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Thema des Monats Das Ende der Dunkelheit

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10.11.2015
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Das Ende der Dunkelheit

Die letzte siegreiche Schlacht des Langen Krieges war unlängst geschlagen, als Benkawar der Vorstellung anheimfiel, ein Rama zu sein, ein Auserwählter der Ahnengeister. Die arakischen Feinde waren in ihre Heimat jenseits der Weißen Berge geflohen und hatten ein zerstörtes Land und ein hungerndes Volk zurückgelassen.

Die Männer saßen schweigend um ein Lagerfeuer im Wald. Sechs an der Zahl, hatten sie seit dem Morgengrauen ihre Fallen inspiziert und waren mit drei Hasen, einem Auerhahn und einem Fasan belohnt worden. Viel zu wenig für ein ganzes Dorf. Die Bäume verloren gerade die letzten Blätter und sahen aus, wie Benkawar sich fühlte. Überall sah er nur Tod, Verfall und Verwesung. Die Gesichter der Männer waren eingesunken und ihre Blicke leer. Bis auf einen halbwüchsigen Knaben waren sie alle Greise, denn starke, erwachsene Männer gab es nicht mehr. Von allen Kriegern ihres Dorfes war er allein mit der Siegesnachricht zurückgekehrt und hatte von dem Überfall auf das Dorf erfahren. So war es ihm wenigstens erspart geblieben, seiner Frau vom Tod Jarmuks in der Schlacht zu berichten, ihres einzigen Sohnes.
„Wir sollten eines der Tiere opfern“, sagte er.
Die anderen schauten ihn an, als wäre er soeben aus einem Loch in der Erde gekrochen. „Wofür?“ fragte Korwasch. „Wir haben so schon nichts mehr zu essen.“
„Und warum ist das so? Warum fangen wir nichts? Drei Hasen und zwei Vögel, das hätte ich normal nach drei Tagen allein gehabt. Aber wir sind sechs Leute, wir haben überall Fallen“, sagte Benkawar. „Wo sind die Tiere hin?“
Edri schaltete sich ein. „Die Wölfe haben sie geholt. Und Berglöwen. Und jetzt die Hunde, die überall herumlaufen. Du hast doch die Kadaver selbst gesehen.“
„Sie sind hinter allem her, was sie jagen können“, sagte Korwasch. „Was sie uns noch übrig lassen, ist zu wenig. Wir müssen sie jagen. Vertreiben. Töten. Sonst –“ sagte er und brach ab.
Benkawar sah Orannar und Tuk an, die bis jetzt geschwiegen hatten. „Ori, wie siehst du das? Wir konnten uns immer auf den Wald verlassen. Aber jetzt ist er leer. Warum ist das so? Ich sag euch, wieso. Unsere Ahnengeister sind uns nicht mehr wohlgesonnen. Wir müssen wieder Opfer bringen, um sie zu besänftigen.“
Dann meldete ausgerechnet Gran sich zu Wort. Der schüchterne Junge sprach ansonsten nur selten.
„Ich hab von meiner Mutter geträumt“, sagte er. Er zeigte auf einen kleinen, feuerroten Vogel, der auf einem Zweig saß. „Sie war ein Vogel. Genauso einer wie der da.“
„Deine Mutter war ein Vogel?“ fragte Orannar.
„Ja. Es war ein Vogel, aber es war auch meine Mutter. Ich konnte ihre Stimme hören. Sie hat gesagt, dass – dass es ihr gutgeht. Und dass die Geister mich beschützen werden.“ Er drehte sein Gesicht von den anderen weg und wischte sich eine Träne mit dem Ärmel ab. „Ist das wahr? Werden sie uns beschützen?“
Verlegen schwiegen die Männer. Tuk legte seine Hand auf Grans Schulter und rüttelte sanft.
Benkawar griff den Faden auf. „Vögel bringen doch Botschaften an die Geister“, meinte er. „Der Geist eines Vogels wird unsere Gebete überbringen.“ Auf den Fasan konnten sie am ehesten verzichten, da er am kleinsten war. Außerdem hatte er ein schönes Gefieder, das müsste den Geistern doch gefallen.
„Gran, geh und such uns noch etwas Holz. Wir brauchen ein Feuer, das ordentlich brennt.“ Er hielt den toten Vogel ein Stück über dem Feuer, um ihn etwas abzutrocknen.
Gran hatte bald eine hübsche Sammlung Holz zusammen, so dass sie ein ordentliches Feuer bauen konnten, das lichterloh brannte. Benkawar hielt den Fasan über dem Feuer und sprach ein paar Worte: „Hört, Ihr Geister, unsere Ahnen! Uns geht es sehr schlecht. Wir brauchen Eure Hilfe, um den Winter zu überstehen. Bitte seid uns gnädig!“
Dann waren die Anderen an der Reihe. Orannar überlegte, was er sagen sollte. Ihm fielen nur Benkawars Worte ein, die im Grunde alles sagten: „Bitte seid uns gnädig!“ murmelte er. Einer nach dem anderen baten sie die Geister um Gnade. Schließlich legte Benkawar den Fasan ins Feuer. Der Duft des garenden Fleisches erinnerte die Männer wieder an ihren Hunger. Trotzdem blieben sie, bis der Fasan nur noch ein verkohlter Klumpen war. Nur Korwasch nahm es Benkawar übel, dass sie den Vogel einfach verbrannt hatten. Er sprach kein Wort mehr.
Inzwischen war es später Nachmittag. Die Gruppe machte sich auf, ins Dorf zurückzukehren. Gran, der das Gefühl hatte, dass die Älteren die Opfergabe hauptsächlich seinetwegen geleistet hatten, blieb hinter den Männern zurück. Er zögerte, den Ort mit dem feuerroten Vogel zu verlassen, obwohl dieser schon längst weitergeflogen war.
Die Männer mochten ungefähr die halbe Strecke ins Dorf zurückgelegt haben, als sie einen tiefen Schrei hinter sich hörten. Der Krieg saß noch allen in den Knochen, und sie erschraken, als sei ihnen ein Höllenbiest auf den Fersen. Dann hörten sie Gran hinter sich rufen: „Ori! Ben! Kommt schnell!“
Die fünf alten Männer rannten los, und bald begegneten sie Gran auf dem Pfad, der eifrig gestikulierte und ihnen bedeutete, dass sie ihm folgen sollten. Nach einigen Schritten bog er ab und führte sie an eine Stelle am Fuß eines Felsens, an dem ein riesiger Bär lag. Er blutete aus dem Maul und der Schnauze, atmete aber noch in kurzen Zügen. Mit jedem Atemzug röchelte es leise.
„Der ist runtergefallen“, sagte Gran. „Ich hab seinen Schrei gehört, als er abgestürzt ist. Ich war direkt unterhalb, auf dem Pfad.“
Die Männer zogen ihre Messer und schlichen sich vorsichtig heran. Der Bär hob den Kopf und versuchte aufzustehen, brach aber alsbald wieder zusammen. Sein Versuch, ihnen brummend zu drohen, endete kläglich im röchelnden Husten, das noch mehr Schleim herauswarf. Edri näherte sich von der Rückseite, während die Anderen die Aufmerksamkeit des Bären auf sich zogen, aber keiner traute sich heran, um ihm den Todesstoß zu geben.
Es war Gran, der die Lösung fand. „Achtung“, sagte er, spannte seinen Bogen und ließ einen Pfeil aus drei Schritt Entfernung los. Er war ein guter Schütze und erwischte ihn im Nacken, knapp hinterm Kieferknochen. Der Bär zitterte kurz und lag dann still.

An diesem Abend waren alle Sorgen vergessen. Bei der Schlachtung wollten alle Hand anlegen, und niemand musste sich hungrig schlafen legen. Gran wurde für seinen Fund als großer Jäger gelobt, und sein Gesicht leuchtete mit dem Feuer um die Wette. Wie es ihm als Todesschützen zustand, bekam er das Bärenherz und das gewaltige Fell zugesprochen. Den Ahnengeistern wurde gedankt, dass sie den Menschen wieder wohlgesonnen waren. Die Männer warfen verstohlene Blicke auf Benkawar und wunderten sich. Ihm selbst fiel irgendwann an dem Abend auf, dass er jemanden lachen hören konnte, und verblüfft stellte er fest, dass er vergessen hatte, wie das klingt.

Der Winter kam, und mit ihm der Schnee. Sie zehrten von dem großen Tier und boten den Geistern ihre Opfergaben dar. Es fiel an Benkawar, die richtigen Worte zu solchen Anlässen zu finden. Aber selbst ein so großer Fang konnte sie nicht ewig satt machen. Gegen Mittwinter waren ihre Vorräte wieder leer. In den Fallen verfing sich gelegentlich ein Hase oder Huhn, in den Reusen ab und zu ein Fisch. Benkawar sorgte trotz der Proteste der hungrigen Dorfbewohner dafür, dass die Ahnengeister versorgt wurden, auf dass es ihnen nicht noch schlechter gehe. Ansonsten war das Überleben ihr Geschäft. Sie schabten Rinde von den Bäumen, um etwas zu essen zu haben. Sie schmeckte bitter und bekam ihnen nicht, da sie Magenkrämpfe davon bekamen, aber der Hunger war schlimmer. Er war ihr ständiger Begleiter, der sie unerbittlich an Körper und Seele peinigte, auch der Schlaf bot keine Flucht. Manchmal aßen sie Schneebälle oder schnitten Tierhäute in feine Streifen, die sie kauen und schlucken konnten. Sechs Kinder verloren sie in diesem Winter.

Die Tage wurden länger, und der Schnee schlich so lautlos davon, wie er gekommen war. Eines Morgens erwachte Benkawar vom schwachen, aber ständigen Klopfen an der Tür zu seiner Hütte. An der Schwelle stand Orannars Frau Schora in der Dämmerung. Schora die Schöne nannten sie sie einst, mit Augen wie schwarzen Perlen in einem Ring aus Bernstein. An diesem Morgen sah er nur das Weiße in ihren Augen, das sich hellgrau gegen den tiefen Schatten ihrer Augenhöhlen absetzte.
„Hast du Ori gesehen?“ fragte sie mit gedämpfter Stimme.
„Was ist mit ihm?“
„Er ist nicht da. Ich bin aufgewacht, und dann war er einfach weg. Ich hab‘ schon überall gesucht.“ Sie zog das dünne Fell, das sie um ihre Schultern trug, enger an sich.
„Komm rein“, bat Benkawar. „Es ist zu kalt draußen. Ich mache Feuer.“
Doch Schora wollte nicht. „Du musst mir helfen, Ben, bitte. Er war die letzte Zeit so komisch. Er sitzt nur da den ganzen Tag und will nichts mehr essen, selbst wenn wir was haben. Die Kinder sollen alles haben, meint er. Und jetzt ist er weg.“
Sie stellten einen kleinen Suchtrupp zusammen. Benkawar, Edri, Gran und zwei kleinere Jungen marschierten in den immer noch winternackten Wald, als die Sonne über die Berge emporstieg. Von einem Felsvorsprung oberhalb des Dorfes sahen sie ihre kleinen, runden Hütten, von Torf und Gras fast vollständig bedeckt, so dass sie alle wie kleine Ahnenhäuser aussahen, in denen die Toten ruhten. Rauch stieg aus ihnen auf und suchte seinen seelengleichen Weg in den wolkenlosen Himmel. In der Ferne sahen sie die Berge so weiß, dass die Augen schmerzten, scheinbar zum Anfassen nah. Benkawar ließ seinen Blick über den Kamm auf der anderen Talseite wandern, wo die Bäume noch im Schnee steckten.
Zwischen den Bäumen sah er einen hellen Flecken, der sich zwischen den Bäumen bewegte. Wahrscheinlich ein Tier, aber er kannte kein Großwild mit Winterfell. Den Umriss konnte er nicht klar erkennen, aber es war so groß wie ein Bär oder Elch. Er wollte es den Anderen zeigen, aber sie waren weitergezogen, und so blieb die Gelegenheit aus.
Der Pfad führte sie an eine Stelle, an dem der Fluss sich durch eine enge Schlucht presste, um sich dann mit großem Getöse über eine Felskante zu stürzen. Unterhalb des Wasserfalls erblickten sie ihn auf dem Bauch liegend am Ufer einer Schotterbank, den halben Kopf unter Wasser.
„Wie ist das passiert?“ fragte Edri. „Was hat er unten am Fluss gewollt, mitten in der Nacht?“
„Vielleicht … das?“, antwortete Benkawar.
Die beiden Männer schauten sich an. Edri hatte einen angewiderten Ausdruck im Gesicht. „Was soll das?“
„Er wollte nichts mehr essen und hat gesagt, die Kinder sollen alles haben. Und dann ist er heute Nacht verschwunden. Ist das so schwer zu glauben?“
„Erzähl mir nicht, was ich glauben soll“, sagte Edri und suchte mit den Jungen einen Weg die steile Böschung hinunter. Mit Hilfe der Jungen schafften sie es, den eiskalten Körper einige Ellen aus dem Wasser zu ziehen. Damit war der einfache Teil schon erledigt. Selbst ohne den Leichnam würde aber der Weg zurück auf den Pfad eine Qual werden, so schwach wie sie waren.
„Wir müssen ihn hier lassen“, sagte Benkawar. „Wir werden es nicht schaffen, ihn da hochzuziehen. Lasst uns hier eine Mulde machen und ihn zudecken. Vielleicht können wir ihn ein andermal holen.“
Edri presste die Lippen zusammen. „Du willst ihn einfach wie ein Stück Treibgut da lassen, und dann? Was willst du Schora erzählen? Er gehört ins Ahnenhaus.“
Benkawar zog ihn ein paar Schritt zur Seite, damit die Jungen nicht mithören konnten. „Vielleicht ist er einfach weitergetrieben.“
„Was ist eigentlich mit dir los? Du hast wohl Moos im Schädel“, zischte Edri zurück. „Ori war dein Cousin, und dein Freund, dachte ich. Und jetzt willst du ihn an die Fische verfüttern!“
Also schleppten sie ihn hoch, der so abgemagert war wie sie selbst und gerade deshalb so unerträglich schwer. Als sie oben am Pfad ankamen, war es schon Nachmittag. Tegwar, der kleinste der Jungen, wurde vorausgeschickt, um Hilfe zu holen, da sie alle mit ihrer Kraft am Ende waren.
Tuk brachte ein altes Fell mit, in dem sie die Leiche besser transportieren konnten.

Am Felsvorsprung überm Dorf machten sie wieder Pause. Die Leiche lag auf dem Rücken und hielt die Arme fromm an die Seiten gepresst. Das Fell war zur Seite gerutscht, und Benkawar sah Orannars Gesicht, vom Schleppen angekratzt, aber ansonsten friedlich. Sie hatten vergessen, seine Augen zu schließen. Oder vielleicht waren sie unterwegs wieder aufgegangen. Sie schienen in den Himmel zu gucken, als würde er darauf warten, die Sterne zu sehen. Zum ersten Mal seit der Schlacht weinte Benkawar, während Edri ihm mit steinerner Miene zuschaute.

Sie legten die Leiche ohne Zeremonie ins Ahnenhaus, da die Todesstarre verhinderte, dass sie den Körper in die erforderliche hockende Position bringen konnten. Nachher zogen sich die Anderen in ihre Hütten zurück, aber Benkawar blieb noch draußen, den Vollmond bewundern. Er hatte schon immer den Mond gemocht, die kleine Schwester der Sonne.

Leise Schritte holten ihn aus seinen Gedanken. Das weiße Tier war da, mitten im Dorf, und schlich anmutig zwischen den Hütten umher. Es war ein Elch, der hier und da an den torfbedeckten Wänden schnüffelte. Benkawar ging vorsichtig auf ihn zu und ließ das Tier neugierig an seiner Hand riechen. „Was bist du für ein Wesen? Bist du ein Geist?“, flüsterte er und versuchte es zu berühren. Der Elch ließ es nicht zu und zog sich zurück, aber nicht weiter als notwendig. Benkawar zitterte inzwischen vor Kälte, aber er spürte es nicht, so sehr zog ihn das Tier in seinen Bann. Fortan dachte er ständig an das wundersame Tier und wünschte sich, es wiederzusehen.

Einige Tage später wurde Orannar feierlich in die Ahnengalerie aufgenommen. Im Ahnenhaus trommelte Benkawar auf eine an einem Holzring aufgespannte Ziegenhaut, während die anderen Männer summten. Sie warfen Kräuter ins Feuer, die in den Augen brannten und ihnen die Sinne vernebelten. Von draußen drangen die Stimmen der singenden Frauen herein und vor ihm tanzten die Flammen. Er sprach zu den Geistern, und ihre Stimmen antworteten, aber er hörte nicht ihre Botschaft. Ihre Worte waren so unfassbar und flüchtig wie der Rauch. Nach und nach verstummten sie. Aus dem Feuer blieben nur noch glühende Kohlen übrig, die Frauen waren irgendwann in ihre Hütten verschwunden und die Männer schliefen ein.

Als Benkawar erwachte, sah er durch die Öffnung in der Decke das erste Licht des neuen Tages. Er hatte Durst, seine Augen brannten und sein Bauch schmerzte vor Hunger. Auf wackeligen Beinen machte er sich gerade auf, zu seiner Hütte zurückzukehren, als er den weißen Elch wieder sah, nur wenige Schritte von ihm entfernt. Er ging auf das Tier zu und blieb bewundernd vor ihm stehen.
„Psst! Ben!“ flüsterte jemand von hinten. Es war Gran, halb versteckt hinter einer Hütte, mit seinem Bogen in der Hand. Er winkte Benkawar, dass er zur Seite gehen sollte. Weiter hinten kam gerade Edri aus dem Ahnenhaus. Als er die Situation erfasst hatte, wies auch er Benkawar mit einer Handbewegung an, das Schussfeld freizumachen. Dahinter kam auch noch Korwasch aus dem Ahnenhaus und gesellte sich zu ihnen, während er sich den Schlaf und den Rauch aus den Augen rieb.
„Was macht er denn da?“, flüsterte Korwasch.
„Keine Ahnung“, flüsterte Edri zurück. „Sag ihm, er soll weggehen!“
Benkawar blieb ungeachtet des heftigen Winkens der Anderen vor dem Elch stehen. Dann richtete Gran sich auf und spannte den Bogen zum Schuss. „Nein!“ rief Benkawar und hob die Arme. Gran zuckte leicht, als er die Sehne losließ, und der Pfeil zischte an Benkawars Kopf vorbei. Der Elch prustete und machte sich trabend auf und davon. „Nochmal! Du hast ihn nur gestreift!“ rief Edri aufgebracht. Gran legte noch einen Pfeil an, aber der Elch lief schnell davon. Der nächste Schuss traf ihn am Hinterbein, schien aber keine größere Wirkung zu haben. Er lief weiter so schnell es seine langen Beine erlaubten.
Edri war außer sich vor Wut. „Was machst du denn da, du verhexter Idiot!“ Rasend gestikulierend kam er auf Benkawar zu. „Was soll das? Hast du jetzt deinen Verstand komplett verloren?“ Aus den Hütten tauchten die Frauen und Kinder auf, um zu sehen, was los war. Alle Augen waren auf Benkawar gerichtet, während die Frauen und Kinder langsam näher kamen. „Warum hast du das getan? Sag was!“, brüllte Edri.
Hilfesuchend flackerte Benkawars Blick zwischen den versammelten Leuten hin und her. Er wusste nicht, was er sagen sollte oder wollte. „Ich … es war … ein weißer Elch … “
„Ein weißer Elch!“, brüllte Edri, sprang ihn an und schlug ihm ins Gesicht. Er war alt und vom Hunger geschwächt, aber Benkawar schmeckte das Blut von seiner geplatzten Lippe. „Was soll das heißen, ein weißer Elch? Was tut das zur Sache, welche Scheißfarbe er hat? Während wir am Verhungern sind!“ Er verpasste ihm einen Fußtritt. „Du blödes Arschloch!“
Korwasch kam jetzt auch näher. „Den ganzen Winter haben wir unser Essen für deine verhexten Geister geopfert. Verbrannt. Vernichtet. Immer das Gleiche. Aber deine Brüder und Schwestern, die Kinder, wir sind dir egal.“
„Das ist nicht wahr“, verteidigte Benkawar sich. „Es ging doch um –“
„Um die Geister, ja, das wissen wir“, sagte Edri. „Sie müssen ja besänftigt werden. Aber Korwasch hat Recht. Was mit Ori war, war dir ja auch egal. Den wolltest du wieder in den Fluss schmeißen.“
„Was?“, unterbrach Schora. „Aber ihr habt ihn ja zurückgebracht?“
„Klar haben wir das“, sagte Edri, ohne den Blick von Benkawar abzuwenden. „Aber nicht, wenn es nach ihm gegangen wäre. Er wollte ihn einfach verschwinden lassen!“
Schora wandte sich an Benkawar. „Ist nicht wahr. Ben! Sag, dass das nicht wahr ist!“
Benkawar brachte nur ein Krächzen hervor. „Wir sind am Ende. Alle. Ori zu holen, hat uns fast umgebracht. Das war zu viel. Ich wollte ihn nicht verschwinden lassen, nur ein bisschen warten. Ihn da lassen, bis wir mehr Kraft haben.“
„Und lässt den Elch laufen! Mitten im Dorf, direkt vor deiner Nase! Aber jetzt reicht’s mir mit deinen bescheuerten Einfällen“, rief Edri und zog sein Messer.
Benkawar wich zurück, wollte sagen, dass sie Edri bändigen sollten, als etwas gegen seinen Kopf knallte. Er sah Schoras weinendes Gesicht. Sah, dass sie sich bückte, um noch einen Stein zu pflücken. Weda, die auch ein Wurfgeschoss suchte. Und Gran, der einen Pfeil aus seinem Köcher herauszog. Er zog sich zurück, wich einem Stein aus, den irgendjemand geworfen hatte. Schließlich drehte er sich um und rannte los, so schnell er konnte. Angst wallte in ihm auf, wie damals in der Schlacht. Steine flogen an ihm vorbei, und er erwartete jeden Augenblick, von einem Pfeil durchbohrt zu werden. Ungebremst warf er sich in den Fluss und paddelte mit Händen und Füßen. Schlotternd erreichte er das andere Ufer. Erst dann wagte er es, sich wieder umzudrehen. Seine Verfolger waren auf halbem Weg zum Fluss stehen geblieben. Für einen Augenblick keimte in ihm Hoffnung auf, dass er jetzt zurückkehren konnte, aber dann kamen noch mehr Steine geflogen. Sie landeten harmlos im Fluss, aber die Absicht war deutlich genug.
Alles, was er bei sich hatte, war ein dünnes Wams, eine Hose, Mokassins und sein Messer. Unten am Ufer konnte er seine brennenden Augen ausspülen und seinen Durst löschen. Während er trank, sah er auf einem Stein einen Tropfen Blut. Vielleicht war der Elch schwerer verletzt, als er angenommen hatte. Er beschloss, ihn aufzuspüren. Falls er ihn wiederfand, könnte das seine Rettung sein.

Die Fährte führte ihn in immer höhere Lagen. Das Fortkommen war langsam, und er fror, denn das Wetter war wolkig und kühl. Hier oben lagen noch Schneereste zwischen den Bäumen, und es dauerte nicht lange, bis er vor einer geschlossenen Schneedecke stand. Entkräftet setzte er sich hin und aß etwas Schnee gegen den Durst und den Hunger, als er jemanden kommen hörte.
Sie waren leise, wie Männer auf der Jagd es gewohnt sind, aber er hörte das leise Klappern von Holz gegen Holz von ihren Waffen. Zweifellos waren es seine Leute, die ebenfalls hinter dem Elch her waren. Was sie machen würden, wenn sie ihn fänden, wollte er lieber nicht wissen. Also schlich er sich auf und davon, weg von den Elchspuren, und achtete darauf, den Schnee zu meiden. Hoffentlich waren sie am Elch mehr interessiert als an ihm.
Hinter einem Felsvorsprung blieb er auf der Lauer. Kurz darauf kamen sie. Tuk, Korwasch, Edri und Gran. Sie machten Halt, wo Benkawar eben gesessen war. Eine Weile unterhielten sie sich angeregt, wobei sie immer wieder ihre Köpfe umdrehten und den Blick durch den Wald schweifen ließen. Dann liefen sie weiter durch den Schnee, immer den Elchspuren hinterher.
Benkawar lief weiter, blieb aber unterhalb der Schneekante, damit seine Spuren nicht so leicht zu finden wären. Sein einziges Ziel war nur noch, am Leben zu bleiben.
Das Wetter wurde kälter und ein Wind zog auf. Schneeflocken wirbelten durch die Luft. Ohne Unterschlupf würde er nicht mehr lange überleben. Die Rettung kam, als er eine steile Klamm erreichte, an deren innerem Ende ein riesiges Loch im Berg klaffte. Als er in der Öffnung stand, stellte er fest, dass die Höhle weitaus tiefer war, als er zuerst gedacht hatte, und ging hinein. Nach wenigen Schritten war der tosende Sturm nur noch ein fernes Summen. Dunkelheit umschloss ihn wie eine Decke, beruhigte ihn und machte Kälte und Hunger vergessen. Die Höhle schien kein Ende zu haben, und er ging weiter, blind, aber furchtlos.
Er dachte an Orannar mit dem sanft ruhenden Sternenblick. Genauso hatten Jarmuks Augen nach der Schlacht ausgesehen. Der Junge hatte ihn gerettet, als er um ein Haar von einem Arakier erschlagen worden wäre. Einen Augenblick lang hatte er nichts anderes gesehen als diese hässlich glänzende Lanzenspitze, die gleich in seinen Brustkorb eindringen würde, und er war zu langsam gewesen, um sie abzuwehren, würde es nicht schaffen. In seiner Erinnerung spielte sich alles ganz langsam ab. Sein Sohn hatte sich dazwischen geworfen, um die Lanze mit einem Hieb seines Schilds abzuwehren. Der Arakier hatte ihn aber kommen sehen, die Lanze blitzschnell zurückgezogen und nochmal zugestoßen. Jarmuk hatte durch seine ungestüme Bewegung seine Brust bloßgelegt, und die Lanze war bis zum Schaft in ihn eingedrungen. Benkawar hatte mit seiner Axt dem Mann das Knie und dann den Schädel zertrümmert, aber sein Sohn war zusammengesunken und auf dem Rücken liegen geblieben. In dieser Pose hatte Benkawar ihn nach der Schlacht gefunden, mit dem Blick in den Himmel und ganz friedvollen Augen, als lauschte er den zirpenden Grillen nach einem harten Tag auf den Feldern.

Die Welt war ganz still geworden. Als er zurückblickte, sah er, dass die Öffnung schon ganz entfernt zurücklag, nicht größer als sein Daumen am ausgestreckten Arm. So tief war die Stille, dass er seinen Atem und sogar seinen Herzschlag hören konnte. Immer weiter ging er hinein, und seine Erinnerungen verblassten mit dem Schwinden des Tages und der Welt jenseits der Höhle. Um ihn herum war nichts als ewige Nacht, und außer der Gewissheit seiner eigenen Gedanken schien ihm nichts mehr real, sondern nur ein seltsamer Traum, und er blickte nicht mehr zurück. Allein die Idee, dass es ein Zurück gab und dass dort etwas anderes als das lautlose Nichts zu finden sei, schien ihm fremd. Irgendein Gedanke regte sich am Rande seines Bewusstseins, aber er konnte ihn nicht festhalten. Ein weißes Tier, vielleicht, von seiner Herde verstoßen und tot auf einer Wiese, mit sanften Augen, die die Sterne beobachteten. Der Gedanke entwich ihm wieder, und er wusste nicht, was das alles ihm bedeuten sollte. Es gab nur noch seine Schritte, und auch die hörte er bald nicht mehr, und die Dunkelheit um ihn war alles, was es gab, und dann war auch die Dunkelheit zu Ende.

 

Hallo zusammen,

so, jetzt habe ich meine erste Geschichte als Beitrag zum Thema des Monats hier eingestellt. Wie ihr sehen könnt, ist dies mein erstes Posting hier um Forum, obwohl ich ich mich schon vor einem Monat angemeldet habe. Ich weiß, ein Forum lebt von der aktiven Teilnahme, und wer konstruktive Kritik hier holen möchte, sollte auch selbst bereit sein, diese zu geben. Andererseits finde ich es fair, wenn ich mich erst selbst der Kritik anderer stelle, bevor ich mir anmaße, über die Schreibe meiner Mitstreiter zu urteilen, und gelobe in diesem Punkt für die Zukunft Besserung ;).

 

Hallo hopper,

Andererseits finde ich es fair, wenn ich mich erst selbst der Kritik anderer stelle, bevor ich mir anmaße, über die Schreibe meiner Mitstreiter zu urteilen, und gelobe in diesem Punkt für die Zukunft Besserung
Also ich verstehe das nicht. Man maßt sich doch nicht an, über irgendjemanden zu urteilen. Das wäre hier im übrigen auch gar nicht erlaubt. Wir äußern uns lediglich zu den Geschichten, die hier online gestellt werden. Und auch wenn es nicht jedes Mal explizit davor steht, ist jeder Kommentar immer nur die eigene Meinung. Und die darf man getrost haben. Sollte man haben.Damit tut man auch niemanden weh. Ganz im Gegenteil, das ist Ungemein hilfreich, wenn man an sich arbeiten möchte. Und glaube mir, beim Kommentieren, wenn man also gezwungen ist, aufzuschreiben, was einem gefallen hat (oder was nicht) und woran das liegt, dabei lernt man eine ganze Menge. Also auch und insbesondere für das eigene Schreiben. Sonst bleibt es In der Regel beim Konsumieren, so aber ist man gezwungen, sich wirklich mit Text auseinanderzusetzen.
Nun, wie auch immer, ich habe deine Geschichte gelesen, und möchte dir ein kleines Feedback dalassen.

Insgesamt finde ich, dass sich die Geschichte überwiegend flüssig lesen lässt. Das Problem ist in meinen Augen, dass sie schlicht zu lang ist. Und damit meine ich nicht, dass Kurzgeschichten wirklich kurz sein müssen. Sie dürfen so lang sein, wie sie sein müssen, um Thema und Inhalt gerecht zu werden. in dieser Geschichte jedoch finde ich, dass alles unheimlich lang gezogen ist. Sehr viel Text, mit sehr wenig Inhalt, der die Geschichte vorantreibt. Irgendwann habe ich angefangen den Text zu überfliegen.
und beim überfliegen hoffte ich, endlich an die Stelle zu stoßen, die mich packt, wo ein Bruch stattfindet, etwas unerwartetes passiert, aber für meinen Geschmack ist das alles zu gleichförmig.
Teilweise sind auch etwas lahme Formulierungen drin, ich habe Dir einige wenige Stellen nur herausgepickt, um daran aufzuzeigen, was ich meine.
Wie gesagt, überwiegend flüssig geschrieben, aber was es hier braucht in meinen Augen, ist einen Element, das mit dieser Monotonie bricht, etwas, dass hier Tempo rein bringt, den Spannungsbogen nach oben zieht.

Ich würde dir auch empfehlen, noch mal den Einstieg zu überdenken:

Es war kurze Zeit, nachdem die letzte Schlacht geschlagen war, die die arakischen Barbaren von jenseits der Weißen Berge endlich vernichtete und damit den blutigen Langen Krieg beendete, als Benkawar der Vorstellung anheimfiel, ein Rama zu sein, ein Auserwählter der Ahnengeister.
das ist schon ein Brocken von Satz, den gleich an den Anfang zu setzen, halte ich für ungeschickt, weil er bestimmt schon einige Leser abschrecken wird. Natürlich darf eine Geschichte auch ruhig anfangen, gerne auch mit einer Art Prolog (so wie ich auch diesen Einstieg verstehe), aber er sollte schon so garniert werden, dass da etwas drin ist, was einen ködert. Also die Schlacht ist ja schon geschlagen. das, was wirklich interessant ist, klebt ganz hinten an diesen Satz. Ein auserwählter der Ahnengeister. Das klingt interessant. Bis man da hinkommt, musste man sich aber durch sehr viel Text Lesen. und das finde ich exemplarisch für den gesamten Text. Meiner Meinung nach, müsste der viel stärker zugeschnitten werden.

als sie einen tiefen, brüllenden Schrei hinter sich hörten.
Das ist so eine Formulierung, von der ich sprach. Weniger wäre mehr. Kann mir auch keinen dröhnenden Schrei, der tief klingt, vorstellen
r war in der letzten Zeit seltsam drauf.
sehr umgangssprachlich
ch hab seinen Schrei gehört, und dann hat’s Krach gemacht, als er abgestürzt ist.
auch diese Formulierung ist sehr umgangssprachlich
Sie schmeckte bitter und gab ihnen Magenkrämpfe,
gab ihnen Magenkrämpfe? Verbfaulheit.

Nun ja, mich hat es nicht vom Hocker gerissen. Weil, ich kann mich nur wiederholen, es einfach zu lang ist und zu wenig passiert. Ich würde den Text ordentlich straffen, und mehr auf das eigentliche Drama zuspitzen. Denke, auf die Hälfte eingedampft, könnte hier was wirklich spannendes entstehen.
Vielleicht trudeln ja noch weitere Meinungen ein.
Bis dahin viel Spaß hier im Forum und falls man sich nicht mehr liest, einen prächtigen Rutsch ins neue Jahr :)

Grüßlichst
Weltenläufer

 

Hallo Weltenläufer,

vielen Dank für deine ausführliche Post. Ja, dass die Geschichte lang geraten ist, sehe ich, und ich habe sie auch schon vor dem posten gekürzt, aber offensichtlich noch nicht genug. Da muss ich wohl härter ran. Mal sehen, wie weit ich da gehen kann.

Dass die direkte Rede umgangssprachlich klingt, ist gewollt. Sollte ich nicht versuchen, die Sprecher ungefähr so sprechen zu lassen, wie sie es in echt tun würden?

Nun ja, aber jetzt ran ans Kürzen.

Grüße
Hopper

 

Hallo Hopper

zunächst mal vorneweg: wenn ich mir nicht vorgenommen hätte, zu allen TdM-Geschichten was zu schreiben und deine die womöglich letzte ist, die noch fehlt, dann hätte ich zu deiner Geschichte wahrscheinlich nichts geschrieben.
Nicht, weil ich sie schlecht fände, sondern weil du sagst, dass du dich an dem Treiben im Forum nur als Nehmender beteiligen möchtest.

Andererseits finde ich es fair, wenn ich mich erst selbst der Kritik anderer stelle, bevor ich mir anmaße, über die Schreibe meiner Mitstreiter zu urteilen, und gelobe in diesem Punkt für die Zukunft Besserung
Du wirst doch in der Lage sein zu schreiben, ob dir eine Geschichte gefällt oder nicht und dies begründen können. Oder etwa nicht? :)

Deine Geschichte gefällt mir an sich ganz gut. Hat etwas zu viel Länge. Und erinnert mich an einen Film, den ich vor einiger Zeit gesehen habe. Da wird ein Stamm aus der Steinzeit beschrieben, wie alle damit beschäftigt sind für Nahrung zu sorgen, mit Naturriten und so. Einer wird dann auch aus der Stammesgemeinschaft ausgeschlossen. Warum weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich aber gut daran, dass eigentlich gar nicht gesprochen wird. Oder nur Laute, die man kaum als Sprache bezeichnen kann. Fast ein Stummfilm. Was aber überzeugend ist, weil wir kaum nachvollziehen können, welche Art der Verständigung damals möglich war.
Da bin ich auch bei einer der Hauptschwächen der Geschichte. Die Dialoge und die Wortwahl, die du verwendest, passt überhaupt nicht zu dem beschriebenen Umfeld. Das kling nach moderner Umgangssprache. Ich glaube einmal verwendest du sogar den Begriff "Arschloch."

Noch ein paar Stellen aus dem Text:

Und jetzt die Hunde, die überall herumlaufen. Du hast doch die Kadaver selbst gesehen. Sie kommen jetzt runter ins Tal, weil keiner mehr da ist, um sie fernzuhalten. Sie vermehren sich da oben in den Bergen, schlagen alle Tiere tot,
gehen die Hunde jetzt aufrecht, dass sie Tiere erschlagen könnten?

„Du denkst, die Wölfe sind hinter uns her?“ fragte Benkawar.
ah: es sind Wölfe?

Er zeigte auf einen kleinen, feuerroten Vogel, der auf einem Zweig saß. „Sie war ein Vogel. Genauso einer wie der da.“
glauben die an seelenwanderung?

Benkawar träumte jede Nacht vom Essen, fraß sich wie eine Made durch Berge von saftigem Fleisch. Manchmal aßen sie Schneebälle oder schnitten Tierhäute in feine Streifen, die sie kauen und schlucken konnten. Das Aufwachen war jeden Morgen eine Enttäuschung, ein Kampf durch noch einen Tag einer wertlosen, qualvollen Existenz.
das ist gut, wie du den Hunger beschreibst...

„Was ist eigentlich mit dir los? Du hast wohl Moos im Schädel“, zischte Edri zurück. „Ori war dein Cousin, und dein Freund, dachte ich. Und jetzt willst du ihn an die Fische verfüttern!“
hier so ein beispiel für dialoge, die meiner meinung nach nicht passen...

Das geisterhafte Licht machte das alles möglich, wenigstens in seinen Träumen. Er hatte schon immer den Mond gemocht, die kleine Schwester der Sonne.
klingt für mich nach gesülze... wie sieht denn geisterhaftes licht aus?

„Was machst du denn da, du verhexter Idiot!“

„Du blödes Arschloch!“

Aber jetzt reicht’s mir mit deinen bescheuerten Einfällen“,

Ein weißes Tier, vielleicht, von seiner Herde verstoßen und tot auf einer Wiese, mit sanften Augen, die die Sterne beobachteten. Der Gedanke entwich ihm wieder, und er wusste nicht, was das alles ihm bedeuten sollte.
eigentlich schön, nur: "sanfte Augen"?

Du schreibst gut und das ist eine ausgezeichnete Grundlage... die Geschichte hat so eine Melancholie. Und he: in dieser Welt wollte ich nicht leben :)

Prosit Neujahr:)
viele Grüße
Isegrims

 

Hallo Isegrims,

vielen Dank für deine ausführliche Beschäftigung mit meinem Text. Ich hatte aber nicht vor, hier nur zu "nehmen", sondern wollte und werde auch "geben". Vielleicht hätte ich damit gleich anfangen sollen.

Deine Geschichte gefällt mir an sich ganz gut. Hat etwas zu viel Länge.
Ich habe eine deutlich gekürzte Version jetzt hochgeladen.
Film, den ich vor einiger Zeit gesehen habe. ... Ich erinnere mich aber gut daran, dass eigentlich gar nicht gesprochen wird. Oder nur Laute, die man kaum als Sprache bezeichnen kann. Fast ein Stummfilm. Was aber überzeugend ist, weil wir kaum nachvollziehen können, welche Art der Verständigung damals möglich war.
Da bin ich auch bei einer der Hauptschwächen der Geschichte. Die Dialoge und die Wortwahl, die du verwendest, passt überhaupt nicht zu dem beschriebenen Umfeld. Das kling nach moderner Umgangssprache. Ich glaube einmal verwendest du sogar den Begriff "Arschloch."
Ja, die Dialoge. Das ist natürlich schwierig in so einem Fall. Zum einen hast du richtig erkannt, dass es sich technologisch um eine Steinzeitkultur handelt, andererseits habe ich der Story das Label "Fantasy" gegeben. Ich sehe das so: Die Charaktere reden ja nicht wirklich Deutsch, sondern irgendeine Fantasiesprache, die ich für meine Geschichte in Deutsch wiedergebe. Was die Charaktere sagen, muss im Kontext des Lesers passen, ohne dabei total aus dem Rahmen zu fallen, in dem die Charaktere sich bewegen. An einer Stelle heißt es "Moos im Schädel". Das war mein Versuch, einen Ersatz für "nicht alle Tassen im Schrank" oder "Schraube locker" zu finden, der in einer Welt, die weder Tassen, Schränke noch Schrauben kennt, funktioniert. Das war meiner Vorstellung nach ein Ausdruck, den ein Steinzeitmensch verstehen und auch verwenden würde.
Ich glaube auch, dass Steinzeitmenschen Schimpfwörter benutzt haben, auch der groben Sorte. Wir mögen vielleicht "Arschloch" als modern empfinden, aber ich sehe keinen Grund, warum die Menschen vor fünf- oder zehntausend Jahren nicht ihr sprachliches Äquivalent benutzt haben sollten.
ah: es sind Wölfe?
Die Inkonsistenz war ein Ergebnis einer früheren Kürzung. Da habe ich wohl den Faden verloren. Sollte jetzt erledigt sein.
glauben die an seelenwanderung?
Weiß ich nicht. Die Mutter war ihm in der Form eines Vogels im Traum erschienen.
das ist gut, wie du den Hunger beschreibst...
Danke. Ich bin froh, dass wenigstens ein paar Stellen Gefallen gefunden haben. :)
Du schreibst gut und das ist eine ausgezeichnete Grundlage... die Geschichte hat so eine Melancholie. Und he: in dieser Welt wollte ich nicht leben :)
Ich auch nicht :)

 

Hallo Hopper,

es ist jetzt schon ein paar Tage her, dass ich die erste Version Deines Textes gelesen habe, und nun habe ich mir die gekürzte Fassung zu Gemüte geführt. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, aber ich glaube, vor allem gegen Anfang hatte die Geschichte zuerst deutliche Längen. Wenn das stimmt, dann hat ihr die Kürzung jedenfalls gutgetan. Vermutlich hätte man noch konsequenter schneiden können, aber - siehe unten.

Ich lese Deine Story vor allem als eine Betrachtung über den Platz von Spiritualität in einer harten Welt. Deine Charaktere haben dazu unterschiedliche Ansichten, sind aber eigentlich alle widersprüchlich. Benkawar opfert den Ahnen und verschont den weißen Elch, aber er will Orannar am Fluss liegenlassen. Die anderen halten es umgekehrt. Ich als Atheist bin da mehr auf Seiten der Gruppe und verstehe die Geschichte daher auch als Warnung vor den Irrwegen der Religion. Wenn der Clan hungern muss, um den Göttern oder Ahnen Opfer bringen zu können, dann stimmt etwas an dem Glaubenssystem nicht. Aber das kann man natürlich auch ganz anders sehen.

Sprachlich ist das alles sehr gewandt, da gibt es nicht viel zu meckern. Es gab ja schon Kommentare zu Deinem Versuch, eine steinzeitgerechte Umgangssprache zu entwerfen; das ist tatsächlich recht schwierig, hat mich aber beim Lesen nicht groß gestört. Dein Tonfall ist ruhig bis getragen, manchmal fast elegisch, das passt gut zum Inhalt, es ist ja keine Actiongeschichte. Das ist auch der Grund, warum ich weitere Kürzungen nicht unbedingt fordern möchte. Das Schriftbild könnte etwas gerafft werden, Du gehst sehr großzügig mit Leerzeilen um und ziehst den Text damit in die Länge. Ich würde Leerzeilen auf Szenenwechsel u.ä. beschränken, dann werden diese auch stärker hervorgehoben.

Diverse Kleinigkeiten habe ich gefunden:

Die Anderen schauten ihn an,

Der Duden erlaubt zwar auch die Großschreibung, aber aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das nicht mehrheitsfähig ist. Wenn Du Dir Diskussionen ersparen willst, schreibst Du das lieber klein.

Sonst–“ sagte er und brach ab.

Leerschritt vor dem Gedankenstrich. Oder (m.E. besser) Auslassungspunkte, aber ebenfalls mit Leerschritt.

Wir müssen wieder Opfer bringenKomma um sie zu besänftigen.

Außerdem hatte er ein schönes Gefieder, das müsste den Geistern doch gefallen.

Orannar überlegte verlegen, was er sagen sollte.

Unelegante :) Dopplung.

Ich hab seinen Schrei gehört, als er abgestürzt ist.

Wie schreit denn ein Bär? Ist das überhaupt das richtige Wort, oder ist das eher ein Brüllen?

Gran wurde für seinen Fund als großer Jäger gelobt

Die Männer warfen verstohlene Blicke auf Benkawar und wunderten sich.

Sie schabten Rinden von den Bäumen, um etwas zu essen zu haben. Diese schmeckten bitter und gaben ihnen Magenkrämpfe, aber der Hunger war schlimmer.

Oder die Rinden in den Singular setzen.

Sechs Kinder verloren sie in diesem Winter.

An dieser Stelle wird mir bewusst, dass ich fast gar nichts über den Rest des Clans weiß, weil fast ausschließlich von den Männern erzählt wird. Das ist an sich okay, damit es nicht ausufert, aber dann hängen Stellen wie diese in der Luft. Z.B. weiß ich nicht mal, wie groß der Clan überhaupt ist und ob sechs Kinder jetzt viel oder wenig sind. (Sicher viel, wenn Du es schon erwähnst, aber Du weißt, was ich meine.)

Die Tage wurden länger, und der Schnee schlich so lautlos davonKomma wie er gekommen war.

Unterhalb des Wasserfalls erblickten sie ihn auf dem Bauch liegend am Ufer einer Schotterbank

"ihn" hat keinen Bezug. Die letzte Erwähnung von Orannar ist recht lange her.

Die beiden Männer schauten sich an.

An dieser Stelle ist mir nicht klar, welche beiden da gerade am Ort sind. Edri ist der eine - Benkawar ist wohl der andere, aber sein Name fällt erst deutlich später. So oder so ist unklar, warum die beiden unter sich sind, denn in der Szene davor war von Benkawar einerseits und dem Rest der Gruppe andererseits die Rede. Außerdem werden dann auch gleich wieder die Jungen erwähnt, also sind sie wohl doch nicht nur zu zweit. Ist vielleicht bei der Kürzung passiert.

Damit war der einfache Teil aber schon erledigt. Selbst ohne den Leichnam würde der Weg zurück auf den Pfad eine Qual werden, so schwach wie sie waren.

Das "aber" gehört für mich eher zum zweiten Satz, das ist sonst irgendwie schief.

Vielleicht können wir ihn wann anders holen.

Klingt ungelenk. Vielleicht "ein andermal"?

Sie hatten vergessen, seine Augen zu schließen. Oder vielleicht waren sie unterwegs wieder aufgerissen worden.

Das klingt, als würde irgendjemand an fremder Leute Lidern herumreißen. :) Vielleicht ein simples "aufgegangen"?

Einige Tage später wurde Orannar feierlich in die Ahnengalerie aufgenommen.

Er winkte BenkawarKomma dass er zur Seite gehen sollte.

„Was macht er denn da?“Komma flüsterte Korwasch.

„Nochmal! Du hast ihn nur gestreift!“Komma rief Edri aufgebracht.

Was tut das zur Sache, welche Scheißfarbe er hat?

Ihn da lassenKomma bis wir mehr Kraft haben.

Vielleicht war der Elch schwerer verletztKomma als er angenommen hatte.

Die Rettung kam, als er eine steile Klamm erreichte, an deren innerem Ende ein riesiges Loch im Berg klaffte. Als er in der Öffnung stand, stellte er fest, dass die Höhle weitaus tiefer warKomma als er zuerst gedacht hatte, und ging hinein.

und er ging weiter, blindKomma aber furchtlos.

Als er zurückblickteKomma sah er, dass die Öffnung schon ganz entfernt zurücklag, nicht größer als sein Daumen am ausgestreckten Arm.

Gern gelesen!

Grüße vom Holg ...

 

Hallo Holg,

vielen Dank für deine ausführliche Beschäftigung mit meinem Text und sorry, dass ich mich erst jetzt dazu melde. Deine Post war mir bis jetzt schlicht entgangen :(.

Erst einmal freue ich mich, wenn die Kürzung die Geschichte tatsächlich besser gemacht hat. Ich habe beim letzten Durchgehen (nach den ersten Kommentaren) gesehen, dass ich oft zu viel und zu umständlich erkläre. Dafür war ich bis dahin betriebsblind gewesen. Das war meine erste Lektion hier bei wk.de.

Was mich auch freut ist, dass du die Spannung zwischen Spiritualität und dem Kampf ums Überleben in meiner Story siehst. Genau darum ging es mir, wobei ich es offen halten wollte, ob die Opfergaben nur eine zwecklose Verschwendung von Ressourcen sind oder tatsächlich einen Einfluss haben. Immerhin ist es ja eine Art Fantasy :).

Deine vielen Verbesserungsvorschläge würde ich gerne einarbeiten, aber dazu habe ich eine praktische Frage: Sollte ich damit warten, bis die Abstimmung vorbei ist, oder ist es okay, die Korrekturen jetzt einzuarbeiten?

Beste Grüße von Hopper

 

Hallo Hopper,

Deine vielen Verbesserungsvorschläge würde ich gerne einarbeiten, aber dazu habe ich eine praktische Frage: Sollte ich damit warten, bis die Abstimmung vorbei ist, oder ist es okay, die Korrekturen jetzt einzuarbeiten?

Ich denke, es gibt keinen Grund zu warten. Wenn jemand dann für die Zwecke der Abstimmung schon die überarbeitete Fassung betrachtet, ist das ja nur zu Deinem Vorteil. Und ein "Schummeln" o.ä. ist das nicht, denn überarbeitet wurden alle Geschichten ja die ganze Zeit.

Grüße vom Holg ...

 

Hallo Hopper,

deine Geschichte hat mir eigentlich ganz gut gefallen. Sehr viele Fantasywelten lehnen sich in irgendeiner Form ans europäische Mittelalter an, da finde ich es gut, wenn sich jemand mal an ein anderes Zeitalter wagt. Es ist auch angenehm zu lesen und ich fand die Figuren gut gezeichnet. Aber irgendwas stört mich auch an dem Text. Das kann ich allerdings nur schwer in Worte fassen. Aber "irgendwas stimmt nicht" hilft dir natürlich nicht weiter, wenn du deine Geschichte überarbeiten willst, also werde ich mir Mühe geben, es irgendwie auf den Punkt zu bringen. :)

Ein paar Kritiker haben zuvor bemängelt, dass die Geschichte Längen hat, und du hast sie schon gekürzt. Es ist aber nach meinem Gefühl immer noch so, dass man vieles in der Geschichte eigentlich weglassen könnte. Das liegt aber nicht daran, dass du schwafeln würdest oder dass die einzelnen Szenen nicht interessant wären. Sondern ich habe irgendwie den Eindruck, die Geschichte will auf nichts Bestimmtes hinaus. Die läuft so vor sich hin, fängt an irgendeinem Punkt an und hört an irgendeinem Punkt auf, aber im Prinzip könnte sie auch an einer anderen Stelle anfangen oder enden und wäre immer noch eine ziemlich ähnliche Geschichte. Ich habe mich beim Lesen nicht gelangweilt, aber trotzdem fällt es mir recht schwer, Höhepunkte oder besonders kritische Momente auszumachen.

Normalerweise startet man ja beim Schreiben mit irgendeiner Idee - zum Beispiel: Ich will eine Geschichte über einen Mann schreiben, der ein Verbrechen begangen hat und Jahre später davon eingeholt wird. Und so eine Idee gibt einem eine Art roten Faden, und hilft dabei, zu entscheiden, was in der Geschichte vorkommen muss und wie die ablaufen soll. Zum Beispiel: ich muss dir Vorgeschichte meiner Figur drin haben, es muss irgendwie ans Licht kommen, was er getan hat, und dann befasse ich mich mit den Folgen dieser Enthüllung. Und die Grundidee ist eine Entscheidungshilfe dabei, was für die Geschichte relevant ist und was nicht. Die Information, dass der Protagonist massive Schulden hatte, könnte wichtig sein. Die Information, wie er seinen Kaffee trinkt, wahrscheinlich nicht.
Damit will ich nicht sagen, dass es irgendeine objektive Methode gibt, um rauszufinden, was in eine Geschichte hineingehört. Scheinbar unwichtige Details machen manchmal ganz viel für die Wirkung aus, und was ein Leser für überflüssig hält, findet ein anderer vielleicht grade besonders toll, weil es ihn an irgendwas erinnert.
Aber bei den meisten Geschichten kann ich halt als Leser die Grundidee erkennen und hinterher in der Regel in einem Satz zusammenfassen. Bei deiner Geschichte fällt mir das schwer. Ich erkenne Themen, aber dieser rote Faden fehlt mir irgendwie.
Dein Protagonist Benkawar ist der Meinung, dass Opfer an die Ahnengeister notwendig sind, um das Schicksal seines Dorfes zum Besseren zu wenden, und die anderen Dorfbewohner sehen das nicht so. Der Konflikt schaukelt sich so sehr hoch, dass er aus seiner Gemeinschaft ausgestoßen wird. Und dann wandert er in eine Höhle und stirbt dort wahrscheinlich. Und wie gesagt, das ist alles gut geschrieben und ich habe es nicht ungern gelesen. Aber ich frage mich halt: Was willst du mir eigentlich damit sagen?

Wenn es tatsächlich um diesen Punkt geht, dass religiöse Vorstellungen schädlich sein können, was Holg angesprochen hat, dann ist es mir persönlich zu uneindeutig, ob das tatsächlich nur Vorstellungen sind im Kontext der Geschichte. Es handelt sich ja schließlich um ein Fantasy-Setting - soweit ich weiß, könnte der weiße Elch tatsächlich ein Wesen aus der Geisterwelt sein. Also wenn der Punkt, auf den die Geschichte hinaus will, sowas wäre wie "ein Mann verfällt dem religiösen Wahn und verscherzt es sich dadurch mit all seinen Freunden", dann hätte ich erwartet, dass am Ende deutlich rauskommt, dass es sich bloß um einen Albino-Elch handelt.
Die Geschichte könnte natürlich auch auf was anderes hinauswollen. Vielleicht "ein Dorf von engstirnigen Materialisten wendet sich gegen den einzigen, der noch an eine höhere Ordnung glaubt, und ignoriert alle Hinweise, dass sie damit den Zorn ihrer Ahnen auf sich ziehen". :) Dann würde ich am Schluss eher darauf warten, dass den Männern, die den Elch jagen, etwas Übernatürliches zustößt.

Aber es passiert nichts von alledem. Benkawar erinnert sich an die Schlacht, bei der sein Sohn ums Leben gekommen ist, und dann ist Schluss.
Natürlich dürfen Geschichten auch Dinge offen lassen und verschiedene Interpretationsmöglichkeiten anbieten. Aber in dem Fall stört mich diese Uneindeutigkeit schon irgendwie.
Vielleicht liegt das daran, dass die Geschichte außer Acht lässt, wie Religionen funktionieren. Damit meine ich: Diese Vorstellung, dass es Ahnengeister gibt, und dass man die mit Opfern besänftigen kann, die hat der Benkawar doch nicht erfunden. Die gab es offensichtlich schon vorher, und man würde eigentlich erwarten, dass die Dorfbewohner diese Ideen teilen. Woher sollen die kommen, wenn sie nicht von Generation zu Generation weitergegeben wurden?
Klar, wenn einer von einen Tag auf den anderen sagt: Hey, lasst uns doch mal einen Teil unseres Essens verbrennen, dann dürfte das Irritation auslösen. Aber wenn man mit der Vorstellung aufgewachsen ist, dass das den Ahnen zusteht, dann dürfte es theoretisch nicht ungewöhnlich erscheinen - dann würde wahrscheinlich eher derjenige zum Außenseiter, der sagt: es ist nicht genug da, essen wir das lieber selbst, anstatt es zu opfern. Zumindest ist das im Fall von real existierenden Religionen so. In schlechten Zeiten werden die Menschen in der Regel eben nicht weniger religiös, sondern klammern sich eher noch stärker an Traditionen und Heilsversprechen.
Da kannst jetzt sagen: Das ist ja auch keine real existierende Religion, und natürlich ist das ein Argument. Das ist ja gerade ein Merkmal von Fantasy, dass eben nicht alles so funktionieren muss wie in der realen Welt. Und ich fand, das ist schon ein interessanter Twist, dass der Gläubige praktisch allein dasteht und die anderen ihn quasi im Namen der Rationalität aus dem Dorf verbannen. :)
Aber du schreibst ja trotz allem nicht über irgendeinen Stamm von seltsamen Wesen mit einer fremdartigen Psychologie, sondern über Menschen, und das heißt, ich darf schon mit Recht erwarten, dass die auch wie Menschen ticken. Und die Gruppendynamik finde ich halt doch schwer nachvollziehbar, das kippt mir zu abrupt von "Benkawar hört die Stimmen der Ahnen" zu "Benkawar ist ein blödes Arschloch". :p
Du zeigst zwar Szenen, die das Umschlagen der Stimmung ein bisschen erklären, wie zum Beispiel, dass er Orannars Leiche zurücklassen will. Aber in dem Fall hat Benkawar ja eigentlich die Vernunft auf seiner Seite - dass sie zu schwach und ausgehungert sind für solche Kraftakte, ist ja ein Fakt. Und die anderen argumentieren an der Stelle emotional und appellieren an die Traditionen. Das heißt ausgerechnet an der Stelle, an der Benkawar die Sympathien der anderen verspielt, sind quasi die Rollen vertauscht.

Na ja, deine Geschichte hat nach der Überarbeitung vielleicht keine Längen mehr, aber dieser Kommentar ganz sicher. :) Tut mir leid, ich weiß nicht, ob dir das weiterhilft. ich finde es immer schwierig, wenn ich bei einer Geschichte nur so ein Bauchgefühl habe, das irgendwas nicht ganz rund ist, das in einem Kommentar rauszuarbeiten. Ich kann dir auch nicht sagen: Das und das müsste anders sein, damit die Geschichte für mich richtig klickt. Es wird wahrscheinlich auch Leser geben, die gerade die Mehrdeutigkeit und Offenheit für verschiedene Interpretationen an der Geschichte gut finden.

Na ja, dafür bekommst du zum Schluss noch ein paar Textanmerkungen, die sind einfacher. :)

Die arakischen Barbaren waren in ihre Heimat jenseits der Weißen Berge geflohen und hatten ein zerstörtes Land und ein hungerndes Volk zurückgelassen.
Hmm... Barbaren ist meistens ein Schimpfwort einer hochentwickelten Zivilisation für Völker, die noch ein einfacheres, "wilderes" Leben führen. Wenn alle Konfliktparteien auf einem steinzeitlichen oder bronzezeitlichen Level sind, passt das nicht so ganz nach meinem Gefühl.

Und Kriege auf diesem Level zerstören auch nicht wirklich das Land. Es sterben zwar viele Menschen (auf die Bevölkerungsgröße gerechnet wohl tendenziell mehr als in Kriegen zwischen "höher entwickelten" Gesellschaften), aber so was wie Bomben, Entlaubungsmittel, Giftgas etc. kommen da nicht zum Einsatz. Gut, sie könnten Dörfer niederbrennen, schätze ich. Aber großflächige Zerstörung anrichten eher nicht.

Wir müssen wieder Opfer bringen um sie zu besänftigen.“
Komma nach bringen

Tuk legte seine Hand auf Grans Schulter und rüttelte sanft.
Rütteln ist nicht sanft, das ist für mich was man tut, wenn man jemanden aufwecken will, nicht trösten. Tätscheln passt glaube ich am besten.

Orannar überlegte verlegen, was er sagen sollte.
Finde ich nicht optimal vom Klang her, mit zweimal "leg" drin. "Überlegte lange" würde z.B. auch passen.

Gran wurde für seinen Fund als großen Jäger gelobt, und sein Gesicht leuchtete mit dem Feuer um die Wette.
großer

Die Männer warfen gestohlene Blicke auf Benkawar und wunderten sich.
verstohlene

Sie schabten Rinden von den Bäumen, um etwas zu essen zu haben. Sie schmeckte bitter und gab ihnen Magenkrämpfe, aber der Hunger war schlimmer.
Ob du da Einzahl oder Mehrzahl von "Rinde" verwendest, ist egal, aber der nächste Satz bezieht sich darauf, das müsste übereinstimmen.

Sie legten die Leiche ohne Zeremonie ins Ahnenhaus, da die Todesstarre verhinderte, dass sie den Körper in die erforderliche hockende Position bringen konnten.
Totenstarre tritt doch eigentlich immer auf und hört dann irgendwann wieder auf, deshalb kann man damit Todeszeitpunkte eingrenzen und so. Das heißt, das sollte eigentlich kein Hindernis sein, wenn die Totenstarre vorbei ist, könnten sie ihre gewohnte Zeremonie durchführen.

Einige Tage später wurde Orannar feierlich in die Ahnengalerie aufzunehmen
aufgenommen

Grüße von Perdita

 

Hallo Perdita,

wow, da hast du dich ja hingesetzt und meine Geschichte wirklich gründlich analysiert. Ich danke dir herzlich für die Zeit, die du darin investiert hast, das war nicht mal eben nebenbei getan. :)
Umso mehr, weil du mit deiner Kritik ins Schwarze triffst und es auf einen Punkt bringst, den ich selbst noch nicht so gesehen hatte, aber absolut richtig ist:

die Geschichte will auf nichts Bestimmtes hinaus.
Das ist, wie ich jetzt sehe, das grundlegende Problem mit der Geschichte. Ich habe auch gezweifelt, ob ich sie hier überhaupt hochladen soll. Trotzdem habe ich es getan, weil ich sie nun mal für das TdM geschrieben hatte. Die Idee dazu war schon älter, und die ersten paar Absätze davon lagen schon seit Monaten in der Schublade. Als ich die Ausschreibung gesehen hatte, dachte ich, das kommt wie bestellt, und habe sie fertig geschrieben.
Normalerweise startet man ja beim Schreiben mit irgendeiner Idee
Die Idee war eigentlich ein Bild, das mich faszinierte, und zwar die Schlussszene: Ein Mann verschwindet in eine Höhle im Glauben (oder zumindest in der Hoffnung), dort seinen Göttern oder Ahnengeistern oder was auch immer endlich zu begegnen, an die er immer geglaubt hat, aber deren Existenz sich nie nachweisen ließ. Je tiefer er kommt, umso mehr fließen Traum und Realität, Leben und Tod ineinander, und am Ende kommt, öh, das Ende. Bis dahin sollte alles darauf hinauslaufen, dass die Geister zumindest plausibel, aber ambivalent wirken sollten. Er sollte gewissermaßen mit seinen Vorstellungen im Kopf in die Höhle gelockt werden. Aber ich konnte die Grundidee nicht weiter ausarbeiten, ohne die eine oder die andere Erklärung explizit zu bevorzugen: Entweder ist da tatsächlich ein Geist, dem er nachjagt, oder es ist nur ein Tier. Aber warum sollte ein Elch in eine Höhle verschwinden? Also habe ich das Ende angepasst. Der Elch geht einen Weg, Benkawar einen anderen, und findet am Ende in der Höhle Schutz.
Diese Intention kommt in der Geschichte gar nicht heraus, dafür ist sie zu lang und die Schlusssequenz zu kurz, und außerdem ist sie inhaltlich gar nicht mehr mit der Geschichte verbunden. Das Ende ergibt sich nicht zwingend aus dem Vorangegangenen. Und so bleibt es eine Geschichte ohne Kern oder wirkliche Aussage, und das, was eine Schlusspointe darstellen sollte, bleibt nur ein Anhang.
Aber bei den meisten Geschichten kann ich halt als Leser die Grundidee erkennen und hinterher in der Regel in einem Satz zusammenfassen. Bei deiner Geschichte fällt mir das schwer. Ich erkenne Themen, aber dieser rote Faden fehlt mir irgendwie.
Das hatte ich nicht deutlich genug vor Augen. Im Grunde habt ihr beide, Holg und du, das schon angesprochen. Ich würde sagen, ich wollte die Spannung zwischen einer Spiritualität, die irgendwann zum Selbstzweck wird, und den materiellen Bedürfnissen der Menschen zeigen. „Zeigen“ klingt irgendwie unentschlossen, aber die Zweideutigkeit ist an der Stelle gewollt. Das sehe ich persönlich nicht als ein Problem mit der Geschichte, wohl aber der fehlende rote Faden, wie du sagst. Es ist nicht genug Handlung darin, nicht genug Story. Vielleicht liegt es daran, dass alles, was vorher passiert, für mich beim Schreiben nur ein Vehikel war, um auf das Ende in der Höhle zuzusteuern. Und weil ich mich nicht genug um die Story gekümmert habe, bleibt das Ergebnis blutleer und unbefriedigend.
Diese Vorstellung, dass es Ahnengeister gibt, und dass man die mit Opfern besänftigen kann, die hat der Benkawar doch nicht erfunden. Die gab es offensichtlich schon vorher, und man würde eigentlich erwarten, dass die Dorfbewohner diese Ideen teilen. Woher sollen die kommen, wenn sie nicht von Generation zu Generation weitergegeben wurden?
Klar, das sagt Benkawar ja auch explizit. Die Idee war, dass die Menschen aufgrund von Krieg und Hunger ihre alten Praktiken aufgegeben haben, weil die Not zu groß wurde. Jetzt, da der Krieg zu Ende ist, fordert er die Rückkehr zu den alten Bräuchen. Aber die Menschen sehen nicht ein, warum sie es tun sollen, wenn sie immer noch hungern. Du hast natürlich einen Punkt, wenn du sagst, dass die Menschen gerade in schlechten Zeiten sich an Traditionen halten. Aber ich frage mich, ob das noch immer so ist, wenn die Traditionen materielle Opfer verlangen, aber es gleichzeitig ums nackte Überleben geht.
Und die Gruppendynamik finde ich halt doch schwer nachvollziehbar, das kippt mir zu abrupt von "Benkawar hört die Stimmen der Ahnen" zu "Benkawar ist ein blödes Arschloch". :p
Den Schuh muss ich mir anziehen. Es hätte eigentlich ein Mittelteil zwischen dem Bärenfund und dem Leichenfund reingemusst, in dem die im Laufe des Winters zunehmend schlechte Stimmung gezeigt wird. Den ganzen Winter habe ich aus Zeit- und Längengründen nur in einem Absatz abgebacken, und so kam der Wechsel natürlich sehr plötzlich.
Du zeigst zwar Szenen, die das Umschlagen der Stimmung ein bisschen erklären, wie zum Beispiel, dass er Orannars Leiche zurücklassen will. Aber in dem Fall hat Benkawar ja eigentlich die Vernunft auf seiner Seite - dass sie zu schwach und ausgehungert sind für solche Kraftakte, ist ja ein Fakt. Und die anderen argumentieren an der Stelle emotional und appellieren an die Traditionen. Das heißt ausgerechnet an der Stelle, an der Benkawar die Sympathien der anderen verspielt, sind quasi die Rollen vertauscht.
Das finde ich wiederum gar nicht so abwegig. Orannar ist, obwohl er tot ist, den Menschen im Dorf immer noch näher als irgendwelche Geister, die scheinbar immer fordern, aber selbst nicht liefern. Sie schätzen ihr Bedürfnis, ihren Bruder/Mann/Freund etc. würdevoll beizusetzen, höher ein als die Notwendigkeit, solch treulose Geistergesellen zu befriedigen :p.
Na ja, dafür bekommst du zum Schluss noch ein paar Textanmerkungen, die sind einfacher. :)
Und danke auch dafür. Deine und Holgs Verbesserungsvorschläge kommen als nächstes dran.

Beste Grüße und einen schönen Sonntag
Hopper

 

Hallo Hopper,

leider hast du es bei mir sehr schwer, mich mit einer Geschichte aus der Abteilung Fantasy und Seltsam zufrieden zu stellen, denn das ist so überhaupt nicht mein Ding. Da ich mir aber zum Prinzip gemacht habe, alle ! 41 Geschichten zu lesen und zu kommentieren, ist natürlich auch deine dran.

Was mir gefallen hat, ist die Atmosphäre, die du in der Geschichte schaffst, dieses Volk, die Kargheit, die Ärmlichkeit, der Hunger, das Grobschlächtige und die Winterlandschaft, der Schnee. Das fand ich gut geschrieben.

Was mir aber gar nicht gefallen hat, war der Plot. Ich habe nicht verstanden, was du damit aussagen wolltest. Wenn Benkawar wenigstens sich nicht nur, wie du es anfänglich beschreibst, um die Opfergaben an die Ahnen gekümmert hätte, sondern auch alles dafür getan hätte, dass der Tote ins Ahnenhaus gelangt, dann hätte ich es noch so verstehen können, dass dieser Mann versucht, die Tradition in seinem fast verschwindenden Volk am Leben zu erhalten. Dann aber hätte er auch deutlicher machen müssen, dass der weiße Elch etwas Besonderes ist, was man unbedingt schützen muss. Dann wäre ER derjenige gewesen, der die Fährte des Elchs verfolgt hätte und beim sog. Showdown vom Pfeil getroffen worden wäre. Ein zwar sehr vorhersehbarer Plot, aber immerhin mit einer gewissen Logik versehen.
So aber läuft das hier quer. Er verhält sich nicht so, wie man es von ihm erwartet hätte, aber es erschließt sich keine neue Begründung. Neue überraschende Wendungen sind immer gut, aber nicht um der Wendung Willen. Ich finde, auch bei einer Fantasy-Geschichte muss die Handlung in sich logisch sein.
Das ist sie hier nicht und dazu gehört auch, dass du so ein sonderbares Ende geschrieben hast. Ich dachte ja noch für eine Weile, dass der Elch auch Schutz in der Höhle gesucht hat und er ihm dort nun helfen kann. Aber so? Wozu dieses sonderbare Ende? Hattest du keine Lust mehr?

Mittendrin in deiner Geschichte ist dann noch so ein Satz, der mich irritierte, weil ich nicht verstand, weshalb du hier in den Zeitraffer gehst. Bis dahin hast du in aller Breite dargestellt, wie dieses Volk lebt, welche Probleme es hat und nun dies hier:

Benkawar zitterte inzwischen vor Kälte, aber er spürte es nicht, so sehr zog ihn das Tier in seinen Bann. Fortan dachte er ständig an das wundersame Tier und wünschte sich, es wiederzusehen.
Dieses "fortan"...das passt hier nicht.

Noch ein wenig Textkram:

„Sie sind hinter allem, was sie jagen können“,
her, Sie sind hinter allem her, was sie jagen können.

Mit jedem Atemzug röchelte es leise.
röchelte er, der Bär.

und verblüfft stelle er fest
stellte.


Lieben Gruß

lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Hopper,
ich lese nur noch sehr selten Fantasy, habe früher viel davon verschlungen und irgendwann gemerkt, dass mich die Thematik zusehends langweilt. Insofern habe ich mich bei deiner Geschichte, als es darum ging alle TdM-Stories zu lesen, ein bisschen geziert und sie vor mir hergeschoben. Ich hatte einfach keinen Bock auf Elfen und Orks ;)...

Als ich sie dann letzte Woche gelesen habe, war ich positiv überrascht und von ein paar Elementen abgesehen ist nicht besonders viel Fantasie drin. Das könnten vom Setting her ebenso gut Indianer sein und schon liefe das Ganze auch gut unter Historik.

Ich habe die Geschichte gern gelesen, und sie hätte auf jeden Fall mehr Stimmen verdient, als du derzeit bekommen hast. Nein, ganz ehrlich, du hast eine schöne Art zu erzählen, ich war gleich drin im Text und konnte trotz einer relativ großen Personaldecke gut folgen. Die anderen Kommentare habe ich nur überflogen, aber im Gegensatz zu dem ein oder anderen hier mangelt es mir weder an Spannung noch finde ich Benkawars Handlungen unlogisch, was aber möglicherweise daran liegen kann, dass ich die überarbeitete Fassung der Geschichte gelesen habe.
Mich hattest du auf jeden Fall von Anfang bis Ende in deiner Welt drin. Dafür ein Kompliment.

Um ein bisschen zu meckern ;): Vielleicht ist das den Kürzungen zum Opfer gefallen, aber ich hätte als Leser gern noch ein bisschen mehr über Oris Konflikt vor seiner Tat gelesen. Hier finde ich auch die Lösung, dessen Wandlung nur kurz von seiner Frau erzählen zu lassen zu knapp. Spannend wäre hier gewesen, Benkawars Gefühle und Reaktion auf diese Wandlung deutlicher mitzubekommen. Dadurch wäre auch der Konflikt am Fluss dann noch deutlicher herausgezeichnet.

Zum Schluss noch etwas Textkram:

Edri schaltete sich ein. „Die Wölfe haben sie geholt. Und Berglöwen. Und jetzt die Hunde, die überall herumlaufen. Du hast doch die Kadaver selbst gesehen.“
„Sie sind hinter allem, was sie jagen können“, sagte Korwasch. „Was sie uns noch übrig lassen, ist zu wenig. Wir müssen sie jagen. Vertreiben. Töten. Sonst –“ sagte er und brach ab.
Ich bin selbst Hundehalter, aber wenn sie so einen Hunger haben, warum essen sie dann nicht... machen Sie in China doch auch ;)... Nein, den Bären fressen sie ja auch. Scheint mir einfach ein bisschen unlogisch, dass sie nicht die Raubtiere jagen.

Sie schmeckte bitter und gab ihnen Magenkrämpfe, aber der Hunger war schlimmer.
Das gab ihnen klingt hier ein bisschen schief, eventuell wäre „und führte zu Magenkrämpfen“ besser, wobei das sehr formal klingt. Also vielleicht in die Richtung:
Sie schmeckte bitter und jeder im Dorf wusste, dass die Folge furchtbare Magenkrämpfe waren, aber der Hunger war schlimmer.

„Um die Geister, ja, das wissen wir“, sagte Edri. „Sie müssen ja besänftigt werden. Aber Korwasch hat recht.
nach neuer Rechtschreibung hat Korwasch Recht. ;)

Gern gelesen!

LG svg

 

Hallo lakita,

vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar. Schön, wenn dir die Atmosphäre und das Setting gefallen haben. Du bemängelst aber den Plot und bist damit nicht allein. Wie ich schon weiter oben ausgeführt habe, sehe ich ein, dass die Story zu kurz gekommen ist. Es passiert zu wenig zwischen den Menschen in diesem Dorf, bis es auf einmal kracht und der Prot ausgestoßen wird. Ich glaube, wenn viele das Verhalten des Prots als unlogisch empfinden, liegt es zum Teil daran, dass der Konflikt nicht vorher deutlich gemacht wird. Da könnte ich nochmal nachlegen, indem ich z.B. den langen, harten Winter nicht in einem einzigen Absatz abhandle, sondern darauf eingehe, was die einzelnen Charaktere in dieser Zeit bewegt, was letztendlich zum Showdown führt. Ich denke, dann könnte eine halbwegs runde Geschichte daraus werden.

Hallo svg,

vielen Dank auch dir für die netten Worte. Mit Fantasy geht es mir ein bisschen ähnlich wie dir, immer Orks und Elfen sind auf Dauer auch nicht mein Ding. Andererseits sind die Figuren in dieser Story weder Indianer noch das Volk vom Ötzi, sondern leben in einer rein fiktiven Welt, also fände ich das Label "Historik" auch nicht passend ;).

Vielleicht ist das den Kürzungen zum Opfer gefallen, aber ich hätte als Leser gern noch ein bisschen mehr über Oris Konflikt vor seiner Tat gelesen.
Ich denke, das geht in die gleiche Richtung wie das, was andere weiter oben gesagt haben: Die Konflikte kommen in der Geschichte zu kurz. Es werden eigentlich nur episoden geschildert, ohne dass sie durch einen Handlungsbogen plausibel miteinander verknüpft werden, die das Handeln erklären. Diesen Zwischenraum mit Leben zu füllen, würde die Geschichte nachvollziehbarer machen, aber auch deutlich in die Länge ziehen.

Die Rechtschreibfehler werde ich beheben. Und last but not least: Besten Dank für dein Kompliment! :)

Viele Grüße
Hopper

 

Hallo Hopper,

ich schreibe mal mit.

Er hielt den toten Vogel ein Stück über dem Feuer, um ihn etwas abzutrocknen.
Gran hatte bald eine hübsche Sammlung Holz zusammen, so dass sie ein ordentliches Feuer bauen konnten, das lichterloh brannte. Benkawar hielt den Fasan über dem Feuer und sprach ein paar Worte:

Das ist eine unschöne Widerholung. Zudem erscheint sie mir grammatikalisch zumindest fragwürdig. Intuitiv hätte ich jetzt gesagt, es müsste "Er hielt den toten Vogel ein Stück über das Feuer." heißen. Außerdem ist mir eine "hübsche" Sammlung zu umgangssprachlich.


Der Duft des garenden Fleisches erinnerte die Männer wieder an ihren Hunger.

Wenn der Vogel mitten im Feuer liegt, würd ich eher vermuten, dass es verbrannt riecht, und das wäre doch eher weniger appetitmachend, oder?

und bald begegneten sie Gran auf dem Pfad, der eifrig gestikulierte und ihnen bedeutete, dass sie ihm folgen sollten.

Es klingt, als wäre es der Pfad, der eifrig gestikuliert.

Die Männer mochten ungefähr die halbe Strecke ins Dorf zurückgelegt haben, als sie einen tiefen Schrei hinter sich hörten.

Ich frage mich gerade: Würde ein Bär wirklich schreien? Ist "Schrei" hier das richtige Wort?

Sein Versuch, ihnen brummend zu drohen, endete kläglich im röchelnden Husten, das noch mehr Schleim herauswarf.

Noch mehr als was? Du hast vorher nicht einmal erwähnt, dass der Bär Schleim ausspuckt.

Er war ein guter Schütze und erwischte ihn im Nacken, knapp hinterm Kieferknochen.

"hinter dem" fänd ich schöner. "hinterm" klingt so salopp.

Sie schmeckte bitter und bekam ihnen nicht, da sie Magenkrämpfe davon bekamen, aber der Hunger war schlimmer.

Ein Fall von falscher Kausalität. Die Tatsache, dass sie von der Rinde Magenkrämpfe bekommen, ist ja nicht der Grund dafür, dass sie ihnen nicht bekommt, sondern ein Symptom dessen. Ich würde den Nebensatz mit den Magenkrämpfen einfach weglassen. Es ist sowieso nicht wichtig, in wiefern genau ihnen die Rinde nicht bekommt, das kann ich mir als Leser auch selbst ausmalen.

Manchmal aßen sie Schneebälle

Ich bin kein Survivalspezialist, aber gesund kommt mir das nicht vor. Provoziert man so nicht geradezu Magengeschwüre?

Eines Morgens erwachte Benkawar vom schwachen, aber ständigen Klopfen an der Tür zu seiner Hütte.

Das Wort gefällt mir da nicht. Klingt ein bisschen so, als würde es jeden Morgen an seiner Tür klopfen und nur heute bemerkt er es ausnahmsweise mal.

An der Schwelle stand Orannars Frau Schora in der Dämmerung.

Kann getrost weg. Klingt auch nicht gut in diesem Satz, sogar ein wenig falsch.

Schora die Schöne nannten sie sie einst

Vorvergangenheit.
An diesem Morgen sah er nur das Weiße in ihren Augen, das sich hellgrau gegen den tiefen Schatten ihrer Augenhöhlen absetzte.

Klingt etwas merkwürdig. Du willst wahrscheinlich ihre Erschöpfung und/oder ihre Sorge zum Ausdruck bringen, aber sie müsste doch trotzdem noch Pupillen haben?

Ich bin aufgewacht, und dann war er einfach weg.

Durch das "dann" klingt es so, als wäre er im ersten Moment, da sie aufgewacht ist, noch da gewesen und dann ganz plötzlich verschwunden. Ich vermute aber mal, du willst ausdrücken, dass er vorher schon weg war.

Benkawar, Edri, Gran und zwei kleinere Jungen marschierten in den immer noch winternackten Wald, als die Sonne über die Berge emporstieg.

"als" klingt so plötzlich. Da es ja aber wahrscheinlich eine Weile dauert, bis die Sonne es endlich geschafft hat, über die Berge emporzusteigen, fänd ich "während" hier besser.

In der Ferne sahen sie die Berge so weiß, dass die Augen schmerzten, scheinbar zum Anfassen nah.

Versteh ich nicht. Also die Formulierung. Und das "zum Anfassen nah".

Zwischen den Bäumen sah er einen hellen Flecken, der sich zwischen den Bäumen bewegte.

Ein Teilsatz ist auf jeden Fall redundant.

Wahrscheinlich ein Tier, aber er kannte kein Großwild mit Winterfell.

Previously on Game of Thrones ...

Jetzt nochmal der ganze Absatz:

Zwischen den Bäumen sah er einen hellen Flecken, der sich zwischen den Bäumen bewegte. Wahrscheinlich ein Tier, aber er kannte kein Großwild mit Winterfell. Den Umriss konnte er nicht klar erkennen, aber es war so groß wie ein Bär oder Elch. Er wollte es den Anderen zeigen, aber sie waren weitergezogen, und so blieb die Gelegenheit aus.

Drei von vier Sätzen mit mehr oder weniger identischer Satzstruktur, den Nebensatz jedes Mal mit "aber" einleitend. Klingt nicht so toll.

Also schleppten sie ihn hoch, der so abgemagert war wie sie selbst und gerade deshalb so unerträglich schwer.

Das ist ein merkwürdiger Satz. Grammatikalisch funktioniert er nicht und inhaltlich ... nun, ich denke mal, ich weiß, was du sagen willst, aber so richtig deutlich wird es nicht.

Leise Schritte holten ihn aus seinen Gedanken. Das weiße Tier war da, mitten im Dorf, und schlich anmutig zwischen den Hütten umher. Es war ein Elch, der hier und da an den torfbedeckten Wänden schnüffelte. Benkawar ging vorsichtig auf ihn zu und ließ das Tier neugierig an seiner Hand riechen. „Was bist du für ein Wesen? Bist du ein Geist?“, flüsterte er und versuchte es zu berühren. Der Elch ließ es nicht zu und zog sich zurück, aber nicht weiter als notwendig. Benkawar zitterte inzwischen vor Kälte, aber er spürte es nicht, so sehr zog ihn das Tier in seinen Bann. Fortan dachte er ständig an das wundersame Tier und wünschte sich, es wiederzusehen.

Ein merkwürdiger Bruch am Ende. Die Begegnung mit dem Tier scheint noch gar nicht vorbei und plötzlich ... nun, ist sie vorbei. Diese Stelle wirkt sehr unfertig.

Er lief weiter so schnell es seine langen Beine erlaubten.

Das klingt, als wären seine langen Beine eine Behinderung. Ist das so?

Er war alt und vom Hunger geschwächt, aber Benkawar schmeckte das Blut von seiner geplatzten Lippe.

Das eine scheint mir mit dem anderen nichts zu tun zu haben.

Was mit Ori war, war dir ja auch egal.

Haben Edri&Co Benkawar nicht um Ori weinen sehen?

Sah, dass sie sich bückte, um noch einen Stein zu pflücken.

Blumen pflückt man. Steine eher nicht.

Zweifellos waren es seine Leute, die ebenfalls hinter dem Elch her waren. Was sie machen würden, wenn sie ihn fänden, wollte er lieber nicht wissen.

Wer ist jetzt "ihn"? Der Elch oder Benkawar?
Dann liefen sie weiter durch den Schnee, immer den Elchspuren hinterher.
Benkawar lief weiter

Wieder eine unschöne Wiederholung.

Einen Augenblick lang hatte er nichts anderes gesehen als diese hässlich glänzende Lanzenspitze, die gleich in seinen Brustkorb eindringen würde, und er war zu langsam gewesen, um sie abzuwehren, würde es nicht schaffen.

Kann weg.

als lauschte er den zirpenden Grillen nach einem harten Tag auf den Feldern.

Ich würde das "zirpenden" weglassen. Jeder weiß, was für ein Geräusch Grillen machen.

So, jetzt bin ich durch. Ich hab mir die anderen Kommentare noch nicht durchgelesen, womöglich wiederhole ich jetzt also einiges, was schon erwähnt wurde. Trotzdem, hier sind meine Eindrücke:

Ich bin etwas zwiegespalten. Einerseits gelingt es dir, durch die vielen Details eine glaubhafte Welt entstehen zu lassen, oder besser: einen glaubhaften Mikrokosmos, der aus dem Dorf und den umliegenden Wäldern und Bergen besteht. Andererseits geht dadurch aber auch einiges an Dynamik verloren.

Dynamik ist sowieso so ein Stichwort. Da mangelt es nicht nur aufgrund zahlreicher Details, sondern auch weil du zu weit ausholst. Den Anfang, wo die Jäger im Wald am Lagerfeuer sitzen, ihren Weg fortsetzen, schließlich einen Bären erlegen, das kommt mir alles vor wie unnötiger Ballast. Mir scheint, mit Oris Verschwinden zu beginnen, wäre ein besser Einstieg gewesen, denn dann hätte sich dein Protagonist sofort mit einem handfesten Problem auseinandersetzen müssen. Sicher, die Ernährung des Dorfes ist auch ein Problem, aber eher ein grundsätzliches, eines, das die Situation definiert, in der sich die Leute befinden. Aber genau darauf stürzt du dich die ganze Zeit. Es geht immerzu um den kaum zu stillenden Hunger der Dorfbewohner. Das ist aber kein wirklich geschickt gewähler Fokus, finde ich. Die Ernährung des Dorfes ist einfach nicht besonders spannend, und auch nicht besonders zielführend, so scheint mir. Am Ende geht es ja dann vor allem um Benkawar und seinen Sohn, aber das wurde vorher fast gar nicht thematisiert, nur ganz am Anfang mal. Ja, mir fehlt da einfach der Fokus in der Geschichte, das Spannende.

Die Stelle, an der Benkawar von seinen eigenen Leuten verjagt wird, kommt mir zudem nur wenig glaubhaft vor. Ganz unvermittelt explodieren da die Emotionen der Dorfbewohner. Für mich als Leser ist hier das Problem, dass vorher nichts davon zu sehen war, dass die in irgendeiner Art und Weise unzufrieden mit Benkawar sein könnten. Ja, irgendwo am Anfang im Wald ist einer von Benkawars Gefährten ein bisschen sauer, weil sie den Vogel verbrannt haben, aber das war's dann auch, wenn ich mich nicht irre. Dass die Leute also plötzlich so durchdrehen, kam für mich ziemich unerwartet, aber nicht auf die gute Art und Weise. Ich habe mich eher gefragt: "Wo kommt das denn auf einmal her?"

Aber der größte Kritikpunkt bleibt für mich die Langatmigkeit. Der Text ist sprachlich recht ordentlich, hier und da haperts vllt mal, aber nichts schwerwiegendes. Der inhaltliche Ansatz ist meiner Meinung nach jedoch nicht der beste. Ich hätte den Text glaub ich flotter gefunden, wenn du dich auf Oris Verschwinden und den weißen Elch konzentriert hättest. Das ganze dann verflochten mit dem Schicksal von Benkawars Sohn und gegebenenfalls noch mit eingearbeitet, dass die Leute schon einigermaßen angesäuert sind, weil Benkawar dauernd Tiere verbrennen will, anstatt sie zur Ernährung des Dorfes zu benutzen. Natürlich weiß ich nicht, ob du zu so grundlegenden Veränderungen noch bereit bist, gerade aufgrund nur einer einzelnen Meinung (ich weiß ja grad nicht, was dir in den anderen Kommentaren geraten wurde). In dem Text steckt ja vermutlich schon eine ganze Menge Arbeit, er ist ja auch recht lang. Aber, nun, das sind meine Eindrücke. Der Text ist nicht wirklich schlecht, er ist einfach nur etwas behäbig. Das liegt sicher auch daran, dass in ihm so viel Zeit abgedeckt wird. Wie gesagt, die Fokussierung auf ein einzelnes Ereignis, also z.B. Oris Verschwinden, käme da vllt gerade recht.

Ich hoffe, ich konnte etwas behilflich sein.

Es grüßt
Mix

 

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