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Der Garten

Seniors
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22.10.2011
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Der Garten

1.
„Möge er in unserer Erinnerung fortleben.“
„Schwachsinn“, sagte ich, „der hat mich vergessen. Jetzt vergess' ich ihn.“ Hastig fuhr ich mit dem Taschentuch an meinen Mund und sah zu den Trauergästen hinüber, ein paar alte Männer, die auf das Bild meines Vaters starrten, als würden sie liebend gerne mit ihm tauschen. Das Gesicht auf dem Schwarzweißfoto war fremd. Schmale, flüchtige Konturen, eine viel zu kleine Nase, die sich über das lange Kinn zu belustigen schien. Ein Gesicht voller Gegensätze, nur durch die schweren Augenbrauen zusammengeflickt. Ich hatte meinen Vater nicht mehr gesehen, seit ich ein Kind war.
Pfarrer Brödert segnete die Trauergäste. Ich kannte niemanden, nur an Brödert erinnerte ich mich. Ein Bilderbuchpfarrer mit sorgfältig frisierter Haarwoge, die beim Beten malerisch in die Stirn fiel. Und mit einem unglaublich schnellen Handgelenk, mit dem er sein Lineal auf die Knie unaufmerksamer Schulkinder drosch.
Er hatte mich angeschrieben, nachdem mein Vater vom Main nicht zurückgekehrt war. Am Ufer hatte man nur noch seine Kleider gefunden. Brödert ließ ihn mit meinem Einverständnis für tot erklären und organisierte die Trauerfeier. Damit die Welt für die Menschen im Gefüge sei.

Ich wandte mich um und ließ die Männer zurück, bevor sie mir ihr Beileid ausdrücken konnten.
Im Rücken spürte ich Bröderts vorwurfsvollen Blick. Ich blieb stehen und strich über meine Hüften, ganz langsam, mit großen, übertriebenen Bewegungen. Dann hob ich den linken Arm und winkte. Mit erhobenem Mittelfinger. Hoffentlich sah der Hund von Brödert mit seinem Du-musst-den-Vater-ehren-Geplärr die Geste. Er wusste genau: Mein Vater hatte meine Mutter vertrieben mit seiner Scheißliebschaft. Und mich vergessen. Ganz einfach. Ich wischte über meine Jacke, als säße eine Blattwanze darauf, und wandte mich die Straße hoch Richtung Enkheimer Ried. Dort stand das Haus meines Vaters. Einmal wollte ich es noch sehen.

Es schien, als hätte ich ein Abo für den Friedhof. Vor zwei Jahren war meine Mutter gestorben, danach meine Freundin. Und nun die Gedenkfeier für meinen Vater. Jetzt gab es nicht einmal mehr jemanden, der mich vergessen wollte. Merkwürdig war das, wenn ich an ihn dachte. Als schwebte ich in der Mitte eines Strudels, auf den ein fernes Licht fiel. Gesichter schlierten vorbei, Briefe, eine Geburtstagstorte und noch mehr Gesichter; nichts Fassbares, nur Halblichter.

Das Haus stand inmitten einer Reihe alter Gebäude, ein schmaler Zipfel Stadt, der sich in das Enkheimer Ried hineinzwängte. Nur ein gepflasterter Weg trennte die Grundstücke auf der Vorderseite vom Naturschutzgebiet. Die Rückseiten verschwammen mit den Weiden und dem Schilfröhricht des Rieds. Der Schrei eines Wasservogels klang herüber. Die Luft roch nach Erde und Blättern, ein Geruch, der einem Spielhosen überzieht. Ich streckte mich, um das Haus schneller zu entdecken, als etwas unter meinem Fuß knackte und schmatzte. Wie eine Schnecke, die mitsamt ihrem Haus zertreten wurde. Doch es war nur ein Zweig zerquetschter Blüten. Sie rochen wie überreife Äpfel.
Als ich aufschaute, den Baum betrachtete, von dem die dickkolbigen Blüten stammten, das Pflanzengewirr, da erkannte ich den Garten wieder.

*

Selbst mitten am Tag hatte es mich gegraust, wenn ich an ihm vorbei zur Schule rannte. Schlimm war der Winter, wenn die Schatten der Büsche lang waren und hinüberreichten zu den Bäumen im Ried.
Grauenhaft aber war der Sommer. Behaarte Blätter und Blüten wogten über den schmiedeeisernen Zaun und griffen wie Hände nach meinen Schultern. Nein, im Sommer lief ich nie direkt an dem Garten entlang. Ich drückte mich auf der anderen Wegseite vorbei, eng gepresst an den Zaun des Rieds, den Rucksack als Schutzschild unter das Kinn geschnallt.
Als Kind hasste ich diesen Garten; seinen Geruch nach gärenden Äpfeln, die fleischigen Pflanzen und die Besitzerin, eine dünne, schwarzhaarige Frau. Manchmal sah ich sie auf dem Hof, immer in seidigen Anzügen, hinter ihr eine graubraune Gans.
Ich stutzte. Woher kamen diese Erinnerungen? Das mausförmige Loch hier hatte mir den Beginn des Grundstücks angezeigt: „Achtung Stinkergarten“ musste man dann sagen und gleich danach „Achtung Todeszone“. Die Jeans kratzten an meinen Kinderbeinen und zwischen Söckchen und Hosensaum spürte ich immer einen Luftzug, weil ich viel zu schnell gewachsen war. Fohlenbein nannte mein Vater mich.
Wenn ich Pech hatte, war das Tor offen, und die Gänsefrau saß vor ihrem Haus. Dann hetzte sie ihren Vogel auf mich. Eine fette Gans, die immer auf einer Marmorsäule neben dem Haus thronte. Sie war schnell, zischte und raste mit weit geöffneten Flügeln auf einen zu. Ein braunschillerndes Geschoss mit einer dunklen Maske, aus deren Mitte senfgelbe Augen zielten.
Die anderen Kinder erzählten, ein Junge habe mal einen Stein nach der Gans geworfen. Später sei er verschwunden. Ja, alle Kinder hatten Angst vor dem Garten und der Frau und ihrer hässlichen Gans mit dem Augenfleck. Oggerbombe und Flatterkuh. So nannten wir sie, aber nur, wenn wir weit weg waren.
Einmal sagte die Freundin meiner Mutter, die Nachbarin verschlinge alles, was Hosen anhabe. Seitdem wollte ich nur noch Röcke tragen. Aber meine Mutter zwang mich, Jeans anzuziehen, und wenn ich mich weigerte, darin zur Schule zu gehen, zog sie mich am Handgelenk an dem Garten vorbei. Das tat weh. Irgendwann hörte ich sie sagen, verdammte Hure, dein Parfüm stinkt bis hierher. Ein Singsang war es, verdammte Hure, dein Parfüm, verdammte Hure, du kriegst meinen Mann nicht. Da wusste ich, dass auch meine Mutter Angst hatte. Später fragte ich meinen Vater, was denn eine Hure sei, doch er sah mich nur müde an.
Ich kickte die gelben Blüten zur Seite, doch Erinnerungen kann man nicht wegkicken. Sie kitzeln mit losen Fäden deinen Verstand, zieht man an einem, entgleitet er und verknüpft sich mit anderen zu einem unerwarteten Muster.


2.
Das Haus war von einem Blumenmeer umgeben. Über den Eingang ragte ein mit Wein überwachsenes Vordach. Keine zehn Meter von mir entfernt, stand noch immer die Marmorsäule, kaum zu sehen, weil sie von goldgelben Büschen umwachsen war. Am Zaunpfosten hing ein Emailleschild. „Casa Belanima“ stand darauf. Und überall summte es. Mein Kinderalptraum war ein kitschiges Blütenparadies.
Mitten in dem Weinblattgrün saß eine Frau. Sie trug einen dunkelblauen Monteursanzug und blickte nach unten auf einen Blumentopf. Dichtes, dunkelblondes Haar bedeckte in Wirbeln den Schädel. Eine Frisur wie eine explodierte Pelzkappe. Mit dem Handrücken strich sie sich über die Nase und hinterließ einen Dreckstreifen. Und verdammt nochmal, als sie aufschaute, sie sah der Frau von damals so ähnlich, dass es mir den Atem verschlug. Das schmale Gesicht, die riesigen, hungrigen Augen, nur die Nase war anders. Sie lächelte. Ein Lächeln war das, meine Güte, als hätte jemand tausend Lampen angeknipst.
Ich öffnete das Gartentor und ging auf die Frau zu. Sie erhob sich, erstarrte, dann streckte sie mir wie aus einem plötzlichen Entschluss heraus die Hand entgegen. „Wollen Sie zu mir?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Sie wollen nicht zu mir?“
„Nein, das meine ich nicht.“ Ich fuhr mit der Hand über meinen linken Arm. Die Tasche rutschte zu Boden und schlug mir gegen das Bein. „Ich habe mich nur gewundert, dass mein Kinderalptraum eine Stupsnase hat.“
Die Frau stutzte. Dann lief ein rötlicher Schimmer über ihr Gesicht. Sie lachte verlegen, verschränkte kurz die Arme vor der Brust, löste die Bewegung wieder auf, fuhr mit den Händen über die Seiten des Overalls, dann nahm sie meine Hand. „Oh je, Sie kannten meine Mutter.“
„Wenn Sie die Tochter sind? Sie haben da übrigens was“, ich deutete auf den Streifen in ihrem Gesicht und kicherte, „sieht aus wie eine Kriegsbemalung.“
Die Frau scherte sich nicht darum, behielt weiter meine Hand in ihrer und blinkte mich an mit ihrem Lampenlächeln. „Hmmm. Und jetzt?“, fragte sie. Dann ließ sie mich abrupt los. Schade, dachte ich und suchte krampfhaft nach etwas, das ihr Lächeln wieder anknipste. Aber aus meinem Mund kam nur Gebrummel. Super, dachte ich, geschickt hingekriegt; aber immerhin grinst sie wieder.
„Und wer ist die Frau, die sich mit Kriegsbemalungen auskennt?“
„Ich habe früher in der Nähe gewohnt. Lang her. Der alte Lehmann war mein Vater. Aber Sie kenn' ich nicht.“
„Ich habe die meiste Zeit woanders gelebt.“ Ihr Blick schweifte über die Blütenrabatten, als wollte er sich dort verhaken. „Meine Mutter hatte es hier nicht leicht. Manchmal ist Frankfurt wie eine Kleinstadt. Aber ja, lang her. Heute würde man vielleicht sagen, meine Mutter war etwas exzentrisch. Was solls, sie hat das Leben genossen. In vollen Zügen.“
Ich schwieg.
„Jetzt ist sie schon seit Jahren tot, und ich habe eine Pension aus ihrem Haus gemacht.“ Sie hielt inne und sah mich direkt an. „Ich kannte Ihren Vater. Er war oft hier, wenn ich meine Mutter besuchte. Auch später, nachdem sie tot war.“
„Sie kannten ihn?“ Ich schluckte. „Da haben Sie mir einiges voraus.“
Sie lachte. „Am besten hat man eh keine Eltern.“ Ihr Blick fuhr über meine bloßen Arme, ein Blick wie ein Grashalm, der auf der Haut kribbelte. Dann sagte sie, als fiele ihr plötzlich etwas ein: „Wollen Sie vielleicht hier übernachten? Ich habe noch Zimmer frei.“
Ich blickte unschlüssig auf meine Armbanduhr, tat so, als hätte ich viele Termine, dabei wusste ich noch nicht mal, wann ein Zug zurückfuhr. Ich zuckte mit den Schultern und stellte meine Tasche ab. Die losen Erinnerungsfäden kitzelten zu sehr. „Ach, ich weiß nicht. Obwohl, das wär was, eine Übernachtung im Haus der Flatter... “ Ich biss mir auf die Lippe. „Verzeihung.“
Die Frau griff wieder nach meiner Hand und drückte sie. „Das macht nichts. Ich kenn den Namen. Dafür hab ich jetzt was bei Ihnen gut.“ Wieder ging ihr Blick auf mir spazieren. Schön war das, leicht und kribbelig.
Dann pfiff sie in das Innere des Hauses, ein heller, trillernder Ton. Sie winkte mir und ging voraus in einen freundlichen Raum voller Holz und Glas und Blumen. Auf einer Rezeption stand ein mit Lilien gefülltes Glas, daneben stapelten sich Bücher über Gartenbaukunst. Direkt davor, auf einem Podest, saß eine bräunliche Gans.
Ich sog scharf die Luft ein.
Die Frau verfolgte meinen Blick.
„Ach so.“ Sie kicherte. „Keine Angst, Alja ist harmlos. Nur zu verfressen.“
Die Gans stierte in den Garten. Die Frau strich ihr über den Kopf, bis sie den Schnabel öffnete. Die Federn klebten zusammen, an der Brust war sie kahl, als hätte das Tier sich selbst gerupft. Dunkle Ringe umgaben die Augen. Eine alte Nilgans.
Sie zischte leise, spreizte einen Flügel ab und flatterte damit, bis die Frau ihr erneut den Kopf streichelte. „Sie ist krank.“
„Aber das ist nicht … “
Die Gans wandte sich mit einer schlangenartigen Bewegung des Halses um, der Kopf ruckte zu mir herüber. Dann sah sie mich an. Ein Auge war blind, wie von einem Pelz überzogen. Das andere fixierte mich. Und dabei witterte sie in meine Richtung, sog die Luft zwischen uns ein in schnellen, heiser bellenden Atemzügen, als würde sie etwas in mir erkennen.
Instinktiv schnappte ich nach meiner Tasche und drehte mich zum Ausgang. Mit diesem ekelhaften Vieh wollte ich keine Sekunde unter einem Dach bleiben.
Die Frau ließ die Gans los und trat einen Schritt zurück. „Haben Sie etwa Angst vor einer Gans?“ Sie scheuchte das Tier in den Garten hinaus. „Schade, ich fand das gerade so schön, dass Sie hier sind. Sie kannten meine Mutter. Und ich den alten Lehmann.“
Ich stellte die Tasche wieder ab.
„Es ist wirklich nur eine alte, kranke Gans.“ Sie lachte. „Manchmal furzt sie sogar.“
Ich blickte zu der Gans, die draußen im Garten in einem Sonnenfleck stand. Sie hatte den Kopf unter den Flügel gesteckt.
„Furzen? Gänse können furzen?“
„Ja,“ die Frau lachte, „mehr als genug. Neulich war ich mit ihr bei einem Heilpraktiker.“
„Ein Gänseheilpraktiker? Wie wird man denn sowas?“
„Man muss quaken können.“
Ich kicherte. Die Frau blickte mich rasch an und sah dann zur Zimmerdecke, spießte sie auf mit ihrer kleinen, stupsigen Nase. „Ich heiße übrigens Anna. Und die Gans meiner Mutter war der Horror.“
„Ein Arschloch“, sagte ich. „Mit Federn.“
„Ja, ich hab sie immer George W. genannt, wenn ich hier war.“
„Wieso das denn?“
„Naja, nach Bush. Schien mir passend.“
„Und Alja ist dann Obama?“
„So in etwa. Im Ernst jetzt. Ich fand einfach die Idee hübsch, Gegenwart und Vergangenheit zu versöhnen. Deshalb hab ich die Gans.“
„Ja. Aber manchmal geht das nicht mit dem Versöhnen.“


3.
Der Zaun vor dem Haus meines Vaters war immer noch da. Ein graubraun gebeiztes Ungetüm von einem Jägerzaun, einige Latten waren herausgebrochen. Ich fuhr mit den Fingern über das Holz, betrachtete die Splitter an meiner Haut und lutschte. Der Zaun blutet, dachte ich, und wusste, diesen bitterscharfen Zaunblutgeschmack kannte ich.
Wie ein Torpedo war die Gans damals aus dem Garten geschossen und hinter mir hergerast. Ich rannte, der Rucksack schlug gegen Brust und Kinn, hinter mir fauchte die Oggerbombe, immer näher kam sie, ich spürte schon den harten Schnabel, endlich der Eingang, da erwischte sie mich doch und stieß mit Wucht in meine Beine. Ich stürzte und prallte mit dem Kopf gegen das Holz. Schmerz knallte in mein Kinn, und dann war Flüssigkeit im Mund und der bitterscharfe Zaungeschmack und ein kleiner, harter Klumpen. Über mir tobte die Gans, zerhackte meinen Rücken, ein flatternder Teufel, der mich zu Boden drückte, während ich den blutigen Zahn ausspuckte und nach Atem rang. Dann hörte ich eine laute, kräftige Stimme, eine Gestalt schoss vorbei, und da war er. Mein Vater! Mit einem Besen schlug er nach der Gans, und als sie von mir abließ, warf er seine Jacke über ihren Schlangenkopf, damit sie ruhig wurde. Zu mir sagte er: „Die hat nur Angst. Wenn Lebewesen Angst haben, sind sie manchmal gemein.“ Dann zog er seinen Pullover aus und legte ihn über meine Schultern. Und so liefen wir, mein Vater im Unterhemd und ich unter dem Pullover. Es war der, den er immer trug, wenn er was hermachen wollte, und es war ihm ganz egal, dass ich ihn vollblutete mit dem ganzen Zeug aus meinem Mund. Als wir im Haus waren, nahm er mich in den Arm und wiegte mich, bis das Weinen verstummte.
Ich hatte immer geglaubt, er hätte mich auch ausspucken wollen wie einen ausgefallenen Zahn.
Wenn ich die Augen ganz fest zusammenkniff, bis die Büsche zu einem Schleier verschwammen, trat er aus den Blättern, unauffällig und gebückt, als wollte er kein Aufhebens von sich machen. Ich sah das Gesicht meiner Mutter, wenn ich nach ihm fragte. Ihren Mund und den Zeigefinger, der auf dem Tisch zitterte.
Vielleicht hatte er mich gar nicht vergessen, der Mann im weißen Unterhemd, sondern ich ihn. Für meine Mutter.
Und noch etwas fragte ich mich, wohin wollte mein Vater? Mit seinem schönsten Pullover?

4.
Die Marmorsäule lag schon im Abendlicht, als ich in die Pension zurückkam. Der Kot der Gans verkrustete grau das Podest. Im Garten roch es nach verblühenden Rosen.
Ich presste die Fäuste in meine Augenhöhlen und versuchte, meinen Vater zurückzuholen. Das Gefühl, wie sein Pullover auf meinen Schultern lag. Es klappte nicht. Nicht hier zwischen all diesen irritierenden Düften, die Nase und Verstand verklebten. Manchmal, dachte ich, muss man allein sein, damit aus einer Erinnerung eine innere Kraft werden kann.
Anna saß wieder auf ihrem Stammplatz. Die letzten Strahlen der Sonne woben ein goldrotes Muster auf ihr Haar. In der Hand hielt sie eine Blume. Sie sah auf, ihre stupsige Nase reckte sich mir entgegen. Ich schluckte. Viel zu klein war die Nase für ihr Gesicht.
„Und?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Vielleicht ...“ Ich zögerte. „Vielleicht sehe ich jetzt manches ein bisschen anders.“
„Mir ging es genauso, als ich zurückkam.“
„Bist du deiner Mutter eigentlich ähnlich?“
„Man sagt es. Aber ich hab nicht viel mit ihr gemeinsam.“ Sie fuhr den Stängel der Blume entlang bis hin zu dem Zylinder eng sitzender Blüten. Wie kleine, lavendelfarbene Motten sahen die aus. Unter Annas Fingernägeln staken schwarze Dreckhalbmonde.
„Blumen magst du aber auch.“
„Ja“, sagte Anna, stand auf und trat dicht neben mich. „Eine Züchtung. Mein ganzer Stolz.“ So nah war sie, dass ich ihren Duft roch. Wilde Lilien. Und dahinter war noch etwas, etwas Ranziges, Morsches.
„Hmm“, sagte ich und wendete mich ab. „Interessantes Hobby. Für mich wäre das nichts.“
„Dann müssen wir für dich eben was anderes finden.“ Anna strich eine Strähne aus dem Gesicht und blickte mich prüfend an. „Du willst zurück?“
„Ja.“
„Wenn du noch ein bisschen Zeit hast, zeig ich dir meinen Garten. Aber geh nur voraus, ich merke, dass du alleine sein willst. Ich komm nach.“ Sie setzte sich wieder auf ihren Stuhl und griff nach einem Blumentopf. „Ganz hinten“, fuhr sie fort, „dort, wo du die hohen Weiden siehst, da steht eine Bank. Dort treffen wir uns. Das ist die schönste Stelle. Nur Natur und meine Blumen. Ein paar schenke ich dir zum Abschied. Damit du wiederkommst.“



5.
Die steinerne Bank stand inmitten von Kaskadensträuchern. Über mir verschränkten sich die Äste zu einem Dach, das kaum Sonne durchließ. Nur ein Taschentuchbaum stopfte rahmweiße Blätter zwischen das Grün. Es war schön hier, aber ich hatte genug. Genug von Zweigen, die sich an einem festhakten, genug von Blättern, die sich zu gewaltigen Trichtern rollten, genug von Blüten mit Kopfschmerzduft. Ich sehnte mich nach meinem Schreibtisch und einem starken Kaffee.
Wenn Anna nicht kam, ging ich eben alleine zurück. Wo war der Weg? Vom Weg keine Spur. Langsam drehte ich mich um die eigene Achse, schob die Zweige zur Seite und ging los. Der Pfad war schmal, kaum mehr als ein Fußabdruck auf dem lehmigen Boden. Schlingpflanzen hingen von den Bäumen und legten einen grünen Schimmer auf meine Haut. Ich kam nur langsam voran in diesem Pflanzentunnel, dessen Zweige und Äste sich näher an mich heranschoben. Und dann endete er. Einfach so. An einem Gestrüpp. Scheiße. Ich horchte. Da war ein Knacken. Die Blätter der Büsche vor mir zitterten, es raschelte lauter, und so, als hätte sie gerade auf diesen Moment gewartet, schlüpfte die Gans an mir vorbei, mitten durch das Pflanzengewirr. Ich zerrte die Zweige auseinander, drückte mich hinein, dem Tier hinterher, auch wenn Dornen und scharfe Zweige mich stachen. Blätter klatschten mir ins Gesicht, aber ich ließ die Gans nicht aus den Augen, irgendwann würde sie mich zum Haus zurückführen, hoffentlich, denn hier gab es nichts mehr, nur Holz und Grün und den weichen Samt fremder Farben. Ein Ast schlug mir gegen die Stirn, ich wischte das Blut am Rock ab. Meine Beine juckten. Als ich über die Haut rieb, griff ich in ein pelziges Nest voller Kugeln, ich zog, endlich löste sich eine. Eine Kapsel voller Widerhaken, die jetzt an meinen Fingern klebte. Ich zerquetschte sie an einem Baumstamm und hob den Rock. Die Schenkel waren übersät bis hoch zum Slip. Schnell ließ ich den Rock fallen und sah nach vorne. Der Rock, die Beine, das war egal, ich musste weiter. Es war so lächerlich, ich hatte mich komplett verirrt. Okay, das hier war das Ried, ein Naturschutzgebiet, aber das war auch Frankfurt. Hier konnte man sich nicht verlaufen. Und doch war es so und ich hatte nichts, das mir raushalf, nur eine Scheißgans.
Wenn ich stehen blieb, stoben Mücken auf, umhüllten mich wie ein Mantel, drangen in Mund und Nase. Ich schlug sie weg und bohrte mich weiter durch das Dickicht, folgte der Gans, als führte sie mich an einer unsichtbaren Leine. Endlich wurde das Gestrüpp spärlicher, ich streifte die letzten Äste zur Seite, vor mir öffnete sich eine Lichtung, auf der ein hohes Gebäude stand. Eine Tür war halb geöffnet.
Ich zögerte kurz, dann hastete ich über das Gras, der Gans hinterher. Ich wusste längst nicht mehr, was mich antrieb, ihr zu folgen, es war nicht nur die Hoffnung, dass sie mich zurückführte. Ich musste hinterher. Als wäre etwas an ihr, was die Rätsel meiner Kinderzeit lösen konnte.
Ich schob die Tür weiter auf und trat hinein in eine Schwärze, die stofflich schien. Als ich stolperte und gegen die Wand prallte, entflammte ein Licht. Ein Bewegungsmelder. Vor mir ragte ein Metallturm auf. Bestimmt vier Meter. An seiner Vorderseite führte eine Wendeltreppe hoch zu einer Plattform. Auf der Rückseite stand ein Behälter, in dem gelbliche Brühe schwappte. Es stank faulig.
Direkt vor mir zischte etwas. Die Gans. Mühselig hüpfte sie die Treppenstufen hoch, schwankte, als stürzte sie gleich. Erst, als ich hinterherhastete, merkte ich, wie schnell sie war. Schließlich stand ich oben. Die Plattform war nicht groß, vielleicht vier Meter im Durchmesser. In ihrer Mitte eine Öffnung, abgetrennt durch ein Geländer. Vorsichtig beugte ich mich darüber. Jauchegeruch schlug mir entgegen. Etwas summte, weit unten ruckte es, dann knirschten, erst langsam, dann immer schneller, zwei Walzen gegeneinander. Darunter blitzten Schneidemesser.
Was war das? Eine gigantische Häckselmaschine? Wo war die Gans? Ich musste das Vieh hier wegholen. Da, genau mir gegenüber hockte sie, auf der anderen Seite der Öffnung. Ich tastete mich hin, vorsichtig, um sie nicht zu erschrecken, hoffte, dass sie nicht zuschnappte, wenn ich nach ihr griff. Sie wich meiner Hand aus, schlüpfte unter der Metallstange durch und erhob sich mit wild schlagenden Flügeln in die Luft. Den Schnabel aufgerissen, fauchend, ein fedriger Dämon mit weißschwarzer Flügelmaske, der über dem dunklen Schacht drohte, bis sie in sich zusammensackte und seltsam verrenkt nach unten fiel. Federn wirbelten, dann nichts mehr, nur ihr Schreien, heiser und seltsam hilflos. Wie ein Kind. Ich stieg über das Geländer, klammerte mich mit den Beinen und einer Hand an der Querstange fest und ließ mich hinab. Vielleicht konnte ich sie hochziehen? Unter mir mahlte es, die Schneidmesser pressten stinkende Luft nach oben. Wieder ein Jammern. Das Licht flackerte, und, wie ein jäher Windstoß, schoss sie neben mir hoch. Ich zuckte. Versuchte, auf die sichere Seite zu kommen. Das Licht erlosch. Mit Wucht krachte sie in meinen Rücken, krallte sich fest und peitschte die Flügel gegen meinen Kopf. Meine Nase blutete, ich bekam kaum Luft, die Gans klebte an mir wie eine hungrige Harpyie, zerriss die Haut an meinem Rücken und stieß den Schnabel in den Hals, den Nacken, die Schultern. Ich wand mich, trat nach ihr, sie verbiss sich in den Schenkel, zerrte an dem weichen Fleisch und drosch weiter auf mich ein, bis ich den Halt verlor und mit den Beinen voran in den Schacht knallte. Der Ruck zerrte an meinen Handgelenken, doch ich hielt, zog die Knie an, fand einen Vorsprung in der Wand und drückte mich nach oben. Halb ragte ich aus dem Loch, lauschte in die Dunkelheit, um die Gans zu orten. Ein Zischen von der Seite und dann der Hieb. Direkt ins Auge. Ein Schmerz wie heißes Öl. Ich trat um mich, etwas schlug gegen meinen Fuß und presste ihn zwischen die Walzen, verbog ihn wie Gummi. Saure Flüssigkeit quoll mir in den Mund. Als ich die Augen aufriss, war das Licht wieder an. Direkt neben mir kauerte die Gans. Ich sah sie nur durch einen Schleier von Blut, ihre Augen, die rosa Zunge, die wie ein dicker Wurm aus ihrem Schnabel stak. Es war nur ein Vogel, ein schrecklicher Vogel, der seinen Instinkten folgte. Doch irgendwo, ganz weit hinten, da spürte ich einen kleinen, festen Kern jenseits der Instinkte. Ganz langsam senkte sie den Kopf und schälte einen Streifen Haut von meiner Hand, einen rohen, brennenden Streifen, fast zärtlich schälte sie und so leicht, als zöge sie die Haut von einer gekochten Kartoffel.
Ein Schatten fiel über mich. Haarwirbel, keine Federn. Anna. Ihre Hände legten sich auf meine. Unendlich langsam umfasste sie meine Gelenke, ich spürte das Dehnen im Arm, als sie zog, das Reißen, als meine Füße sich endlich von dem Metall unter mir befreiten. Anna, dachte ich, Anna, Gottseidank. Und dann der Ruck, als sie meine Hände losließ. Einfach losließ. Ich rutschte, fasste im letzten Moment nach und hielt. Annas Gesicht schwebte über mir, ein helles Oval, aus dem ihre Augen leuchteten, und das Lächeln, so schön, als hätte ihr Gesicht tausend Lampen angeknipst.
„Anna. Was tust du?“
„Was glaubst du?“ Ihre Stimme war leise, fast ein Singen. Und dann wieder ihre Hand auf meiner, wie sie den Zeigefinger packte, ihn drehte, ihn knirschend aus dem Gelenk wand.
Ich wusste nicht, ob ich sprach oder dachte. Bitte Anna, tu das nicht. Ich wusste nicht, ob sie antwortete. Ihre Stimme war ein hellrot flimmerndes Band. Ich mag dich, sagte es, ich mag dich so, wie man eine große Schwester mag. Aber ich wurde fortgeschickt. Wegen dir und deiner Mutter. Das Schandkind. Du erinnerst mich an das, was hätte sein können. Und an deinen Vater, jetzt, wo er verschwunden ist. Meine Blumen hier, die mögen dich auch. Die brauchen dich.
Und wieder der Druck auf meiner Hand und das Knacken des nächsten Fingers.
Hilft mir denn keiner?
Wer soll dir helfen? Wir wählen nur Menschen, die es zu uns zieht. Meine Alja, die riecht das. Sie nähren uns, diese Menschen; meine Blumen und mich und Alja.
Meine linke Hand ließ los, sie hing nach unten, ein abgeschältes Stück Fleisch, meine Füße schmerzten nicht mehr, da war nur taubes Gefühl, ich musste kotzen. Helles, schmerzendes Licht drang in mich ein wie ein Messer, etwas Hartes riss an meinen Haaren, zerdrosch die Kopfhaut, Federn stülpten sich über meinen Schädel, eine atmende, erstickende Haube aus Federn, und bevor der Körper der Gans mich umhüllte und hinunterdrückte in das fetzende Wirbeln der Walzen und Messer, sah ich noch einmal Annas Gesicht, die Haarwirbel, das Lampenlächeln und eine Spur von Traurigkeit in ihren Augen. Und ich sah das Gesicht meines Vaters wie einen fernen Schimmer und ich fragte mich, ob er wirklich im Main verschwunden war. Dann bedeckte mich die Haube, drang in mich ein, saugte und schlang, schlang und saugte, während mein Körper zerriss.

6.
Nichts tut weh, die Haut fühlt sich ein wenig taub an, aber ich lebe. Irgendetwas hat mich gerettet. Ich genieße die Stille und die Luft, die mich umfließt wie feiner Batist. Ich will den Wind spüren und den lichtgrauen Himmel mit seinen Wolken. Ich will hinaus auf die Straße. Weiter und weiter bis zu den Sommerfeldern. Doch ich weiß, ich muss bleiben. Die Luft schmeckt nach feuchtem Gras und frühem Morgen. Ich warte. Die Leute, die am Haus vorbeilaufen, sind mir gleichgültig. Auch die Eintretenden. Doch dann. Ein Mann blickt auf das schwarzweiße Emailschild am Eingang, geht in den Hof. Sein Blick gleitet über das Haus und die Blumen, bis er die Marmorsäule entdeckt. Ich hebe meinen Kopf, prüfe den Geruch, der von ihm zu mir strömt, und fessele ihn mit meinem Blick. Ich rieche seine Suche und breite meine Flügel aus.

 

So, jetzt geht’s aber mal weiter hier.
Also, hab Besuch gehabt und wenig Zeit, und am Dienstag fahr ich weg. Hmm, so viele Antworten wie möglich werde ich da noch schreiben, aber, ich weiß weder, ob ich euch alle schaffe :D, noch, ob ich die Geschichte fertig überarbeitet kriege. Denn das mach ich gerade.
Und feirefiz berühmte Stellschrauben entpuppen sich da in meinen Pfoten leider als wacklige Nägelchen, die gleich wieder aus der Wand fallen, wenn ich was dranhängen will. Und dann putz ich ein bisschen bei und überlege und putze und schreibe und verwerfe wieder, es ist herrlich.
Also es kommt noch was nach außer den Antworten, aber das braucht ein bisschen. Und wenn jemand dann später nochmal gucken würde, ob das geht, was ich da bossle, ich würd mich über eine winzige Rückmeldung freuen.
Und bedanken wollte ich mich auch. Bei euch allen. Ich habe hier wirklich eine Unzahl interessante, kluge Kommentare gekriegt, die mich auf so viele Dinge aufmerksam gemacht haben, das ist schon toll.

Hallo, lieber gerthans,
ich hab dir ja schon geschrieben, dass ich sehr verblüfft war von deiner Sichtweise, so hätte ich das nie interpretiert, aber ich hab schon so einiges wiedergefunden.

"Jetzt vergess ich ihn." - Trotzig gibt sie sich den Befehl, ihn zu vergessen. Allzu trotzig. In Wirklichkeit hängt die verwaiste Tochter, die jetzt mutterseelenallein ist, so sehr an ihrem Vater, dass sie ihn am liebsten in die Unterwelt begleiten würde, also auch sterben würde. Solche Wünsche muss man natürlich verdrängen. Der Todeswunsch ist dadurch aber nicht weg, sondern im Unterbewusstsein, aus dem heraus er wirkt,
Ja, die ist wirklich schon sehr trotzig an dieser Stelle, will ihn vergessen, dabei wirkt der Gedanke eher wie eine späte Strafe, absurde Rache, die sie an ihm üben will, es ist also auch das glatte Gegenteil der Fall. Sie bemüht sich tunlichst darum, als taff zu erscheinen, aber eigentlich hätte sie den Vater furchtbar gerne kennengelernt, sonst hätte die Anna mit ihren Sprüchen, sie kenne den Vater, auch nicht so bei ihr landen können.
Verdrängte gefährliche Wünsche verkörpern sich gerne in einer dämonischen Gestalt, die Angst einjagt und zugleich verführerisch wirkt. Solch eine dämonische Gestalt ist Anna, eine Art femme fatale, verführerischer Todesengel, als Archetypus Muttergöttin, Vegetationsgöttin, Verkörperung der Mutter Natur, in deren Schoß die verwaiste Tochter eingehen möchte.
Sowas, ich erkenn das jetzt alles, wenn du das schreibst, aber ob du es glaubst oder nicht, ich hab nicht mal ansatzweise gemerkt, dass ich da so eine Art Vegetationsgöttin erschaffe, ich finde das immer wieder erstaunlich, was da so alles beim Schreiben unter den Fingern hervorquillt.

Der Todesengel erinnert wegen seiner Kleidung an einen Monteur, und auch das ist symbolisch: Ein Monteur schraubt seine Objekte auseinander, zerlegt sie - und das gehört ja zum Sterben: dass ein Körper sich in die Natur auflöst - daher so oft das Motiv der Zerstückelung
Ich hab mal gegoogelt, weil ich echt nicht wusste, wie sieht ein Todesengel eigentlich aus, ja, die tragen tatsächlich immer einen Haufen Sensen, Schwerter, Säbel und sonstwas mit sich rum. Ich wäre wohl immer auf das Motiv des Schneidens gekommen, Schnitter Tod sagt man ja auch, aber das Zerstückeln, Auflösen, das passt natürlich auch.

Sie war schon aufgelöst wie langes Haar
und hingegeben wie gefallner Regen
und ausgeteilt wie hundertfacher Vorrat.

Sie war schon Wurzel.

Das ist echt gruslig. Klar, Rilke, ich mag das Gedicht selbst zwar gar nicht so gerne wie andere Sachen von ihm, aber da sind Bilder drin, die haben schon eine ziemliche Ausdruckskraft. Die hier zum Beispiel auch.

Lieber gerthans, ich danke dir sehr, mal wieder für deine ungewöhnliche Art der Textbetrachtung. Ich profitiere sehr davon, es macht immer wieder mal klar, dass (und das interessiert mich einfach auch) wie sich bei aller bewussten Planung eines Textes doch sehr unbewusste Phänomene einschleichen. Vielleicht eignen sich Horrorgeschichten ganz besonders dazu.

Viele Grüße von Novak


Lieber ernst offshore

Novak, Novak! Nach den furchtbaren Fröschen nun die Gans des Grauens! Was kommt als nächstes? Die Rache der Rosenkäfer? Das Haselmausmassaker?
Naja, keines von den beiden. Ich kann dir das ja nicht immer zumuten mit meinen Horrorgeschichterln, da wird also demnächst auch wieder was anderes kommen. Denn ich will dich ja als Leser nicht verprellen. Das wär mir ganz schlimm.
An Grundideen mangelt es bei mir ja zum Glück nicht. Aber die umzusetzen, das braucht und wird auch immer so lang und dann will die Überarbeitung ja auch getan sein. Aber dann, lieber offshore, später, wenn du dich in Sicherheit wähnst, dann setz ich nach mit der Kakerlakenapokalypse.

Jedenfalls hast du mir da ein einigermaßen ambivalentes Leseerlebnis beschert. Einerseits fand ich die Geschichte sprachlich überwiegend wirklich großartig, andererseits stand ich gegen Ende verständnismäßig immer mehr neben den Schuhen.
Na hoffentlich hattest du Socken an.

Sie scheuchte das Tier in den Garten hinaus.
[…] Ich blickte zu der Gans, die draußen im Garten in einem Sonnenfleck stand.
[…] Ich kicherte. Die Frau blickte mich rasch an und sah dann zum Himmel,
Man kann doch wenn man in einem Raum steht und aus einer Glastür oder dem Fenster hinausschaut, an den Himmel schauen. Fenster wird’s doch auch in Österreich geben. Also das soll jetzt wirklich nicht frech klingen, aber ich verstehe den Einwand echt nicht.

Das gibt’s doch nicht, dachte ich mir da. Die kann sich doch nicht binnen weniger Minuten in einem Garten verirren, ich mein, wie groß ist denn der? Ist der tatsächlich ein undurchdringlicher Dschungel? Kann sie sich nicht einmal an der Sonne orientieren?
Auf sowas kommt eine Stadtpflanze nicht unbedingt. Und gerade wenn du dich in einem Garten wähnst, überlegst du doch vorher nicht, in welcher Himmelsrichtugn was liegt.

Moooment, dachte ich hier. Wieso ist die plötzlich im Ried?
Ab dieser Stelle war‘s echt vorbei mit meinem Verständnis der topographischen Gegebenheiten, und so was nervt mich beim Lesen halt, also wenn ich plötzlich merke, ich hab mir bis jetzt offenbar ein vollkommen falsches Bild des Schauplatzes gemacht. Da hab ich dann noch mal hochgescrollt und tatsächlich das gefunden:
Das Haus stand inmitten einer Reihe alter Gebäude, ein schmaler Zipfel Stadt, der sich in das Enkheimer Ried hineinzwängte. Nur ein gepflasterter Weg trennte die Häuser vom Naturschutzgebiet.

Allerhöchstens mit seinem hinteren Ende. Aber dann wäre doch immer noch ein Zaun zwischen Garten und Naturschutzgebiet, oder nicht? Hm.

Eigentlich hast du ja alles gefunden. Aber ich verstehe natürlich, dass das Hochscrollen lästig ist. Und man froh wäre, es gleich zu verstehen. Manchmal meint man beim Schreiben wohl, die kleine Info würde sich bei aufmerksamem Lesen nicht verstecken, sondern im Kopf bleiben, aber das ist einfach nicht so. Man kann damit nicht rechnen. Was den Zaun betrifft: natürlich müsste ein Zaun da sein als Grundstücksgrenze, in meiner Vorstellung kann der aber zerfallen, abgerissen werden, im Laufe der Zeit einfach verschwinden. Klar, das darf man nicht so einfach unterstellen. Also da lege ich nach.
Zu meiner Entschuldigung kann ich nur sagen, dass ich momentan ein bisschen auf dem Schlauch stehe, und zwar damit: die Waage zu halten zwischen Genauigkeit und Weglassen. Minutiöse Beschreibungen nehmen den drive aus einer Atmosphäre und auf der anderen Seite verunsichert die Ungenauigkeit und verärgert dann den Leser. Ich verstehe und weiß das schon, ich machs ja auch nicht extra falsch, bin auch etwas unvorbereitet auf solche Schwierigkeiten gestoßen. Vermutlich tauchte diese Schwierigkeit in meinen anderen Geschichten gar nicht so sehr auf, daher ist mir das so neu. Aber ist ja auch spannend, das mitzuerleben. Ich hab dann halt probiert, ein Gleichgewicht zu finden.
Jetzt hab ich die Örtlichkeit genauer festgezimmert, aber phh, keine Ahnung, ob dannnicht ein anderer sagt, das hätt er nicht gebraucht. Also das richtige Händchen hab ich dafür wohl nicht. Aber vielleicht hoffentlich bessert es sich ja im Laufe der Zeit.

Wenn ich stehen blieb, stoben Mücken auf, umhüllten mich wie eine summender Mantel, drangen in Mund und Nase.
(ich fühlte mich tatsächlich an T.C. Boyle erinnert)
Und ich fühlte mich hochgeehrt, aber nur für einen kurzen Moment, denn das Aber lauerte ja schon.

aber ich als Leser weiß einfach nicht, wo die Erzählerin da jetzt wirklich ist. Im Garten? Im Ried? Das mag jetzt kleingeistig klingen, aber mich nervt so was einfach.
Ja, ich glaub, du regst dich natürlich ein bisschen mehr auf als andere, dafür bist du ja auch der offshore, denn Recht hast du ja und im Hinterkopf war mir das Problem ja absolut bekannt. Also lass dir von mir sagen. Ich probiers einfach weiter, das richtige Gleichgewicht zu finden.

hinein in eine Schwärze, die stofflich schien. Als ich stolperte und gegen die Wand prallte, entflammte ein Lichtschein.
Das ist mir auch zu missverständlich. Was passiert da? Knallt sie mit dem Kopf gegen die Wand und sieht sozusagen Sternchen? Oder geht wirklich ein Licht an?
Also da versteh ich jetzt dein Nichtverstehen nicht. Wie man darauf kommt, dass sie Sternchen sieht, hat sich mir an der Stelle nicht erschlossen. Natürlich geht das Licht an. Aber ich guck noch mal und mach es klarer.

Was meinst du mit Metallkolben? An dessen Vorderseite eine Wendeltreppe hochführt? Hä? Soll ich mir da so eine Art großen Zylinder vorstellen, einen runden Tank? Wie groß? Und wie kann sie gleichzeitig auf der Rückseite, also dahinter, den Behälter sehen?
Also vorgestellt hast du dir die Maschine doch schon richtig. Und wieso soll denn keine Treppe daran hochführen. Das verstehe ich jetzt wieder nicht.
Also es ist so: Auch bei dem, was danach kommt. Ich würde mich zu dem obigen nur wiederholen. Ich könnte jetzt ja an jeder Stelle erklären, wieso man Gegenstände sehen kann, die sich an der Rückseite eines Kolbens befinden, wenn sie seitlich herausragen oder sich ein wenig in diese Richtung bewegt und sie dann halt sieht. Ich frag mich dann halt immer, ob man das wirklich alles alles alles dazuschreiben soll? Oder dass der Kolben wohl nicht nur einen Meter hoch sein kann, was sich ja aus dem Rest der Beschreibung ergibt. Also dass der Leser bestimmte Leerstellen ausfüllt. Ich muss gestehen, irgendwann hab ich auch das Gefühl gekriegt, jetzt hast du eine bestimmte Brille aufgesetzt und nimmst nur noch Ungenauigkeiten in der Beschreibung wahr, aber was bringt das, in der Sache hast du ja Recht.
Das grundsätzliche Problem sehe ich selbst und hatte ich auch vorher befürchtet, weil ich beim Schreiben schon darauf gestoßen war. Von daher bin ich für deine Exaktheit und deinen Ärger sehr dankbar. Also prüfe und ändere ich einfach mal und hoffe, ich bremse durch die Genauigkeit nicht zu sehr aus.

Ganz, ganz toll geschrieben diese Szene, Novak. Aber soll ich dir was sagen?
An dieser Stelle – ich hatte nicht runtergescrollt und wusste deshalb nicht, wie lang die Geschichte noch geht – also an dieser Stelle war ich mir sicher, die Erzählerin ist auf der Steinbank eingeschlafen und träumt das alles nur, einfach weil mir die Szene dermaßen bizarr erschien. Eine Gans mit Krallen? Haut, die sich einfach so abziehen lässt?
Gänse haben tatsächlich Krallen, offshore. Alle Vögel haben Krallen. Bei den Gänsen kommen sie zwischen den Schwimmhäuten hervor. Und sie können auch tasächlich weh tun, wenn die Krallen länger sind. Normal nutzen die sich durch das Laufen an Land ab, wenn man eine Gans hat, die nicht viel laufen kann, weil sie bspweise fußkrank ist, dann muss man die Kralle sogar schneiden. Und klar, natürlich würden solche Krallen weder Bluse noch Fleisch zerfetzen. Aber immerhin ist das hier ja auch keine gewöhnliche Gans. Da darf die schon mal ein bisschen übertreiben und die Haut von der Hand schälen.

Also auf eine von dir verfasste Bedienungsanleitung für einen Gartenhäcksler möchte ich nicht unbedingt angewiesen sein.
Na warte. Demnächst bitte ich gisanne, dir eine Häcksleranleitung hinzukaluppen.
Lieben Dank, Mister offshore, für deine Zeit und dein genaues Auge. Das ist natürlich ein Korrektiv zu meinem überbordenden Blumengeschwalle. Das ist mir schon klar. Wenigstens mochtest du es sprachlich ein wenig. Wenn ich dich auch ansonsten mit meinen beiden letzten Geschichten eher ins Reich des Hohlbauchärgers getrieben habe. Hab ich nicht extra gemacht. Wirklich nicht. Verzeih es mir, es kommen hoffentlich auch wieder andere Zeiten. Ein Bier zur Entschuldigung? :anstoss:
Liebe Grüße nach Wien von der Novak

Lieber Friedel, lieber Schwups, lieber Jimmy, liebe feirefiz und liebe Perdita,
hoffentlich habe ich niemanden vergessen.
Das genaue Antworten ist schon ein Fluch. Ich melde mich - hoffentlich bald. Ich fahr am Dienstag weg, vielleicht hab ich da auch hin und wieder die Möglichkeit, was zu machen, wenn nicht, dann halt nach Pfingsten.
Aber vielen Dank für eure wirklich tollen Kommentare. Ich hab so viel daraus mitnehmen können.

 

Hallo Novak,

mich hast du mit der Story echt erwischt, auch wenn du mich beim ersten Lesen auf halber Strecke verloren hast, so war ich letztlich froh, die Lektüre nicht endgültig abgebrochen zu haben. Ich muss nämlich gestehen, mir war die Prota etwas unsympathisch. Klar, ist sie verbittert an so einem Tag, aber hier ...

„Ich habe mich nur gewundert, dass mein Kinderalptraum eine Stupsnase hat.“
Die Frau stutzte. Dann lief ein rötlicher Schimmer über ihr Gesicht. Sie lachte verlegen, verschränkte kurz die Arme vor der Brust, löste die Bewegung wieder auf, fuhr mit den Händen über die Seiten des Overalls, dann gab sie mir die Hand. „Oh je, Sie kannten meine Mutter.“
„Wenn Sie die Tochter sind? Geile Kriegsbemalung übrigens“,
Sobald sie das erste Mal so richtig den Mund aufmacht, geht mir ihre schnippische Art schon auf den Zeiger. Das legt sich aber ziemlich schnell. Und der Fokus der Erzählung liegt ja eh auf Erinnerungen, den inneren Monologen und Beobachtungen. Ein guter Autor muss auch ein guter Beobachter sein, hab ich mal gehört, und ich fand, das hat man hier sehr schön bemerkt. Da kommt so viel Atmosphäre rüber, davon lebt der Horror hier. Der letzte Teil im Garten dann, da war ich so richtig gefesselt, konnte gar nicht anders. Dieser Pflanzenhorror macht mir echt zu schaffen, ich bin da vorbelastet. Als Kind hatte ich so ein Bilderbuch, in dem Gummibäume eine Stadt einnehmen und mein erster Horrorstreifen war "Tanz der Teufel", bei dem dieses Mädchen von Baumwurzeln misshandelt wird. Ekelhaft und auch ganz weit weg von dieser subtilen Schreibe.
Am Ende passt es ja dann auch irgendwie, dass sie mir anfangs unsympathisch war, also hast du sie auch richtig gezeichnet. Sie ist ja eine Vergessene, was ihr letztlich zum Verhängnis wird.

Sehr gern gelesen. Die Geschichte wird mich wohl noch ein wenig beschäftigen, vorallem dieser Schuld-und-Sühne-Aspekt zwischen Vater und Tochter.

Schöne Grüße

Hacke

 
Zuletzt bearbeitet:

hallo novak,

größtenteils sehr gern gelesen. besonders der anfang ist klasse. da hast du mich gleich mehrfach "am haken". allein die herrlichen figuren-beschreibungen, wie z.b. des pfarrers.
die figuren, der garten - komplex erfasst, stilistisch gut. die beziehungen zwischen den personen tief genug ausgelotet.
wie fiz dachte ich übrigens auch, dass die alte gärtnerin die geliebte des vaters war und die beiden jungen frauen halbschwestern sind..... das würde für mich die geschichte plottechnisch und psychologisch noch mehr toppen.
die gans als horrortier: gut gewählt!
besonders gelungen fand ich die passage, wo deine prot am gartenzaun entlang geht und ihre erinnerungen aufkommen. allein wie du geschickt mit den namensgebungen wie "stinkergarten" und "todeszone" den text atmosphärisch auflädst, da ist sofort das gefühl für kindheit und die kindliche perspektive da, einfach toll.
insgesamt: well done.


lg petdays

 

Hi Novak,

Eine feine Geschichte hast du geschrieben, der Horror kommt auf leisen Schritten und immer wieder zweifelt man...
Obwohl ich die Idee gut finde, glaube ich, dass du noch etwas mehr "Atmosphärre" aus dem ganzen heraus holen könntest:
Speziell im ersten Teil plätschert die Geschichte doch etwas vor sich hin, während sie in den letzten Kapiteln sehr Fahrt aufnimmt. Ich denke, du müsstest noch genauer herausarbeiten, dass deine Protagonistin einsam ist, sehr einsam und dass ihr Telefonbuch leer ist, weil sie so wie den Pfarrer alle Menschen verachtet und beleidigt. Da könntest sie auch noch einen inneren Kampf gegen die plötzliche Welle der Sympathie von Anna ausfechten lassen.
Ein paar Beispiele:

Mir war, als hätte ich ein Abo für den Friedhof. Vor einem Vierteljahr war meine Mutter gestorben, danach meine Freundin. Und nun mein Vater. Jetzt gab es nicht einmal mehr jemanden, der mich vergessen wollte.
"show, dont tell", hier erweckst du keine Gefühle für die Protagonistin

Das Haus war von einem Blumenmeer umgeben. Über den Eingang ragte ein mit Wein überwachsenes Vordach. Und richtig, keine zehn Meter von mir entfernt, stand noch immer die Marmorsäule, kaum zu sehen, weil sie von Büschen umwachsen war, deren Goldton das warme Maisgelb des Hauses aufnahm.
finde ich hier zu harmlos
Schlimm war der Winter, wenn die Schatten der Büsche lang waren und hinüberreichten zu den Bäumen im Ried, an denen im Winter nur lange Pflanzenbärte wucherten.
Wirklich schlimm aber war der Sommer.
das finde ich jetzt nicht als passende Steigerungsform
Wenn ich Pech hatte, saß die Gänsefrau vor ihrem Haus und hetzte ihren Vogel auf mich, der immer auf einer Marmorsäule neben dem Haus thronte. Das fette Tier war schnell, es zischte und raste mit weit geöffneten Flügeln auf einen zu.
hier wird etwas sehr dramatisches sehr kurz angedeutet. Und außerdem wirkt es im späteren Kontext der Geschichte seltsam, dass die Frau ihre Gans so exponiert nach draußen schickt. Im Sinne der Geschichte, wäre hier eine behutsamere Andeutung angebracht, oder ein beginn und dann eine Auslassung, ...
Direkt vor mir zischte etwas. Die Gans. Mühselig hüpfte sie die Treppenstufen hoch, schwankte, als stürzte sie gleich. Erst, als ich hinterherhastete, merkte ich, wie schnell sie war.
hier passt das Bild nicht. Einmal die Gans, die sich dahinschleppt und dann ist sie doch schnell. Ein Widerspruch, der das Bild in meinem Kopf stört.

Im Garten roch es nach Rosen. Für einen Moment erinnerte mich der Geruch an den einer Frau, die sich lange nicht gewaschen und den Schweiß mit Parfüm überdeckt hatte.
von diesen feinen Sätzen bräuchte es noch mehr in deinem Text, speziell am Anfang.

Hier möchte ich mehr Details. Das hohe Gebäude kann 10 oder auch hundert Meter sein und warum, frage ich mich, weiß sie nichts von dem hohen Gebäude in ihrer Nähe.

Ich hebe meinen Kopf, prüfe den Geruch, der von ihm zu mir strömt, und fessele ihn mit meinem Blick
ich finde den Satz etwas unbeholfen.
wie wäre es z.B. mit: Ich hebe meinen Kopf und prüfe seinen Geruch. Er riecht nach Einsamkeit. Ich fessle ihn mit meinem Blick und breite die Flügel aus.

lg
Bernhard

 
Zuletzt bearbeitet:

So, ihr Alle, die Geschichte ist überarbeitet. die Kritiken von allen, allen allen, angefangen mit der von Raki bis zum Bernhard sind eingearbeitet.
Hab nicht alles verändert, was ihr angemerkt habt, aber das ist ja klar.
Außer ein paar sprachlichen Kleinigkeiten lag mein Augenmerk hauptsächlich darauf: Ihr fandet, die Geschichte klaffe auseinander, was das Horrorgeschehen einerseits betrifft und was das Vater-Schwester-Dingens andererseits betrifft. Ich hab da was gemacht. Es ist im Endeffekt gar nicht so wahnsinnig viel. Aber vielleicht verbindet es ja schon mehr. Und es hat lange gedauert, es im Kopf für mich logisch zu machen. Keine Ahnung, war halt so. Wahrscheinlich hätt ich dich gebraucht, fiz. Und außerdem hab ich mich ja rumgetrieben. Und war also zum Teil gar nicht da.
Was hab ich noch gemacht? Ein ganz ganz kleines bisschen an der Maschine geändert, weil ich ja meinen lieben offshore nicht verprellen will und an der Landschfaftsbeschreibung. Aber es ist ganz wenig. Ich merk halt, solche Maschinenbeschreibungen, das ist echt nicht mein Ding. Ich hab da Schwups Rat befolgt, eher ein bisschen zu kürzen, in der Hoffnung, dass es den armen Leser nicht so ablenkt.
Naja, lest mal, guckt mal, ob die Geschichte jetzt mehr verzahnt ist.
Genauere Antworten (etwas genauere als die hier, ich muss ja mal lernen, mich kurz zu fassen) folgen noch.
Ich danke euch allen.
Und bis denn.
Novak

 

Liebe Novak,

ich habe nochmal gelesen :) Dass die Geschichte mir gefällt, weißt du ja bereits.

Das hier ist mir noch aufgefallen:

Erst, als ich hinterherhastete, merkte ich erst, wie schnell sie war.
Doppelt gemoppelt.

Hier hast du wieder den alten Satz übernommen:

Schmerz durchzuckte mich wie ein Schwall heißen Öls, das dein Auge ausbrennt.
Ich weiß nicht, ob das beabsichtigt war, aber in meinen Ohren klingt der nicht schön. Schmerz "durchfuhr" finde ich passender, und eher "das einem das Auge ausbrennt", das "dein" passt an dieser Stelle irgendwie nicht. Ist aber nur mein Bauchgefühl.

Und der letzte Absatz ist einfach nach wie vor super!
Liebe Grüße
RinaWu

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo RinaWu, wie schön, dass du so schnell geguckt hast.
Die "ersts" verplieser ich gleich und bei dem letzten Satz nehm ich deinen Vorschlag tw. an. Zum "durchfuhr" kann/konnte ich mich immer noch nicht so richtig entschließen. Ich hatte es zuvor schon ein bisschen anders formuliert bzw. was weggelassen. Jetzt mach ich den letzten Teil so wie in deinem Vorschlag. Auch Perdita fand diese komische Leseranrede ja schon nicht gut. Da seid ihr schon mal gleich zu zweit.

Danke, dass du dich noch mal gemeldet hast.
Die anderen Antworten folgen noch.
Liebe Grüße an dich, RinaWu und an alle anderen.

 
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Er hatte mich angeschrieben, nachdem mein Vater vom Main nicht mehr zurückgekehrt war, man hatte nur seine Kleider am Ufer gefunden. Brödert hatte ihn mit meinem Einverständnis für tot erklären lassen und die Trauerfeier organisiert. Damit die Welt für die Menschen im Gefüge sei.

Das erste,

liebe Novak,

was bei der Gegenüberstellung der Fassung von gestern (14:23 Uhr!) gegenüber der vom 5. 5. d. J. auffällt, ist das Längenwachstum, das zwote, dass mir der einleitende Satz

„Möge er in unserer Erinnerung fortleben.“
eigentlich immer noch nach mehr als einem bloßen Aussagesatz klingen will ... Aber schon erreichen wir die erste Änderung, statt
Hastig fuhr ich mit dem Taschentuch an meinen Mund und sah zu den Trauergästen hinüber, ein paar alte Männer, die auf den Sarg meines Vaters starrten, als wollten sie Probe liegen
heißt es nun am Ende des Satzes
…, als würden sie liebend gerne mit ihm tauschen.
Das ist schön, dass Du Sorge um mich trägst (ich würd mit keinem da unten in der Kiste oder dem Topf tauschen wollen und geh – wie schon vordem geäußert, ab und an immer noch zum Probeliegen, ohne mich meiner potentiellen Asche zu schämen) – und es folgt eine Beschreibung des Schwarzweißfotos, dass man sich buchstäblich ein Bild vom Vater machen kann (oder doch nur, dass man weiter unten eine andere Stupsnase erkenne?).

Ich werd nun nicht jede Änderung aufführen (die nächste wäre dann die Verwandlung von Konfirmanden – was an sich besser zu Pfarrherrns Selbstherrlichkeit passen würde, - zu Schulkindern, die Konfirmanden i. d. R. ja auch noch sind, die ja auch noch durch Religionsunterrichtet gezüchtigt werden, woselbst der Pfarrherr auch nur ein Lehrer unter andern ist.

Was mich aber stutzen und dann vermissen lässt, ist die schöne, knappe Formulierung

Mir war, als hätte ich ein Abo für den Friedhof
durch die Allerweltsformulierung
Ich kam mir vor, als hätte ich ein Abo für den Friedhof,
als wäre der Dativ des Personalpronomens ein unwürdigeres Satzsubjekt als das „ich“ und tauge nur zum Objekt. Dabei ist die alte Formulierung geradezu biblisch wie das „es werde …“ und es ward! (Abgesehen davon, dass die ursprünglichere Formulierung tatsächlich auch mit einem biblisch-gleichen „es“ keinen Schaden nähme: „Es war, als hätte ich …“) Schad’ drum!, denn es findet auf wundersame Weise eine Wiederholung, wenn es zunächst wie ein Rätsel hieß
Ich mag dich, sagte es, ich mag dich sogar sehr. Du erinnerst mich an mich selbst, sagte es. Aber meine Blumen brauchen dich. Und wieder der Druck auf meiner Hand und das Knacken des nächsten Fingers. Wir brauchen Leben, sagte das Band, wir brauchen Menschen
um nun das letzte Geheimnis zu lüften (auf das man hätte auch so kommen können)
Ich mag dich, sagte es, ich mag dich so, wie man eine große Schwester mag. …

Hier ist der letzte Punkt entbehrlich
„Aber das ist nicht … “.

Gleichwohl: Täte ich mir Horror an, wenn ich ihn nicht für lesenswert hielte?

Gruß

Friedel

Ach ja, das Eingangszitat mit seiner "haben"-Inflation, wirkte vielleicht durch Konjunktiv u. a. eleganter

Er hatte mich angeschrieben, nachdem mein Vater vom Main nicht mehr zurückgekehrt war, man [habe//besser sogar hinsichtlich des Endes der Geschichte: hätte] nur seine Kleider am Ufer gefunden. Brödert [ließ] ihn mit meinem Einverständnis für tot erklären [...] und [organisierte]die Trauerfeier [...]. Damit [besser vllt: Auf dass]die Welt für die Menschen im Gefüge sei.

 

Hallo Friedel,

vielen Dank fürs nochmalige Drüberschauen. Viele deiner Tipps übernehme ich. Siehst du gleich. Bei manchen frag ich mich halt, was du meinst, wie auch gleich beim ersten Satz, den du anmahnst. Ich verstehs einfach nicht, was dir daran nicht gefällt. Oder was du sagen willst.

das zwote, dass mir der einleitende Satz
„Möge er in unserer Erinnerung fortleben.“
eigentlich immer noch nach mehr als einem bloßen Aussagesatz klingen will ...
Es ist wortwörtlich aus Predigten übernommen. So reden die nun mal die Pfarrer. Mit einem Konjunktiv vorangestellt. Willst du, dass ich den Indikativ verwende? Klingt mir aber hier nicht gut.


und es folgt eine Beschreibung des Schwarzweißfotos, dass man sich buchstäblich ein Bild vom Vater machen kann (oder doch nur, dass man weiter unten eine andere Stupsnase erkenne?).
Böse ist, wer Böses denkt. :D

Ich werd nun nicht jede Änderung aufführen (die nächste wäre dann die Verwandlung von Konfirmanden – was an sich besser zu Pfarrherrns Selbstherrlichkeit passen würde, - zu Schulkindern, die Konfirmanden i. d. R. ja auch noch sind, die ja auch noch durch Religionsunterrichtet gezüchtigt werden, woselbst der Pfarrherr auch nur ein Lehrer unter andern ist.
Da kommts auf das Alter an. Die unterrichteten Schulkinder können jünger sein. War mir wichtig.

Was mich aber stutzen und dann vermissen lässt, ist die schöne, knappe Formulierung
Mir war, als hätte ich ein Abo für den Friedhof
durch die Allerweltsformulierung
Ich kam mir vor, als hätte ich ein Abo für den Friedhof,
Hast recht, mach ich wieder zurück. Ist im Eifer des Überarbeitens geschehen.

um nun das letzte Geheimnis zu lüften (auf das man hätte auch so kommen können)
Also du böser Friedel du, das find ich jetzt gemein. So viele Kommentare haben moniert, dass die beiden Teile stärker verbunden werden sollten, Vater und Familiengeschichte mit dem Horror eben. Und jetzt schimpfst du, wenn ich die Überarbeitung mache? Das ist nicht gerecht!
Hehe, denk bloß nicht, lieber Friedel, ich rege mich ernsthaft auf, ich will nur wissen, ob du die Nennung hier einfach zu viel und zu übertrieben findest.

Hier ist der letzte Punkt entbehrlich
„Aber das ist nicht … “.
Alles klar.

Ach ja, das Eingangszitat mit seiner "haben"-Inflation, wirkte vielleicht durch Konjunktiv u. a. eleganter
Er hatte mich angeschrieben, nachdem mein Vater vom Main nicht mehr zurückgekehrt war, man [habe//besser sogar hinsichtlich des Endes der Geschichte: hätte] nur seine Kleider am Ufer gefunden. Brödert [ließ] ihn mit meinem Einverständnis für tot erklären [...] und [organisierte]die Trauerfeier [...]. Damit [besser vllt: Auf dass]die Welt für die Menschen im Gefüge sei.
Ich gucke, was ich machen kann, hast ja Recht mit deinen habens. Da merk ich schon, dass ich irgendwann zu schnell geworden bin. Wär mir normalerweise aufgefallen. Ich denk fast, ich änder das aber über die Verwendung des Präteritums ab so dem zweiten Satz, das reduziert auch schon einiges.
Und demn letzten Satz auf dass die Welt usw. hatte ich genau so. Und hab dann daran gedacht, dass es hier so viele dass-Satz-Verächter gibt. Ich weiß eigentlich gar nicht so genau den Grund, außer, dass die üblichen dass-Sätze, wie z. B., ich weiß, dass du gerne Weißwurst isst, die eigentliche Info in einen Nebensatz abdrängen. Sowas ist nie gut.
Aber sonst. Ich überleg noch mal.
Also merci bien und überhaupt für das genaue Auge und das nochmalige Lesen. Hat mich sehr sehr gefreut. Heut Abend denk ich mal an dich, das ist ein Wetter für den Biergarten. Zumindest hier in Frankfurt.
Lass es dir gut gehen.
Novak

 

Hallo Novak,

deine erste Version hab ich irgendwie verpasst. Aus dem "ja, morgen Abend mach ich mir die Freude und lese Novaks Horror-Geschichte", wurde dann "ja, aber am Wochenende, da lese ich sie bestimmt" und so weiter. ... Und schwupps war sie auch schon überarbeitet.

Da bleibt mir auch gar nicht viel zu mäkeln. Vielmehr muss ich mich bedanken, für die vielen intensiven Bilder, die du in meinem Kopf erzeugt hast, für die Überraschungsmomente und für die Idee der "Horror-Gans", deren Verhalten, wie du es beschreibst, zunächst meinen eigenen Erfahrungen mit diesem Getier umfasst. Ich musste recht schmunzeln dabei. Aber das mag jetzt natürlich recht subjektiv sein.

Das einzige Bild, dass sich mir nicht so recht zurechtrücken lassen wollte, war der Tank, das Silo, die Mühle, der Schredder, überdimensionaler Häcksler oder eben was genau es war. Ich meine, es liegt wohl daran, dass mir der natürliche Zweck dieser Gerätschaft nicht klar ist/wurde. Mag jetzt ja auch gar keine so große Rolle spielen, aber mein bilderreiches Lesevergnügen wurde hier eben etwas nebelig.


.... Damit die Welt für die Menschen im Gefüge sei.
gefällt mir sehr gut, wie viele andere Formulierungen auch, die ich aber jetzt gar nicht hier auflisten kann.


Sie war schnell, zischte und raste mit weit geöffneten Flügeln auf einen zu. Ein braunschillerndes Geschoss mit einer dunklen Maske, aus deren Mitte senfgelbe Augen zielten.
So eine kenne ich auch. Gleich hier in der Nachbarschaft. ;)


Er gleitet mit neugierigen Blicken über das Haus und die Blumen, bis er die Marmorsäule entdeckt.
Das klingt mir ein wenig missverständlich: doch nicht ER gleitet über Haus und Blumen, sondern eher seine Blicke ... meine ich jetzt einfach Mal so.

Ansonsten, liebe Novak, muss ich es bei Lobhudelei belassen, "weil, das würd' sich jetzt ja gar nicht lohnen, da was zu suchen, wo's doch da gar nichts hat, was man finden könnt' wenn man's suchen würd', gell?"

Liebe Grüße
oisisaus

 

„Die verkommenste Existenz ist die eines Menschen, der nicht die Berechtigung hat, ein Schandfleck seiner Familie und ein Auswurf der Gesellschaft zu sein.

Familiengefühle zieht man nur bei besonderen Gelegenheiten an.

Das Wort »Familienbande« hat einen Beigeschmack von Wahrheit“,
meint schon der olle Karl Kraus.

Böse ist, wer Böses denkt.
Nix zu danken,

eifrige Novak,

o reden … nun mal die Pfarrer[!],

aber ich will doch nicht, dass der Satz
„Möge er in unserer Erinnerung fortleben“
im Indikativ („Mag er …“) stehe und erst recht nicht mit dem zweifelnden „möchte er …“ Allein, die Redewendung im Konjunktiv I drückt den Wunsch aus, ist also alles andere als ein bloßer Aussagesatz und ruft an und für sich nach einem „!“

Also du böser Friedel du, das find ich jetzt gemein. So viele Kommentare haben moniert, dass die beiden Teile stärker verbunden werden sollten, Vater und Familiengeschichte mit dem Horror eben. Und jetzt schimpfst du, wenn ich die Überarbeitung mache? Das ist nicht gerecht!

Hab ich geschimpft?

Nee, ne?
Weiß doch gar nicht, wie das geht!

Wenn, dann motz ich ein bisschen oder belustige mich ein bisschen mehr darüber, dass einer seinen eigenen Kopf nicht gebrauche. Denn wenn doch einer schon in der alten Fassung die familiären Zusammenhänge vom Horror der Familie erkennt, warum verlangt es ihn dann, dass die Bande verdeutlicht werde(n)? Ich will’s mal positiv sehn, wenn daraus Für- und Vorsorge spreche für die, welche auf reine Unterhaltung setzen unds Hirn beurlauben.

Ich überleg noch mal
Ist immer gut,

meint der

Friedel,
dem Du gehörigen Durst bereitest ...

 

Hallo Novak,


Den Weg zum Nordausgang säumten neue Gräber voller Kränze. Auf dem Grab meines Vaters lagen nur zwei. Keiner davon war von mir.

"Beide nicht von mir" find ich flüssiger.


Die Jeans kratzten an meinen Kinderbeinen und zwischen Söckchen und Hosensaum spürte ich immer einen Luftzug, weil ich viel zu schnell gewachsen war.

Handwerklich sehr stark, für mich der beste Satz.


Geile Kriegsbemalung übrigens“,

Traue ich der Figur nicht zu, diese Art zu reden.


Ein Auge war blind, wie von einem Pelz überzogen. Das andere fixierte mich.

Federvieh guckt doch so seitlich, oder? Nicht frontal?


kleiner fester Klumpen.

"Fest" finde ich für einen Zahn zu schwach. Hart oder sogar spitz, scharfkantig, wenn er abgebrochen ist.


Vor mir ragte ein Metallkolben, an seiner Vorderseite führte eine Wendeltreppe zu einer Plattform hoch, auf der Rückseite stand ein Behälter, der durch ein Rohr mit dem Kolben verbunden war. Gelbliche Brühe schwappte in dem Trog und auf dem Boden

Hier würde ich einen Anhaltspunkt bezüglich der Größe hineinarbeiten. So habe zumindest ich ein hohes Teil vor mir gesehen, und fragte mich dann, woher die Erzählerin weiß, dass da diese gelbe Suppe drin herumschwappt (und der Metallkolben muss glaube ich irgendwo hin oder hoch ragen, nicht einfach nur ragen).


Schmerz zuckte wie ein Schwall glühendes Öl,

Ein zuckender Schmerz, aber dass der Schmerz selbst zuckt, das also aktiv tut, klingt irgendwie merkwürdig.


Schmerz durchschoss mich,

Wiederholung Schmerz. Klingt auch blöd irgendwie. Ist der Fluch der Unterhaltungsliteratur, dass man nicht einfach schreiben kann "Ich hatte Rückenschmerzen". Andernorts reicht das ja.


Direkt vor mir, auf der anderen Seite des Geländers, kauerte die Gans, ich sah sie nur durch einen Schleier von Blut, ihre Augen, die rosa Zunge, die wie ein dicker Wurm aus ihrem geöffneten Schnabel stak.

Punkt nach Gans.


umfasste sie meine Handgelenke

Gelenke, dann hast du nicht zweimal Hand. Aus dem Zusammenhang ist klar, dass es nur die Handgelenke sein können.


Hauptsächlich musste ich an zwei Dinge denken. Zum einen gibt es eine Geschichte von Barker, in der der Prot zur Beerdigung des Vaters oder der Mutter - ich weiß nicht mehr so genau - zurück ins Heimatdorf kommt und dann diese Melancholie umschlägt in Horror. Mir kommt das immer ein bisschen wie der Versuch vor, sich vom realen Grauen des Verlusts eines geliebten Menschen abzulenken. Ganz zu schweigen davon, wenn das Verhältnis zu diesem Menschen prägend aber nicht gut war. All die unausgesprochenen Dinge, die da quasi mit beerdigt werden, um einen bis zum eigenen Ende zu verfolgen, untote Quälgeister. Gedanken, die einen wahnsinnig machen, und dann wird aber das Dorf von Vampiren überfallen: Gott sei Dank, jetzt habe ich erstmal anderes zu tun. Außerdem geht es ja in der Phantastik immer darum, dass es da noch was gibt jenseits von dem, was wir sehen und anfassen können. Beim Thema Tod natürlich ein trostspendender Gedanke.

Zum Zwoten hatte ich das Gefühl, hier wird ein Kindheitstrauma verarbeitet. Selbst bin als Grundschüler auf dem Nachhauseweg von der Schule mehrfach von einem Jagdhund sexuell missbraucht worden, und damals fand ich das nicht so lustig, wie es jetzt klingt. Eine Gans als Monster unter dem Bett, das nach all den Jahren zurückkehrt, weil sich mit dem Tod des Vaters ein Kreis schließt, das fand ich schon ziemlich genial. Unabhängig davon, ob es in deinem Leben tatsächlich mal diese Monstergans gegeben hat. So ein unwahrscheinliches Tier, echt super. Wie King, als er mit einem Bernhardiner aus dem schnuffligsten und knuffligsten Hund überhaupt den weißen Hai auf vier Pfoten gemacht hat.

Die Verwandlung in eine Gans macht das Ganze zu einem dunklen Märchen. Da hätte ich mir ein Finale der härteren Gangart gewünscht. Du weißt ja, ich mag's kurz angebraten und innen puterrot. Ich dachte auch erst, sie wird jetzt zu Dünger verarbeitet oder so, dieses Zeug, dieser Gestank, der ihr da aus Kindertagen noch in der Nase klemmt.

Eine Geschichte mit viel Aha-Effekt. Bewusst oder unbewusst werden sich viele Leser in deiner Protagonistin wiederfinden. Was will man mehr?


Grüße
JC

 

Liebe Novak,

nicht allein weil ich das enkheimer ried kenne und in frankfurt keiner verloren gehen kann :) möchte ich ein paar gedanken zu deiner geschichte wiedergeben:
wunderbar genau beschrieben, sprachlich schön, sätze, die manchmal wie musik klingen, ein konflikt, der trägt und berührt, eine ungewöhnliche begebenheit, die mir wie ein märchen vorkommt und nur durch das lokalkolorit geerdet wird (ansonsten könnte man denken, man sei in den wäldern und auen grimmscher märchen)....
und doch wird die stärke deiner sprache gelegentlich üpbertrieben, weniger wäre manchmal mehr, weniger an beschreibung, womöglich mehr an horror, mehr an beängstigung.....
mit grossem genuss im dunklen taunuswald gelesen
von Isegrims

 

Liebe Novak,

ich habe Dir ja schon im Privatmodus was geschrieben. Und da die Textarbeit jetzt recht umfangreich wird, halte ich mich auch nicht mit Wiederholungen auf :).

Merksatz: Wenn Du eh schon etwas durch Adjektive beschreibst, klemm nicht noch einen Vergleich hinten dran :D.

Alles nur Vorschläge und individuelles Empfinden meinerseits und ich bin ja eher die sparsame Ausführung ;).

Ein Bilderbuchpfarrer (mit sorgfältig frisierter Haarwoge, die beim Beten malerisch in die Stirn fiel. Undmit einem unglaublich schnellen Handgelenk,) mit dem er sein Lineal auf die Knie unaufmerksamer Schulkinder drosch.

Der Typ hat für ein paar Zeilen seinen Auftritt und Du beschreibst ihn so ausführlich wie den Vater vorweg. Da stimmt was mit dem Verhältnis nicht. Wichtigen Figuren Platz einräumen, Nebenfiguren weniger, dafür prägnant. Und Haare sind sooo unwichtig ;).

Ein Bilderbuchpfarrer, der mit dem Lineal auf die Knie unaufmerksamer Schulkinder drosch.
Zack. So entschlackt und auf die Gegensätze gefiltert - viel größere Wirkung.

Er hatte mich angeschrieben, nachdem mein Vater vom Main nicht (mehr) zurückgekehrt war.

In meinem Rücken spürte ich Bröderts vorwurfsvollen Blick. Ich blieb stehen und strich über meine Hüften,

Im Rücken spürte ich Bröderts vorwurfsvollen Blick. Ich blieb stehen und strich über meine Hüften,

Ganz einfach. Ich (wischte über meine Jacke, als säße eine Blattwanze darauf, und) wandte mich die Straße hoch Richtung Enkheimer Ried. Dort stand das Haus meines Vaters. Einmal wollte ich es noch sehen.

kann weg - Stinkefinger ist eine viel stärkere Geste. Danach noch eine schwächere dranzuhängen, schwächt den Finger.

Mir war, als hätte ich ein Abo für den Friedhof. Vor zwei Jahren war meine Mutter gestorben,

Es schien, als hätte ich ein Abo für den Friedhof. Vor zwei Jahren war meine Mutter gestorben,

Die Luft roch nach modriger Erde und Blättern, (ein Geruch, der einem Spielhosen überzieht. Ob es immer noch den alten Lattenzaun vor dem Haus meines Vaters gab, dessen Farbe ewig abblätterte?) Ich streckte mich, um es/das Haus (Bezug) schneller zu entdecken,

Da ist die Kombi von Adjektiven und Bild. Ich finde das drüber. Den Zaun kannste später einbauen, den braucht es hier noch nicht. Bleib bei dem blöden Geruch, damit der Leser diesen für den nächsten Absatz in der Nase behält.

Wie eine (fette) Schnecke, die mitsamt ihrem Haus zertreten wurde. Doch es war nur ein Zweig zerquetschter Blüten. Sie rochen wie überreife Äpfel.

Wieder Adjektiv + Bild.
überreife Äpfel erzeugen bei mir keinen Geruch - gärendes oder faulendes Obst dagegen schon.

Als ich aufschaute, den Baum betrachtete, von dem die dickkolbigen Blüten stammten, das dichte Pflanzengewirr, da erkannte ich den Garten wieder.

dickkolbig - klingt furchtbar, brauch es auch nicht.

Selbst mitten am Tag hatte es mich gegraust, wenn ich an ihm vorbei zur Schule rannte. Schlimm war der Winter, wenn die Schatten der Büsche lang waren und hinüberreichten zu den Bäumen im Ried, an denen in dieser Jahreszeit nur lange Pflanzenbärte wucherten.
Wirklich schlimm aber war der Sommer.

Selbst mitten am Tag hatte es mich gegraust, wenn ich an ihm vorbei zur Schule rannte. Schlimm war der Winter, wenn die Schatten der Büsche zu den Bäumen im Ried hinüberreichten. Noch fieser der Sommer.

Als Kind hasste ich diesen Garten; seinen Geruch nach (faulen!) Äpfeln, die fleischigen Pflanzen und die Besitzerin, eine dünne, schwarzhaarige Frau (mit glitzerndem Ohrgehänge.) Manchmal sah ich sie auf dem Hof, immer in (glänzenden,) seidigen Anzügen, hinter ihr eine graubraune Gans.

Äpfel riechen erst mal gut. Aber gut soll der Garten ja nicht sein.
Weniger Beschreibung, dafür prägnant. In der Vielzahl überlagert sich das und verwässert zu einem Beschreibungsbrei.

Wenn ich Pech hatte, war das Tor offen, und die Gänsefrau saß vor ihrem Haus. Dann hetzte sie ihren Vogel auf mich. Eine fette Gans, die immer auf einer Marmorsäule neben dem Haus thronte. Sie war schnell, zischte und raste mit weit geöffneten Flügeln auf einen zu. (Ein braunschillerndes Geschoss mit einer dunklen Maske, aus deren Mitte senfgelbe Augen zielten.)

Braucht es das? Ich finde es auch nicht wirklich gut - Was für eine Maske? Augen die zielen? Die Gefahr wird vorher schon spürbar.

Ja, alle Kinder hatten Angst vor dem Garten und der Frau und ihrer hässlichen Gans mit dem Augenfleck.

mit dem Augenfleck - hier könntest du dein gelb reinbringen, wenn es dir wichtig ist.

Sie sagte es tröstend und tätschelte meiner Mutter den Arm;

Das ist zu früh. Da kennt der Leser die Geschichte noch nicht und fragt sich, wieso "Sie verschlingt alles was Hosen trägt" - jetzt tröstend sein soll. Nimms raus ;).

Einmal sagte die Freundin meiner Mutter, die Nachbarin verschlinge alles, was Hosen anhabe. Seitdem wollte ich nur noch Röcke tragen.

Aber meine Mutter zwang mich, Jeans anzuziehen, und wenn ich mich weigerte, (zur Schule zu gehen,) zog sie mich am Handgelenk an dem Garten vorbei.

Irgendwann hörte ich sie sagen, verdammte Hure, dein Parfüm stinkt bis hierher. Ein Singsang war es, verdammte Hure, dein Parfüm, verdammte Hure, du kriegst ihn Bezug herstellen, ich glaubte sie meint ihr Kind nicht. Da wusste ich, dass auch meine Mutter Angst hatte, (sich auch nur eine Beschwörungsformel ausdachte, damit wir an dem Zaun vorbeikamen. Und an der Frau.) Später fragte ich meinen Vater, was denn eine Hure sei, (und wen meine Mutter behalten wollte,) doch er sah mich nur müde an.
Ich kickte die gelben Blüten zur Seite, doch Erinnerungen kann man nicht wegkicken. (Sie sind launisch, kitzeln mit losen Fäden deinen Verstand und zieht man an einem, entgleitet er und verknüpft sich mit anderen zu einem unerwarteten Muster.)

Irgendwann hörte ich sie sagen, verdammte Hure, dein Parfüm stinkt bis hierher. Ein Singsang war es, verdammte Hure, dein Parfüm, verdammte Hure, du kriegst meinen Mann nicht. Da wusste ich, dass auch meine Mutter Angst hatte. Später fragte ich meinen Vater, was denn eine Hure sei, doch er sah mich nur müde an.
Ich kickte die gelben Blüten zur Seite, doch Erinnerungen kann man nicht wegkicken.

Das Haus war von einem Blumenmeer umgeben. Über den Eingang ragte ein mit Wein überwachsenes Vordach. (Und richtig,) keine zehn Meter von mir entfernt, stand noch immer die Marmorsäule, kaum zu sehen, weil sie von Büschen umwachsen war, (deren Goldton das warme Maisgelb des Hauses aufnahm.)

Bisschen Bildentschlackung ;)

„Casa Belanima“ stand darauf in altertümlicher Schrift. Und überall summte es. Mein Kindergrauen/Alptraum war ein kitschiges Blütenparadies.

stärkerer Kontrast

Mitten in dem Weinblattgrün, das vom Vordach in den Eingang hineinrankte, saß eine Gestalt. Sie trug einen dunkelblauen Monteursanzug und blickte nach unten auf einen Blumentopf. Dichtes, dunkelblondes Haar bedeckte in Wirbeln den Schädel. Eine Frisur wie eine durchgeknallte Pelzkappe. Erst als die Gestalt aufschaute, sah ich, dass es eine Frau war. Sie strich sich über die Nase, hinterließ einen Dreckstreifen, rieb mit kräftigen Handbewegungen durch das Haar, so dass es sich noch mehr zu Nestern ballte. Und verdammt nochmal, sie sah der Frau von damals so ähnlich, dass es mir den Atem verschlug. Das schmale Gesicht, die riesigen, hungrigen Augen, nur die Nase war anders. Sie lächelte. Und meine Güte, ein Lächeln war das, als hätte jemand tausend Lampen angeknipst.

Mitten in dem Weinblattgrün saß eine Frau. Ihre Frisur glich einer durchgeknallte/explodierten Pelzkappe/Pelzmütze. Sie trug einen dunkelblauen Monteursanzug und blickte nach unten auf einen Blumentopf. Mit dem Handrücken wischte sie sich über die Nase und hinterließ einen Dreckstreifen. Sie sah der Frau von damals so ähnlich, dass es mir den Atem verschlug. Das schmale Gesicht, die riesigen, hungrigen Augen, nur die Nase war anders. Sie lächelte. Ein Lächeln war das, als hätte jemand tausend Lampen angeknipst.

Ich öffnete das Gartentor und ging auf die Frau zu. Sie erhob sich, erstarrte, dann streckte sie mir wie aus einem plötzlichen Entschluss/eine plötzlichen Eingebung heraus die Hand entgegen. „Wollen Sie zu mir?“

„Nein, das meine ich nichtPUNKT" Ich fuhr mit der Hand über meinen linken Arm. Die Tasche rutschte zu Boden und schlug mir (dabei) gegen das Bein.

Die Frau stutzte. Dann lief ein rötlicher Schimmer über ihr Gesicht. Sie lachte verlegen, verschränkte kurz die Arme vor der Brust, löste die Bewegung wieder auf, fuhr mit den Händen über die Seiten des Overalls, dann streckte sie mir erneut die Hand entgegen. „Oh je, Sie kannten meine Mutter.“

Die Frau stutzte. Dann lief ein rötlicher Schimmer über ihr Gesicht. Sie lachte verlegen, verschränkte kurz die Arme vor der Brust, löste sie wieder, fuhr mit den Händen über die Seiten des Overalls. Dann nahm sie erneut meine Hand. „Oh je, Sie kannten meine Mutter.“

Sie lachte. „Am besten hat man eh keine Eltern.“ Ihr Blick fuhr über meine(n Rock, die) bloßen Arme, ein Blick wie ein Grashalm, der auf der Haut kitzelte.

Die losen Erinnerungsfäden kitzelten zu sehr.

Solltest Du die Fäden vorher rausnehmen, dann hier auch. Sonst natürlich nicht.

„Ach so.“ Sie kicherte. „Keine Angst, Alja ist harmlos. Nur zu verfressen.“
Die Gans stierte in den Garten. Die Frau strich ihr über den Kopf, (bis sie den Schnabel öffnete). Die Federn klebten zusammen, (grünliche Haut schimmerte hindurch), an der Brust war sie kahl, als hätte das Tier sich selbst gerupft. Dunkle Ringe umgaben die Augen. Eine alte Nilgans.

Wieder zu viele Beschreibungen. Überfordert den Leser in dieser Fülle. Kommen ja gleich noch mehr dazu.

Die Gans wandte sich mit einer schlangenartigen Bewegung des Halses um, der Kopf ruckte zu mir herüber. Dann sah sie mich an. Ein Auge war blind, wie von einem Pelz überzogen. Das andere fixierte mich. Und dabei witterte sie in meine Richtung, sog die Luft zwischen uns ein in schnellen, (heiser bellenden Atemzügen), als würde sie etwas in mir erkennen.

Ich habe dazu keinen Ton im Ohr.

Ich kicherte. Die Frau blickte mich (rasch) an (und sah dann zur Zimmerdecke, spießte sie auf mit ihrer kleinen, stupsigen Nase.) „Ich heiße übrigens Anna. Und die Gans meiner Mutter war der Horror.“
„Ein Arschloch“, sagte ich. „Mit Federn.“

Der (olle! - jetzt) Zaun vor dem Haus meines Vaters war immer noch da. Ein graubraun gebeiztes Ungetüm von einem Jägerzaun, einige Latten waren herausgebrochen. KEIN ABSATZ
Ich fuhr mit den Fingern über das Holz, betrachtete die (graubraunen) Splitter an meiner Haut und lutschte. (Der Zaun blutet, dachte ich. Und wusste,) diesen bitterscharfen Zaunblutgeschmack kannte ich.

Der olle Zaun vor dem Haus meines Vaters war immer noch da. Ein graubraun gebeiztes Ungetüm von einem Jägerzaun, einige Latten waren herausgebrochen. Ich fuhr mit den Fingern über das Holz, betrachtete die Splitter an meiner Haut und lutschte. Diesen bitterscharfen Zaunblutgeschmack kannte ich.

Ich stürzte und prallte mit dem Kopf gegen das Holz. Schmerz knallte in mein Kinn, und dann war Flüssigkeit im Mund und der bitterscharfe Zaungeschmack und ein kleiner (fester) Klumpen. Über mir tobte die Gans, zerhackte meinen

... während ich den blutigen Zahn ausspuckte und nach Atem rang. Dann hörte ich eine laute, kräftige Stimme, eine Gestalt schoss vorbei, und da war er. Mein Vater. Mit einem Besen schlug er nach der Gans, bis sie von mir abließ. Und dann warf er seine Jacke über ihren (gemeinen) Schlangenkopf, bis sie ruhig wurde.

Adjektiv + Bild

... während ich den blutigen Zahn ausspuckte und nach Atem rang. Da hörte ich eine laute, kräftige Stimme, ein Mann schoss vorbei, und da war er. Mein Vater! Mit einem Besen schlug er nach der Gans, bis sie von mir abließ. Er warf seine Jacke über ihren Schlangenkopf, bis sie ruhig wurde.

Es war der, den er immer trug, wenn er was hermachen wollte. Aber es war ihm ganz egal, dass ich ihn vollblutete (mit dem ganzen Zeug aus meinem Mund.) Als wir im Haus waren, nahm er mich in den Arm und wiegte mich, bis das Weinen verstummte.

Es war der, den er immer trug, wenn er was hermachen wollte und es war ihm egal, dass ich ihn vollblutete. Als wir im Haus waren, nahm er mich in den Arm und wiegte mich, bis das Weinen verstummte.

Wenn ich die Augen ganz fest zusammenkniff, bis die Büsche hinter/zu einem Schleier verschwammen, trat ein Mann aus den Blättern, (unauffällig und gebückt, als wollte er kein Aufhebens von sich machen.) Und dann sah ich das Gesicht meiner Mutter, wenn ich nach ihm fragte. Ihren verkrampften Mund und den Zeigefinger, der auf dem Tisch zitterte. NUR EIN FINGER ZITTERT?
Vielleicht hatte er mich (damals) gar nicht vergessen, der Mann im weißen Unterhemd, sondern ich ihn. Für meine Mutter.
Und noch etwas fragte ich mich, wohin war mein Vater unterwegs gewesen? Mit seinem schönsten Pullover?

Ach ja, die "Und dann" Formel. Gern genommen ;).

Wenn ich die Augen ganz fest zusammenkniff, bis die Büsche zu einem Schleier verschwammen, trat er aus den Blättern. Danach sah ich das Gesicht meiner Mutter, wenn ich nach ihm fragte. Ihren verkrampften Mund und den Händen, die auf dem Tisch zitterten.
Vielleicht hatte er mich gar nicht vergessen, der Mann im weißen Unterhemd, sondern ich ihn. Für meine Mutter.
Und noch etwas fragte ich mich: Wohin wollte mein Vater, mit seinem schönsten Pullover?

Die Marmorsäule lag schon im Abendlicht, als ich in die Pension zurückkam. Der Kot der Gans verkrustete grau das Podest. (Im Garten roch es nach verblühenden Rosen. Ein schwüler Geruch wie von einer ungewaschenen Frau, die den Schweiß mit Parfüm überdeckt hatte.)
Ich presste die Fäuste in meine Augenhöhlen und versuchte, meinen Vater zurückzuholen. Das Gefühl, wie sein Pullover auf meinen Schultern lag. (Doch) es klappte nicht. Nicht hier zwischen all diesen irritierenden Düften, die in Nase und Verstand kribbelten/verklebten. (Manchmal, dachte ich, muss man allein sein, damit aus einer Erinnerung eine innere Kraft werden kann.)

Die Marmorsäule lag schon im Abendlicht, als ich in die Pension zurückkam. Der Kot der Gans verkrustete grau das Podest. Im Garten roch es nach verblühenden Rosen.
Ich presste die Fäuste in meine Augenhöhlen und versuchte, meinen Vater zurückzuholen. Das Gefühl, wie sein Pullover auf meinen Schultern lag. Es klappte nicht. Nicht hier zwischen all diesen irritierenden Düften, die in Nase und Verstand verklebten.

„Man sagt es. Aber ich hab nicht viel mit ihr gemeinsam.“ Sie fuhr den Stängel der Blume entlang bis hin zu dem Zylinder eng sitzender Blüten. (Wie kleine, lavendelfarbene Motten sahen die aus, dicht an dicht.) Unter Annas Fingernägeln staken schwarze Dreckhalbmonde.

„Ja“, sagte Anna, stand auf und trat dicht neben mich. „Eine Züchtung. Mein ganzer Stolz.“ So nah war sie, dass ich ihren Duft nach wilden Lilien roch. Und dahinter war noch etwas anderes, etwas Ranziges, Morsches.

„Ja“, sagte Anna, stand auf und trat dicht neben mich. „Eine Züchtung. Mein ganzer Stolz.“ So nah war sie, dass ich ihren Duft roch. Wilden Lilien. Und da war noch etwas, etwas Ranziges, Morsches.

„Wenn du noch ein bisschen Zeit hast, zeig ich dir meinen Garten. Aber geh nur voraus, ich merke, dass du ein bisschen alleine sein willst. Ich komm (dann) nach.“

Wenn Anna nicht kam, ging ich eben alleine zurück. Wo war der Weg? (Die Blattvorhänge rings um die Bank sahen gleich aus,) von einem Pfad keine Spur. Langsam drehte ich mich um die eigene Achse, (ja, auf dem Herweg war ich auf die Bank zugekommen,) ich schob die Zweige zur Seite und ging los. Der Pfad war schmal, kaum mehr als ein Fußabdruck auf dem lehmigen Boden. Schlingpflanzen hingen von den Bäumen, (filterten das Licht) und legten einen grünen Schimmer auf meine Haut. Ich kam nur langsam voran in diesem Pflanzentunnel, dessen Zweige und Äste sich immer mehr/näher an mich heranschoben.

Wenn Anna nicht kam, ging ich eben alleine zurück. Wo war der Weg? Von einem Pfad keine Spur. Langsam drehte ich mich um die eigene Achse, schob die Zweige zur Seite und ging los. Der Pfad war schmal, kaum mehr als ein Fußabdruck auf dem lehmigen Boden. Schlingpflanzen hingen von den Bäumen und legten einen grünen Schimmer auf meine Haut. Ich kam nur langsam voran in diesem Pflanzentunnel, dessen Zweige und Äste sich näher an mich heranschoben.

Ich zerrte die Zweige auseinander, drückte mich hinein, dem Tier hinterher, auch wenn Dornen und scharfe Zweige mich stachen. Blätter klatschten mir ins Gesicht, aber ich ließ die Gans nicht aus den Augen, irgendwann würde sie mich zum Haus zurückführen, hoffentlich, denn hier gab es nichts mehr, (nur Holz und Grün und den weichen Samt fremder Farben, die sich zu Ornamenten verschlangen.) Ein Ast schlug mir gegen die Stirn,

Eine Kapsel voller/von Widerhaken, die jetzt an meinen Fingern klebte.

Wenn ich stehen blieb, stoben Mücken auf, umhüllten mich wie ein(e summender) Mantel,

Ich schob die Tür (noch) weiter auf und trat hinein in eine Schwärze, die stofflich schien. Als ich stolperte

Ein Bewegungsmelder. (Ich stand in einem mehrere Meter hohen Raum.) Vor mir ragte ein Metallturm auf.

Jauchegeruch schlug mir entgegen. Etwas summte, weit unten ruckte es, dann knirschten, erst langsam, dann immer schneller, zwei Walzen gegeneinander. Darunter blitzten Schneidemesser.

Jauchegeruch schlug mir entgegen. Etwas summte. Weit unten ruckte etwas. Es knirschten, erst langsam, dann schneller werdend, zwei Walzen gegeneinander. Darunter blitzten Schneidemesser.

Ich tastete mich hin, vorsichtig, um sie nicht zu erschrecken, hoffte, dass sie nicht zuschnappte, wenn ich nach ihr griff('). Sie wich meiner Hand aus, schlüpfte unter der Metallstange durch und erhob sich mit wild schlagenden Flügeln in die Luft. Den Schnabel aufgerissen, fauchend, ein fedriger Dämon mit weißschwarzer/n Flügel(maske)n,

Was ist eine Flügelmaske?

Federn wirbelten, dann nichts mehr, nur ihr Schreien, heiser und seltsam hilflos. (Wie ein Kind). Ich stieg über das Geländer, klammerte mich mit den Beinen und einer Hand an einer Querstange fest und ließ mich hinab. Vielleicht konnte ich sie (wieder) hochziehen? Unter mir mahlte es, die Schneidmesser pressten stinkende Luft nach oben. Wieder ein Jammern. Das Licht flackerte, und, wie ein jäher Windstoß, direkt neben mir, schoss sie hoch, ich zuckte (zurück), versuchte, auf die sichere Seite der Brüstung zu kommen, als das Licht erlosch.

Im letzten Absatz bin ich für kurze Sätze.

Federn wirbelten, dann nichts mehr, nur ihr Schreien, heiser und seltsam hilflos. Ich stieg über das Geländer, klammerte mich mit den Beinen und einer Hand an einer Querstange fest und ließ mich hinab. Vielleicht konnte ich sie hochziehen? Unter mir mahlte es, die Schneidmesser pressten stinkende Luft nach oben. Wieder ein Jammern. Das Licht flackerte, und, wie ein jäher Windstoß, schoss sie neben mir hoch. Ich zuckte. Versuchte, auf die sichere Seite der Brüstung zu kommen. Das Licht erlosch.

Ein Zischen von der Seite und dann der Hieb. Direkt ins Auge. Schmerz durchzuckte mich wie ein Schwall heißen Öls, (das einem das Auge ausbrennt.) Ich trat um mich, etwas schlug gegen meinen Fuß, bremste, und dann spürte ich, wie das Gelenk verbogen wurde, als wäre es aus Gummi, (Schmerz durchschoss mich, eine gleißende Welle, die meinen Körper überrollte und Flüssigkeit in meinen Mund trieb.) Als ich die Augen öffnete/aufriss, war das Licht wieder an. Direkt vor/neben mir, (auf der anderen Seite des Geländers,) kauerte die Gans, ich sah sie nur durch einen Schleier von Blut, ihre Augen, die rosa Zunge, die wie ein dicker Wurm aus ihrem (geöffneten )Schnabel stak/himg. Es war nur ein Vogel, ein schrecklicher Vogel, der seinen Instinkten folgte. Doch irgendwo, ganz weit hinten, da war ein kleiner, fester Kern jenseits der Instinkte. Dann senkte sie ganz langsam den Kopf und schälte einen Streifen Haut von meiner Hand, einen rohen, brennenden Streifen, fast zärtlich schälte sie und so leicht, als zöge sie die Haut von einer gekochten Kartoffel.

Nicht Schmerzen erklären, sondern erzeugen. Wenn Du erst erzählst, was passiert, fühlt der Leser automatisch den Schmerz selbst. Muss man ihm nicht im Nachgang erklären.
Wenn Zugen aus Schnäbeln hängen, sind sie meist geöffnet. Mit zu geht ja nicht. Heißes Öl im Auge - weiß jeder, was das anrichtet. Trau dem Leser das ruhig zu.
Und noch ein "dann" weggemacht

Ein Zischen von der Seite und dann der Hieb. Direkt ins Auge. Ein Schmerz wie heißes Öl. Ich trat um mich, etwas schlug gegen meinen Fuß, bremste, und ich spürte, wie das Gelenk verbogen wurde, als wäre es aus Gummi. Als ich die Augen aufriss, war das Licht wieder an. Direkt neben mir kauerte die Gans, ich sah sie nur durch einen Schleier von Blut. Ihre Augen, die Zunge, die wie ein Wurm aus ihrem Schnabel hing. Es war nur ein Vogel, ein schrecklicher Vogel, der seinen Instinkten folgte. Doch irgendwo, ganz weit hinten, da war ein kleiner, fester Kern jenseits der Instinkte. Sie senkte ganz langsam den Kopf und schälte einen Streifen Haut von meiner Hand, einen rohen, brennenden Streifen, fast zärtlich schälte sie und so leicht, als zöge sie die Haut von einer gekochten Kartoffel.

Ich wusste nicht, ob ich sprach oder dachte. Bitte Anna, tu das nicht. Ich wusste (auch) nicht, ob sie antwortete.

Wer soll dir helfen? Wir wählen nur Menschen, die es zu uns zieht. Meine Alja (hier), die riecht das. Sie nähren uns, diese Menschen; meine Blumen und mich und (meine) Alja (hier).

Fertig :). Such dir was aus. Viel Spaß dabei.
Liebe Grüße, Fliege

 

Liebe Novak,

voran: Bitte sieh' es mir nach, wenn ich in meinem Kommentar Dinge wiederhole, die bereits gesagt wurden; ich habe die anderen Kommentar aufgrund der Fülle nur überflogen, aber wollte unbedingt zu Protokoll geben, was ich von deiner Geschichte halte.

So:

Der Einstieg war echt super! Obwohl "Horror" angekündigt war und sich das ja auch dann manifestiert hat, fand ich diese ersten Sätze irgendwie zum "Kreischen" komisch. Ich stelle mir den andächtigen Pfarrer vor - und dann die bissige Tochter. Absolut gerade heraus, vollkommen ohne zu heucheln, grundehrlich. Das hatte etwas Erfrischendes, aber war auch mit so wenigen Worten vielschichtig, da musste ich weiterlesen.

Ich liebe Horror, und du hast mich nicht enttäuscht. Die Grundidee, dass man am Ende irgendwo gefangen (ob im Verlies, im anderen Körper, in einem Tier gar ...) ist, ist so beklemmend ... Wah! Und du hast es super umgesetzt. Die freundliche Anna, die dann das dunkelste Geheimnis von allen hat. Auch dieser "Verrat", dieses versteckte Gesicht ...
Deine Geschichte ist sitmmig und hat alles, was guter Horror braucht.
Beim Angriff der Gans fühlte ich mich an Alfred Hitchcocks "Die Vögel" erinnert oder an den fiesen Schwan, der mich als Kind ins Wasser ziehen wollte. Das war super beschrieben und mit einer meiner liebsten Stellen bzw. beide Gans-Angriffe waren toll.

Tja, die größten Geheimnis, die wir im Leben erfahren, sind wohl die unserer Kindheit, auch solche Ansätze sind absolut nach meinem Geschmack. Eigentlich simple Konstellationen, die man in seiner kindlichen Unerfahrenheit nicht begreift, Halbwahrheiten, die man erfährt, die man dann ganz anders aufnimmt ... Wie zum Beispiel die Interpretation der Protagonisten bezüglich des Verhaltens ihrer Mutter (Mama hielt die Frau auch für eine Hexe, die verzaubert Papa ... Jaaa, so ähnlich.) Das war für mich ebenfalls ein Highlight.

Stilistisch hab ich mich ab und zu etwas "gestoßen". Es gab für mich einen Unterschied zwischen der Dialog- und der Erzählebene der Protagonistin und das an sich war gut udn authentisch. Die Protagonistin erzählt mit sehr distinguierten Worten (man stellt sich eine intelligente Frau vor, also nicht unbedingt die Teenie-Mutter vom RTL-Nachmittagsprogramm, wenn du verstehst). Allerdings waren dann ab und zu ein paar umgangssprachliche Formulierungen, die für mich aus dem Rahmen gefallen sind (zum Beispiel "kotzen").
Anhand von Sätzen wie "Geile Kriegsbemahlung" ist klar, dass das auch zur Ausdrucksweise der Prot. gehört, aber - und das ist selbstverständlich mein eigenes ästhetisches Empfinden - im Erzählfluss hat mich diese saloppe Aer - anders als im Dialog - gestört. Das war für mich eine Kante, an der man sich den Musikantenknochen am Ellbogen anschlägt. Aber kam nur zwei-/dreimal vor, von daher hat's dem Lesegenuss keinen Abbruch getan.

Noch ein Satz am Anfang, der auf mich befremdlich wirkt:

Hastig fuhr ich mit dem Taschentuch an meinen Mund

Sie hält sich das Taschentuch vor den Mund, damit niemand ihr Lachen/Lächeln sieht. Aber irgendwie war das "Taschentuch an den Mund halten" so ungewöhnlich formuliert, dass ich dreimal nachdenken musste, bis mir da die Intention kam.
Liegt aber wahrscheinlich an mir - manchmal gibt's ja so Stellen. Wollt's nur kurz anmerken.

Ansonsten kann ich mein Lob nur wieder aufnehmen: Ich mochte die Geschichte, mich hat's am Ende gegruselt (vor allem nachdem ich in der ersten Hälfte fieberhaft gerätselt habe, worauf DAS wohl hinausläuft.) Ich fand es auch gut, wie du die Wahrheit hinter allem - die Figurenkonstellation etc. - sauber andeutest, aber eben nicht mehr als eine Andeutung. Das war genau das richtige Maß. ;)

Viele liebe Grüße
Tell

 

So, liebe Leut, jetzt geht das hier mal weiter mit den Antworten, hat ja sonst keinen Taug. Ich weiß selbst nicht, warum ich dies Mal so lahm bin. Ist jedenfalls keine böse Absicht, sondern irgendwas andres. Bin halt auch oft weg und woanders funktioniert das blöde WLan oft nur, wenn man sich zwischen Badewanne und Klo auf den Kopf stellt und dann mit den Fußzehen das Passwort eingibt.
Aber jedenfalls gehts mal weiter.

Lieber Friedrichard,
wir haben ja schon eingermaßen hin und hergequatscht.
Ich danke dir nochmals für die Tipps.

I. d. R. die schönsten Parkanlagen vor Ort!
Ja, da hast du wohl Recht. Da muss ich nur an den Hauptfriedhof von Frankfurt denken. Sowas von einem wunderschönen Park ist das.

Und dann „schlieren“ Gesichter vorbei und ich denk, dat is doch nix Häszi:sches – oder fährt Hessen neuerdings zur See? Irgendwann war’s ja mal so, dass NY, Pearl Jam, Du und ich dem Wellenschlag des Shanties folgten … Verdampt lang her!
Hehe, eine Kurzübersicht meines Schaffens ist da ja auch mit dabei, wenn du an eine meiner ersten Geschichten hier denkst, die über die Seemännerschuhe.

Gleichwohl: Es klingt meinem gesunden Ohr nach mehr als bloßer Aussage!!!!
Jetzt endlich, nach unserer kleinen Unterhaltung weiß ich Bescheid, was du meintest. Tja, manchmal lsteh ich aber auch auf dem Schlauch. Steht doch schon alles drin hier! Guck, das war jetzt eines. Im Prinzip benutze ich Ausrufezeichen eher selten. Sie machen einen Text schon ganz schön laut. Ich prüfe aber die Beispiele, wie schon gesagt, noch mal.

Da lauert die Fälle-Falle
Habs geändert, hatte eh ein bisschen hin- und herüberlegt. Es geht übrigens beides. Je nachdem, wie du die die Sicht anlegst.

Viele deiner anderen Hinweise hab ich auch schon eingearbeitet. Bei anderen konnt ich mich denn doch nicht zu einer Änderung entschließen.

Verwechselung mit winden und wenden:
Ich wand mich, trat nach ihr, …
Besser: Wandt
Friedel, das stimmt nicht. Wandt kann man benutzen, wenn es um wenden geht. Sich winden ist aber hier gemeint und nicht sich wenden. Letzteres würde auch eine Fortsetzung verlangen. Bei „winden“ jedenfalls wird die Vergangenheit so gebildet. Winden / wand / gewunden.

…, während mein Körper zerriss.
Kann ein Körper „zerreißen“? Wird er nicht eher zerrissen, wenn er den zerrisse (
Indikativ: zerreißt)
Ganz, ganz streng genommen hast du Recht. Grammatikalisch. Aber nicht klanglich. Das Einfügen des Hilfsverbs klänge hier fuchtbar. Die kleine kreative Sprachanpassung kann man hier schon durchgehen lassen, legt sie doch den Schwerpunkt auf die Aktion.

Denn wenn doch einer schon in der alten Fassung die familiären Zusammenhänge vom Horror der Familie erkennt, warum verlangt es ihn dann, dass die Bande verdeutlicht werde(n)? Ich will’s mal positiv sehn, wenn daraus Für- und Vorsorge spreche für die, welche auf reine Unterhaltung setzen unds Hirn beurlauben.
Naja, Friedel, da warst du dann aber so ziemlich der einzige, dem die verwandtschaftlichen Zusammenhänge in der Erstversion so klar waren. Mir waren sie jedenfalls nicht klar, obwohl ich den Text geschrieben hatte. :D Und das haben unsere Wortkriegerchen hier der Geschichte auch angemerkt. So gut wie alle außer dir. Da warst du deiner Zeit wohl einfach voraus. Von daher jedenfalls hat das absolut nichts mit Fürsorge für Denkfaule zu tun, sondern allenfalls mit losen Fäden, die ich zusammengeknüpft habe. Natürlich sind diese Zusammenhänge schon immer angedeutet gewesen, und ich hatte es in einer ursprünglichen Version, die gar nicht hier steht, auch so durchgeführt. Aber so wirklich deutlich wurde es in meiner Erstversion, die hier gepostet wurde, wirklich nicht. Und so, wie es jetzt ist, finde ich es besser. Das einzige, was dann manchmal passiert, ist, dass man das so furchtbar überdeutlich schreibt, aber ich denke, es geht. Ich habe außerdem die Erfahrung gemacht, dass viele Leser, damit meine ich jetzt nicht die geschulten Leser hier aus dem Forum, sondern die ganz, ganz normalen, ein bisschen mehr Klarheit wollen. Und wenn schon unsere Wortkrieger hier sagen, das sei nicht bis zum Ende durchgeführt, dann ist das für mich Argument genug, die Zusammenhänge deutlicher zu stricken.
Aber wie gesagt, bei einzelnen Formulierungen kann man ja trotzdem zu sehr über das Ziel hinausschießen.
Viele Grüße noch mal an dich. Und ein dickes Dankeschön.


Lieber Schwups
erst mal Riesendank für deine umfassende Kritik und deine Überlegungen. Deine Hinweise (zu den verlorenen Menschen zum Beispiel) waren für mich so ein Umkehrpunkt (nachdem viele andere schon genagt hatten an der Geschichte), an dem ich dann gedacht habe, okay, da müssen ein paar andere Schwerpunkte gesetzt werden.
Aber erst mal hab ich mich mächtig gefreut, dass dir meine Horrortierchen gefallen. Ja, hast recht, ich finde das selbst nicht einfach, sich da immer was Neues auszudenken. Es gibt ja Tiere, vor denen hat jeder Angst. Und bei so einer bescheuerten Gans musst du ständig aufpassen, dass es nicht unabsichtlich lustig wird.

Beim ersten Absatz dachte ich noch, die Auseinandersetzung mit dem verstorbenen Vater sei das zentrale Thema der Geschichte. Er bleibt dann aber über den restlichen Text sehr im Hintergrund, wird, wenn überhaupt, nur am Rande erwähnt. Die Details der Beziehung zwischen der Erzählerin und ihm lässt du im Dunkeln - du gehst lediglich an einer Stelle ins Detail, als er die Tochter vor der ersten Attacke der Gans rettet. Das beißt sich mit den Empfindungen zu Beginn des Textes, da der Vater an der Stelle mit der Gans positiv beschrieben wird.
Hmmm, ich hoffe, ich hab den Vater jetzt ein bisschen mehr in die Geschichte reingeholt. Ist nämlich jetzt abgeändert. Sowohl der Grund, warum die Leute zerhäckselt werden, da hat jetzt jeder seinen eigenen, wenn man es weiterdenkt, als auch der Vater ziehen sich ein bisschen mehr durch.

Noch mehr in den Hintergrund als den Vater setzt du die Mutter. Dabei wäre sie vielleicht sogar die wichtigere Person, hat sie doch offenbar das Bild des Vaters über die Jahre geprägt.
Das wäre bestimmt ein spannendes Projekt geworden. Denn eine wichtigere Person für die Entwicklung der Protagonistin ist sie auf jeden Fall. Dennoch ist der Vater für sich nicht unwichtig, es sind sehr ambivalente Gefühle ihm gegenüber, die sie antreiben. Ich hatte eigentlich gehofft, daduch einen kleinen Hinweis auch auf das Verhältnis zu der Mutter zu geben. Wenn man als Erwachsener merkt, man hat sogar eine Erinnerung für einen Verwandten aufgegeben, um den nicht zu verletzten, mit dem man zusammenlebt, dann sagt das ja unausgesprochen recht viel aus über den moralischen Druck einer solchen Beziehung. Ich hatte mir das so vorgestellt, dass die Frau zwar nach außen hin sehr forsch wirkt, das muss sie ja aber nicht innerlich sein. Und der Tod der Mutter befreit sie ja vielleicht von dem Druck, die Erinnerungen hinter dem Berg halten zu müssen. Aber im Prinzip ist da ein ganz anderer Bereich, der so ja nicht Thema der Geschichte war und, naja, mein Schwerpunkt lag halt woanders. Schade, dass du dadurch nicht so gut in die Geschichte eintauchen konntest. Aber ich hoffe, dass si durch die Änderungen jetzt trotzdem ein bisschen attraktiver geworden ist.

Dabei gerät in diesem Absatz eine für mich wichtige Information fast ein wenig in den Hintergrund: Warum haben die Kinder eigentlich so viel Angst vor diesem Garten, warum fürchten sie die Frau?
Also im Ersttext steckte das auch schon drin. Die Mutter hat Angst. Der Grund ist natürlich ein anderer, aber das Kind verwechselt das. Ich habe es hoffentlich jetzt deutlicher gemacht. Sowohl die Kinderangst, da habe ich nur einen zusätzlichen Halbsatz eingefügt. Aber auch, warum die Mutter so Manschetten hat vor der fremden Frau, die ihr den Mann weggnehmen könnte.

Ich konnte mir das nicht richtig vorstellen, weil ich immer das Bild vor Augen hatte, da ist doch ein großer Zaun. Muss ich mir das so vorstellen, dass der Zaun auf der Rückseite des Gebäudes ist, oder hat der Zaun ein Tor, durch das man dann an das Haus kommt?
Gemeint war, dass der Zaun aus Metallstäben besteht. So ein schmiedeiserner. Ist jetzt deutlicher. Hoffentlich.

Bezeichnenderweise muss man sagen, dass du mit der Figur Anna in genau die andere Richtung schwenkst - auf die Erzählerin wirkt sie sympathisch, beinahe schon vertraut. Die Natur ist das Bedrohliche hier, nicht der Mensch.
Tja, wollte es meinen Lesern jetzt auch nicht ganz so einfach machen. Umso stärker ist dann hoffentlich immer die Spannung, weil man ja nicht genau weiß, woher jetzt die Bedrohung kommt. Von Anna, der Gans oder dem Garten.

Mit dem letzten Drittel des Textes bin ich dann auch nur so halb zufrieden. Ich finde auch, das Drumherum, die ganze Beschreibung, da machst du dir das Leben unnötig schwer und es klingt alles übermäßig kompliziert.
Ich habs etwas entschlackt und hoffe, es ist jetzt besser. Methode war: Ich schreib besser nicht mehr allzuviel von dem Turm und irgendwelchen Geländern, dann braucht man sich auch nicht so viel vorzustellen. :D
Aber mein Ding ist die Beschreibung von Baulichkeiten oder gar technischem Krams nun wirklich nicht.

Ich würde hier sogar überlegen, den Teil mit den "verlorenen Menschen" rauszunehmen
Rausgenommen.

Tja, und so wird die Erzählerin ein Teil der (bedrohlichen) Natur, und so erklärt sich dann auch die Gefahr, die sie schon als Kind gespürt hat. Sie wird zur Gans, muss neue Opfer finden, und so schließt sich der Kreis zu den Erlebnissen aus der Kindheit.
Ja.

Also, Novak, so als Fazit: Ich finde, das ist eine außergewöhnliche Horror-Geschichte; in dieser Art gibt es wenige hier im Forum. Die Idee finde ich toll, du traust dich auch was mit einem etwas ungewöhnlichen Thema, bewegst dich abseits von festgetrampelten Pfaden.
Das will ich mal grad festhalten hier. Hmm und mich einwenig drin sonnen. Die Geschichte hat ja, wie du zu Recht schreibst, vieles auszubessern, ein Stückchen davon hab ich versucht und hoffentlich hingekriegt und Zusammenhänge hergestellt, wo sie noch fehlten. Die Beziehungen der Erzählerin und von Anna zum Vater sind jetzt auch hoffentlich klarer. Auch die Furcht der Mutter vor der Nachbarsfrau.

Lieber Schwups, mein erster lieber Mentor, du hast wie immer einen so tollen Kommentar geschrieben. Ich find das einfach grandios, wie du es hinkriegst, Geschichten auszuloten, zu gucken, was fehlt, wo der plot stoppt, aber auch so zu kommentieren, dass man eine ungeheure Offenheit für deine Überlegungen hat. Das ist ja hier nicht das erste Mal. Ich denke, es liegt daran, dass du dich so richtig auf die Geschichten einlässt, da merkt man dann einfach, da antwortet dir jemand, der selbst Horror liebt und der dir genau erzählen kann, wo er warum aus der Geschichte aussteigt. Hast mir wie immer sehr weitergeholfen.
Viele Grüße von Novak.


Lieber jimmysalaryman
auch dir erst mal ein herzliches Dankeschön für deine Gedanken und fürs Lesen. Hab erst mal geschluckt, als ich deinen Namen sah. Denn: Das war mir schon klar, dass du als der Meister des understatements meine Geschichte zu üppig findest. Und ja, das ist sie ja auch und ja, sie ist auch eher klassisch, was die Gruselentwicklung betrifft. Aber so mag ichs halt auch.
Wahnsinnig froh war ich, dass du die Exposition gut findest, gab ja auch Leser, die fanden sie eher hmmm nicht so gut. Aber da verlass ich mich jetzt einfach mal auf dich. Ich denke, man erhält durch den Beginn ein gewisses Interesse an dieser Frau, erfährt auch einiges über sie. Und das dürfte in die Geschichte hineintragen.

Dann fehlt mir etwas die Verbindung zu dem Vater, was da passiert ist und welche Konsequenz das für sie in der Gegenwart hat.
Ein bisschen was habe ich daran gedreht. Keine Ahnung ob es reicht, aber mir gefällt es auf jeden Fall jetzt besser. Und das ist ja schon mal was.

Es müsste ein Grund geben, warum sie auch dableibt, vielleicht eine Erbschaft oder ein Notartermin, weil sonst reist sich einfach wieder ab. Da müsste eine Dringlichkeit her. Oder du verbindest das mit einem Geheimnis, dass sie aufdecken will nach all den Jahren, wo es nur eine kindliche Vermutung war, das könnte sie auch schlussendlich in den Garten locken.
Da hab ich jetzt einfach mal deine Idee geklaut. Vielen Dank dafür, du hast einen wichtigen Punkt getroffen. Vielleicht verdeutlicht das Verschwinden des Vaters ja die Dringlichkeit des Kommens und auch das Dableiben. Sie will zwar nicht das Verschwinden aufklären, aber etwas über ihre Vergangenheit erfahren. Und das Verschwinden des Vaters gibt dem noch so eine kleine Note. Wer weiß, wos den Vater hinverschlagen hat.

Konstrukiv: Sprachlich ist mir das eine Nummer zu drüber. Da ist in jedem Satz ein Geruch, ein Gefühl, ein "Wie"-Vergleich, da denkt man oft drüber nach und kommt nicht richtig in die Geschichte rein, und das ist schade. Das würde ich reduzieren. Ich weiß, ich klinge da wie eine Schallplatte, die hakt.
Höchstens wie eine nette Schallplatte. Ja, jimmy, ich weiß schon. Echt üppig mein Geschwalle. Aber das wirst du wohl aus mir nicht mehr rauskriegen. Ich schreib mal echt eine Geschichte, die enthält dann keine einzige Metapher, keinen Vergleich, da wirds kein "wie" geben und kein "als ob". Nur einmal Geruch. Und die Geschichte widme ich dann dir.
Also klar, fizz hats ja auch gesagt, und auch später noch Fliege, ich geh es einfach noch mal durch. Das ist wohl nicht einfach nur ein Geschmacksunterschied zwischen dir und mir und so, sondern wenn ihr das alle sagt, dann muss ich einfach nochmal durchgehen. Und ich kann ja auch noch bisschen was drehen.


Liebe feirefiz

wenn Du mir demnächst noch Meerschweinchen vergraust, gibt es aber Ärger.
Oh wei, da hatte ich doch schon eine Geschichte in Planung, wa mach ich jetzt!?!? Sie hieß "Die Invasion der martialischen Meersäue". Ich hatte sie doch extra für dich geschrieben. :( Und dein Meerschweinchen durfte die Hauptrolle spielen.

Es gab vieles an der Geschichte, was mir total gut gefallen hat. Der Kindergrusel, der sich als echtes Grauen entpuppt. Die Atmosphäre, diese echte Erinnerung an den Vater, die sich unter der konstruierten so langsam herausschält.
Toll, das motiviert mich, besonders, wenn das aus deinem Mund kommt. Ich muss auch mal sagen, dass ich diese Kindersachen echt sehr gerne geschreiben habe. Da entdtand vieles shon im ersten Wurf und blieb dann auch so.

Der Spoiler ist natürlich weg.

Also wenn ich die Geschichte da an meinen höchsten Ansprüchen von Geschlossenheit, vom Zusammenhang innerer und äußerer Handlung und von poetischer Notwendigkeit lese, bleibt sie dahinter im Moment noch zurück, hat aber andererseits ein riesiges Potential, das durch das Festzurren kleiner Stellschrauben zu erreichen. Zum Beispiel war mir "Wir suchen uns die Einsamen" echt zu unspezifisch als Motivation.
Die Motivation ist jetzt geändert. Außerdem hab ich die Geschichte hoffentlich geschlossener gemacht. Indem der Vater eine etwas andere Fortsetzung kriegt. Weiß nicht, ob man das überhaupt am Text entdecken kann. Die Geschwisterbeziehung ist auch hergestellt. Ich glaube, ich hatte es dem Friedel auch schon geschrieben, ganz ursprünglich mal wollte ich sie sowieso zu Halbschwestern machen, dann dachte ich, oh je, das ist too much. Gleichzeitig aber hatte ich trotzdem immer ein Gefühl der Zusammenhanglosigkeit, aber ich hätte es niemals so ausdrücken können wie du. Es war eher etwas, dass ich den Eindruck hatte zwischen dem Spannungsteil und dem Psychologieteil (Kindheitserinnerungen) gibt’s ein Ungleichgewicht. Ich hatte trotzdem eher mit Kritik an dem Häckselturm gerechnet, die dann ja auch kam. Aber naja, gut, dass ich die Geschichte fertig gestellt und hier gepostet habe. Man lernt immer was dazu. Und dein Buch von dem Zusammenhang zwischen Mörder und Opfer, das finde ich zwar einerseits bizarr und schrecklich als Vorstellung. Aber es hat auch eine gewisse Logik. Und das merk ich mir auf jeden Fall mal.

Aber Dein Böses hat im Grunde gar keinen Grund und keine Psychologie, obwohl es mit so einer Mutter doch so viel Potential dazu hätte.
Das stimmt, so ist es in der Ursprungsgeschichte. Ich merk auch, dass meine Figurenkonstellation nach einer Verknüpfung ruft, trotzdem finde ich immer noch, dass die Idee des unpsycholgisch und ganz zufällig Bösen eine ungeheure Wucht hat. Stell dir mal vor. Du hast und kannst nichts machen, und es trifft dich völlig zufällig. Für mich hat das immer die größte Horrornote. Bei allem anderen glaube ich immer noch so eine innere Logik einen inneren Sinn zu entdecken, aber das kommt wohl nur dem menschlichen Bedürfnis nahe, hinter allem Schrecklichen, Zufälligen, eine Sinn entdecken zu können, als könnte man dadurch dem Unheil entgehen oder es irgendwie unter Kontrolle bringen. Ob man mit oder ohne Sinn draufgeht, ist dann letztendlich auch egal, wenn es einem erst mal an den Kragen geht.
Aber ich komm mal wieder ins Schwallen.

Also das juckt mir so dermaßen in den Fingern, das zu einer gemeinsamen Geschichte zusammenzuweben.
Habs probiert. Hoffentlich besser?

Ich dachte ja zwischenzeitlich, die beiden wären Halbschwestern. Das hätte auch diese seltsame Anziehung erklärt, die sie nur aus Unkenntnis erotisch liest.
Ja, die Anziehung ist da, die war mir auch wichtg. Du bist die erste, die diese erotische Anziehung merkt, die anderen Leser waren oft nut irritiert. Aber gerade diese Anziehung war mir total wichtig.

Und dann dachte ich, der Vater hat die Gartenfrau vielleicht echt geliebt. Nicht böse, aber für die eigene Frau trotzdem Scheiße. Deshalb war er da, als die Gans angriff. Deshalb hat die Mutter so auf die Hure geschimpft. Und deshalb muss die kleine Halbschwester die große vielleicht hassen. Weil sie immer das Bastardkind in der Siedlung war, und alle von der betrogenen Ehefrau gegen sie aufgehetzt wurden. Weil der Vater von der Ehefrau so zur Sau gemacht wurde, dass er beide Frauen verlassen musste. Was weiß ich. Was Kompliziertes halt, wo alle Täter und Opfer sind.
Tja, naja. Ob ich das jetzt so hingekriegt habe, wie du es dir vorstellst? Ich habs aber auf jeden Fall mal probiert. Denn ich muss schon sagen, deine Ideen hatten es mir schon einfach sehr angetan. Hier ist das so und bei der Toni-Geschichte war das auch schon so. Die Fortsetzungen und Verknüpfungen stecken ja wirklich allesamt drin in der Geschichte, so wie ich sie angelegt hatte. Naja, ich hoffe ich habe sie ein bisschen mehr Richtung monstergut drehen können.
Lieben Dank für dein Lesen und deine intensive Auseinandersetzung mit dem Text. Ich glaube, das hat dem Text sehr gutgetan. Ich jedenfalls fühle mich jetzt wohler damit.
Machs gut und lass dir die Arbeit nicht über den Kopf wachsen.
Ganz liebe Grüße von Novak

 

Hallo, ihr alle, hab den Text jetzt noch einmal durchgeguckt und überarbeitet. Besonderer Dank geht da an meine liebe Fliege, ohne die ich eine schlimme Schnabbelschnut bleiben würde.

Liebe Perdita

ich habe überlegt, ob ich lieber erst mal was anderes kommentieren soll, weil du hier schon so eine lange Warteschleife hast und ich dir eigentlich nicht noch mehr Druck machen wollte, aber daraus wird nichts, die Geschichte hat mir so gut gefallen, dass ich meine virtuelle Klappe nicht halten kann.
Hey wie toll. Das freut mich ja total. Aber das mit der Warteschleife stimmt natürlich. Ich weiß auch nicht, was diesmal in mich gefahren ist. Liegt jedenfalls nicht an mangelnder Unlust oder Schreibblockade oder sonstiger Ausrede. Liegt einfach nur an Faulheit. Und bin halt sehr oft einfach gar nicht zuhause, das macht sich bemerkbar.

Eigentlich hätte ich das Ende kommen sehen müssen. Hinter unnatürlich vitalen Gärten steckt ja meistens so ein Geheimnis.
Ich finde es gut, dass du, mit der vielen Horroerfahrung, trotzdem noch überrascht werden konntest, das zeigt mir, dass da doch einiges klappt, was den Spannungsaufbau betrifft.

Ich hab echt selbst an der Stelle, wo sie schon in der Häckselmaschine hängt und Anna auftaucht noch gedacht, dass das Böse vielleicht nur in der Gans steckt und Anna gekommen ist, um sie zu retten, weil sie gerade erst raus gefunden hat, was es mir dem Garten ihrer Mutter auf sich hat.
Spitze, ich freu mich total. Das war mein Ziel, dass man sich da ein bisschen unsicher ist. Und es halt nach zwei Richtungen ausgehen kann.

Mit der Maschine hatte ich übrigens keine Probleme – ich bin wahrscheinlich genau die richtige Sorte Leser dafür, ich schaue bei solchen Sachen gar nicht auf die technischen Details. Mir reicht es schon zu wissen, dass das Ding zum Zerhäckseln dient.
Da bist du wie ich. Mich nerven so massig technische Details einfach. Die besten Science Fiction hab ich schon weggelegt, weil ich diese detailverliebten Raketen zum Gähnen finde. Da können die noch so supergenau und wunderschön beschrieben sein. Vielleicht kann ich das deswegen so überhaupt nicht, dieses genaue und trotzdem knappe Schreiben technisch wichtiger Einzelheiten. Mich interessierts einfach nicht.

Dass die Geschichte mir Angst gemacht hätte, kann ich nicht behaupten. Vielleicht, weil die Bedrohung sehr spezifisch auf einzelne Menschen ausgerichtet ist. Das sind keine Zombies, die jeden anknabbern, man muss sich schon einer ganz bestimmten Verfassung befinden, um als Gänseopfer infrage zu kommen.
Das fand ich interessant, dass du das schreibst. Wirkt irgendwie widersprüchlich zu fizzs Bemerkung, dass die Bedrohung hier in meiner Geschichte so unspezifisch und allgemein sei. Aber vielleicht ist es gar nicht so widersprüchlich. Weiß nur noch nicht, wie es zusammenpasst. :D
Dass dir das Ende auch gut gefiel, das gefiel mir dann wiederum. Das war mir nämlich nicht so klar, ob das jeder so recht mitmacht. Ich meine, Seelenwanderung in einer Gans, das kann auch ganz schnell ziemlich albern werden.

Wenn ich einen Punkt für Kritik auf hohem Niveau habe, dann dass die Vatergeschichte und die Gartengeschichte so ein bisschen parallel laufen, ohne dass es große Überschneidungen gibt, und ich habe ähnlich wie andere Leser darauf gewartet, dass man da vielleicht irgendwann auf einen Zusammenhang stößt. feirefiz hat schöne Ideen in der Richtung, finde ich. Den Anfang mit der Beerdigung des Vaters fand ich sehr stark, deshalb fand ich es dann irgendwie schade, dass es letzten Endes nur der Anlass ist, um die Protagonistin an der Ort ihrer Kindheit zurückzubringen.
Hab jetzt alles etwas anders hingebastelt. Eine Mischung aus viel fizz und etwas jimmy und den anderen. Und ja, für meinen Geschmack ist der Zusammenhang jetzt besser gelungen.

Außerdem war es so, dass ich beim ersten Lesen sehr lange nicht gemerkt habe, dass die Erzählerin weiblich ist. Ich weiß nicht mehr, warum ich angenommen habe, es wäre ein Mann - eventuell weil an der Stelle
Und mit einem unglaublich schnellen Handgelenk, mit dem er sein Lineal auf die Knie unaufmerksamer Konfirmanden drosch. nicht von Konfirmandinnen die Rede ist, oder weil kurz darauf die verstorbene Freundin erwähnt wird.
Sogar als sie sagt, sie wollte nur noch Röcke anziehen, um vor der hosenträgerverschlingenden Nachbarin sicher zu sein, habe ich noch gedacht, das war halt ein kleiner Junge, der nicht um Genderstereotype geschert hat.
Das ist ja cool. Ich krieg das ja nie hin, aus der Sicht eines Mannes zu schreiben. Irgendwie gut, dass du glaubst, das wär ein Mann. Vielleicht sollte ich es in Zukunft immer anders rum machen. Eine Frau beschreiben, wenn ich einen Mann darstellen will.
Jetzt im Ernst, mir ist schon klar, wie das kommt. Es liegt an der Freundin. Man kommt da automatisch eher auf einen Mann, das liegt einfach an der Häufigkeit unserer Partnerwahl. Und wenn so was erst mal abgespeichert ist, dann können noch so viele gegenteilige Informationen kommen, dann reiht man die erst mal einfach ein, eigentlich ja auch sehr interessant, dass das so ist. Ich nehme es auf jeden Fall als Info zur Kenntnis, ob ich da jetzt was ändere, glaube ich im Moment eher nicht, liegt aber auch daran, dass ich keine gute Idee habe, wie ich das machen könnte. Du schreibst ja auch, dass es manchmal verkrampft wirkt, wenn man alle Infos über die Person in den ersten Zeilen meint unterbringen zu müssen.

Das mit dem Probe liegen gefällt mir sehr.
Ja, verdammt, das mocht ich auch sehr, aber es ist jetzt der Überarbeitung zum Opfer gefallen.

Pupsende Tiere müssen einfach harmlos sein.
Das ist ein philosophisches Dogma.

Nur am Ende hat es mich dann gewundert, dass die Gans sie schon als Kind angegriffen hat – denn damals scheint sie noch nicht so einsam und verloren gewesen zu sein. Oder war das schon nach der Trennung der Eltern?
In der neuen Fassung ist es zwar noch nicht nach der Trennung, aber der Vater geht fremd und der Rest, naja, steckt in der Geschichte drin. Aber von daher könnte es so sein, dass sie schon da potentielles Opfer ist.

Blätter klatschten mir ins Gesicht, aber ich ließ die Gans nicht aus den Augen, irgendwann würde sie mich zum Haus zurückführen, hoffentlich, denn hier gab es nichts mehr, nur Holz und Grün und den weichen Samt fremder Farben, die sich zu Ornamenten verschlangen.
Das ist fast ein bisschen Lovecraft. Aber ich finde es sehr schön.
Wow. Nur den letzten Teil hab ich jetzt gestrichen.

Das „dein“ hat mir nicht so gefallen, das bringt mich irgendwie immer aus dem Takt beim Lesen, wenn ich plötzlich so „angesprochen“ werde vom Text. Ich denke, sie könnte problemlos sagen „das mein Auge zu einem Loch ausbrannte“.
Ja, hast Recht, hab ich abgeändert, ist dank Fliege noch mal ein bisschen anders geworden und gefällt mir jetzt gut. Hatte selbst immer Probleme mit dieser Stelle.

Das war eine sehr schöne Geschichte, und ich werde von dir gerne Horrorgeschichten über alle erdenklichen Kreaturen lesen – ist mir völlig egal, ob Kakerlaken oder Meerschweinchen. Am besten beides. Amphibien und Vögel hast du abgehakt, da müssen jetzt mal andere Tiergruppen zum Zug kommen.
Oh wie schön.

Perdita, das war ein liebenswerter und sympathischer Kommentar. Ich hab mich darüber sehr gefreut, weil ich gesehen habe, welche Stellen funktionieren und auch der Hinweis auf die fehlenden Zusammenhänge hat mich dann doch noch mal bestätigt, wirklich eine Überarbeitung zu wagen und zu machen. Naja, die ist ja jetzt schon länger da, nur die Autorin war säumig beim Antworten.
Lieben Dank fürs Lesen und Vorbeischnuppern. Ach ja .. und ich glaub ich hab mich wahnsinnig gefreut, dass ich nicht allein bin mit diesem Maschinenscheiß. Meine Hölle wäre wohl ein Büro, in dem ich dauernd Bedienungsanleitungen verfassen muss.
Liebe Grüße von Novak

Hallo Hacke

mich hast du mit der Story echt erwischt, auch wenn du mich beim ersten Lesen auf halber Strecke verloren hast, so war ich letztlich froh, die Lektüre nicht endgültig abgebrochen zu haben. Ich muss nämlich gestehen, mir war die Prota etwas unsympathisch. (…)
Sobald sie das erste Mal so richtig den Mund aufmacht, geht mir ihre schnippische Art schon auf den Zeiger. Das legt sich aber ziemlich schnell. Und der Fokus der Erzählung liegt ja eh auf Erinnerungen, den inneren Monologen und Beobachtungen.
Oh verdammt, das war zumindest nicht geplant. Sie soll schon schnippisch wirken, das ist richtig. Aber auf so eine fast vordergründig abgebrühte Weise, dass man merkt, oh, dahinter verbirgt sich noch mehr. Furcht, Zuneigung, Suche nach Verlorenem, so schnippisch, wie die sich gibt, ist die gar nicht. Es hat mich zugegebenermaßen ein wenig erschüttert, dass sie dir unangenehm war, weil ich das so gar nicht intendiert hatte, aber gut, es sind nur wenige, denen das so ging. Und es ist ja oft so, dass Menschen, die dem einen sehr angenehm sind für einen anderen die Pest bedeuten und umgekehrt.

Ein guter Autor muss auch ein guter Beobachter sein, hab ich mal gehört, und ich fand, das hat man hier sehr schön bemerkt. Da kommt so viel Atmosphäre rüber, davon lebt der Horror hier.
Ich weiß niht, ob ich gut beobachten kann. Ich habe oft das Gefühl, das ist auch jede Menge Arbeit. Manchmal steckt man an einer Stelle fest und geht dann quasi mit einem Arbeitsauftrag auf die Straße oder ins Cafe und studiert das Leben um sich herum. Klingt wie ein Klischee, aber bei mir war das schon immer so, dass meine Freunde mit mir geschimpft haben, weil ich Ohr und Auge ausgefahren hatte, die dann auf dem Nachbartisch lagen vor lauter Neiugierde. Vielleicht sind Autoren nur einfach saumäßig neugierig. :D

Als Kind hatte ich so ein Bilderbuch, in dem Gummibäume eine Stadt einnehmen und mein erster Horrorstreifen war "Tanz der Teufel", bei dem dieses Mädchen von Baumwurzeln misshandelt wird. Ekelhaft und auch ganz weit weg von dieser subtilen Schreibe.
Die Gummibäume klingen cool.

Sehr gern gelesen. Die Geschichte wird mich wohl noch ein wenig beschäftigen, vorallem dieser Schuld-und-Sühne-Aspekt zwischen Vater und Tochter.
Das ist auch der, der mich am meisten interessiert hat in dieser Geschichte. Waren die Dinge wirklich so, wie man sie erzählt bekommen hat, stimmt das eigentlich? Manchmal beschäftigt man sich ja selbst mit solchen Fragen.
Vielen Dank Hacke, du hast mir nicht nur neue Aspekte aufgezeigt, sondern auch meine Seele ein wenig gestreichelt, tut schon gut, zu hören, wenn jemand anderem die eigene Geschichte gefällt und die den dann nicht mehr losließ.
Danke also, dass du es mit der Geschichte noch ein zweites Mal probiert hast.
Liebe Grüße von Novak.


Hallo petdays

schön war das, mal wieder deinen Namen zu lesen.

der anfang ist klasse. da hast du mich gleich mehrfach "am haken". allein die herrlichen figuren-beschreibungen, wie z.b. des pfarrers.
Hach, endlich mal einer, der den Pfarrer zu genießen weiß. Ja, viele wollten ihn schon rauschmeißen. Und tatsächlich hat er ja auch nicht viel zu suchen in der Geschichte. Aber trotzdem. Der Kerl bleibt einfach, wo er ist. Ich will den. :)

wie fiz dachte ich übrigens auch, dass die alte gärtnerin die geliebte des vaters war und die beiden jungen frauen halbschwestern sind..... das würde für mich die geschichte plottechnisch und psychologisch noch mehr toppen.
Ja, ihr habt mich alle in eurer Gemeinschaftsaktion überzeugt. Es war wohl auch einfach so angelegt, und dann sollte man es auch so machen. Ich hatte es schon anderen geschreiben, ich hatte mir die Anna schon mal als Halbschwester gedacht, dann aber gemeint, es sei too much und vor allem war mein Ende ja auf die verlorenen Menschen ausgerichtet. Fizz mit ihrem Buch über Mörder und Opfer, die zusammenpasssen, hat mir da ein wenig die Augen geöffnet. Und es gab ja auch andere, wie zum Beispiel Schwups, die das Motiv des verlorenen Menschen nicht so überzeugend fanden. Also hab ich das rausgenommen und damit war ein Hemmnis ausgeschaltet.
Also: Verwandstschaftverhältnisse sind geklärt.

besonders gelungen fand ich die passage, wo deine prot am gartenzaun entlang geht und ihre erinnerungen aufkommen. allein wie du geschickt mit den namensgebungen wie "stinkergarten" und "todeszone" den text atmosphärisch auflädst, da ist sofort das gefühl für kindheit und die kindliche perspektive da, einfach toll.
Darüber hab ich mich besonders gefreut. Das hatte ich mir nämlich genau so erhofft. Toll.

Wunderschön, petdays, dass du da warst, gelesen und dich mit einem Kommentar gemeldet und deine Eindrücke da gelassen hast. Das hat mich wirklich sehr gefreut. Lass es dir gut gehen, und wenn du mal wieder ein bisschen Zeit hast, meld dich bei uns.
Viele Grüße von Novak

Lieber Bernhard

Eine feine Geschichte hast du geschrieben, der Horror kommt auf leisen Schritten und immer wieder zweifelt man...
Das ist gut. Besonders wenn das von jemandem kommt, der selbst Horror schreibt.
Ich hab mich über deinen Kommentar sehr gefreut. Aber ich hab mich mit der Antwort auch tierisch schwer getan, weil du in eine so ganz andere Richtung davonmarschiert bist als der Rest der Kommentatoren. Hab lange darüber nachdenken müssen, weil ich deine Hinweise und Verbesserungsvorschläge auch nachvollziehen konnte. Verdammt gut sogar. Ich glaube, wenn ich nicht einem persönlichen Unbehagen folgend, das schon von Anfang an da war, mich dann doch für diese Schwester/Halbschwester-Geschichte entschieden und entsprechend in diese Richtung umgearbeitet hätte, hätte ich deinen Vorschlägen gefolgt, weil sie schon den Kommentarfinger auf ein paar wunde Stellen legen.

Besonders das hier hat mir eingeleuchtet, und ich hätte es auch so gemacht, wenn die Einsamkeit jetzzt nicht der Schwestersache zum Opfer gefallen wäre:

Ich denke, du müsstest noch genauer herausarbeiten, dass deine Protagonistin einsam ist, sehr einsam und dass ihr Telefonbuch leer ist, weil sie so wie den Pfarrer alle Menschen verachtet und beleidigt. Da könntest sie auch noch einen inneren Kampf gegen die plötzliche Welle der Sympathie von Anna ausfechten lassen.

Das Haus war von einem Blumenmeer umgeben. Über den Eingang ragte ein mit Wein überwachsenes Vordach. Und richtig, keine zehn Meter von mir entfernt, stand noch immer die Marmorsäule, kaum zu sehen, weil sie von Büschen umwachsen war, deren Goldton das warme Maisgelb des Hauses aufnahm.
finde ich hier zu harmlos
Naja, aber bedenke, ich geh da einen andere Weg. Ich wollte erst mal eine Beruhigung wiederherstellen. Es sollte so erscheinen, als wären das Kindereinbildungen gewesen. Eine falsche Fährte für den Leser, damit der nicht weiß, woher der Grusel letztendlich kommt.

Schlimm war der Winter, wenn die Schatten der Büsche lang waren und hinüberreichten zu den Bäumen im Ried, an denen im Winter nur lange Pflanzenbärte wucherten.
Wirklich schlimm aber war der Sommer.
das finde ich jetzt nicht als passende Steigerungsform
Hach, musst du denn auch so mit dem Fettfinger drauf. :D Ich finds eigentlich ganz schön, aber so wirklich elegant ist es nicht, da geb ich dir Recht. Ich markiers mal im Hirnkastel. Vielleicht fällt mir eine feinere Steigerung ein als die, ich jetzt gewählt habe: grauenhaft. Hmm naj.

hier wird etwas sehr dramatisches sehr kurz angedeutet. Und außerdem wirkt es im späteren Kontext der Geschichte seltsam, dass die Frau ihre Gans so exponiert nach draußen schickt. Im Sinne der Geschichte, wäre hier eine behutsamere Andeutung angebracht, oder ein beginn und dann eine Auslassung, …
Tja, das hab ich leider nicht so ganz verstanden.

Direkt vor mir zischte etwas. Die Gans. Mühselig hüpfte sie die Treppenstufen hoch, schwankte, als stürzte sie gleich. Erst, als ich hinterherhastete, merkte ich, wie schnell sie war.
hier passt das Bild nicht. Einmal die Gans, die sich dahinschleppt und dann ist sie doch schnell. Ein Widerspruch, der das Bild in meinem Kopf stört.
Aber die Gans ist ja auch ein Biest von einer Gans. Die tut ja nur so, als wär sie furchtbar langsam, dabei ist sie schnell wie der Teufel. Nee, das find ich eigentlich ganz gut.

Im Garten roch es nach Rosen. Für einen Moment erinnerte mich der Geruch an den einer Frau, die sich lange nicht gewaschen und den Schweiß mit Parfüm überdeckt hatte.
von diesen feinen Sätzen bräuchte es noch mehr in deinem Text, speziell am Anfang.
Mist, ich fürchte, der Satz fällt jetzt der Kürzerei zum Opfer. Ja, ist sogar schon. Das ist eben der Punkt, du gehst glaub ich auf eine ganz andere Horrorwirkung. Ich hab mich dann entscheiden müssen. Schwester-Halbschwester, und dann aber auch ein bisschen entschlacken oder Horrorverstärkung.

Hier möchte ich mehr Details. Das hohe Gebäude kann 10 oder auch hundert Meter sein und warum, frage ich mich, weiß sie nichts von dem hohen Gebäude in ihrer Nähe.
Na das sieht man nicht, weil da auch viele hohe Bäume stehen. Hab da jetzt noch ein paar Weiden eingepflanzt in die Bescheibung. Ich hoffe, das klingt nicht zu gewollt. Die Höhe selbst hab ich auch reingebracht, aber nur ganz kurz.

Ich hebe meinen Kopf, prüfe den Geruch, der von ihm zu mir strömt, und fessele ihn mit meinem Blick
ich finde den Satz etwas unbeholfen.
Den guck ich noch mal an, bei der letzten Überarbeitung jetzt ist er noch stehen geblieben, weil mir alle Alternativen nicht gefielen. .

Vielen Dank für deine Hilfe, Bernhard, für deine Gedanken und die Ideen und das feedback. Schön, dass du mal wieder da warst, sagt Novak und freut sich auf eine neue Horrogeschichte von dir.
Liebe Grüße von mir


Hallo oisisaus

da bist du ja wieder. Hast dich rar gemacht in letzter Zeit. Aber wahrscheinlich hofentlich sitzt du am Wirtshaustisch und lauschst wundersamen bayrischen Geschichten.

deine erste Version hab ich irgendwie verpasst. Aus dem "ja, morgen Abend mach ich mir die Freude und lese Novaks Horror-Geschichte", wurde dann "ja, aber am Wochenende, da lese ich sie bestimmt" und so weiter. ... Und schwupps war sie auch schon überarbeitet.
Na so schwupps war das nicht, ich brauch dafür immer furchtbar lang. Aber ich weiß, was du meinst. Man hat ja schließlich auch noch andres zu tun.- Und da vergeht die Zeit oftmals ziemlich rasch. Leider.

Da bleibt mir auch gar nicht viel zu mäkeln. Vielmehr muss ich mich bedanken, für die vielen intensiven Bilder, die du in meinem Kopf erzeugt hast, für die Überraschungsmomente und für die Idee der "Horror-Gans", deren Verhalten, wie du es beschreibst, zunächst meinen eigenen Erfahrungen mit diesem Getier umfasst. Ich musste recht schmunzeln dabei. Aber das mag jetzt natürlich recht subjektiv sein.
Das ist schön. Hoffentlich hast du auch wenigstens ein Quäntchen Angst verspürt.

Das einzige Bild, dass sich mir nicht so recht zurechtrücken lassen wollte, war der Tank, das Silo, die Mühle, der Schredder, überdimensionaler Häcksler oder eben was genau es war. Ich meine, es liegt wohl daran, dass mir der natürliche Zweck dieser Gerätschaft nicht klar ist/wurde. Mag jetzt ja auch gar keine so große Rolle spielen, aber mein bilderreiches Lesevergnügen wurde hier eben etwas nebelig.
Oh, ich habs gewusst. Das ist die berühmte offshore-Kerbe. Der Häcksler ist dazu da, Menschen, die sich zu weit nach vorne gewagt haben, zu Dünger zu verarbeiten. Das war die schwappende, gelbe Brühe, das sind Körperreste, und weil sie so einen leckeren Dünger haben, sind die Blumen so hübsch groß und fleischig, die kleinen Biester. Ich fürchte, das ist wohl gar nicht so klar geworden.
Tja, diesen Punkt hab ich nicht mehr weiter überarbeitet. Irgendwie ist mir nichts eingefallen, wie ich das noch hätte verstärken sollen. Die Anna sagt ja, dass die Protagonistin von den Blumen gebracuht wird.
Also ist bei mir im Hinterkopf markiert, vielleicht fällt mir irgendwann dazu noch was ein, wie ich das klarer, aber trotzdem nicht so holzhammerig verdetulichen kann.

Sie war schnell, zischte und raste mit weit geöffneten Flügeln auf einen zu. Ein braunschillerndes Geschoss mit einer dunklen Maske, aus deren Mitte senfgelbe Augen zielten.
So eine kenne ich auch. Gleich hier in der Nachbarschaft.
Ich kenn nur so Gänse. Also vor allem die Nilgänse, die hier am Main sitzen, das sind echte Raubtiere. Eine ist mir neulich sogar auf dem Fahrrad nach.

Er gleitet mit neugierigen Blicken über das Haus und die Blumen, bis er die Marmorsäule entdeckt.
Das klingt mir ein wenig missverständlich: doch nicht ER gleitet über Haus und Blumen, sondern eher seine Blicke ... meine ich jetzt einfach Mal so.
Hihi, das stimmt. Lustig, dass ich das nie gesehen habe. Ist schon lang geändert.

Ansonsten, liebe Novak, muss ich es bei Lobhudelei belassen, "weil, das würd' sich jetzt ja gar nicht lohnen, da was zu suchen, wo's doch da gar nichts hat, was man finden könnt' wenn man's suchen würd
', gell?"
Das ist mal wieder ein wunderschöner Spruch. Den hab ich mir schon notiert. Für meinen persönlichen Gebrauch.
Ganz liebe Grüße zurück. Ich hab mich total über deinen Besuch gefreut.


Hallo Proof

das find ich immer besonders cool, wenn jemand kommentiert, der selbst Horror schreibt wie Hacke, Perdita, Bernhard oder eben du. Da weiß ich dann immer, dass die Spannung im Vordergrund steht. Und an der geht ja immer was.

Den Weg zum Nordausgang säumten neue Gräber voller Kränze. Auf dem Grab meines Vaters lagen nur zwei. Keiner davon war von mir.
"Beide nicht von mir" find ich flüssiger.
Okay, den Satz hab ich killen müssen wegen der Überarbeitung. Du hattest noch die alte Fassung. Aber ich behalt mir immer die alte Version. Irgendsowas Nostalgisches? Und wer weiß, vielleicht will man irgendwann gerade die alte Fassung nochmal lesen. Und in der Ursprungsfassung habe ich deinen Vorschlag gleich übernommen. Ist wirklich flüssiger als meins.

Die Jeans kratzten an meinen Kinderbeinen und zwischen Söckchen und Hosensaum spürte ich immer einen Luftzug, weil ich viel zu schnell gewachsen war.
Handwerklich sehr stark, für mich der beste Satz.
Super, ich lieb den Satz auch. Und dass du den so gut findest, macht mich ein wenig stolz.

Geile Kriegsbemalung übrigens“,
Traue ich der Figur nicht zu, diese Art zu reden.
Scheiße, ich habs befürchtet. Jetzt kann ich es ja zugeben. Ich war mir da nie so ganz sicher, ob der okay ist, der Satz. Ich denk nach, erst hab ich mir deinen Hinweis nur innerlich gemerkt. Hab Probleme, weil ich die Frau ja so ein bisschen provokant machen wollte.
Ich hab jetzt was anders gemacht. Bin nicht völlig damit zufreiden, aber es geht. Wahnsinnig viel Zeit will ich jetzt auch nicht mehr mit dem Text und seiner Überarbeitung zubringen. Der hat jetzt mal das Verfallsdatum überschritten. Ich find das allerdings auch nicht schlimm, selbst wenn mir nichts mehr eingefallen oder ich es nicht geändert hätte. Mich bestätigt so ein Feedback, weil du meine Originalwahrnehmung bestätigt hast. Da merkt man, dass man sich ruhig mehr trauen kann, seinem ursprünglichen Gefühl zu folgen.

Ein Auge war blind, wie von einem Pelz überzogen. Das andere fixierte mich.
Federvieh guckt doch so seitlich, oder? Nicht frontal?
Gänse können dich schon so angucken, dass du was über das Aussehen ihrer Augen sagen kannst.

kleiner fester Klumpen.
"Fest" finde ich für einen Zahn zu schwach. Hart oder sogar spitz, scharfkantig, wenn er abgebrochen ist.
Ändere ich – oder hab ich sogar schon. Gilt auch für die meisten anderen Anmerkungen, die du gemacht hast. Ob zum Schmerz oder zur Höhe oder zu den Gelenken. Das hat mir eigentlich alles eingeleuchtet. Nur den Punkt mit der schwappenden Brühe hab ich nicht ganz verstanden.

Mir kommt das immer ein bisschen wie der Versuch vor, sich vom realen Grauen des Verlusts eines geliebten Menschen abzulenken. Ganz zu schweigen davon, wenn das Verhältnis zu diesem Menschen prägend aber nicht gut war. All die unausgesprochenen Dinge, die da quasi mit beerdigt werden, um einen bis zum eigenen Ende zu verfolgen, untote Quälgeister. Gedanken, die einen wahnsinnig machen, und dann wird aber das Dorf von Vampiren überfallen: Gott sei Dank, jetzt habe ich erstmal anderes zu tun. Außerdem geht es ja in der Phantastik immer darum, dass es da noch was gibt jenseits von dem, was wir sehen und anfassen können. Beim Thema Tod natürlich ein trostspendender Gedanke.
Das finde ich einen sehr guten Gedanken. Das reale Grauen, der Verlust, hinterlässt ja seine Spuren, man kann es nicht mehr ändern oder wieder gut machen, es bleibt bei einem als Seelenkerbe, wenn man nicht seinen inneren Frieden damit macht. Manchmal glaube ich, das Herbeifantasieren äußerer tödlicher Mächte ist ein Gedanke der Kontrolle über innere Ängste. Diese Angst, den Zombie, kannst du bekämpfen, das bist ja nicht du selbst oder ein Teil von dir.

Zum Zwoten hatte ich das Gefühl, hier wird ein Kindheitstrauma verarbeitet. Selbst bin als Grundschüler auf dem Nachhauseweg von der Schule mehrfach von einem Jagdhund sexuell missbraucht worden, und damals fand ich das nicht so lustig, wie es jetzt klingt. Eine Gans als Monster unter dem Bett, das nach all den Jahren zurückkehrt, weil sich mit dem Tod des Vaters ein Kreis schließt, das fand ich schon ziemlich genial. Unabhängig davon, ob es in deinem Leben tatsächlich mal diese Monstergans gegeben hat. So ein unwahrscheinliches Tier, echt super. Wie King, als er mit einem Bernhardiner aus dem schnuffligsten und knuffligsten Hund überhaupt den weißen Hai auf vier Pfoten gemacht hat.
Darüber habe ich mich wahnsinnig gefreut. Ja, wirklich. Denn ich glaube schon auch, dass da Kindheitstraumen (ob nun meine eigenen oder fantasierte sei mal dahingestellt) verarbeitet werden. Auch der Verlust des Vaters ist ja so ein Trauma.
Das mit dem Jagdhund kenne ich so ähnlich auch. Bei mir war es eine Dogge, die (laut Besitzer) nur spielen wollte. Naja.


Die Verwandlung in eine Gans macht das Ganze zu einem dunklen Märchen. Da hätte ich mir ein Finale der härteren Gangart gewünscht. Du weißt ja, ich mag's kurz angebraten und innen puterrot. Ich dachte auch erst, sie wird jetzt zu Dünger verarbeitet oder so, dieses Zeug, dieser Gestank, der ihr da aus Kindertagen noch in der Nase klemmt.
:D Naja, ihr Körper wird ja auch als Dünger verarbeitet. Das ist die gelbe Brühe. Ein armer Vorgänger. Nur ihr Geist überlebt im Kopf der Gans. Das habe ich wohl entweder nicht genügend herausgearbeitet oder ich hätts wohl verstärken sollen. Hmm. Muss ich überlegen. Also wenn selbst du das nicht verstehst, dass der Köroer der Frau stinkiger Dünger geworden ist, dann Pustekuchen, dann muss ich doch noch mal intensiver drüber nachdenken. Ach Mensch.

Lieber Proof, vielen Dank für deine Überlegungen. Das hat mir nicht nur total weitergeholfen, sondern ist ja auch so, dass man manchmal jenseits der reinen Textarbeit so über den Gehalt von Horror nachdenken will. Ich hab neulich eine Studie gelesen, allerdings auf Spanisch, da kann ich mich auch immer mal täuschen, dass Heavy Metal seine Zuhörer beruhigt. Ich glaub, dass auch Horror das macht, auch wenn er auf der einen Seite natürlich Furcht weckt. Aber es ist eine ganz andere, eine, die einen ablenkt und unterhält.
Und für deine Tipps, ob die nun sprachlich oder inhaltlich sind, das weißt du, da hab ich fünf offenen Ohren. Und das mit der Schwappebrühe und dem Dünger, das gärt jetzt, erst der oisisaus und jetzt du.
Liebe Grüße zurück an dich von Novak

Liebe/r [mention=1553]Isegrim[/mention]

nicht allein weil ich das enkheimer ried kenne
Ah, wie schön, endlich mal jemand in meiner Nähe.
und in frankfurt keiner verloren gehen kann
Na, aber das wüsst ich. Sind schon viele hier verschwunden. Klar, aber zugegeben nicht im Ried.

wunderbar genau beschrieben, sprachlich schön, sätze, die manchmal wie musik klingen, ein konflikt, der trägt und berührt, eine ungewöhnliche begebenheit, die mir wie ein märchen vorkommt und nur durch das lokalkolorit geerdet wird (ansonsten könnte man denken, man sei in den wäldern und auen grimmscher märchen)
Danke für das wunderbare Kompliment. Das hat mich mächtig geehrt.
Und dein Tipp, ein bisschen an den Beschreibungen zu sparen, klar, das mache ich noch ein allerletztes Mal, denn wie schon in einer anderen Antwort erwähnt, so langsam ist hier echt das Verfallsdatum erreicht. Ich habe noch Proofs und Flieges Punkte eingearbeitet, soweit ich das einleuchtend finde. Und da war furchtbar viel dabei. Ich denke, dann ist auch deinem Wunsch nach Reduzierung ein bisschen mehr gedient. Den Punkt allerdings, mehr Horror oder Beängstigung einfließen zu lassen, das wäre eine ganz andere Gangart gewesen. Siehe dazu auch meine Antwort an Bernhard. Wenn ich die Geschichte nicht in die Richtung Halbschwester/Schwester zugeschnitten hätte, wären Bernhards Ideen zum Tragen gekommen, ich hätte die Protagonistin noch einsamer gemacht, den Horror innerhalb des Textes erhöht, zumindest versucht. Denn generell bin ich jetzt nicht unbedingt die Blutspritztante. Mehr so eine Gruselfrieda.
Viele Grüße in deinen dunklen Taunuswald, aber pass auf, dass dir kein böser Wolf da erscheint.
Ach ja, irgendwie liebe ich deinen Namen, viele Dank an dich für das Hierlassen deiner Gedanken und Eindrücke, ja überhaupt für den Besuch. Fand ich schön.
Viele liebe Grüße von Novak.


Liebe Fliege, ich hab mich ja schon bei dir privat gemeldet und dir gesagt, wie wahnsinnig hilfreich ich deine Anmerkungen finde. Da steckt eine Riesen-Riesenarbeit drin. Und wie schön, dass ich in den Genuss komme.
Ich antworte jetzt nicht auf die einzelnen Punkte, die Zeit dafür hab ich lieber in die Sichtung und Bearbeitung des Textes reingesteckt. Da ist so so so vieles, was ich grad so übernehmen mag. Aber weiß du ja schon. Ich hab dir ja auch schon geschrieben, dass ich an einigen Punkten anderer Meinung bin, aber wir beide sind uns da ja eh immer einig, solche Textarbeit ist ein unglaublich großzügiges Angebot. Lektorin willst du ja leider nicht werden, aber ein Bier hast du trotzdem schon längst verdient. Und nein, kein Kirschbier, ich verspreche es.
Der eine Punkt, den ich grad mit mir im Herzen rumtrage, das ist die Vergleich- Adjektiv-Sache. Ich hab mal geschaut, wie das in Büchern ist, ich lese z. B. Immer noch „Vita“ von M.G. Mazucco. Und du hast Recht, die hat zwar einen sehr farbigen Stil, aber adjektivische Illustration, an die dann noch ein Vergleich angehängt wird, das gibt’s auch bei der sehr selten. Kommt aber vor. Nur wirklich sehr sehr selten. Tja, und nun. Also da heißts, überlegen. :) Ich bin wohl einfach an so einem Punkt, dass ich versuche zu sondieren, wo sowas geht und wo es absolut daneben ist, weil zu verspielt und zu verkünstelt. Ich hab ein paar Stellen, wo ich denke, ich muss das trotzdem so machen. Ichglaub, es ist jetzt nur noch eine. Aber du hast diesen Punkt, der mir vorher überhaupt nicht bewusst war, sehr in meinem Kopf verankert. Hab auch noch so nebenbei ein paar unnötige Adjektive gekillt.
Aber das ist ja auch das Spannende am Schreiben und hier Posten, man entdeckt immer wieder was Neues. Normalerweise ist das größte Problem ist für mich immer der Plot, bzw. die eigentliche Geschichte. Was ich dabei wirklich richtig gerne mache, das ist, Personen zu Charakteren auszugestalten. Und was immer wieder ein bisschen anders wird, das habe ich jetzt gemerkt, das ist komischerweise der Stil. Da stoße ich auf immer wieder neue Sachen. Wie hier im Text auf die Sache, dass mir so supergenaue und verständliche Beschreibungen (ich sag nur Häcksler) gar nicht liegen oder dass sich eine Eigenart ausprägt, bei mir sind das jetzt die vielen Gerüche und Beschreibungen und hier noch ein Vergleichelchen und dort noch ein Färbchen dazu. Da mahnen mich ja viele, es nicht zu übertreiben. Vielleicht liegt es mit daran, dass manchmal unbewusst die Lieblings-Lektüre abfärbt, ein Stil, den man grad liest und mag, aber eben auch nicht richtig beherrscht, ich weiß es nicht. Mit Sicherheit ists aber auch hier das Thema, die überbordende Natur, die mir ein wenig viele Veranschaulichungen in die Hand trieb.
Was ich nicht rausgehauen hab von den angemerkten Sachen, wurde trotzdem ziemlich lang hin und herüberlegt.
Manchmal ist es beim Durchforsten noch so, wie wenn man ein Stückchen von sich abschneiden müsste, zum Beispiel ist das bei mir dieser Pfarrer. Du hast völlig Recht, der ist die totale Nebenfigur. Ein Statist. Und trotzdem will ich den behalten mit seiner Schmachtlocke. Obwohl Haare ja wirklich unwichtig sind. Aber man kann auch über Haare charakterisieren. Hier ist es die Eitelkeit des Pfarrers. Und bei der Anna die Strubbelhaare. Da hab ich trotzdem ein paar Nester (deinem rat folgend) rausgenommen und hoffe auf die Schlagkraft der explodierten Fellmütze.

Bei der Szene am Zaun hab ich nicht so viel verändert. Grund: Ich wollte einen etwas kndlichen Tonfall drin haben, ist ja ihre kindliche Erinnerung, da brauchte ich für mein Gefühl eine bestimmte Färbung.

Was ich mir noch ganz ganz fest auf meine innere Schreibliste geschreiben habe, das ist, Gegegnsätze wie hier den Bilderbuchpfarre und das Dreschen mit dem Lineal auf diesen Gegensatz zuzuspitzen. Ich machs hier zwar trotzdem nicht so. Aber klar, die Botschaft ist im Schreiberherzlein angekommen.
Mal schauen, wenn ich in einem halben Jahr auf den Text schaue, wie ich dann darüber denke. :D Würd nicht das erste Mal erleben, dass ich dann plötzlich denke, ohje, Novak, was hast du denn da geschrieben, würd ich ja heut nie mehr so schreiben. Also da verändert sich auch was, ohne dass man das bewusst merkt.
Also Mensch, du hast mir mal wieder so viel gezeigt und weitergeholfen. Das kann ich dir gar nicht genug danken. Dicken Kuss von mir und eine Torte und überhaupt eine kleine Schaumwolke zum Schattenspenden über deinem Kopf, falls es bei dir auch mittlerweile so warm ist wie bei mir. Ganz ganz liebe Grüße von Novak

Vielen Dank noch mal an alle für eure Hilfe.


Liebe Tell

Der Einstieg war echt super! Obwohl "Horror" angekündigt war und sich das ja auch dann manifestiert hat, fand ich diese ersten Sätze irgendwie zum "Kreischen" komisch. Ich stelle mir den andächtigen Pfarrer vor - und dann die bissige Tochter. Absolut gerade heraus, vollkommen ohne zu heucheln, grundehrlich. Das hatte etwas Erfrischendes, aber war auch mit so wenigen Worten vielschichtig, da musste ich weiterlesen.
Oh wie schön. Andere mochten ja weder den Anfang noch die Frau. Und mir ging das genauso wie dir. Ich finde die einfach sehr direkt, sehr bitter auch, klar, aber vor allem so richtig schön widerspenstig. Das lässt sie den alten Schmachtpfarrer spüren, dass der immer so mit dem Lineal gedroschen hat. Ich finde, das klärt so ein bisschen auch ihren Charakter.

Die Grundidee, dass man am Ende irgendwo gefangen (ob im Verlies, im anderen Körper, in einem Tier gar ...) ist, ist so beklemmend ... Wah! Und du hast es super umgesetzt.

Das geht mir auch so. Diese Vorstellung finde ich total schrecklich. Und dass ich das hingekriegt habe in deinen Augen ehrt mich natürlich.


Beim Angriff der Gans fühlte ich mich an Alfred Hitchcocks "Die Vögel" erinnert oder an den fiesen Schwan, der mich als Kind ins Wasser ziehen wollte.
Iihh, das ist ja furchtbar. Was war das denn für ein Mördervieh. Da kannst du auch ne gruselige Fiesgeschichte draus bauen. Wart nur ab, bis die Leut hier meinen „Garten“ vergessen haben, dann schreibst du deine Schwanengeschichte. Schwäne finde ich auch cool. Die sind auch ganz schön wehrhaft.

Tja, die größten Geheimnis, die wir im Leben erfahren, sind wohl die unserer Kindheit, auch solche Ansätze sind absolut nach meinem Geschmack. Eigentlich simple Konstellationen, die man in seiner kindlichen Unerfahrenheit nicht begreift, Halbwahrheiten, die man erfährt, die man dann ganz anders aufnimmt ...
Ja, geht mir auch so, ich merk schon, wir haben in vielerlei Hinsicht wohl einen ähnlichen Geschmack.

Die Protagonistin erzählt mit sehr distinguierten Worten (man stellt sich eine intelligente Frau vor, also nicht unbedingt die Teenie-Mutter vom RTL-Nachmittagsprogramm, wenn du verstehst). Allerdings waren dann ab und zu ein paar umgangssprachliche Formulierungen, die für mich aus dem Rahmen gefallen sind (zum Beispiel "kotzen").
Oh, ich glaub, das liegt an mir. Naja, ich habs natürlich geschreiben. Das meine ich aber nicht. Ich glaub einfach, das ist eine persönliche Angewohnheit. Ich prüfs vielleicht einfach noch mal nach. Kann ja nicht schaden.

Anhand von Sätzen wie "Geile Kriegsbemahlung" ist klar, dass das auch zur Ausdrucksweise der Prot. gehört, aber - und das ist selbstverständlich mein eigenes ästhetisches Empfinden - im Erzählfluss hat mich diese saloppe Aer - anders als im Dialog - gestört. Das war für mich eine Kante, an der man sich den Musikantenknochen am Ellbogen anschlägt. Aber kam nur zwei-/dreimal vor, von daher hat's dem Lesegenuss keinen Abbruch getan.
Das ist interessant. Proof schreib ja schon, dass er der Figur diese Sprache nicht zutraut. Und ich hatte da selbst schon von Anfang an ein bisschen gezuckelt. Also ich überleg, vielleicht finde ich schnell was, vielleicht auch nicht, aber ich versteh jedenfalls, was ihr beide meint. Das andere, was du schreibst, dass es dir im Erzählfluss störend vorkam, das schau ich auch mal nach, ist glaube ich ernsthaft eine Angewohnheit bei mir, dass ich da selbst sehr stark hin und herwechsele. Wenn man dann ganz streng ist, sagt man, dass man die Sprachebenen verletzt hätte. Aber ich persönlich finde auch, dass das oft Eigenheiten sind, und auch manchmal „Verletzungen“, die einen besonderen Reiz ausmachen. Ich kann das gar nicht so generell sagen, das müsste man am Einzelfall besprechen.
Ich kenne nur halt Texte, die die Sprachebenen ganz korrekt einhalten, und für mich ist das dann oft elegant, irdenwie klassich, aber auch so furchtbar normal und naja, manchmal fast ein bisschen langweilig. Ich wünsch mir dann manchmal ein bisschen Rotze auf dem Sofakissen.

Noch ein Satz am Anfang, der auf mich befremdlich wirkt:
Hastig fuhr ich mit dem Taschentuch an meinen Mund
Sie hält sich das Taschentuch vor den Mund, damit niemand ihr Lachen/Lächeln sieht. Aber irgendwie war das "Taschentuch an den Mund halten" so ungewöhnlich formuliert, dass ich dreimal nachdenken musste, bis mir da die Intention kam.
Da weiß ich jetzt nicht genau, was du meinst. Ich wollte durch die Wahl der Präposition was Zweideutiges erzeugen. Einerseits verbirgt sie ihre harsche Reaktion auf die Worte des Pfarrers, will sie im Taschentuch verbergen, sich nicht so völlig daneben benehmen, ist aber auch ein bisschen über sich selbst erschreckt, dass das so ungeplant rausplatzt. Also an meinen Mund, nicht nur vor den Mund wie so eine vornehme hüstelnde Dame, sie will die Laute eigentlich fast ersticken, wegdrücken.

Ansonsten kann ich mein Lob nur wieder aufnehmen: Ich mochte die Geschichte, mich hat's am Ende gegruselt (vor allem nachdem ich in der ersten Hälfte fieberhaft gerätselt habe, worauf DAS wohl hinausläuft.) Ich fand es auch gut, wie du die Wahrheit hinter allem - die Figurenkonstellation etc. - sauber andeutest, aber eben nicht mehr als eine Andeutung. Das war genau das richtige Maß.
Oh wie schön!

Mensch, was für ein elend schöner Kommentar. Ich hab ein ganz wohliges Gefühl im Bauch gekriegt, als ich das gelesen hab. War echt schön.
Vielen Dank für deine lieben, aufmunternden Worte, deine Nachdenk“aufgaben“ und natürlich überhaupt fürs Lesen und Vorbeischneien. Und viele Grüße zurück.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo, ihr alle, hab den Text jetzt noch einmal durchgeguckt und überarbeitet. Besonderer Dank geht da an meine liebe Fliege, ohne die ich eine schlimme Schnabbelschnut bleiben würde.

Liebe Perdita

ich habe überlegt, ob ich lieber erst mal was anderes kommentieren soll, weil du hier schon so eine lange Warteschleife hast und ich dir eigentlich nicht noch mehr Druck machen wollte, aber daraus wird nichts, die Geschichte hat mir so gut gefallen, dass ich meine virtuelle Klappe nicht halten kann.
Hey wie toll. Das freut mich ja total. Aber das mit der Warteschleife stimmt natürlich. Ich weiß auch nicht, was diesmal in mich gefahren ist. Liegt jedenfalls nicht an mangelnder Unlust oder Schreibblockade oder sonstiger Ausrede. Liegt einfach nur an Faulheit. Und bin halt sehr oft einfach gar nicht zuhause, das macht sich bemerkbar.

Eigentlich hätte ich das Ende kommen sehen müssen. Hinter unnatürlich vitalen Gärten steckt ja meistens so ein Geheimnis.
Ich finde es gut, dass du, mit der vielen Horroerfahrung, trotzdem noch überrascht werden konntest, das zeigt mir, dass da doch einiges klappt, was den Spannungsaufbau betrifft.

Ich hab echt selbst an der Stelle, wo sie schon in der Häckselmaschine hängt und Anna auftaucht noch gedacht, dass das Böse vielleicht nur in der Gans steckt und Anna gekommen ist, um sie zu retten, weil sie gerade erst raus gefunden hat, was es mir dem Garten ihrer Mutter auf sich hat.
Spitze, ich freu mich total. Das war mein Ziel, dass man sich da ein bisschen unsicher ist. Und es halt nach zwei Richtungen ausgehen kann.

Mit der Maschine hatte ich übrigens keine Probleme – ich bin wahrscheinlich genau die richtige Sorte Leser dafür, ich schaue bei solchen Sachen gar nicht auf die technischen Details. Mir reicht es schon zu wissen, dass das Ding zum Zerhäckseln dient.
Da bist du wie ich. Mich nerven so massig technische Details einfach. Die besten Science Fiction hab ich schon weggelegt, weil ich diese detailverliebten Raketen zum Gähnen finde. Da können die noch so supergenau und wunderschön beschrieben sein. Vielleicht kann ich das deswegen so überhaupt nicht, dieses genaue und trotzdem knappe Schreiben technisch wichtiger Einzelheiten. Mich interessierts einfach nicht.

Dass die Geschichte mir Angst gemacht hätte, kann ich nicht behaupten. Vielleicht, weil die Bedrohung sehr spezifisch auf einzelne Menschen ausgerichtet ist. Das sind keine Zombies, die jeden anknabbern, man muss sich schon einer ganz bestimmten Verfassung befinden, um als Gänseopfer infrage zu kommen.
Das fand ich interessant, dass du das schreibst. Wirkt irgendwie widersprüchlich zu fizzs Bemerkung, dass die Bedrohung hier in meiner Geschichte so unspezifisch und allgemein sei. Aber vielleicht ist es gar nicht so widersprüchlich. Weiß nur noch nicht, wie es zusammenpasst. :D
Dass dir das Ende auch gut gefiel, das gefiel mir dann wiederum. Das war mir nämlich nicht so klar, ob das jeder so recht mitmacht. Ich meine, Seelenwanderung in einer Gans, das kann auch ganz schnell ziemlich albern werden.

Wenn ich einen Punkt für Kritik auf hohem Niveau habe, dann dass die Vatergeschichte und die Gartengeschichte so ein bisschen parallel laufen, ohne dass es große Überschneidungen gibt, und ich habe ähnlich wie andere Leser darauf gewartet, dass man da vielleicht irgendwann auf einen Zusammenhang stößt. feirefiz hat schöne Ideen in der Richtung, finde ich. Den Anfang mit der Beerdigung des Vaters fand ich sehr stark, deshalb fand ich es dann irgendwie schade, dass es letzten Endes nur der Anlass ist, um die Protagonistin an der Ort ihrer Kindheit zurückzubringen.
Hab jetzt alles etwas anders hingebastelt. Eine Mischung aus viel fizz und etwas jimmy und den anderen. Und ja, für meinen Geschmack ist der Zusammenhang jetzt besser gelungen.

Außerdem war es so, dass ich beim ersten Lesen sehr lange nicht gemerkt habe, dass die Erzählerin weiblich ist. Ich weiß nicht mehr, warum ich angenommen habe, es wäre ein Mann - eventuell weil an der Stelle
Und mit einem unglaublich schnellen Handgelenk, mit dem er sein Lineal auf die Knie unaufmerksamer Konfirmanden drosch. nicht von Konfirmandinnen die Rede ist, oder weil kurz darauf die verstorbene Freundin erwähnt wird.
Sogar als sie sagt, sie wollte nur noch Röcke anziehen, um vor der hosenträgerverschlingenden Nachbarin sicher zu sein, habe ich noch gedacht, das war halt ein kleiner Junge, der nicht um Genderstereotype geschert hat.
Das ist ja cool. Ich krieg das ja nie hin, aus der Sicht eines Mannes zu schreiben. Irgendwie gut, dass du glaubst, das wär ein Mann. Vielleicht sollte ich es in Zukunft immer anders rum machen. Eine Frau beschreiben, wenn ich einen Mann darstellen will.
Jetzt im Ernst, mir ist schon klar, wie das kommt. Es liegt an der Freundin. Man kommt da automatisch eher auf einen Mann, das liegt einfach an der Häufigkeit unserer Partnerwahl. Und wenn so was erst mal abgespeichert ist, dann können noch so viele gegenteilige Informationen kommen, dann reiht man die erst mal einfach ein, eigentlich ja auch sehr interessant, dass das so ist. Ich nehme es auf jeden Fall als Info zur Kenntnis, ob ich da jetzt was ändere, glaube ich im Moment eher nicht, liegt aber auch daran, dass ich keine gute Idee habe, wie ich das machen könnte. Du schreibst ja auch, dass es manchmal verkrampft wirkt, wenn man alle Infos über die Person in den ersten Zeilen meint unterbringen zu müssen.

Das mit dem Probe liegen gefällt mir sehr.
Ja, verdammt, das mocht ich auch sehr, aber es ist jetzt der Überarbeitung zum Opfer gefallen.

Pupsende Tiere müssen einfach harmlos sein.
Das ist ein philosophisches Dogma.

Nur am Ende hat es mich dann gewundert, dass die Gans sie schon als Kind angegriffen hat – denn damals scheint sie noch nicht so einsam und verloren gewesen zu sein. Oder war das schon nach der Trennung der Eltern?
In der neuen Fassung ist es zwar noch nicht nach der Trennung, aber der Vater geht fremd und der Rest, naja, steckt in der Geschichte drin. Aber von daher könnte es so sein, dass sie schon da potentielles Opfer ist.

Blätter klatschten mir ins Gesicht, aber ich ließ die Gans nicht aus den Augen, irgendwann würde sie mich zum Haus zurückführen, hoffentlich, denn hier gab es nichts mehr, nur Holz und Grün und den weichen Samt fremder Farben, die sich zu Ornamenten verschlangen.
Das ist fast ein bisschen Lovecraft. Aber ich finde es sehr schön.
Wow. Nur den letzten Teil hab ich jetzt gestrichen.

Das „dein“ hat mir nicht so gefallen, das bringt mich irgendwie immer aus dem Takt beim Lesen, wenn ich plötzlich so „angesprochen“ werde vom Text. Ich denke, sie könnte problemlos sagen „das mein Auge zu einem Loch ausbrannte“.
Ja, hast Recht, hab ich abgeändert, ist dank Fliege noch mal ein bisschen anders geworden und gefällt mir jetzt gut. Hatte selbst immer Probleme mit dieser Stelle.

Das war eine sehr schöne Geschichte, und ich werde von dir gerne Horrorgeschichten über alle erdenklichen Kreaturen lesen – ist mir völlig egal, ob Kakerlaken oder Meerschweinchen. Am besten beides. Amphibien und Vögel hast du abgehakt, da müssen jetzt mal andere Tiergruppen zum Zug kommen.
Oh wie schön.

Perdita, das war ein liebenswerter und sympathischer Kommentar. Ich hab mich darüber sehr gefreut, weil ich gesehen habe, welche Stellen funktionieren und auch der Hinweis auf die fehlenden Zusammenhänge hat mich dann doch noch mal bestätigt, wirklich eine Überarbeitung zu wagen und zu machen. Naja, die ist ja jetzt schon länger da, nur die Autorin war säumig beim Antworten.
Lieben Dank fürs Lesen und Vorbeischnuppern. Ach ja .. und ich glaub ich hab mich wahnsinnig gefreut, dass ich nicht allein bin mit diesem Maschinenscheiß. Meine Hölle wäre wohl ein Büro, in dem ich dauernd Bedienungsanleitungen verfassen muss.
Liebe Grüße von Novak

Hallo Hacke

mich hast du mit der Story echt erwischt, auch wenn du mich beim ersten Lesen auf halber Strecke verloren hast, so war ich letztlich froh, die Lektüre nicht endgültig abgebrochen zu haben. Ich muss nämlich gestehen, mir war die Prota etwas unsympathisch. (…)
Sobald sie das erste Mal so richtig den Mund aufmacht, geht mir ihre schnippische Art schon auf den Zeiger. Das legt sich aber ziemlich schnell. Und der Fokus der Erzählung liegt ja eh auf Erinnerungen, den inneren Monologen und Beobachtungen.
Oh verdammt, das war zumindest nicht geplant. Sie soll schon schnippisch wirken, das ist richtig. Aber auf so eine fast vordergründig abgebrühte Weise, dass man merkt, oh, dahinter verbirgt sich noch mehr. Furcht, Zuneigung, Suche nach Verlorenem, so schnippisch, wie die sich gibt, ist die gar nicht. Es hat mich zugegebenermaßen ein wenig erschüttert, dass sie dir unangenehm war, weil ich das so gar nicht intendiert hatte, aber gut, es sind nur wenige, denen das so ging. Und es ist ja oft so, dass Menschen, die dem einen sehr angenehm sind für einen anderen die Pest bedeuten und umgekehrt.

Ein guter Autor muss auch ein guter Beobachter sein, hab ich mal gehört, und ich fand, das hat man hier sehr schön bemerkt. Da kommt so viel Atmosphäre rüber, davon lebt der Horror hier.
Ich weiß niht, ob ich gut beobachten kann. Ich habe oft das Gefühl, das ist auch jede Menge Arbeit. Manchmal steckt man an einer Stelle fest und geht dann quasi mit einem Arbeitsauftrag auf die Straße oder ins Cafe und studiert das Leben um sich herum. Klingt wie ein Klischee, aber bei mir war das schon immer so, dass meine Freunde mit mir geschimpft haben, weil ich Ohr und Auge ausgefahren hatte, die dann auf dem Nachbartisch lagen vor lauter Neiugierde. Vielleicht sind Autoren nur einfach saumäßig neugierig. :D

Als Kind hatte ich so ein Bilderbuch, in dem Gummibäume eine Stadt einnehmen und mein erster Horrorstreifen war "Tanz der Teufel", bei dem dieses Mädchen von Baumwurzeln misshandelt wird. Ekelhaft und auch ganz weit weg von dieser subtilen Schreibe.
Die Gummibäume klingen cool.

Sehr gern gelesen. Die Geschichte wird mich wohl noch ein wenig beschäftigen, vorallem dieser Schuld-und-Sühne-Aspekt zwischen Vater und Tochter.
Das ist auch der, der mich am meisten interessiert hat in dieser Geschichte. Waren die Dinge wirklich so, wie man sie erzählt bekommen hat, stimmt das eigentlich? Manchmal beschäftigt man sich ja selbst mit solchen Fragen.
Vielen Dank Hacke, du hast mir nicht nur neue Aspekte aufgezeigt, sondern auch meine Seele ein wenig gestreichelt, tut schon gut, zu hören, wenn jemand anderem die eigene Geschichte gefällt und die den dann nicht mehr losließ.
Danke also, dass du es mit der Geschichte noch ein zweites Mal probiert hast.
Liebe Grüße von Novak.


Hallo petdays

schön war das, mal wieder deinen Namen zu lesen.

der anfang ist klasse. da hast du mich gleich mehrfach "am haken". allein die herrlichen figuren-beschreibungen, wie z.b. des pfarrers.
Hach, endlich mal einer, der den Pfarrer zu genießen weiß. Ja, viele wollten ihn schon rauschmeißen. Und tatsächlich hat er ja auch nicht viel zu suchen in der Geschichte. Aber trotzdem. Der Kerl bleibt einfach, wo er ist. Ich will den. :)

wie fiz dachte ich übrigens auch, dass die alte gärtnerin die geliebte des vaters war und die beiden jungen frauen halbschwestern sind..... das würde für mich die geschichte plottechnisch und psychologisch noch mehr toppen.
Ja, ihr habt mich alle in eurer Gemeinschaftsaktion überzeugt. Es war wohl auch einfach so angelegt, und dann sollte man es auch so machen. Ich hatte es schon anderen geschreiben, ich hatte mir die Anna schon mal als Halbschwester gedacht, dann aber gemeint, es sei too much und vor allem war mein Ende ja auf die verlorenen Menschen ausgerichtet. Fizz mit ihrem Buch über Mörder und Opfer, die zusammenpasssen, hat mir da ein wenig die Augen geöffnet. Und es gab ja auch andere, wie zum Beispiel Schwups, die das Motiv des verlorenen Menschen nicht so überzeugend fanden. Also hab ich das rausgenommen und damit war ein Hemmnis ausgeschaltet.
Also: Verwandstschaftverhältnisse sind geklärt.

besonders gelungen fand ich die passage, wo deine prot am gartenzaun entlang geht und ihre erinnerungen aufkommen. allein wie du geschickt mit den namensgebungen wie "stinkergarten" und "todeszone" den text atmosphärisch auflädst, da ist sofort das gefühl für kindheit und die kindliche perspektive da, einfach toll.
Darüber hab ich mich besonders gefreut. Das hatte ich mir nämlich genau so erhofft. Toll.

Wunderschön, petdays, dass du da warst, gelesen und dich mit einem Kommentar gemeldet und deine Eindrücke da gelassen hast. Das hat mich wirklich sehr gefreut. Lass es dir gut gehen, und wenn du mal wieder ein bisschen Zeit hast, meld dich bei uns.
Viele Grüße von Novak

Lieber Bernhard

Eine feine Geschichte hast du geschrieben, der Horror kommt auf leisen Schritten und immer wieder zweifelt man...
Das ist gut. Besonders wenn das von jemandem kommt, der selbst Horror schreibt.
Ich hab mich über deinen Kommentar sehr gefreut. Aber ich hab mich mit der Antwort auch tierisch schwer getan, weil du in eine so ganz andere Richtung davonmarschiert bist als der Rest der Kommentatoren. Hab lange darüber nachdenken müssen, weil ich deine Hinweise und Verbesserungsvorschläge auch nachvollziehen konnte. Verdammt gut sogar. Ich glaube, wenn ich nicht einem persönlichen Unbehagen folgend, das schon von Anfang an da war, mich dann doch für diese Schwester/Halbschwester-Geschichte entschieden und entsprechend in diese Richtung umgearbeitet hätte, hätte ich deinen Vorschlägen gefolgt, weil sie schon den Kommentarfinger auf ein paar wunde Stellen legen.

Besonders das hier hat mir eingeleuchtet, und ich hätte es auch so gemacht, wenn die Einsamkeit jetzzt nicht der Schwestersache zum Opfer gefallen wäre:

Ich denke, du müsstest noch genauer herausarbeiten, dass deine Protagonistin einsam ist, sehr einsam und dass ihr Telefonbuch leer ist, weil sie so wie den Pfarrer alle Menschen verachtet und beleidigt. Da könntest sie auch noch einen inneren Kampf gegen die plötzliche Welle der Sympathie von Anna ausfechten lassen.

Das Haus war von einem Blumenmeer umgeben. Über den Eingang ragte ein mit Wein überwachsenes Vordach. Und richtig, keine zehn Meter von mir entfernt, stand noch immer die Marmorsäule, kaum zu sehen, weil sie von Büschen umwachsen war, deren Goldton das warme Maisgelb des Hauses aufnahm.
finde ich hier zu harmlos
Naja, aber bedenke, ich geh da einen andere Weg. Ich wollte erst mal eine Beruhigung wiederherstellen. Es sollte so erscheinen, als wären das Kindereinbildungen gewesen. Eine falsche Fährte für den Leser, damit der nicht weiß, woher der Grusel letztendlich kommt.

Schlimm war der Winter, wenn die Schatten der Büsche lang waren und hinüberreichten zu den Bäumen im Ried, an denen im Winter nur lange Pflanzenbärte wucherten.
Wirklich schlimm aber war der Sommer.
das finde ich jetzt nicht als passende Steigerungsform
Hach, musst du denn auch so mit dem Fettfinger drauf. :D Ich finds eigentlich ganz schön, aber so wirklich elegant ist es nicht, da geb ich dir Recht. Ich markiers mal im Hirnkastel. Vielleicht fällt mir eine feinere Steigerung ein als die, ich jetzt gewählt habe: grauenhaft. Hmm naj.

hier wird etwas sehr dramatisches sehr kurz angedeutet. Und außerdem wirkt es im späteren Kontext der Geschichte seltsam, dass die Frau ihre Gans so exponiert nach draußen schickt. Im Sinne der Geschichte, wäre hier eine behutsamere Andeutung angebracht, oder ein beginn und dann eine Auslassung, …
Tja, das hab ich leider nicht so ganz verstanden.

Direkt vor mir zischte etwas. Die Gans. Mühselig hüpfte sie die Treppenstufen hoch, schwankte, als stürzte sie gleich. Erst, als ich hinterherhastete, merkte ich, wie schnell sie war.
hier passt das Bild nicht. Einmal die Gans, die sich dahinschleppt und dann ist sie doch schnell. Ein Widerspruch, der das Bild in meinem Kopf stört.
Aber die Gans ist ja auch ein Biest von einer Gans. Die tut ja nur so, als wär sie furchtbar langsam, dabei ist sie schnell wie der Teufel. Nee, das find ich eigentlich ganz gut.

Im Garten roch es nach Rosen. Für einen Moment erinnerte mich der Geruch an den einer Frau, die sich lange nicht gewaschen und den Schweiß mit Parfüm überdeckt hatte.
von diesen feinen Sätzen bräuchte es noch mehr in deinem Text, speziell am Anfang.
Mist, ich fürchte, der Satz fällt jetzt der Kürzerei zum Opfer. Ja, ist sogar schon. Das ist eben der Punkt, du gehst glaub ich auf eine ganz andere Horrorwirkung. Ich hab mich dann entscheiden müssen. Schwester-Halbschwester, und dann aber auch ein bisschen entschlacken oder Horrorverstärkung.

Hier möchte ich mehr Details. Das hohe Gebäude kann 10 oder auch hundert Meter sein und warum, frage ich mich, weiß sie nichts von dem hohen Gebäude in ihrer Nähe.
Na das sieht man nicht, weil da auch viele hohe Bäume stehen. Hab da jetzt noch ein paar Weiden eingepflanzt in die Bescheibung. Ich hoffe, das klingt nicht zu gewollt. Die Höhe selbst hab ich auch reingebracht, aber nur ganz kurz.

Ich hebe meinen Kopf, prüfe den Geruch, der von ihm zu mir strömt, und fessele ihn mit meinem Blick
ich finde den Satz etwas unbeholfen.
Den guck ich noch mal an, bei der letzten Überarbeitung jetzt ist er noch stehen geblieben, weil mir alle Alternativen nicht gefielen. .

Vielen Dank für deine Hilfe, Bernhard, für deine Gedanken und die Ideen und das feedback. Schön, dass du mal wieder da warst, sagt Novak und freut sich auf eine neue Horrogeschichte von dir.
Liebe Grüße von mir


Hallo oisisaus

da bist du ja wieder. Hast dich rar gemacht in letzter Zeit. Aber wahrscheinlich hofentlich sitzt du am Wirtshaustisch und lauschst wundersamen bayrischen Geschichten.

deine erste Version hab ich irgendwie verpasst. Aus dem "ja, morgen Abend mach ich mir die Freude und lese Novaks Horror-Geschichte", wurde dann "ja, aber am Wochenende, da lese ich sie bestimmt" und so weiter. ... Und schwupps war sie auch schon überarbeitet.
Na so schwupps war das nicht, ich brauch dafür immer furchtbar lang. Aber ich weiß, was du meinst. Man hat ja schließlich auch noch andres zu tun.- Und da vergeht die Zeit oftmals ziemlich rasch. Leider.

Da bleibt mir auch gar nicht viel zu mäkeln. Vielmehr muss ich mich bedanken, für die vielen intensiven Bilder, die du in meinem Kopf erzeugt hast, für die Überraschungsmomente und für die Idee der "Horror-Gans", deren Verhalten, wie du es beschreibst, zunächst meinen eigenen Erfahrungen mit diesem Getier umfasst. Ich musste recht schmunzeln dabei. Aber das mag jetzt natürlich recht subjektiv sein.
Das ist schön. Hoffentlich hast du auch wenigstens ein Quäntchen Angst verspürt.

Das einzige Bild, dass sich mir nicht so recht zurechtrücken lassen wollte, war der Tank, das Silo, die Mühle, der Schredder, überdimensionaler Häcksler oder eben was genau es war. Ich meine, es liegt wohl daran, dass mir der natürliche Zweck dieser Gerätschaft nicht klar ist/wurde. Mag jetzt ja auch gar keine so große Rolle spielen, aber mein bilderreiches Lesevergnügen wurde hier eben etwas nebelig.
Oh, ich habs gewusst. Das ist die berühmte offshore-Kerbe. Der Häcksler ist dazu da, Menschen, die sich zu weit nach vorne gewagt haben, zu Dünger zu verarbeiten. Das war die schwappende, gelbe Brühe, das sind Körperreste, und weil sie so einen leckeren Dünger haben, sind die Blumen so hübsch groß und fleischig, die kleinen Biester. Ich fürchte, das ist wohl gar nicht so klar geworden.
Tja, diesen Punkt hab ich nicht mehr weiter überarbeitet. Irgendwie ist mir nichts eingefallen, wie ich das noch hätte verstärken sollen. Die Anna sagt ja, dass die Protagonistin von den Blumen gebracuht wird.
Also ist bei mir im Hinterkopf markiert, vielleicht fällt mir irgendwann dazu noch was ein, wie ich das klarer, aber trotzdem nicht so holzhammerig verdetulichen kann.

Sie war schnell, zischte und raste mit weit geöffneten Flügeln auf einen zu. Ein braunschillerndes Geschoss mit einer dunklen Maske, aus deren Mitte senfgelbe Augen zielten.
So eine kenne ich auch. Gleich hier in der Nachbarschaft.
Ich kenn nur so Gänse. Also vor allem die Nilgänse, die hier am Main sitzen, das sind echte Raubtiere. Eine ist mir neulich sogar auf dem Fahrrad nach.

Er gleitet mit neugierigen Blicken über das Haus und die Blumen, bis er die Marmorsäule entdeckt.
Das klingt mir ein wenig missverständlich: doch nicht ER gleitet über Haus und Blumen, sondern eher seine Blicke ... meine ich jetzt einfach Mal so.
Hihi, das stimmt. Lustig, dass ich das nie gesehen habe. Ist schon lang geändert.

Ansonsten, liebe Novak, muss ich es bei Lobhudelei belassen, "weil, das würd' sich jetzt ja gar nicht lohnen, da was zu suchen, wo's doch da gar nichts hat, was man finden könnt' wenn man's suchen würd
', gell?"
Das ist mal wieder ein wunderschöner Spruch. Den hab ich mir schon notiert. Für meinen persönlichen Gebrauch.
Ganz liebe Grüße zurück. Ich hab mich total über deinen Besuch gefreut.


Hallo Proof

das find ich immer besonders cool, wenn jemand kommentiert, der selbst Horror schreibt wie Hacke, Perdita, Bernhard oder eben du. Da weiß ich dann immer, dass die Spannung im Vordergrund steht. Und an der geht ja immer was.

Den Weg zum Nordausgang säumten neue Gräber voller Kränze. Auf dem Grab meines Vaters lagen nur zwei. Keiner davon war von mir.
"Beide nicht von mir" find ich flüssiger.
Okay, den Satz hab ich killen müssen wegen der Überarbeitung. Du hattest noch die alte Fassung. Aber ich behalt mir immer die alte Version. Irgendsowas Nostalgisches? Und wer weiß, vielleicht will man irgendwann gerade die alte Fassung nochmal lesen. Und in der Ursprungsfassung habe ich deinen Vorschlag gleich übernommen. Ist wirklich flüssiger als meins.

Die Jeans kratzten an meinen Kinderbeinen und zwischen Söckchen und Hosensaum spürte ich immer einen Luftzug, weil ich viel zu schnell gewachsen war.
Handwerklich sehr stark, für mich der beste Satz.
Super, ich lieb den Satz auch. Und dass du den so gut findest, macht mich ein wenig stolz.

Geile Kriegsbemalung übrigens“,
Traue ich der Figur nicht zu, diese Art zu reden.
Scheiße, ich habs befürchtet. Jetzt kann ich es ja zugeben. Ich war mir da nie so ganz sicher, ob der okay ist, der Satz. Ich denk nach, erst hab ich mir deinen Hinweis nur innerlich gemerkt. Hab Probleme, weil ich die Frau ja so ein bisschen provokant machen wollte.
Ich hab jetzt was anders gemacht. Bin nicht völlig damit zufreiden, aber es geht. Wahnsinnig viel Zeit will ich jetzt auch nicht mehr mit dem Text und seiner Überarbeitung zubringen. Der hat jetzt mal das Verfallsdatum überschritten. Ich find das allerdings auch nicht schlimm, selbst wenn mir nichts mehr eingefallen oder ich es nicht geändert hätte. Mich bestätigt so ein Feedback, weil du meine Originalwahrnehmung bestätigt hast. Da merkt man, dass man sich ruhig mehr trauen kann, seinem ursprünglichen Gefühl zu folgen.

Ein Auge war blind, wie von einem Pelz überzogen. Das andere fixierte mich.
Federvieh guckt doch so seitlich, oder? Nicht frontal?
Gänse können dich schon so angucken, dass du was über das Aussehen ihrer Augen sagen kannst.

kleiner fester Klumpen.
"Fest" finde ich für einen Zahn zu schwach. Hart oder sogar spitz, scharfkantig, wenn er abgebrochen ist.
Ändere ich – oder hab ich sogar schon. Gilt auch für die meisten anderen Anmerkungen, die du gemacht hast. Ob zum Schmerz oder zur Höhe oder zu den Gelenken. Das hat mir eigentlich alles eingeleuchtet. Nur den Punkt mit der schwappenden Brühe hab ich nicht ganz verstanden.

Mir kommt das immer ein bisschen wie der Versuch vor, sich vom realen Grauen des Verlusts eines geliebten Menschen abzulenken. Ganz zu schweigen davon, wenn das Verhältnis zu diesem Menschen prägend aber nicht gut war. All die unausgesprochenen Dinge, die da quasi mit beerdigt werden, um einen bis zum eigenen Ende zu verfolgen, untote Quälgeister. Gedanken, die einen wahnsinnig machen, und dann wird aber das Dorf von Vampiren überfallen: Gott sei Dank, jetzt habe ich erstmal anderes zu tun. Außerdem geht es ja in der Phantastik immer darum, dass es da noch was gibt jenseits von dem, was wir sehen und anfassen können. Beim Thema Tod natürlich ein trostspendender Gedanke.
Das finde ich einen sehr guten Gedanken. Das reale Grauen, der Verlust, hinterlässt ja seine Spuren, man kann es nicht mehr ändern oder wieder gut machen, es bleibt bei einem als Seelenkerbe, wenn man nicht seinen inneren Frieden damit macht. Manchmal glaube ich, das Herbeifantasieren äußerer tödlicher Mächte ist ein Gedanke der Kontrolle über innere Ängste. Diese Angst, den Zombie, kannst du bekämpfen, das bist ja nicht du selbst oder ein Teil von dir.

Zum Zwoten hatte ich das Gefühl, hier wird ein Kindheitstrauma verarbeitet. Selbst bin als Grundschüler auf dem Nachhauseweg von der Schule mehrfach von einem Jagdhund sexuell missbraucht worden, und damals fand ich das nicht so lustig, wie es jetzt klingt. Eine Gans als Monster unter dem Bett, das nach all den Jahren zurückkehrt, weil sich mit dem Tod des Vaters ein Kreis schließt, das fand ich schon ziemlich genial. Unabhängig davon, ob es in deinem Leben tatsächlich mal diese Monstergans gegeben hat. So ein unwahrscheinliches Tier, echt super. Wie King, als er mit einem Bernhardiner aus dem schnuffligsten und knuffligsten Hund überhaupt den weißen Hai auf vier Pfoten gemacht hat.
Darüber habe ich mich wahnsinnig gefreut. Ja, wirklich. Denn ich glaube schon auch, dass da Kindheitstraumen (ob nun meine eigenen oder fantasierte sei mal dahingestellt) verarbeitet werden. Auch der Verlust des Vaters ist ja so ein Trauma.
Das mit dem Jagdhund kenne ich so ähnlich auch. Bei mir war es eine Dogge, die (laut Besitzer) nur spielen wollte. Naja.


Die Verwandlung in eine Gans macht das Ganze zu einem dunklen Märchen. Da hätte ich mir ein Finale der härteren Gangart gewünscht. Du weißt ja, ich mag's kurz angebraten und innen puterrot. Ich dachte auch erst, sie wird jetzt zu Dünger verarbeitet oder so, dieses Zeug, dieser Gestank, der ihr da aus Kindertagen noch in der Nase klemmt.
:D Naja, ihr Körper wird ja auch als Dünger verarbeitet. Das ist die gelbe Brühe. Ein armer Vorgänger. Nur ihr Geist überlebt im Kopf der Gans. Das habe ich wohl entweder nicht genügend herausgearbeitet oder ich hätts wohl verstärken sollen. Hmm. Muss ich überlegen. Also wenn selbst du das nicht verstehst, dass der Köroer der Frau stinkiger Dünger geworden ist, dann Pustekuchen, dann muss ich doch noch mal intensiver drüber nachdenken. Ach Mensch.

Lieber Proof, vielen Dank für deine Überlegungen. Das hat mir nicht nur total weitergeholfen, sondern ist ja auch so, dass man manchmal jenseits der reinen Textarbeit so über den Gehalt von Horror nachdenken will. Ich hab neulich eine Studie gelesen, allerdings auf Spanisch, da kann ich mich auch immer mal täuschen, dass Heavy Metal seine Zuhörer beruhigt. Ich glaub, dass auch Horror das macht, auch wenn er auf der einen Seite natürlich Furcht weckt. Aber es ist eine ganz andere, eine, die einen ablenkt und unterhält.
Und für deine Tipps, ob die nun sprachlich oder inhaltlich sind, das weißt du, da hab ich fünf offenen Ohren. Und das mit der Schwappebrühe und dem Dünger, das gärt jetzt, erst der oisisaus und jetzt du.
Liebe Grüße zurück an dich von Novak

Liebe/r [mention=1553]Isegrim[/mention]

nicht allein weil ich das enkheimer ried kenne
Ah, wie schön, endlich mal jemand in meiner Nähe.
und in frankfurt keiner verloren gehen kann
Na, aber das wüsst ich. Sind schon viele hier verschwunden. Klar, aber zugegeben nicht im Ried.

wunderbar genau beschrieben, sprachlich schön, sätze, die manchmal wie musik klingen, ein konflikt, der trägt und berührt, eine ungewöhnliche begebenheit, die mir wie ein märchen vorkommt und nur durch das lokalkolorit geerdet wird (ansonsten könnte man denken, man sei in den wäldern und auen grimmscher märchen)
Danke für das wunderbare Kompliment. Das hat mich mächtig geehrt.
Und dein Tipp, ein bisschen an den Beschreibungen zu sparen, klar, das mache ich noch ein allerletztes Mal, denn wie schon in einer anderen Antwort erwähnt, so langsam ist hier echt das Verfallsdatum erreicht. Ich habe noch Proofs und Flieges Punkte eingearbeitet, soweit ich das einleuchtend finde. Und da war furchtbar viel dabei. Ich denke, dann ist auch deinem Wunsch nach Reduzierung ein bisschen mehr gedient. Den Punkt allerdings, mehr Horror oder Beängstigung einfließen zu lassen, das wäre eine ganz andere Gangart gewesen. Siehe dazu auch meine Antwort an Bernhard. Wenn ich die Geschichte nicht in die Richtung Halbschwester/Schwester zugeschnitten hätte, wären Bernhards Ideen zum Tragen gekommen, ich hätte die Protagonistin noch einsamer gemacht, den Horror innerhalb des Textes erhöht, zumindest versucht. Denn generell bin ich jetzt nicht unbedingt die Blutspritztante. Mehr so eine Gruselfrieda.
Viele Grüße in deinen dunklen Taunuswald, aber pass auf, dass dir kein böser Wolf da erscheint.
Ach ja, irgendwie liebe ich deinen Namen, viele Dank an dich für das Hierlassen deiner Gedanken und Eindrücke, ja überhaupt für den Besuch. Fand ich schön.
Viele liebe Grüße von Novak.


Liebe Fliege, ich hab mich ja schon bei dir privat gemeldet und dir gesagt, wie wahnsinnig hilfreich ich deine Anmerkungen finde. Da steckt eine Riesen-Riesenarbeit drin. Und wie schön, dass ich in den Genuss komme.
Ich antworte jetzt nicht auf die einzelnen Punkte, die Zeit dafür hab ich lieber in die Sichtung und Bearbeitung des Textes reingesteckt. Da ist so so so vieles, was ich grad so übernehmen mag. Aber weiß du ja schon. Ich hab dir ja auch schon geschrieben, dass ich an einigen Punkten anderer Meinung bin, aber wir beide sind uns da ja eh immer einig, solche Textarbeit ist ein unglaublich großzügiges Angebot. Lektorin willst du ja leider nicht werden, aber ein Bier hast du trotzdem schon längst verdient. Und nein, kein Kirschbier, ich verspreche es.
Der eine Punkt, den ich grad mit mir im Herzen rumtrage, das ist die Vergleich- Adjektiv-Sache. Ich hab mal geschaut, wie das in Büchern ist, ich lese z. B. Immer noch „Vita“ von M.G. Mazucco. Und du hast Recht, die hat zwar einen sehr farbigen Stil, aber adjektivische Illustration, an die dann noch ein Vergleich angehängt wird, das gibt’s auch bei der sehr selten. Kommt aber vor. Nur wirklich sehr sehr selten. Tja, und nun. Also da heißts, überlegen. :) Ich bin wohl einfach an so einem Punkt, dass ich versuche zu sondieren, wo sowas geht und wo es absolut daneben ist, weil zu verspielt und zu verkünstelt. Ich hab ein paar Stellen, wo ich denke, ich muss das trotzdem so machen. Ichglaub, es ist jetzt nur noch eine. Aber du hast diesen Punkt, der mir vorher überhaupt nicht bewusst war, sehr in meinem Kopf verankert. Hab auch noch so nebenbei ein paar unnötige Adjektive gekillt.
Aber das ist ja auch das Spannende am Schreiben und hier Posten, man entdeckt immer wieder was Neues. Normalerweise ist das größte Problem ist für mich immer der Plot, bzw. die eigentliche Geschichte. Was ich dabei wirklich richtig gerne mache, das ist, Personen zu Charakteren auszugestalten. Und was immer wieder ein bisschen anders wird, das habe ich jetzt gemerkt, das ist komischerweise der Stil. Da stoße ich auf immer wieder neue Sachen. Wie hier im Text auf die Sache, dass mir so supergenaue und verständliche Beschreibungen (ich sag nur Häcksler) gar nicht liegen oder dass sich eine Eigenart ausprägt, bei mir sind das jetzt die vielen Gerüche und Beschreibungen und hier noch ein Vergleichelchen und dort noch ein Färbchen dazu. Da mahnen mich ja viele, es nicht zu übertreiben. Vielleicht liegt es mit daran, dass manchmal unbewusst die Lieblings-Lektüre abfärbt, ein Stil, den man grad liest und mag, aber eben auch nicht richtig beherrscht, ich weiß es nicht. Mit Sicherheit ists aber auch hier das Thema, die überbordende Natur, die mir ein wenig viele Veranschaulichungen in die Hand trieb.
Was ich nicht rausgehauen hab von den angemerkten Sachen, wurde trotzdem ziemlich lang hin und herüberlegt.
Manchmal ist es beim Durchforsten noch so, wie wenn man ein Stückchen von sich abschneiden müsste, zum Beispiel ist das bei mir dieser Pfarrer. Du hast völlig Recht, der ist die totale Nebenfigur. Ein Statist. Und trotzdem will ich den behalten mit seiner Schmachtlocke. Obwohl Haare ja wirklich unwichtig sind. Aber man kann auch über Haare charakterisieren. Hier ist es die Eitelkeit des Pfarrers. Und bei der Anna die Strubbelhaare. Da hab ich trotzdem ein paar Nester (deinem rat folgend) rausgenommen und hoffe auf die Schlagkraft der explodierten Fellmütze.

Bei der Szene am Zaun hab ich nicht so viel verändert. Grund: Ich wollte einen etwas kindlichen Tonfall drin haben, ist ja ihre kindliche Erinnerung, da brauchte ich für mein Gefühl eine bestimmte Färbung.

Was ich mir noch ganz ganz fest auf meine innere Schreibliste geschreiben habe, das ist, Gegegnsätze wie hier den Bilderbuchpfarre und das Dreschen mit dem Lineal auf diesen Gegensatz zuzuspitzen. Ich machs hier zwar trotzdem nicht so. Aber klar, die Botschaft ist im Schreiberherzlein angekommen.
Mal schauen, wenn ich in einem halben Jahr auf den Text schaue, wie ich dann darüber denke. :D Würd nicht das erste Mal erleben, dass ich dann plötzlich denke, ohje, Novak, was hast du denn da geschrieben, würd ich ja heut nie mehr so schreiben. Also da verändert sich auch was, ohne dass man das bewusst merkt.
Also Mensch, du hast mir mal wieder so viel gezeigt und weitergeholfen. Das kann ich dir gar nicht genug danken. Dicken Kuss von mir und eine Torte und überhaupt eine kleine Schaumwolke zum Schattenspenden über deinem Kopf, falls es bei dir auch mittlerweile so warm ist wie bei mir. Ganz ganz liebe Grüße von Novak


Liebe Tell

Der Einstieg war echt super! Obwohl "Horror" angekündigt war und sich das ja auch dann manifestiert hat, fand ich diese ersten Sätze irgendwie zum "Kreischen" komisch. Ich stelle mir den andächtigen Pfarrer vor - und dann die bissige Tochter. Absolut gerade heraus, vollkommen ohne zu heucheln, grundehrlich. Das hatte etwas Erfrischendes, aber war auch mit so wenigen Worten vielschichtig, da musste ich weiterlesen.
Oh wie schön. Andere mochten ja weder den Anfang noch die Frau. Und mir ging das genauso wie dir. Ich finde die einfach sehr direkt, sehr bitter auch, klar, aber vor allem so richtig schön widerspenstig. Das lässt sie den alten Schmachtpfarrer spüren, dass der immer so mit dem Lineal gedroschen hat. Ich finde, das klärt so ein bisschen auch ihren Charakter.

Die Grundidee, dass man am Ende irgendwo gefangen (ob im Verlies, im anderen Körper, in einem Tier gar ...) ist, ist so beklemmend ... Wah! Und du hast es super umgesetzt.
Das geht mir auch so. Diese Vorstellung finde ich total schrecklich. Und dass ich das hingekriegt habe in deinen Augen ehrt mich natürlich.

Beim Angriff der Gans fühlte ich mich an Alfred Hitchcocks "Die Vögel" erinnert oder an den fiesen Schwan, der mich als Kind ins Wasser ziehen wollte.
Iihh, das ist ja furchtbar. Was war das denn für ein Mördervieh. Da kannst du auch ne gruselige Fiesgeschichte draus bauen. Wart nur ab, bis die Leut hier meinen „Garten“ vergessen haben, dann schreibst du deine Schwanengeschichte. Schwäne finde ich auch cool. Die sind auch ganz schön wehrhaft.

Tja, die größten Geheimnis, die wir im Leben erfahren, sind wohl die unserer Kindheit, auch solche Ansätze sind absolut nach meinem Geschmack. Eigentlich simple Konstellationen, die man in seiner kindlichen Unerfahrenheit nicht begreift, Halbwahrheiten, die man erfährt, die man dann ganz anders aufnimmt ...
Ja, geht mir auch so, ich merk schon, wir haben in vielerlei Hinsicht wohl einen ähnlichen Geschmack.

Die Protagonistin erzählt mit sehr distinguierten Worten (man stellt sich eine intelligente Frau vor, also nicht unbedingt die Teenie-Mutter vom RTL-Nachmittagsprogramm, wenn du verstehst). Allerdings waren dann ab und zu ein paar umgangssprachliche Formulierungen, die für mich aus dem Rahmen gefallen sind (zum Beispiel "kotzen").
Oh, ich glaub, das liegt an mir. Naja, ich habs natürlich geschreiben. Das meine ich aber nicht. Ich glaub einfach, das ist eine persönliche Angewohnheit. Aber es gibt dazu noch mehr. Siehe weiter unten.

Anhand von Sätzen wie "Geile Kriegsbemahlung" ist klar, dass das auch zur Ausdrucksweise der Prot. gehört, aber - und das ist selbstverständlich mein eigenes ästhetisches Empfinden - im Erzählfluss hat mich diese saloppe Aer - anders als im Dialog - gestört. Das war für mich eine Kante, an der man sich den Musikantenknochen am Ellbogen anschlägt. Aber kam nur zwei-/dreimal vor, von daher hat's dem Lesegenuss keinen Abbruch getan.
Das ist interessant. Proof schreib ja schon, dass er der Figur diese Sprache (Kriegsbemalung) nicht zutraut. Und ich hatte da selbst schon von Anfang an ein bisschen gezuckelt. Also ich überleg, vielleicht finde ich schnell was, vielleicht auch nicht, aber ich versteh jedenfalls, was ihr beide meint. Das andere, was du schreibst, dass es dir im Erzählfluss störend vorkam, das schau ich auch mal nach, ist glaube ich ernsthaft eine Angewohnheit bei mir, dass ich da selbst sehr stark hin und herwechsele zwischen den Sprachebenen. Wenn man dann ganz streng ist, sagt man, dass man die Sprachebenen verletzt hätte. Aber ich persönlich finde auch, dass das oft Eigenheiten sind, und auch manchmal „Verletzungen“, die einen besonderen Reiz ausmachen. Ich kann das gar nicht so generell sagen, das müsste man am Einzelfall besprechen. Einen hab ich mal rausgesucht, das war "kotzen". Aber das denkt und fühlt sie in einer äußerst schlimmen Situation. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass auch nur ein Mensch erbrechen sagt oder denkt, wenn er grad zerstückelt wird.
Ich kenne nur halt Texte, die die Sprachebenen ganz korrekt einhalten, und für mich ist das dann oft elegant, irgenwie klassich, aber auch so furchtbar normal und naja, manchmal fast ein bisschen langweilig. Ich wünsch mir dann manchmal ein bisschen Rotze auf dem Sofakissen.

Noch ein Satz am Anfang, der auf mich befremdlich wirkt:
Hastig fuhr ich mit dem Taschentuch an meinen Mund
Sie hält sich das Taschentuch vor den Mund, damit niemand ihr Lachen/Lächeln sieht. Aber irgendwie war das "Taschentuch an den Mund halten" so ungewöhnlich formuliert, dass ich dreimal nachdenken musste, bis mir da die Intention kam.
Da weiß ich jetzt nicht genau, was du meinst. Ich wollte durch die Wahl der Präposition was Zweideutiges erzeugen. Einerseits verbirgt sie ihre harsche Reaktion auf die Worte des Pfarrers, will sie im Taschentuch verbergen, sich nicht so völlig daneben benehmen, ist aber auch ein bisschen über sich selbst erschreckt, dass das so ungeplant rausplatzt. Also an meinen Mund, nicht nur vor den Mund wie so eine vornehme hüstelnde Dame, sie will die Laute eigentlich fast ersticken, wegdrücken.

Ansonsten kann ich mein Lob nur wieder aufnehmen: Ich mochte die Geschichte, mich hat's am Ende gegruselt (vor allem nachdem ich in der ersten Hälfte fieberhaft gerätselt habe, worauf DAS wohl hinausläuft.) Ich fand es auch gut, wie du die Wahrheit hinter allem - die Figurenkonstellation etc. - sauber andeutest, aber eben nicht mehr als eine Andeutung. Das war genau das richtige Maß.
Oh wie schön!

Mensch, was für ein elend schöner Kommentar. Ich hab ein ganz wohliges Gefühl im Bauch gekriegt, als ich das gelesen hab. War echt schön.
Vielen Dank für deine lieben, aufmunternden Worte, deine Nachdenk“aufgaben“ und natürlich überhaupt fürs Lesen und Vorbeischneien. Und viele Grüße zurück.

Vielen Dank noch mal an alle für eure Hilfe.

 
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Moin Novak,

also mir hat er sehr gut gefallen, dieser Wahnsinns-Mix aus Baba Jaga (die olle slawische Hexe mit ihrem Haus, das auf Gänsefüßen umher geht), die Grube und das Pendel (vom ollen Trinker und Literaten E. A. Poe, an den ich mich hier teilweise erinnert fühlte) und der ganz eigenen Novak-Grusel-Märchen-Atmosphäre. Und gut unterhalten dazu.

Scheiße finde ich eigentlich nur eines: Dass ich das eigene Kurzgeschichtenprojekt über die Beziehung des Prots zu seinem zwielichtigen Vater und dessen unheimliches Haus (das schon seit Jahren knietief im schöpferischen Schlamm steckt - also das Projekt, nicht das Haus) nämlich ins Klo werfen kann :D. Denn du, liebe Novak, hast das alles viel schöner und bunter und brillanter hinbekommen. Das ist aber nur für mich pseudo-tragisch, die Welt wird es wohl verkraften können.

Ansonsten gefiel mir nur die Stelle mit George W. und Obama nicht. Irgendwie passt sie nicht in dein Bild von Frankfurt, wie du es hier zeichnest, das zwar in einer modernen Stadt am Main spielen kann, aber irgendwie mehr noch in einem alternativen Frankfurt, in dem der Urgroßvater, ach Quatsch, alle Urgroßväter noch leben (so war es nämlich in meinem Kopf, als ich es las). Für mich ist es halt mehr Horrormärchen, statt Horror-Großstadtgeschichte im Zeiten von mobiler Überall-Erreichbarkeit.
Und noch: Der Brödert oder Pfarrer stört mich keineswegs (selbst wenn er nicht wieder auftaucht am Ende), finde ich sogar ne schöne Figur, ich bin mir aber echt nicht sicher, ob Pfarrer Personen einfach so für tot erklären dürfen (auch mit Einverständnis der Hinterbliebenen nicht, müssen die bitte schön immer noch selbst beantragen, das faule Pack!).

Ansonsten alles wie immer. Klasse Geschichte, noch besserer Stil. Für meinen Geschmack toll. Novak bleibt sich selbst treu und setzt wieder auf außergewöhnlichen Tiergrusel, nach Fröschen, Zwergzebus, Anemonenfischen, Fledermäusen und Gürteltieren (naja, aber, was ja nich ist, kann ja noch werden). Mein Horror-Weltbild ist weiterhin bewahrt. Genauso wie mein Lesefrieden.
Und wie könnte er auch nicht sein, nach einem Satz wie:

Einmal sagte die Freundin meiner Mutter, die Nachbarin verschlinge alles, was Hosen anhabe.

Danke dafür.

LG

fvg.

P.S.: Übrigens, als Hitchcock (der olle Suspense-Meister des Schreckens) Die Vögel austüftelte, fing alles bestimmt auch mit einer einzelnen Gans an.

 
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Hallo Nowak,
jetzt war ich auch in Deinem Garten lesend spazieren. Ich habe die Kommentare nur kurz überflogen, daher kann es sein, dass ich Punkte anspreche, die in anderen Beiträgen schon behandelt wurden. Nimm einfach, was Du brauchen kannst, den Rest verwirf.

Ich habe es gern getan, (das Wandeln im Garten) denn ein flüssiger Schreibstil von gekonnter handwerklicher Art und das zu jedem Zeitpunkt richtig gesetzte Erzähltempo laden wirklich zum Lesen ein. Dazu ist mir die besondere Sinnlichkeit aufgefallen und die subtilen Andeutungen von Grauen und Erotik. Leider ist letztere nur Tand, dabei hätte sich die Protagonistin so wunderbar darin verfangen können. Doch die Auflösung verhindert es ja.

Die Spannung wird sehr gekonnt Faden für Faden aufgebaut und fesselte mich bis zum Ende, welches mich allerdings auch etwas ratlos zurück ließ. Mir wurde nicht klar, worin nun das Böse lag, dabei gibt es ja sehr hübsch herausgearbeitete Möglichkeiten: Der Garten an sich: Finstere Bäume, fiese Wurzeln, Lehm und Schlingpflanzen, ein Taschentuchbaum (!), schlechte Wege und ein unsichtbarer Übergang in die Frankfurter Wildnis. Oder auch die Gans als tierische Manifestation von Grausamkeit. Ist sie nur eine tumbe abgerichtete Wadlbeißerin oder ist sie "böse" ? Die alte war es - aus Kindersicht mehr als verständlich. Doch die neue? Will die Prota in die Häckselmaschine locken. (Das Ding muss monströse Ausmaße haben und irre laut sein). Und schließlich: Die dünne Schwarzhaarige (Hure), deren Tochter, bzw. die Halbschwester will Rache üben.

Hier würde ich noch etwas dran arbeiten. Es lohnt sich, denn die Geschichte hat mich als Leser bestens unterhalten.

Übrigens: Reife Äpfel riechen ganz appetitlich, mostig (Äppelwoi !)...Du meinst vermutlich fauliges, modriges Obst.

Vom Aufbau her würde ich die Gans der Halbschwester erst zu einem späteren Zeitpunkt ins Spiel bringen. Dann nämlich, wenn sie den Weg zurück sucht. Plötzlich steht da eine Gans. Panik! Irgendwo hin, nanu was ist das für ein seltsamer Maschinenturm...?

Soweit mein Eindruck. Wer selbst einen großen Garten zu pflegen hat, weiß, wie böse der sein kann...;)
Werde meine Augen offen halten nach weiteren Geschichten von Dir,

Gruß
Vasco

 

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