss). Weiter oben schreibst du von grauem Gehirn, vielleicht weiß das Kind, dass Gehirn grau ist, weil es unter Tränen versucht hat, das seines Vater zurück in den Kopf zu stopfen. Sowas in der Art.

Das ist jetzt auch nicht der Faden der Kolumbus, aber da muss mehr Drama rein, Baby, sonst lässt der Prot den Leser kalt. In der Serie Dexter machen sie das ganz gut. Ist keine Referenz für knallharten Ultrarealismus wie Henry: Portrait of a Serial Killer, aber die Leere, die Emotionslosigkeit, das Sich-nur-beim-Leben-nehmen-lebendig-fühlen, das wird sehr schön dargestellt, da kann man sich als Schreiber durchaus Inspiration holen.

Ich würde den „guten Ausgang“ (aus Sicht des Erzählers) auch eher zufällig passieren lassen, sonst scheint die Geschichte sich nicht recht zwischen durchgebranntem Amokkind (das schließlich auch völlig Unbeteiligte auf dem Gewissen hat) und eiskalt berechnendem Killer entscheiden zu können.

Problematisch ist zudem die Szene, in der der dicke Käsejunge von den Leichenfunden erzählt und der Ich-Erzähler, um der Pointe willen, nicht zuhört, weil er an seinen Vater denkt. Diese Reaktion kann ich nicht glauben, aber wahrscheinlich ließe sich das nur mit einem Dritte-Person-Erzähler umgehen.

Bis die
JC

 

So, Urlaub beendet. Dann wolln wir mal:

Hey, herrlollek.

aber ich glaube du hast einiges verändert, denn jetzt gefällt sie mir auch sprachlich gut
vielen Dank. Habe wirklich gebastelt. Gerade der von dir erwähnte Anfang war ein Hauptmanko.
Ist sicher was anderes als Horror zu schreiben.
oh ja :D

Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.

Hey weltenläufer.

Das erste Mal, als ich deine Geschichte angeklickt habe, habe ich es nicht weit geschafft. Der EInstioeg holperte stilistisch doch sehr arg und wollte mich nicht einfangen.
wahrhaftig. Aber ich wusste auch echt nicht, wie ich es ändern sollte. Dank eurer Hilfe hier hats ja geklappt ;)
Also vielleicht Schwulenhass seitens des VAters oder so.
Also die Opfer am Anfang sollten beliebig sein. Hätten auch Lesben oder Heteros sein können. Der Anfang sollte lediglich so als Einführung in die Geschichte herhalten (iwie logisch :D)
überflüss. Ein Adj mehr gekillt. Die Größe des Schattens wird doch im Nachhinein noch klargestelt
Also hier finde ich die Spezifizierung des Schattens doch schon wichtig

Der Rest wurde ausgebessert! Auch dir ein herzliches Danke!

Hey Proof.

Das ist gleich zu Beginn so ein schräges Bild, da würde ich simpler anfangen.
Hm... denke, das ist Geschmacksache. Also mir tut et jefalle ;)
Finde die anfängliche, kurze Beschreibung des Waldes passt irgendwie. Ich wollte ja ein Setting darstellen und dann auf die Personen rüberschwenken

Wenig später lehnte Erik sich
Ich will hier bewusst etwas Abstand zu den Figuren halten. Zumindest anfänglich.

Ki-Ki-Ki, Ma-Ma-Ma. Finde ich, von der Atmosphäre her jetzt. Proof mag das.
:confused: ähhh ... muss ich das verstehen??

Mir fällt spontan nichts Besseres ein, aber dass das Geräusch, das ein Pfeil macht, der in Fleisch und Blut fährt, wirklich mit Plopp umschrieben ist, glaube ich persönlich jetzt eher nicht
Hier war mehr das Eindringen in die Holzwand gemeint. Aber mir fällt auch nix Besseres ein

Ob die Leute in so einem Dorf den nicht eher Armbrustmörder nennen würden?
Klar doch. Kein Plan, warum ich den Killer nahm ...

Zitat:
als wärst dem Teufel persönlich begegnet."
du
Neee, der spricht so ;)

diese nachgeschobenen Erklärungen dagegen wirken stets eher wie ein Relikt aus alten Fernsehkrimis, gerade wenn sie wie hier so geballt im letzten Absatz daherkommen.
Och, sowas gefällt mir.

Ich würde den „guten Ausgang“ (aus Sicht des Erzählers) auch eher zufällig passieren lassen
Auch hier sollte eig rauskommen, dass alles durchdacht und geplant ist

An dem Rest habe ich wieder etwas gefeilt. Danke dir für die Hinweise.
Haben mir sehr geholfen.

Gruß! Salem

 

Hallo Salem!

Also, ich habe die Version vom 3.5., scheint ja die Neueste zu sein. Habe dennoch einiges zu kritteln. Aber der Reihe nach.

Zunächst finde ich es etwas schräg, zu sagen, im Horror-Genre hast du nicht die Verpflichtung nach der Logik vorzugehen oder Horror ist leichter zu schreiben.
Bullshit, natürlich! Auch im Horror muss man logisch vorgehen, vielleicht sogar mit noch mehr Gefühl.
Aber das nur am Rande.

Trotzdem du einen Ausflug ins Spannungs- oder Krimifach gemacht hast, ist es doch eine typische Salem-Story geworden.

Du hast zwei Typen drinnen, hart am Erwachsenenalter, du spickst die Story mit Andeutungen, womit du eine Vorgeschichte enthüllst (hätte mir davon mehr gewünscht, andeutungsweise, den Leser raten lassend), es ist eine Welt, die wir zu kennen glauben.

Und dann, genialerweise, konterkarierst du deine eigenen Erzählmuster und präsentierst uns den Sympathieträger, der so richtig das Arschloch ist. Das hat mir nun wirklich gefallen!

Das zum Inhalt.

Eine Waldlichtung, in deren Mitte eine baufällige Holzhütte seit Jahrzehnten der gewöhnlich rauen Witterung trotzte und die an einer Seite mit Graffiti beschmiert war, wurde durch den Vollmond erhellt.

Bei Sätzen, die sich über mindestens drei Zeilen hinziehen, versuche ich grundsätzlich, zu trennen. Ich hätte zwei Sätze draus gemacht.

Selbst ein lauter Furz, gefolgt von gackerndem Prusten, hallte zwischen den Bäumen wider.

Das kann weg! Würde ohne viel besser funktionieren!

Wie ich auch den gesamten ersten Abschnitt auf Verträglichkeit überprüfen würde. Es hat den Anschein, als würdest du dich hier erst warmlaufen.

Piratenkacke würde man heutzutage lapidar sagen.

Weg damit!

John Wayne, einer meiner Lieblingsschauspieler und der wohl größte Westernheld aller Zeiten, sollte einen Monat später sterben und die globalen Nachrichten einer Kernschmelze in den Hintergrund drängen.

Du machst dir die schönen Bilder selber kaputt, indem du sie dehnst. Dann wirken sie nicht mehr.
Wenn du den Text durchkämmst, wirst du noch einige Blähwörter und -sätze finden, die absolut überflüssig sind. Das Stück würde gewinnen, glaube ich.

Das Blut schoss in meinen Kopf ein, als hätte man an einem Ventil gedreht, um den Überdruck aus einem heißen Tank zu lassen.

Auch dies Bild funktioniert viel besser, wenn du den Nachsatz streichst.


Tja, wie gesagt, alles in allem hats mir gefallen.
Ein Text ist nie fertig, niemand weiß das besser als du. Trau dich, kill deine Lieblinge:D


Bis zum nächsten fröhlichen Treffen, hat Spaß gemacht!

Schöne Grüße von meiner Seite!

 

Offenbar hatte ich mich bei dem doch sehr plakativen Titel auf etwas eingestellt, das mit einem "Sat1 Film Film" vergleichbar ist und in etwa genauso gut 'unterhält'. Aber ich wurde eindrucksvoll eines Besseren belehrt.

Eine solche oder ähnliche Eingangsszene hat man zwar schon häufiger gelesen/gesehen, doch du reicherst sie derart mit atmosphärischen Momentaufnahmen an, dass sie sich von der Norm und dem Klischee abzuheben vermag. Mir sagt daran insbesondere auch zu, dass der Armbrustmörder nicht bereits mit eiskalter, emotionsloser Präzision handelt, sondern erst einmal 'nachladen' muss und durch den wutentbrannten Schrei seine Gefühlsgeladenheit offenbart. Wolltest du damit womöglich subtil vermitteln, dass dies sein erster Mord an einem (bzw. zwei) Menschen ist oder zumindest einer seiner ersten?

Die Retrospektive in der narrativen Haltung hat für mich einen leichten Touch von Bekenntniserzählung, was immer die Möglichkeit eröffnet, dass das früher Geschehene teilweise falsch oder vorteilhafter erinnert wird, als es in Wahrheit eingetreten ist, sprich: einem unreliable narrator den Boden bereitet. Aufgrund dieser spontanen Vorüberlegung meinerseits war es auch nicht sofort offensichtlich, wer die Morde begeht (obwohl es sich letztlich doch ziemlich rasch herauskristallisiert hat).

Was zum Coolness-Faktor der Story beiträgt (der so vielen dt. Krimis bzw. US Crime Procedurals heutiger Zeit abgeht), sind der ulkige Sidekick und der teils derb-vulgäre Humor, der zwar eigentlich nicht mein Fall ist, mir aber unwillkürlich ein ums andere Mal das Zwerchfell gekitzelt hat. Umso brutaler mutet es an, als Rudi dann als Mittel zum Zweck herhalten muss, damit der Erzähler sich des schmierigen Mutter-Entehrers entledigen kann.

Als ebenso erfrischende Elemente sind die plastisch-originellen Darstellungen der Feuerlöscher und die abschließende Ironie (Peterson wird mit einem Feuerlöscher umgebracht) anzumerken. Außerdem hast du es geschickt vermieden, den Erzähler als klischeehaft mit lächerlichen 'Daddy Issues' belastet zu präsentieren.

Alles in allem habe ich so meine Zweifel, dass dies tatsächlich dein erster substantieller Vorstoß in Krimi-Gefilde gewesen sein soll. Dazu ist der Story-Flow einfach zu 'auffällig'. Vielleicht hat die Idee ja schon länger unterbewusst in dir geschwelt, sodass sie dir quasi aus den Fingern geflossen ist, als du dich endlich daran gemacht hast, sie umzusetzen. In jedem Fall werde ich hierfür eine hochverdiente Empfehlung aussprechen.

 

Hallo Hanniball, hallo tutorialslave.

Der Reihe nach:

Fangen wir mit dir, Hanniball, an
.

Ein Text ist nie fertig, niemand weiß das besser als du. Trau dich, kill deine Lieblinge
Da hast du Recht. Und gerade das macht dieses Forum hier aus. Du stellst einen Text ein und lernst an ihm. Einfach toll.
Deine Blähanmerkungen wurden gekillt. Beizeiten suche ich die anderen :)

Auch im Horror muss man logisch vorgehen, vielleicht sogar mit noch mehr Gefühl
;)
Trotzdem du einen Ausflug ins Spannungs- oder Krimifach gemacht hast, ist es doch eine typische Salem-Story geworden.
Aber ohne viel Blut und Gedärm. Das möchte ich hier mal anmerken.

Und dann, genialerweise, konterkarierst du deine eigenen Erzählmuster (...) Das hat mir nun wirklich gefallen!
Vielen Dank. Hihi, gefiel mir auch.

Danke dir fürs Lesen und Kommentieren und für deine Hilfe.


So, Herr tutorialslave, nun zu Ihnen.

Offenbar hatte ich mich bei dem doch sehr plakativen Titel auf etwas eingestellt, das mit einem "Sat1 Film Film" vergleichbar ist und in etwa genauso gut 'unterhält'. Aber ich wurde eindrucksvoll eines Besseren belehrt.
:D Wie schon mal erwähnt, es war der eigentliche Arbeitstitel. Aber dann gefiel mir die Schlicht- und Abgedroschenheit.

Mir sagt daran insbesondere auch zu, dass der Armbrustmörder nicht bereits mit eiskalter, emotionsloser Präzision handelt, sondern erst einmal 'nachladen' muss
Schön, dass du das erwähnst. Diese Passage wurde nachträglich von mir eingefügt, um eben genau das zu vermitteln, was du vermutet hast.
mir aber unwillkürlich ein ums andere Mal das Zwerchfell gekitzelt hat
das freut mich
Umso brutaler mutet es an (...)
auch das gefällt mir. Gerade hier wollte ich die latente Abgebrühtheit des Prot hervorheben.
Als ebenso erfrischende Elemente sind die plastisch-originellen Darstellungen der Feuerlöscher und die abschließende Ironie
Drei Dinge sollten in dieser Geschichte eine zentrale Rolle spielen. Die Armbrust, das Messer und der Feuerlöscher. Damit Letzterer nicht mal eben so eingefügt wirkt, habe ich die Pointe nachträglich hinzugefügt :)
Alles in allem habe ich so meine Zweifel, dass dies tatsächlich dein erster substantieller Vorstoß in Krimi-Gefilde gewesen sein soll
Schön, dass du das denkst, aber war es tatsächlich. Und wenn ich dir jetzt noch gestehe, dass ich Krimis eigentlich noch nicht mal lese, dann denkst du bestimmt, der olle Salem spinnt.
Aber ist wirklich so. Dies Ding war eine Art von Herausforderung. Eine Bekannte sagte, kannst du mal einen Krimi schreiben? Ich: ungern. Sie: mach mal und bau drei Dinge ein, ein Holzmesser, eine Armbrust und einen Feuerlöscher. Naja, so entstand das Baby, das hier, dank eurer Hilfe, laufen lernt.

Deine Empfehlung ist natürlich ein unendliches Lob. Puh ... danke :shy:

Euch beiden einen lieben Gruß! Salem

 

Hallo,
das ist echt ein super "Kurzkrimi"! Ich kann zwar "leider" keine Kritik mehr beitragen ;) aber ich finds einfach toll... Bleibt auch immer schön spannend!

 

Hi Lolli Bep.

Vielen Dank für deinen Kommentar.
Es müssen doch auch nicht immer ellenlange Kritiken sein; ein kleines Feedback des Lesers erfreut doch jeden Autoren.

Gruß! Salem

 

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