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Tatmotiv
Penibel reinigte Frank Barden die Waffe, die er sich vor einiger Zeit besorgt hatte. Auseinandergebaut hatte er sie, sich jedes Teil einzeln genau angeschaut, sie studiert, wieder zusammengesetzt, sich schließlich in sie verliebt. Fast zärtlich streichelte er über jede Kugel, bevor er sie in das Magazin drückte. Eine gute Vorarbeit ist das A und O, das war schon immer seine Prämisse. Ist man schlampig und macht Fehler, sind diese im Nachhinein nur noch sehr schwer zu korrigieren. Er schob das Magazin in den Halter, wog die Pistole in seiner Hand. Milady wird er sie taufen. Frank prostete ihr zu und nahm einen kräftigen Schluck Lagavulin. Dann legte er sich auf die Couch seines kleinen Apartments, welches er sich vor Monaten angemietet hatte, um sich zurückziehen zu können, um Ruhe zu haben, um sich vorbereiten zu können, zum Arbeiten. Zu viel Trubel um ihn herum konnte er da nicht gebrauchen.
Das Westend-Viertel, hinter dem ehemaligen Schlachthof gelegen, hatte nie einen besonders guten Ruf, und grade in den letzten Jahren nahm hier die Gewaltbereitschaft immer mehr zu. Steigende Arbeitslosigkeit und die damit verbundene wachsende Armut waren nur ein Grund. Schon bei Tageslicht konnte man sich hier nur mit Vorsicht bewegen, nachts mied jeder vernünfige Mensch diese Gegend, es sei den man verspürte den besonderen Wunsch, ein Messer zwischen die Rippen zu bekommen. Barden war trotz seiner guten Vorbereitung nervös, als er bei Einbruch der Dunkelheit in sein Auto stieg. Hatte er auch nichts vergessen? In Gedanken hakte er nochmals seine Liste ab. Nein, er hatte alles. Er fuhr eine Zeit lang wie ziellos durch die Stadt, versuchte innerlich zur Ruhe zu kommen. Schließlich parkte er sein Auto am Bahnhof. Die letzten paar hundert Meter würde er zu Fuß gehen, genug Zeit für die x-te Zigarette.
Der Regen wollte einfach nicht nachlassen, und Frank schlug den Kragen seines Mantels hoch, zog die Schultern noch höher, um die Kälte etwas abzuhalten. Die Straßen waren menschenleer, irgendwo ein paar Blocks weiter kläffte zornig ein Hund. Zwischen einem Haufen Müllsäcken raschelte es. Ratten, die sich über die Abfälle her machten. Frank schaute sich um, weit und breit war niemand zu sehen. Er ging auf ein leerstehendes Geschäft zu, die Scheiben waren mit Zeitungen abgeklebt, und offensichtlich hatte jemand versucht, die Eingangstür einzuschlagen. Überall lagen Glassplitter. So gut es ging schob er sie mit dem Fuss beiseite, nickte dann zufrieden. Das war ein guter Platz. Er kauerte sich in die Ecke des Eingangs. Von hier aus hatte er einen guten Überblick, jetzt konnte er nur noch warten.
Stundenlang passierte nichts, Frank Barden schaute auf die Uhr, es war inzwischen schon halb Drei. Heute wird es wohl nicht mehr klappen, dachte er sich, und wollte schon zurück zu seinem Auto, als er zuerst laute Stimmen hörte und dann diese drei Typen um die Ecke bogen. Hatten sie ihn schon bemerkt? Frank war sich nicht sicher. Er trat gegen die Fensterscheibe des Ladens, Scherben fielen, es klirrte. Daraufhin verstummten die Stimmen der drei Gestalten, und Frank kauerte sich zurück, dicht an die Tür. Sein Herzschlag ging schnell und so heftig, dass er ihn in der Schläfe pochen spürte. Er hielt seine Augen geschlossen, blinzelte nur in die Richtung der Drei, nur sehr schwer konnte er seinen Atem kontrollieren, um nach außen hin ruhig zu wirken. Durch die halb geschlossenen Augenlider sah er die Typen direkt auf ihn zukommen.
Dann standen sie vor ihm, musterten ihn und dann schließlich stieß ihn einer mit dem Fuß an. "Hey, Du Penner! Solltest hier nicht rum lungern!" Die beiden anderen lachten. "Ja, hey, ist keine gute Gegend für Penner hier." Frank öffnete seine Augen und sah die Typen an, die sich breit vor ihm aufgebaut hatten. "Hmm..."
"Hey, Penner!" sagte der große, hagere Typ in der Mitte. Er war wie die beiden Anderen komplett schwarz gekleidet, alle drei hatten die Kapuzen ihrer Jacken tief ins Gesicht gezogen, so dass man kaum ihre Visagen erkennen konnte. "Rück schon die Kohle rüber. Mach die Taschen leer, und wir werden beste Freunde!"
"Hab keine Kohle", entgegnete Barden kurz und monoton und stellte erstaunt fest, dass er nun bemerkenswert ruhig war. Vor wenigen Minuten noch war er nervös, jetzt schoss Adrenalin durch seinen Körper und das ließ ihn absolut cool werden. Er rappelte sich auf und zog einen Kugelschreiber und Notizblock aus der Manteltasche. "Ist alles, was ich habe."
"Hey, der Penner will uns verarschen! Der Penner sieht gar nicht aus wie ein Penner, der sieht aus wie ein Witzbold! Die andere Tasche, mach die andere Tasche leer"
Frank griff in die rechte Manteltasche, das kalte Metall seiner Milady hatte sich nie so gut angefühlt wie in diesem Moment. Er entsicherte die Waffe, zog sie aus der Manteltasche und drückte ohne Vorwarnung zweimal ab. Die erste Kugel traf den mittleren Typen in den Oberschenkel, der daraufhin stöhnend auf die Knie fiel. Der Typ rechts fing sich die zweite Kugel ein. Sie traf ihn in die Brust und ließ ihn nach hinten weg kippen. Er blieb regungslos am Boden liegen. "Und Du?" schaute Frank den Dritten an, der wie eingefroren mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund da stand. Frank sah, wie Urin auf den Boden lief; der Typ hatte sich tatsächlich vollgepisst. Frank setzte sich, nahm seinen Block und notierte etwas.
Der Kerl mit der Kugel im Bein lag inzwischen wimmernd am Boden. "Du Arschloch, du Arschloch, du bist ja durchgeknallt!"
"Kannst Du..?" Frank legte eine kurze Pause ein. "Also, nur um mal klar zu stellen; ihr wolltet mich überfallen, und nicht umgekehrt, ja?! Kannst Du also mal einen Moment ruhig sein? Bitte!" entgegnete Frank ruhig, schüttelte den Kopf und widmete sich dann wieder seiner Notiz.
"Du, du elender Wichser! Wir machen dich alle, alle machen wir dich, du Arsch!"
Barden erhob sich und schaute nacheinander die Typen an. Der eine war wohl gleich hinüber, er lag auf dem Rücken, Blut lief ihm aus dem Mund. Der Zweite hielt sich fluchend sein Bein, und der Letzte stand immer noch zur Salzsäule erstarrt mit voller Hose da. Frank überlegte kurz, nahm seine Pistole und schoss dem Verletzten direkt ins Gesicht. "Du nervst!" Der Dritte übergab sich. "Das ist ja widerlich. Einfach ekelhaft!" Frank drückte ein weiteres Mal ab, die Kugel traf die Halsschlagader des letzten Typs. Blut spritzte pulsierend aus dem in sich zusammenfallenden Körper. "Tut mir leid...", sagte Frank leise.
Er stand noch einen kurzen Moment da, griff sich seinen Block und verstaute ihn zusammen mit der Pistole in der Tasche seines Mantels. Dann lief er zurück zu seinem Auto. Grade als er es erreicht hatte hörte er einige Straßen weiter Polizeisirenen. Er schaute auf die Uhr und machte sich eine weitere Notiz: '25 Minuten'. Frank Barden lächelte zufrieden, stieg ins Auto und fuhr zu seinem Apartment. Dort wartete jetzt noch einige Arbeit auf ihn. Doch er war sich sicher, die heutige Recherche für seinen neuen Kriminalroman hatte sich gelohnt. Die Geschichte wird sicherlich lebendig.