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Jack O'Grady: Drinks und Bräute
Wieder eine dieser Nächte. Sie locken mit süßen Versprechen von scharfen Drinks und heißen Bräuten und bringen dich dazu, in Fat Eddys Kneipe doch noch einen zu trinken, obwohl es schon längst Zeit wäre, nach Hause zu gehen.
Scheiß drauf, denke ich mir und hebe mein Glas in Fat Eddys Richtung. Der alte Eddy sieht kurz auf und legt dann seine Zeitung weg, die auf der Titelseite Roosevelt zur Präsidentschaft gratuliert. Wie immer pafft er eine seiner stinkenden Zigarren, während er mir noch einen, weiß der Henker den wievielten, einschenkt. Im Radio dudelt Fletcher Henderson eines seiner Stücke. Der traurige Sound passt perfekt zu Fat Eddys Bude. Verkratztes Mobiliar, die schweren roten Samtvorhänge fadenscheinig und voller Stockflecken. Es riecht nach kaltem Rauch, schalem Bier und zerplatzten Träumen. Am Ende des Tresen ist der alte Spencer zusammengesunken und schnarcht leise vor sich hin. Jeder andere Barkeeper hätte den schäbigen alten Säufer längst rausgeschmissen, aber Fat Eddy hat nun mal ein Herz aus Gold. Und Spencer gehört genauso zum Inventar wie der zerbeulte alte Spucknapf und die wackeligen Holzstühle.
Ich schiebe den Zahnstocher, auf dem ich herumkaue, mit der Zunge in den Mundwinkel und kippe den Schnaps in einem Zug runter. Heiß brennt sich der Fusel seinen Weg durch meinen Mund über die Speiseröhre bis runter zum Magen. Ich versuche, mir mal wieder das Rauchen abzugewöhnen. Ich hab in den Schützengräben damals in Frankreich damit angefangen, als wir unter "Black Jack" Pershing den Krautfressern die Hölle heiß gemacht hatten. Nach dem Krieg bin ich dabei geblieben, obwohls teuer ist, stinkt und man damit nicht aufhören kann, selbst wenn man will. Und mir gefällt der Gedanke nicht, dass ein kleines Stäbchen stärker ist als ich. Genau deshalb will ich auch damit aufhören, um mir zu beweisen, wer in meinem Leben die Hosen an hat. Aber verdammt noch mal, jeder, der's ernsthaft versucht, weiß, wie schwer das ist! Manche fangen dann ja das Fressen an und werden fett und aufgequollen. Andere entdecken die Sportskanone in sich und rennen nur noch durch Parks und Wälder. Meine Methode sind Sprit und Zahnstocher. Keinen blassen Schimmer, ob’s funktioniert. Wenn ja, schreib ich nen Buch drüber und werd damit stinkreich.
Kippen sind wie Frauen. Obwohl man weiß, dass sie einem nur schaden, wird man trotzdem immer wieder schwach. Und hat man sie erst einmal an der Backe, ist’s ne Heidenarbeit, sie wieder loszuwerden. Ich muss es wissen, immerhin kriegt meine Ex-Frau immer noch fast jeden Cent, den ich verdiene. Wer in Frauen das „Schwache Geschlecht“ sieht, der hält auch einen Tiger für ne Katze.
Wie aufs Stichwort geht die Tür zu Fat Eddys schmieriger Spelunke auf und eine Göttin in einem heißen roten Fummel schneit herein. Genau der Typ Mieze, den man auf Titelseiten von Hochglanzmagazinen über Luxusklamotten und Filmstars sieht. Während ich die scharfe Braut angaffe, fällt mir ein, dass ich mich seit zwei Tagen nicht geduscht und rasiert habe. Normalerweise wär mir das ja herzlich egal, aber bei dem strammen Gerät da hätte sich’s doch glatt gelohnt, mal wieder den Rasierer zu schwingen.
Wie gesagt, Frauen bedeuten nur Arbeit und Scherereien. Ich zucke die Achseln und winke wieder zu Eddy rüber. Höchste Zeit für nen weiteren Drink.
Doch gerade als ich mein Glas heben will, tippelt die Göttin in Rot geradewegs auf mich zu und zieht mich am Ärmel meines Trenchcoats.
„Sind Sie Jack O’Grady?“ Ihre Stimme ist zart und gleichzeitig rauchig, wie ein 18 Jahre alter Single Malt in einem Tumbler aus Kristall.
„Lady, für Sie bin ich, wen immer Sie wollen“, sage ich grinsend und leere mein Glas. „Auch einen? Fat Eddy sieht zwar aus wie ein Hackbraten, aber sein Whiskey ist nicht übel. Oder ist Whiskey nicht so Ihr Ding? Frauen wie Sie bevorzugen bestimmt Chardonnay, hab ich recht?“
„Das mit dem Hackbraten hab ich gehört, Jack!“
Die Puppe scheint für unsere Frotzeleien nicht viel übrig zu haben, denn sie holt ein schneeweißes Seidentaschentuch aus ihrem Handtäschchen und tupfte sich sehr damenhaft die Nase. Ihre roten Augen und das verlaufene Mascara sagen mir, dass sie wohl nen ziemlich harten Tag hatte. Mein Instinkt schreit mir förmlich ins Ohr, dass die Kleine Ärger bedeutet. Aber wie war das mit den Frauen und Kippen noch gleich?
„Sie müssen mir helfen, Mr. O’Grady.“ Ich ertrinke in ihren Augen, selbst wenn sie so rot und verquollen sind, als hätte sie eine Woche lang durchgesoffen.
„Jetzt beruhigen Sie sich erstmal. Und nennen Sie mich Jack. Hey Eddy, mach mal ein Glas heiße Milch oder irgend so’n anderes beruhigendes Zeug.“ Fat Eddy grunzt, als hätte ich grad einen kapitalen Witz gerissen. Milch in Eddys Laden – na sicher doch! Und im Puff in der Fulton gibt’s Bibeln.
„Ich heiße Deirdre Redfield. Und ich hätte gerne einen Bourbon, und zwar einen doppelten.“
Eddy stellt ihr den Bourbon vor die Nase, den sie in einem Schluck austrinkt. Die Kleine hat einen guten Zug, Respekt!
„Was kann ich für Sie tun und wie haben Sie mich überhaupt gefunden?“
„Ihre Sekretärin hat mir gesagt, dass ich Sie hier finden kann. Bitte, Jack, Sie müssen mir helfen. Ich werde verfolgt.“
Ärger, Ärger, Ärger!, nörgelt mein sechster Sinn wie eine kaputte Schallplatte.
„Wer verfolgt Sie, und was hat das mit mir zu tun? Gehen Sie doch zu den Cops.“
„Sie verstehen das nicht. Ich kann nicht zur Polizei gehen. Mein Mann verfolgt mich, und er ist sehr einflussreich. Er hat eine Menge Freunde, auch bei der Polizei. Die würden mich ihm sofort ausliefern.“
„Wer ist denn ihr Mann und wieso verfolgt er Sie? Jetzt lassen Sie sich doch nicht alles aus Ihrem gepuderten Näschen ziehen.“
Deirdre unterdrückt ein klägliches Schluchzen. „Ich bin vor meinem Mann geflohen, weil er ein ganz furchtbarer Mensch ist. Ich halte es keine Sekunde länger bei ihm aus. Er ist rasend eifersüchtig, deshalb verfolgt er mich. Mein Mann ist ... Vito Campanelli.“
Ich pruste einen Mundvoll Whiskey über Eddys schmierige Theke.
„Etwa Vito “Sharky” Campanelli?”
“Ich weiß, was Sie jetzt denken, Jack. Es wäre Wahnsinn, mir zu helfen. Niemand legt sich mit Sharky Campanelli an. Aber ich habe niemanden, zu dem ich gehen kann.“
„Sie wissen doch, wie sich Vito seinen Spitznamen verdient hat. Einen Baseballschläger mit Haifischzähnen zu spicken und Leuten, die er nicht mag, damit eine Ganzkörpermassage zu verpassen, ist seine Art von Entspannung. Und ich habe gehört, dass Sharky sehr schnell jemanden nicht mag.“
„Und ich habe gehört, dass Jack O’Grady genau der Mann ist, der mir helfen kann. Ich kann Sie bezahlen. Wirklich sehr gut.“ Deirdre rückt auf ihrem Barhocker ein Stückchen in meine Richtung und zieht dabei rein zufällig ihr kurzes rotes Kleid soweit hoch, dass ich einen mehr als großzügigen Blick auf ihre schlanken, weichen Schenkel werfen kann.
Gott, was würd ich jetzt für ne Zigarette geben!
„Wenn ich Sie wäre, würd ich das Land verlassen. Ich hab da einen Bekannten, der Ihnen ein paar neue Papiere besorgen kann.“
„Oh Jack, das klingt wunderbar! Schon lange plane ich meine Flucht und ich bin auch der Meinung, dass es das Beste ist, so weit wie möglich zu fliehen. Ich werde nach Australien gehen, ans andere Ende der Welt. Dort werde ich sicher vor Sharky sein.“
Ich bestelle uns beiden noch etwas zu trinken und schiele dabei immer wieder auf Deirdres knackiges Fahrgestell. Die vielen Drinks helfen nicht unbedingt dabei, mich auf das Gespräch zu konzentrieren.
„Ich schlage vor, Deirdre, wir gehen erstmal zu mir nach Hause und besprechen dort ... alle weiteren Details.“
„Das ist eine großartige Idee, Jack“, schnurrt sie und sieht mich mit einem Blick an, der die Titanic vor dem verdammten Eisberg hätte retten können. Die Braut ist so heiß, sie könnte eine Schneise durch den Nordpol schmelzen.
Ich werfe Eddy ein paar zerknüllte Geldscheine auf den Tresen.
„Eddy, du würdest mir einen Gefallen tun, wenn du heute zufällig an Amnesie leiden würdest, falls jemand nach Ms. Redfield oder mir fragen sollte.“
Eddy wirft einen kurzen Blick auf die Moneten und liest dann weiter in seiner Zeitung.
„Jack O'Grady? Den hab ich schon seit Monaten nicht mehr gesehen“, sagt er beiläufig laut zu sich selbst.
Ich lege meinen Arm um Deirdres Taille und wir beide tigern ab. Dann kann ja jetzt der gemütliche und vor allem ungestörte Teil des Abends beginnen. Ich hab so ein Gefühl, dass das eine kurze Nacht für uns wird.
Ich hab Recht gehabt, was die Nacht anging. Kurz, dreckig und ziemlich laut. Aber nichts, das ein starker Kaffee nicht wieder in Ordnung bringen kann. Außerdem war mir der Spaß jede Minute wert, soviel steht fest.
Während Deirdre nervös in meiner Bude auf- und abrennt und alle fünf Minuten abwechselnd auf die Uhr und zum Fenster oder zur Tür starrt, gehe ich telefonieren, um ein Treffen mit Ezrah Donovski zu arrangieren.
Donovski ist ein kleines, hinterhältiges Wiesel. Aber er ist auch ein verdammt guter Fälscher. Ich hatte mal den Auftrag von so nem Finanztypen bekommen, ihn hochzunehmen, weil das Wiesel ihm gefälschte Pfandbriefe verhökert hatte. Als ich ihn aber geschnappt hatte, musste ich feststellen, dass der kleine Sack wirklich Talent hat. Auf jeden Fall zu schade für den Knast. Also brachte ich bloß dem Finanzheini seine Kohle zurück und ließ Donovski nochmal vom Haken.
„Alles klar, Schätzchen. Heute Abend treffen wir uns mit meinem Bekannten und morgen früh bist du ein anderer Mensch.“
Deirdre wird nicht ruhiger. Sie rechnet wohl damit, dass Sharky und seine Schläger jeden Moment zur Tür reingestürmt kommen.
„Erst heute Abend? Das gefällt mir nicht. Was ist, wenn Sharky uns bis dahin erwischt“
Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen.
„In dem Fall, Süße, machen wir beide eine sehr enge Bekanntschaft mit Sharkys Baseballschläger. Ich glaube nicht, dass dein holder Gatte dir nochmal verzeiht, wenn er das zerwühlte Bett sieht. Oder mitkriegt, wie viel du ihm abgeknöpft hast.“ Mit einem Kopfnicken deute ich auf die prall gefüllte Reisetasche, die neben Deirdres Sessel steht. Ihre Ehe mit Sharky hat sie ihm offenbar ganz hübsch in Rechnung gestellt.
„Oh Jack, ich habe solche Angst.“
Gute Gelegenheit, denke ich. Menschen mit Angst haben die praktische Angewohnheit, das zu tun, was Menschen ohne Angst wollen.
„Keine Sorge, Baby. Ich pass schon auf, dass deine süße Zuckerschnute keinen Kratzer abkriegt. Morgen bist du aus dem Schneider. Wir müssen nur ein paar Passbilder von dir machen lassen und ansonsten die Zeit bis zum Treffen mit Donovski totschlagen. Und ich weiß auch wie.“
Ich nehme sie in die Arme und steuere das Schlafzimmer an.
Der runtergekommene, dreckige Teil des alten Hafens ist genau der richtige Ort, wo sich Ratten zum Sterben verkriechen. Oder schmierige kleine Gauner wie Ezrah Donovski.
Draußen steht zwar auf einem vergilbten Schild „Donovski’s Tyres“, aber wer hier herkommt, hat jedenfalls kein Problem mit nem Platten. Die verwahrloste Gegend ist genau richtig. Ruhig, abgeschieden, keine Bullen.
Das Wiesel erwartet uns schon. Als ich ihm gesagt hatte, was ich haben will, konnte ich seine Gier schon fast aus dem Telefonhörer tropfen sehen.
„H...Hallo Jack. Sch...Schön, dich zu s...sehn.“ Seit er von einem Geldeintreiber mal eins zuviel in die Fresse gekriegt hatte, stotterte das Wiesel.
„Spar dir das Süßholzgeraspel. Wir haben nicht viel Zeit. Die Lady hier ist in Eile.“
„K...Klar, Chef. Die Bestellung ist fertig. D...Drei Pässe mit a...allem Drum und D...Dran. Geburtsurk...kunde, F...Führersch...“
„Ist ja gut, Donovski. Bis du mal einen Satz zu Ende gequatscht hast, ist es Morgen. Was brauchst du noch?“
Ezrah dreht sich zu Deirdre um und mustert sie. Obwohl sie nicht mehr ihren roten Fummel von gestern trägt, sieht sie trotzdem heiß aus. Zu dem Schluss kommt auch Donovski, wenn ich das anzügliche Grinsen in seiner Rattenvisage richtig deute.
„Nur noch die P...Passbilder. Und den Namen und das Geburtsd...datum muss ich noch ei...eintragen. Wenn Sie wollen, mach ich Sie zehn J...Jahre jünger, ganz ohne M...Makeup.“ Das Wiesel hält das für tierisch komisch, denn anschließend wiehert er los wie ein brünftiges Maultier.
Während Deirdre mit Donovski in der Lagerhalle verschwindet, hole ich einen Zahnstocher raus und beobachte die Gegend. Alles ruhig.
Nach ein paar Minuten kommt Ezrah raus und zündet sich eine Zigarette an. Direkt neben mir. Unsensibler Sack!
„Zie...Ziemlich clever, die B...Braut. Sie füllt N...Name und Gebur...burtstag selber aus. T...Traut mir wohl n...nicht.“ Wieder lacht Donovski sein bescheuertes Lachen.
„Bist ja ein richtiger Witzbold.“
Ein Licht schält sich aus der Dunkelheit. Scheinwerfer. Quietschende Reifen.
Ich ziehe meine 45’er und drehe mich zu Donovski um.
„Hast du jemandem was erzählt?“
Das Wiesel hat schlagartig seinen dämlichen Humor verloren und glotzt mich an, als würde ihn gleich der Schlag treffen.
„W...Wer, ich? N...Niemals!“
Ich glaube ihm. Donovski hat zuviel Angst vor mir, um mich reinzulegen. Jedenfalls nicht, wenn ich neben ihm stehe.
„Das klären wir später. Los, sag der Redfield Bescheid und dann sieh zu, dass du Land gewinnst. Ich hole den Wagen.“
„Was s...sind das für T...Typen?“, winselt Ezrah.
„Ich wette Dollars gegen Donuts, dass wir gleich Besuch von Sharky Campanelli und seinem Baseballschläger kriegen. Und jetzt Tempo!“
Der Weg zu meinem Auto ist mittlerweile versperrt. Na toll! Während ich hinter einem verrosteten Autowrack in Deckung gehe, höre ich Donovskis erstickte Stimme aus der Lagerhalle.
„Die M...Mieze ist schon a...abgehauen. Ich verd...dufte auch.“
In diesem Augenblick höre ich ein ziemlich ungemütliches Organ mit starkem Italo-Akzent.
„Jack O’Grady. Du weißt, wer ich bin, du Stronzo. Los, rück das Miststück raus, und ich mach’s kurz und puste dir einfach nur den Schädel weg. Aber wenn du Ärger machst, wird’s echt mies werden.“
Alter Trick! Während Sharky mich mit seinem Gequatsche hinhält, kreisen seine Gorillas mich ein.
Nur ein Auto, das bedeutet, sie sind wahrscheinlich zu viert. Sharky muss sich seiner Sache wohl ziemlich sicher sein. Oder aber er weiß, dass ich allein bin! Verdammter Mist!
Ich schleiche mich zurück in Richtung Halle. Dann trete ich laut die Eingangstür auf und gehe daneben in Deckung.
Amateure! Die beiden Deppen, die mich in die Zange nehmen wollten, denken, ich will mich in die Halle verkrümeln. Sie springen auf und rennen auf den Eingang zu. Ich lasse sie schön nah rankommen, bevor ich abdrücke. Wie auf dem Schießstand. Zwei Schüsse, zwei Treffer in die Beine. Als die Idioten schreiend zu Boden gehen, verpasse ich ihnen noch jeweils einen Schuss ins andere Bein. Die Zwei machen mir jedenfalls keinen Ärger mehr. Und auf den Tanzkurs werden sie auch ne Weile verzichten müssen.
„Marcello? Giovanni? Scheiße, er hat sie umgenietet, Boss.“
Sharkys dritter Mann ist entweder taub oder blöd. Das Geschrei der beiden ist wahrscheinlich über die halbe Bucht zu hören. Ich habe inzwischen meine Position gewechselt und husche auf die Stimme zu. Der Typ, dem sie gehört, ist nicht zu übersehen. Ein Schrank mit breiten Schultern und schmalem Grips, denn sonst würd er nicht wie eine Ölgötze an Ort und Stelle stehen bleiben, während er redet. Sharky sollte seine Kohle wirklich in bessere Schläger investieren.
Ich könnte King Kong jetzt ganz lässig die Rübe wegblasen, aber ich kille nicht gern, wenn ich’s nicht unbedingt muss. Außerdem hab ich eine Schwäche für Affen.
Ein rostiges Eisenrohr, das neben mir auf dem Boden liegt, löst mein Dilemma. Ich hebe es auf und werfe dann einen Stein in die Dunkelheit. Unfassbar – der fällt tatsächlich darauf rein! Ich muss aufpassen, dass ich nicht loslache.
„Boss, ich hab was gehört. Ich schnapp mir den Penner!“
Doch Sharky ist nicht ganz so begrenzt wie seine Handlanger.
„Luigi, warte, verdammt noch mal. Das ist eine Falle, du Trottel.“ Zu der Erkenntnis wird Luigi auch kommen, wenn er irgendwann mit nem riesigen Brummschädel wieder aufwacht. Denn eine Sekunde nach Sharkys genialer Eingebung macht Luigis Hinterkopf Bekanntschaft mit meinem Eisenrohr. Wenn ich mal keine Lust mehr auf das Privat-Schnüffler-Dasein habe, könnt ich glatt als Batter bei den Lakers anfangen, so gut hab ich ihn getroffen.
Damit bleiben nur noch Sharky und ich. Und verglichen mit mir sieht’s schlecht für ihn aus, Baseballschläger hin oder her! Bedauerlicherweise denkt er das auch, denn nur eine Sekunde später zersiebt der lange Feuerstoß einer MP die halbe Nachbarschaft. Sharky ist entweder ein schlechter Schütze, oder er hat Schiss und sich nicht unter Kontrolle. Ich verziehe verächtlich das Gesicht, während ich auf ihn zu krieche. Bei armen Schweinen, die gefesselt und wehrlos sind, kann er den harten Mann markieren. Pech nur, dass ich weder gefesselt, noch wehrlos bin.
Sharky hat inzwischen sein Magazin leergeballert. Ich sehe ihn hektisch mit der MP herumhantieren, während er ohne Punkt und Komma auf Italienisch vor sich hinflucht.
Zeit, das Spektakel zu beenden. Ich springe aus meiner Deckung hoch und ziele mit meiner Kanone genau zwischen seine Augen.
„Komm schon, Sharky, so muss das nicht enden! Lass die Knarre fallen!“
„Du miese Sau! Fanculo! Na warte, du maledetto cretino! Du legst mich besser um, denn wenn ich dich in die Finger kriege, mach ich Hackfleisch aus dir. Vigliacco! Coglione! Figlio di puttana! Scheißkerl!“
„Hey, das letzte hab ich verstanden“, sage ich grinsend und lehne mich lässig an einen Stapel alter Reifen.
„Jetzt erzähl mal, Sharky. Woher wusstest du, dass deine Puppe und ich hier sind? Hat Donovski etwa gesungen?“
Sharky spuckt verächtlich aus.
„Der? Das glaubst du doch selber nicht! Der kratzt sich ohne Erlaubnis nicht mal den Arsch! Wir haben einen Tipp gekriegt. Ein anonymer Anruf vor ungefähr ner halben Stunde.“
„So so! Und was hat dein „anonymer Anrufer“ gesagt? Ich würd gern wissen, wer der Kerl ist, der mich verpfiffen hat.“
„Ein Kerl war’s nicht, sondern eine Frau. Vielleicht will dich deine Exfrau endlich ein für alle Mal loswerden, du Kakerlake!“, zischt Sharky hasserfüllt.
„Eine Frau hat dir... dieses Miststück! Sieht so etwa ihr Dank aus?“
Sharky sieht mich einen Moment lang überrascht an und fängt dann höhnisch an zu lachen.
„Das ist doch jetzt nicht wahr! Der clevere und so abgebrühte Jack O’Grady fällt auf den ältesten Trick der Welt rein? Kaum wackelt ne Frau ein bisschen mit dem Hintern, und schon kann sie dich an der langen Leine führen wie ein verdammtes Schoßhündchen? Das ist unbezahlbar, du dämlicher irischer Stupido!“
„Blas dich nicht so auf, Sharky! Mich hat die Kleine wenigstens nicht um einen Haufen Zaster erleichtert.“
„Ach nein? Dann hast du deine Kohle doch bestimmt schon im Voraus bekommen, nicht wahr?“ Sharky genießt jede Sekunde. Er hat sogar meine Kanone vergessen, die ich immer noch auf ihn richte. Es scheint sich trotz allem köstlich zu amüsieren. Ich überlege, ob ein Schuss ins Knie seine gute Laune etwas dämpfen würde.
„Hör zu, O’Grady. Ich gebe zu, dass ich trotz der ganzen Scheiße hier im Grunde genommen nicht mal sauer auf dich bin. Diese Giftschlange hat dich genauso reingelegt wie mich und ist jetzt längst über alle Berge. Vielleicht schnappe ich sie irgendwann, vielleicht auch nicht. Aber wenn du mich umlegst, wird meine Familie mich rächen. Und dich werden wir schnappen. Lass mich einfach laufen und wir vergessen den Abend hier. Wie geht’s meinen Jungs?“
„Ein bisschen ramponiert, aber in einem Monat sind die so gut wie neu. Okay, Sharky, ich lass dich laufen und muss mir keine Gedanken machen, jeden Moment ein Messer in den Rücken zu kriegen. Deal?“
„Ich schulde dir immerhin mein Leben. Also gebe ich dir mein Ehrenwort, dass ich ausnahmsweise auch mal halten werden. Aber erklär mir, wieso Vanessa dich ausgerechnet an mich verpfiffen hat. Damit ist sie ein ziemliches Risiko eingegangen.“
„Vanessa? Das wird ja immer besser. Würd mich nicht wundern, wenn sich dieses durchtriebene, verlogene Biest von Anfang an nur mit dir eingelassen hat, um an deine Kohle zu kommen, Sharky.“ Ich schüttle den Kopf. „Ist doch klar. Sie wusste, dass wir aufeinander losgehen werden. Im besten Fall hätte ich dich umgelegt und sie wäre ihre Sorgen los gewesen. Und wenn du mich erwischt hättest, könnte sie sich die 15.000 Dollar sparen, die sie mir versprochen hat. Da hat sie nen Riesenhaufen Geld, und sie verkauft meine Haut wegen lausiger fünfzehn Riesen. Gieriges Luder! So wie’s aussieht, hat sie uns beide ganz schön drangekriegt.“
Ich stecke meine Kanone ein und drehe mich zu meinem Wagen um. Sharky lacht leise und will zu seinen Männern gehen. Mir fällt etwas ein, an das ich die ganze Zeit denke.
„Einen Moment, Sharky.“
„Was willst du noch?“
„Du hast nicht zufällig ne Zigarette?“
Sharky lacht und wirft mir eine Packung zu.
„Sieh das als deine Bezahlung an, O’Grady.“
Ich steige in mein Auto, zünde mir einen Sargnagel an und inhaliere tief und genüsslich den Rauch. Frauen sind wie Kippen.