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Paranoia
Verdammt nochmal! Wo konnte es nur sein? Zum vierten Mal durchsuchte er seine Hosentaschen - links, rechts, hinten links, hinten rechts und wieder von vorne. Er hatte es doch vor kurzem noch in der Hand gehalten. Vielleicht war es herausgefallen, als er sich gesetzt hatte? Er durchwühlte das Bett, auf dem er saß, wendete die Kissen, schüttelte die Decke aus, schaute unter die Matratze - nichts. Er drehte alles auf links, tastete jeden Zentimeter ab, wiederholte die Prozedur mehrere Male. Wieder nichts. Es war zum Verzweifeln.
Völlig außer Puste stand er da - das Bett im Rücken, ein geöffnetes Fenster im Gesicht. Seine schmalen Schultern hoben und senkten sich mit jedem Atemzug und pumpten Sturzbäche von Schweiß aus den Poren in seine Kleidung. Wie ein überhitzter Computerprozessor versuchte sein Verstand der Verzweiflung, die über sein Gehirn hereinbrach wie ein Tsunami, Herr zu werden. Aus purem Automatismus heraus verschwanden seine Hände in den Seitentaschen der verwaschenen, schwarzen Stoffhose, die er trug. Seine Fingerspitzen ertasteten etwas. Er griff danach, kramte es hervor und erstarrte. Es war ein kleines, rechteckiges Plastiktütchen. Genau das, was er die ganze Zeit gesucht hatte. Wie kam das dahin? Eben war da noch nichts. Hier war was faul. Nervös blickte er sich um. Niemand außer ihm war da.
Karl ließ sich aufs Bett fallen, öffnete den Druckverschluss seiner Wiederentdeckung und schüttete einen erbsengroßen, kristallinen Brocken auf die Kommode rechts von ihm. Vorsichtig zerdrückte er ihn mit der Unterseite seines Bierglases und versuchte mit dessen Rand so etwas wie eine gerade Linie zu bilden. Der Geruch erinnerte ihn jedes Mal aufs Neue an die verschiedenfarbenen Pülverchen aus dem Chemiebaukasten, den seine Mutter ihm zum zehnten Geburtstag geschenkt hatte. Bis heute experimentierte er gerne mit diversen chemischen Substanzen - der Schwerpunkt hatte sich allerdings verschoben. Mit fünfzehn stellt er fest, dass Selbstversuche mehr sein Ding waren. Die bunten Explosionen fanden von da an nicht mehr im Reagenzglas, sondern in seinen Synapsen statt. Seit einem viertel Jahrhundert betrieb er diese Praxis nun schon auf einem professionellen Niveau.
Ein lautes KNACK! vor der Tür riss ihn unsanft aus seiner Trance. Was war das? Der Schreck knallte ihm vom Kopf bis in die Zehenspitzen und wieder zurück. Sein Herz schlug wie ein Presslufthammer von innen gegen seine Rippen. Das war’s dann wohl … Auf frischer Tat ertappt … Was konnte er jetzt noch tun? Seine Augen zuckten durch den Raum. Fenster … Kommode … flauschig grauer Teppichboden … Bett … wandbreiter Kleiderschrank … Rauhfasertapete in hässlichem Pink … Tür … Türschloss … Türschloss! Darin steckte ein Schlüssel. Licht am Ende des Tunnels! Der Presslufthammer wütete wie entfesselt in seiner Brust.
Mit dem Bier in der Hand sprang er auf und hechtete bis zur Zimmertüre, kam ins Stolpern und legte sich beinahe auf die Schnauze. In einer nicht weiter nachvollziehbaren Bewegung ordnete er im letzten Moment seine, aus dem Gleichgewicht geratenen, schlaksigen Gliedmaßen, stieß den linken Arm wie einen Speer vorwärts, packte den Schlüssel und drehte ihn im Schloss herum. Während dieser artistischen Einlage, hielt er mit seiner rechten Hand stets die Bieroberfläche gekonnt im Lot, ohne einen Tropfen zu verschütten. Dann zog er den Schlüssel heraus und warf ihn unters Bett. Erleichtert lehnte er sich gegen die Tür. Der Presslufthammer zügelte seine Wut und hämmerte nur noch mit halber Kraft. Er war in Sicherheit - zumindest vorerst.
Karl schätzte die momentane Lage ein. Das Problem: Er hatte keine Ahnung, wo er war. Klar, in einem Schlafzimmer - aber von wem? Und warum? Ach ja … Amphetamine! Er war eben im Begriff gewesen, das Speed da auf der Kommode in seinen Blutkreislauf zu befördern. Seit mindestens 72 Stunden hielt er sich bereits wach. Wenn er nicht bald nachlegte, würde er wie der Aktienmarkt nach dem Platzen der Immobilienblase in sich zusammenbrechen. Schlaf war keine Option. Die Droge verbot es ihm. Weiter, immer weiter … bis … bis … wir werden sehen.
Er setzte sich zurück auf die Matratze neben die Kommode. Das weiße Pulver darauf bildete eine verzerrte Wellenlinie - sah ein bisschen aus, wie ein Wurm im Todeskampf. Er hatte keinen Strohhalm dabei, geschweige denn einen Geldschein. Das letzte Bare war für den Wurm drauf gegangen. Er war vollkommen blank - wie eigentlich immer. Irgendwie musste das jetzt ohne Hilfsmittel gehen. Er kniete sich auf den Boden, drückte seine schmale Nase wie ein nach Trüffeln wühlendes Schwein auf die Holzplatte und zog kräftig die Luft ein, während seine Nasenspitze der Wellenlinie folgte. Er benötigte ein paar Anläufe, bis alles verschwunden war. Der Presslufthammer nahm wieder an Fahrt auf. In seinem limbischen System kam die Party in Schwung. Dopamin strömte zwischen den Nervenzellen in die dafür vorgesehenen Rezeptoren. Eine Tasse Kaffee mal tausend, die der Müdigkeit einen fetten Arschtritt verpasste, weil sie nicht auf der Gästeliste stand. Das sollte für die nächsten Stunden ausreichen. Er hatte zwar immer noch keine Ahnung, wo er war, aber eine Stimme in seinem Hinterkopf flüsterte ihm zu, dass es hier in der Nähe Alkohol für umsonst gab - eine Party! Etwas wackelig kam er auf die Beine. Deutlich souveräner als beim ersten Mal erreichte er die Tür, griff nach der Klinke und drückte sie herunter. Sie ließ sich nicht öffnen! Er versuchte es ein weiteres Mal. Das Ergebnis war das gleiche. Sie hatten ihn eingesperrt!
Jetzt wurde ihm alles klar. Er war von diesen elenden Mistkerlen in die Falle gelockt worden. Angst und Schrecken kletterten ihm das Rückgrat hoch, umklammerten seinen Brustkorb, quetschten ihm das Zwerchfell ein - ihm blieb kaum noch Luft zum Atmen. ‚Reiß dich zusammen!‘, ermahnte er sich. Es musste einen Ausweg aus dieser Situation geben. Ruhiges, bedachtes Handeln war jetzt notwendig.
Er zog sich seinen schwarzen, löchrigen Strickpulli über die Nase. Eine Präventionsmaßnahme, falls sie Tränengas einsetzen würden. Anschließend verbarrikadierte er den Eingang. Es dauert eine Weile, bis er das zwei mal zwei Meter große Massivholzungetüm von Bett vor der Tür platziert hatte. Völlig fertig sank er in sich zusammen. Sein gesamter Oberkörper war eine, vom Schweiß gespeiste, Fluss- und Seenlandschaft. Mit zitternden Fingern hob er das Bierglas an die Lippen und trank den Rest des abgestandenen Gebräus in zwei großen Schlucken. Er dachte kurz darüber nach, ein Ablenkungsfeuer zu legen, verwarf den Gedanken jedoch wieder.
Von draußen näherten sich Stimmen. Er schätzte sie auf etwa ein halbes Dutzend. Wie eine Kletterpflanze mit Krämpfen zitterte er sich in eine aufrechte Haltung. Keine Zeit auszuruhen! Jemand klopfte an die Tür - drei Mal - drei Schockwellen, die sein angezähltes inneres Gleichgewicht hinwegfegten. Es klopfte erneut. Die Stimmen wurden lauter. Er wollte sich nur noch verkriechen. Aber wo? Im Schrank? Nein, da werden sie natürlich zuerst suche. Unterm Bett? Lächerliche Idee. Sollten sie die Türe aufsprengen, würde die Detonation seinen Unterschlupf in Fetzen reißen. Er musste sich was anderes einfallen lassen. Sein Gehirn verkrampfte sich zu einem entscheidungsunfähigen Klumpen. ‚OhmeinGottOhmeinGottOhmeinGott!‘ Wäre Urin in seiner Blase gewesen, hätte er sich in diesem Augenblick komplett eingenässt. ‚Bleib ruhig verdammt! Es gibt immer einen Ausweg! Reiß dich zusammen und konzentrier dich!‘ Und ja, da war sie! Eine Fluchtmöglichkeit! Ein geöffnetes Fenster, nur zwei Meter links von ihm. - War das vorhin schon da gewesen? - Egal, das spielte jetzt keine Rolle. Jeden Moment war mit dem großen Knall zu rechnen. Eines Tages würden sie ihn erwischen - das wusste er. Aber nicht hier. Nicht heute Nacht! Karl schätzte die Entfernung ab, atmete tief ein und aus, sprintete los und sprang durch das Schlafzimmerfenster ins Freie.
Das Glück war auf seiner Seite. Sein Körper musste nur wenige Meter vom ersten Stock bis zum Boden zurücklegen. Der Fall war kurz und endete weich. Es dauerte eine Weile, bis er mitbekam, was passiert war. Er lag bäuchlings auf einer warmen Erhebung, die er zuerst für einen Komposthaufen hielt. Nach genauerer Betrachtung stellte er fest, dass der Komposthaufen ein Schaf war. Es regte sich nicht, lag einfach nur platt auf dem Boden. Das Tier schlief wohl.
Er kletterte von dem flauschigen Geschöpf herunter - ganz vorsichtig, um es nicht zu wecken - und richtete sich auf. Jetzt nahm er auch den Rest seiner Umgebung wahr. Er stand auf einer Rasenfläche. Sie war an drei Seiten von einer zweieinhalb Meter hohen Steinmauer umfasst. Hinter ihm ragte das mehrstöckige Gebäude auf, aus dem er in die Freiheit gefallen war. In einigen Zimmern des ersten Stocks brannte Licht. Musik und Gelächter kamen von dort.
Er ging durch den Hintereingang in den Hausflur, fand eine Treppe und schleppte sich bis ins nächsthöhere Stockwerk. Mit jedem Schritt wurde, Stufe um Stufe, eine gigantische weiße Holztüre vor ihm freigelegt. Sie wuchs … und wuchs … und wuchs … größer … immer größer … Hier mussten Riesen wohnen. Nein, keine Riesen! Jetzt erinnerte sich wieder! Das war die Wohnung von Erika und Paul - einem Paar in den Mittvierzigern, das er vor einigen Monaten auf einer Ausstellung kennen gelernt hatte. Zu dieser Party war er sogar eingeladen. Karl scannte den Flur ab. Als er sicher war, unbeobachtet zu sein, drückte er auf den Klingelknopf. Schritte näherten sich auf der anderen Seite und das Ungetüm von Tür öffnete sich. Er rechnete beinahe damit, dass gleich ein baumlanger Zyklop mit einer Keule in der Hand vor ihm stehen würde. Zu seiner Erleichterung war es nur Erika - normalgroß und ohne Keule.
»Mensch Karl, wo kommst du denn her? Hab dich gar nicht rausgehen sehen.«
»Ähm … ja … ich war … unten … runter … runter zum Kiosk … Tabak holen. Meiner war alle.«
Sie schaute ihn amüsiert an. »Warum hast du nichts gesagt? Hättest doch von meinem was abhaben können.«
»Ja, aber … brauchte sowieso neuen … für morgen.«
»OK, musst du selber wissen. Komm rein.«
Er betrat die Altbauwohnung, deren Decke irgendwo da oben in der Dunkelheit liegen musste. Das mächtige Bollwerk aus weißem Holz fiel mit einem erhabenen Krachen ins Schloss.
»Was sind denn das für weiße Fusseln auf deinem Pullover?«
»Fusseln?« Karl blickte an sich herunter und bemerkte erst jetzt, dass er voller Schaf war. »Ach die. Bin hingefallen, auf dem Weg zum Kiosk. Das hier lag überall auf dem Boden rum. Keine Ahnung, was das ist.«
Erika lachte kurz auf, schüttelte mit dem Kopf und verschwand in einem der Zimmer.
Warum stellte sie all diese Fragen? Sie gehörte wahrscheinlich nicht zu denen. Aber vielleicht setzte man sie unter Druck?
‚Ruhig bleiben … erst mal was trinken.‘ Er ging den Flur entlang. Direkt hinter der nächsten Tür entdeckte er die Küche. Dort gab es saubere Gläser und eiskalten Wodka. Er füllte ein Glas, kippte es in einem Zug runter und schenkte großzügig nach. Sein gestresstes Nervensystem schaltete einen Gang zurück. Während er damit beschäftigt war, Hochprozentiges in sich hinein zu schütten, betraten Erika, Paul und ein interessiert nickendes Pärchen sein Refugium. Nervös drückte er sich gegen den Spülschrank, leerte sein Glas und machte es wieder voll. In speedmäßiger Geschwindigkeit wurde der Alkohol durch seinen Kreislauf gepumpt. Der Zähler hinter dem Promillekomma tickerte aufwärts. Sein amphetamingestärktes Gehirn bekam das nur am Rande mit. Der Boden schwankte etwas und er sabberte, aber sonst …
Die kleine Gruppe war so in ihre Unterhaltung vertieft, dass sie ihn gar nicht wahrnahmen. Erika war gerade dabei, ihre neueste Anschaffung anzupreisen.
»Wir haben seit vier Wochen ein Schaf. Wegen der Kinder. Wir sind der Meinung, dass die beiden lernen sollen, Verantwortung für ein lebendiges Wesen zu übernehmen.«
Paul nickte bestätigend. Karl versuchte unauffällig, die Fusseln von seinem Pullover zu zupfen.
»Warum habt ihr euch dann keine Katze oder einen Hund gekauft? Warum ausgerechnet ein Schaf? Und wo haltet ihr das Tier?«, wollte die männliche Hälfte des interessiert nickenden Paares wissen.
»Zuerst wollten wir auch eine Katze aus dem Tierheim holen …«, setzte Paul an.
Erika brachte den Satz zu Ende: »Aber dann war da diese Fernsehreportage. Die sagten, dass Kinder, die in Großstädten aufwachsen, heute gar nicht mehr wissen, wie Kühe und all die Tiere auf dem Bauernhof aussehen. Und da haben wir entschieden, ein Schaf zu besorgen. Damit unsere beiden Kleinen den Bezug zu diesen Dingen nicht verlieren.«
»Das finde ich richtig toll!«, sagte die weibliche Hälfte des interessiert nickenden Paares.
»Es ist eine Schande, dass die Kinder heute Tiere nur noch auf den Verpackungen im Supermarkt sehen. Die denken ja alle, Kühe sind lila, wie in der Milka-Werbug. Wo haltet ihr das Schaf denn?«
»Bei uns im Garten unten«, verkündete Erika stolz.
»Ja, genau! Unten im Garten.«, bestätigte Paul.
»Wir haben unseren Vermieter gefragt, und der hatte nichts dagegen, solange wir den Dreck regelmäßig entsorgen. Der ist Mitglied in einer Tierschutzorganisation und unterstützt sowas und …«
»… und die Kleinen lieben es«, übernahm seine Frau wieder. »Sie kümmern sich so rührend um das Tier. Wenn wir sie ließen, würden sie Tag und Nacht bei dem Schaf verbringen.«
Jedes Mal, wenn das Wort ‚Schaf‘ ausgesprochen wurde, zuckte Karl zusammen, bis es ihm zu viel wurde. Er füllte sein Glas auf, verlies die Küche und versuchte dabei möglichst souverän rüberzukommen. Die kleine Gruppe ignorierte ihn glücklicherweise. Er fand sich im Flur wieder, den er ziellos entlang schaukelte. Links und rechts an den Wänden hingen Bilder. Aus dem Wohnzimmer hörte er die unverkennbare Quäkstimme von Ernesto. Ein Dichter und sowas wie eine Berühmtheit in der Stadt. Eine von diesen typischen Lokalgrößen, die außerhalb niemand kannte, weil es unter überregionalen Gesichtspunkten keinerlei Grund dafür gab. Seitdem er aufgetaucht war, hatte er seiner Umgebung unablässig eingeredet, dass er ein guter Lyriker war - bis man es ihm glaubte.
Ernesto, dessen echter Name Dieter Pfennig war, setzte gerade zu einem seiner berüchtigten Monologe an.
»Thomas Mann? Hah! Dieser verkappte Homo. Hat sein ganzes Leben damit verbracht, uns mit kilometerlangen Bandwurmsätzen und kleinlichem Fachgewichse schwindelig zu schreiben. ‚Die Buddenbrooks‘ war ja noch halbwegs zu ertragen, aber dann ist er völlig größenwahnsinnig geworden. ‚Der Zauberberg‘ war nur aufgeblasene Langeweile - Literatur von einem Spießer für Spießer. Und ‚Josef und seine Brüder‘? Wer, außer einem studierten Komponisten blickt durch dieses selbstgefällige Fachlexikon klassischer Musiktheorie noch durch …«
Karl hörte nicht mehr hin. Die Worte wurden zu einem entfernten Blabla und lösten sich wie eine Brausetablette im Grundrauschen seiner Umgebung auf. Der Wodka entfaltete gerade seine volle Wirkung. Um nicht umzufallen, musste er sich mit beiden Händen an der Wand abstützen. Er fand sein Gleichgewicht wieder, hob den Kopf und schaute auf ein Bild, das zwanzig Zentimeter vor seinem Gesicht hing. Eine weiße Leinwand mit Hunderten schwarzen Strichen, die sich auf unangenehme Art zur Mitte hin verflochten. Es war unmöglich, einer dieser Linien von Anfang bis Ende zu folgen. Ihm wurde übel. Sein Magen protestierte entschieden gegen den Kunstanspruch dieses Gemäldes und schoss seinen Inhalt ins Zentrum des Liniengewimmels. Der brockige Magensaft formte sich zu einem Gesicht, das in beängstigender Weise dem seiner Mutter glich. Sie sprach ihrer besoffenen Aschenbecherstimme zu ihm: »Karl, du alte Sau! Was ist das für eine Sauerei hier?!? Guck, was du angerichtet hast! Alles vollgekotzt! ALLES! VOLL!GE!KOTZT! Das ist ekelhaft! DU bist ekelhaft! Schon mal drüber nachgedacht, wofür es Toiletten gibt?! Nein?! - Ach ja, denken ist ja nicht so deins. Du bist eine Enttäuschung! Weißt du, wie man das schreibt?! E N T T Ä U S C H U N G - Enttäuschung! - Ich kann das nicht mehr ertragen. Das sind die nutzlosen Losergene deines Vaters. Der war genau so ein Versager. Du kommst jetzt sofort nach Hause! SOFORT!!!« Das Antlitz löste sich auf und tropfte auf den Boden, wo es eine wütende Pfütze bildete. Karl war den Tränen nahe. »Ja, Mama!«, schluchzte er verschämt, während ihm kleine Kotzespritzer aus dem Mund blubberten. »SOFORT!«, hallte es aus der Pfütze zu seinen Füßen nach. Er drückte das Ende seines Pulloverärmels mit den Fingerspitzen in seine Handflächen und wischte sich mit dem Unterarm das Malheur grob aus dem Gesicht. Schluchzend und blubbernd schlurfte er den langen Flur entlang, fummelte die mächtige weiße Tür auf und taumelte kraftlos die Treppe herunter ins Freie.