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53 Tage nach D-Day

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53 Tage nach D-Day

53 Tage nach D-Day (geänderte Version vom 11.07.04 – geändert bei KG)


Vor einigen Tagen wurde in der Welt des sechzigsten Jahrestages der Invasion der Alliierten in der Normandie gedacht.

Schon lange vorher hatten wir – in Anlehnung an dieses epochale Ereignis – den realen Beginn unseres Projektes als „D-Day“ bezeichnet. Alles was wir in der Vorbereitungsphase uns ausdachten, uns überlegten, und das, was uns dann in der Durchführung wiederfuhr, datierten wir stets auf X Tage nach D-Day. Der normale Kalender mit seinen Jahren, Monaten und Wochentagen hatte für uns jede Bedeutung verloren. Ebenso die Jahrszeiten mit ihren unterschiedlichen Witterungs- und Temperaturverhältnissen. Auf den D-Day steuerten wir unablässig zu. Zuerst unbewusst, nur vage, dann aber immer klarer, bestimmter und verbissener.

Ja, unser Projekt, das eigentlich gar keinen Namen hatte, von dem aber viele Leute sagten: „verrückt, blöd, unbedacht...“ und sich dann wieder mit größter Aufmerksamkeit der Quizsendung im Fernsehen zuwandten. Andere tippten sich nur kurz mit den Fingern an die Stirn; für Sie waren wir nicht einmal das Wort für eine kurze Einschätzung unseres Projektes wert. Eine dritte Gruppe, die, die sich fast für allwissend hielt, sagte: „das typische Verhalten von jungen Leuten, die ohne Arbeit, und somit ohne Perspektive sind. Was sollen sie schon tun, wenn wir ihnen nichts besseres anbieten können als Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit und rücksichtsloses Verhalten der ganz Reichen gegenüber den weniger Besitzenden“. Unsere Freundinnen – bei Pierre war es sogar schon eine echte Braut, er war verlobt – wandten sich von uns ab. Sie konnten mit unseren schemenhaften Ideen nichts anfangen und sahen sich lieber nach Freunden mit handfesteren Ideen und Anschauungen um.

Allesamt hatten sie nicht erkannt, worum es uns ging. Alle hatten sie sich nicht die Mühe gemacht, zu hinterfragen, was die wirklichen Ziele waren, die hinter unserem Projekt standen. Allerdings muss ich schon zugeben: Hätten sie einen von uns ganz offen danach gefragt, wir wären alle fünf nicht im Stande gewesen, mit klaren Worten zu erläutern, was denn die echten Beweggründe waren, die uns dazu trieben, das Projekt zu planen und es später auch zu realisieren. Es stimmt schon, wir waren Phantasten. Wir hatten ein sicheres Gefühl, aber bei weitem keine klare Zielvorstellung. Es grenzte also schon fast an Blasphemie, von einem „Projekt“ zu reden, wo es doch mehr oder weniger ein watteweiches Gebilde von Ideen, Vorstellungen, Angelesenem war. Dinge über die wir in Filmen und Fernsehsendungen gehört hatten, die uns in Computerspielen vorgegaukelt wurden, oder die wir aus Sciencefiction-Romanen kannten.

Lediglich die Redaktion einer sensations-geilen Boulevard-Zeitung zahlte uns die runde Summe von € 15.000 aus, um unser Vorhaben zu realisieren. Allerdings mussten wir uns alle vertraglich dazu verpflichten, die Story exklusiv nur diesem Blatt zur Verfügung zu stellen. Außerdem wurde im Vertrag eindeutig festgelegt, dass, sobald wieder in zivilisierter Gegend, wir sofort vorab Bilder und einen ersten Bericht über unsere Erlebnisse zu liefern hätten. Um diese Sache zu erleichtern, gab uns der Chefredakteur sogar persönlich noch eine kleine elektronische Kamera mit.

Die Idee zu unserem Projekt wurde, wie das so oft geschieht, in lustiger Runde nach dem Genuss von mehreren Gläsern Alkohol, geboren. Eigentlich aus einem Scherz heraus, den Pierre über den Schaum seines frisch gezapften Bieres, mit breit grinsendem Gesicht, machte. Danach gönnte er sich mit sichtlichem Genuss den wunderbaren ersten Schluck aus dem neuen Glas und der Schaum hing ihm danach in seinem Oberlippenbart – und plötzlich sah Pierre aus, als ob er um viele Jahre gealtert wäre, mit jetzt weißem, statt seinem „normalen“ schwarzen Schnurrbart. Eigenartig war, und an diese Tatsache können wir uns noch alle fünf lebhaft erinnern, als ob es erst gestern gewesen wäre, dass keiner von uns in den kurzen Sekunden, in der Pierre trank, lachte. Er trank in völliger Stille. Irgendwie schienen wir damals schon gespürt zu haben, dass die, von Pierre einfach so dahin gesagten, Worte für uns alles andere als ein Scherz waren. Dies fiel uns im Nachhinein umso mehr auf, als wir eine besonders witzige sonst nie um eine Antwort verlegene Gruppe von Freunden waren.

Nach diesem gemeinsamen Abend in der Kneipe kamen wir wiederholt auf den „Scherz“ zu sprechen, der sich dann immer mehr zu einer „Idée fixe“, wie es der Franzose Pierre nannte, verdichtete. Die Gespräche darüber wurden von uns mehr und mehr von der lustigen, witzigen Ebene auf eine reale und vernünftige Basis geholt. Es kristallisierte sich immer deutlicher das Ziel heraus, gemeinsam eine Expedition „ans Ende der Welt“ zu unternehmen. Nein, natürlich waren wir alle weit entfernt von der vor-mittelalterlichen Weltschau, dass die Erde eine Scheibe wäre und man irgend einmal an den Tellerrand der Erde käme und dort vielleicht ins Ungewisse stürzen könnte. Immerhin lebten wir im Zeitalter von Flugzeug, Weltraumrakete und Computer, hatten über Internet Zugang zu allem Wissen dieser Erde. Der Inhalt unseres Projektes wurde uns relativ schnell klar und nahm schon nach wenigen Wochen handgreifliche und realistische Züge an. Wir hatten uns alle fünf – jeder auf einem ganz bestimmten Gebiet, das wir vorher gemeinsam festgelegt hatten – Informationen beschafft. Klaus, der Naturwissenschaftler unter uns, stöberte tagelang in der Universitätsbibliothek herum, kopierte dort wie ein Weltmeister die, aus seiner Sicht, wichtigsten Berichte, und fütterte uns damit. Wir anderen lasen die Unterlagen mit wachsendem Eifer und sahen dabei unser Ziel, den D-Day, immer näher rücken.

Das „Ende der Welt“ nahm für uns Gestalt an, wurde konkret. Wir konnten es geographisch genau mit Koordinaten festlegen. Es war weder der Nord-, noch der Südpol. Diese beiden fixen Punkte auf der Weltkugel interessierten uns nicht. Dorthin zog es in der Vergangenheit schon viel zu viele teils geglückte, meistens aber gescheiterte Expeditionen. Unser Punkt lag am Ende einer riesigen Eiswüste, die wir durchqueren mussten. Wir hatten uns genau erkundigt: eine Gegend wo, nach menschlichem Ermessen, noch nie jemand war. Und diesen, weit entfernten Punkt wollten wir mit Mitteln des ausgehenden achtzehnten Jahrhunderts erreichen. Allerdings wollten wir uns drei Ausnahmen gestatten, denn wir waren nicht lebensmüde! Erstens wollen wir uns eines modernen Navigationssystems, wie wir es heute im Auto haben, bedienen. Zweitens hatten wir vor, uns während der langen Reise mit Astronauten-Nahrung zu ernähren. Die war gesund, leicht und sehr kompakt. Die dritte Annehmlichkeit, die wir zulassen wollten, war, mit einem Flugzeug zu dem Flughafen zu fliegen, der unserem endgültigen Ziel am nächsten lag. Weitere Zugeständnisse an die moderne Technik ließen wir nicht zu. Gut, zugegeben, die uns von der Zeitung aufgedrängte Kamera ließ sich beim besten Willen nicht ins späte achtzehnte Jahrhundert zurück datieren. Dann waren es eben insgesamt vier Ausnahmen.

Und nun waren wir schon gute sieben Wochen unterwegs. Genau gesagt: 53 Tage nach D-Day. Unentwegt kämpften wir gegen den Sturm. Wir spürten, dass wir mit unseren Kräften nahezu am Ende waren. Pierre, obwohl weder von uns gewählt, noch bestimmt, und obwohl er nicht etwa der Älteste von uns war, hatte sich zum Führer unseres, in der Eiswüste taumelnden, Haufens aufgeschwungen. Ohne Widerrede wurde das befolgt, was er vorschlug, in den letzten Tagen sogar das, was er uns befahl. Pierre hatte ein fast untrügliches Gespür dafür entwickelt, was wir uns, in der miesen Lage, noch zutrauen konnten, und was unsere Kräfte endgültig überstiegen hätte.

Wie gesagt, vom ersten Tag an, schon beim Verlassen des kleinen Flugzeuges, das uns hoch in den kalten Norden trug, hatten wir gegen den Sturm zu kämpfen. Die ersten paar Tage war der Sturm unangenehm, noch nicht schmerzhaft, aber doch sehr lästig. Immerhin blies diese ersten Tage der Wind überwiegend von hinten, brachte also unsere kleine Schlittenkolonne gut voran. Unser Mut und unser Humor waren damals ungebrochen und trieben uns täglich um einige Kilometer weiter, als wir es in unser Planung vorgesehen hatten. Klaus, der während unserer Expedition als Navigator diente, notierte täglich dreimal, zu festgesetzten Uhrzeiten, die jeweils erreichte Position auf seinem Palm-Computer, den er für das Navigationssystem benötigte. Er verglich danach die real zurückgelegte Distanz mit der von uns ursprünglich in der Planung festgesetzten, und nickte jedes Mal zufrieden, konnte er doch unseren sich stets vergrößernden Vorsprung festhalten.

Mir, dem literarischen Talent in unserem kleinen Kreis, fiel es zu, eine Art Tagebuch zu führen. Ich machte meine Notizen in einer extra dafür vorgesehenen Spalte, jeweils neben den Positionszahlen, die Klaus im Computer notierte. Als ich am Vorabend dieses 53. Tages nach D-Day meine eigenen Aufzeichnungen aus den ersten Tagen der Expedition las, überflog ich die Zeilen auf dem kleinen Display mit zusammengebissenen Zähnen und schmalen Lippen. Wie hatte sich doch in den wenigen Wochen alles verändert! Verschwunden waren humoristische Bemerkungen, sowohl in meinen Tagebucheintragungen, als auch im momentanen Zusammenleben. Unmut und Verbissenheit waren tonangebend. Zynische Bemerkungen, mehr ausgestoßen, als gesprochen, vergifteten unser Gruppenklima. Jeder von uns spürte, dass bald einer von uns aufgeben würde. Die Frage war nur, wer von uns als erstes ins Gras – nein ins Eis – beißen würde. Einen unserer Schlittenhunde mussten wir schon erschießen, weil er sich verletzt hatte. Früher hätten wir uns gegenseitig gestützt, jetzt belauerte jeder beim anderen auftretende Schwächen und Anzeichen von nachlassender Willenskraft insgeheim mit zynischer Freude. Klar, für vier Personen würden unsere knapp werdenden Vorräte länger reichen, als für fünf.

Wenn auch bis zu jenem Abend niemals offen darüber gesprochen wurde: beim Thema „Zigaretten“ kam es an den Tag. Erfahrungen aus früheren Expeditionen ins ewige Eis hatten uns gelehrt, dass Zigaretten, Alkohol und Frauen das einzige waren und sind, was eine demoralisierte Gruppe in Lebensgefahr noch retten konnte. Nun, an Frauen war nicht zu denken, die waren mittlerweile schon Tausende Kilometer von uns getrennt. Die Sprache wurde immer zotiger, je größer der Abstand zu ihnen wurde. Menschliche Gefühle traten zu Gunsten von allzu menschlichen Gefühlen in den Hintergrund. Alkohol hatten wir noch und – dank Pierre – hatten wir unsere Vorräte klug eingeteilt. Anders bei Zigaretten. Hier wurden wir in der Euphorie der ersten, so erfolgreichen Tage, leichtsinnig. Wir teilten uns großzügig weit über die geplanten Rationen zu; unser Vorrat musste in wenigen Tagen zur Neige gehen. Ich war höllisch froh, dass ich, als einziger Pfeifenraucher, für mich Tabak eingepackt hatte. Und ich hielt mich all die Tage eisern an meine ursprünglich festgelegte Ration.

Diese Nacht vor dem 53. Tag nach D-Day war eine lausig kalte Nacht, gleich der letzten Nächte, die wir alle fünf im engen Zelt verbrachten, in unseren dicken Schlafsäcken eng aneinander geschmiegt, um das Wenige an Wärme, das unsere Körper noch produzierten, möglichst lange zu speichern. Nichts deutete darauf hin, dass etwas Ungewöhnliches passieren würde.

Das mechanische, impertinente Piepsen schnitt, wie jeden Morgen, um punkt sieben Uhr in die regelmäßigen Schnarchgeräusche unserer erschöpften Mannschaft. Eigentlich hätten wir froh sein müssen, dass das kleine Solarpaneel, dass wir stets auf dem vordersten Schlitten, ganz oben auf unserem Gepäck festbanden, einwandfrei funktionierte. Trotz des, durch die langen Stürme stets reduzierten Lichtes, hat dieses kleine Wunder der Technik immer genügend Strom für unseren Computer erzeugt. Ob wir es wahr haben wollten, oder nicht: Ohne den Palm-PC wären wir sofort verloren gewesen. Anders als unsere Vorfahren, hatte keiner von uns gelernt, nach Sonnen- und Sternenstand zu navigieren. Ganz abgesehen davon, dass wir weder Sonne noch Sterne in den letzten Wochen überhaupt zu Gesicht bekamen.

Teils unartikulierte Laute, teils lautes und böses Schimpfen drang aus den verschiedenen Schlafsäcken. Keiner hatte Lust aufzustehen und sich erneut den Strapazen auszusetzen.

Ich schob als erstes den Lappen unseres Zeltes beiseite und trat ins Freie. Fast wäre ich vornüber gefallen, denn, angelernte Gewohnheit in den vergangenen Wochen, hatte ich mich stark nach vorn geneigt, um den Winden zu trotzen. Aber siehe da, der Wind hatte nachgelassen. Ich traute meinen Augen nicht: Am Horizont ging als eine große, kalte Scheibe die Sonne auf und erhellte die ganze, unermesslich weite Eiswüste um unser kleines Lager. Zum ersten Mal, seit wir uns auf den langen Marsch machten, sah ich dieses dramatisch schöne Schauspiel. Begeistert rief ich meine Freunde und einer nach dem anderen trat, wie ich, staunend und mit verschlafenen Augen aus dem Zelt.

Die pessimistische Stimmung, welche am Vorabend jeder für sich in seinen Schlafsack mitnahm, war verflogen. Erste Witzchen flogen hin und her. Die Zuversicht konnte schon fast mit Händen gefasst werden. Der Funke Optimismus griff auch auf die Hunde über, die erstmals wieder mit ihren Schwänzen wedelten, als sie vor die Schlitten gespannt wurden.

Nie so schnell wie an jenem Morgen hatten wir unseren heißen Tee und jeder einen Beutel Astronauten-Nahrung zu uns genommen, dann das Lager abgebrochen und unsere ganze Habe auf die Schlitten geladen. Mit frischem Elan ging es in die Richtung weiter, die uns das Navigationssystem wies.

Wir waren schon gut zwei Stunden unterwegs, kamen zügig voran. Die Sicht blieb ausgezeichnet, ja, wir hatten sogar das angenehme Gefühl, von der kalten Sonne so etwas wie Wärme durch unsere dick wattierte Kleidung zu spüren. Vielleicht nur Einbildung...

Bei Sturm ermüdet das Auge sehr schnell durch die Einwirkung der starken Winde. An diesem Tag aber war es das gleißende Licht und dazu die ewig weite Eintönigkeit, die uns zu schaffen machten. Die Augen fanden nirgends einen Halt. Der einzige Fixpunkt unseres Zuges in Richtung Nordosten war der Pfeil des Navigationssystems.
Plötzlich scheuten die Hunde kurz, brachen dann in wütendes Gebell aus und versuchten in Richtung Westen loszurennen. Nur mit Mühe konnten wir sie beruhigen und zurückhalten. Alle fünf legten wir gewohnheitsmäßig die flache Hand über die Augen, um uns gegen das Licht zu schützen und um besser zu sehen. Aber diese Geste nützte hier nichts. Das Licht war allgegenwärtig und so hell, dass man nur mit zusammengekniffenen Augen, trotz Schneebrille, überhaupt etwas erkennen konnte. Und was wir sahen, mal mehr, mal weniger deutlich, war ein schwarzer Punkt in der Ferne. Mehr nicht.

Unser in den letzten Wochen, durch Sturm und Resignation abgestumpfter Geist wurde fast schlagartig wieder quicklebendig und die Phantasie schlug aufregende Purzelbäume. War es ein Eisbär, der uns in der Ferne erwartete? Wohl kaum, denn Eisbären brauchen bekanntlich die Nähe des Wassers, da sie sich von Fischen ernähren. Und wir waren noch Tage lang entfernt von jenem eiförmigen, kleinen See, den wir auf den Satellitenbildern unserer Zielregionen erkennen konnten. Oder: hat uns vielleicht die Technik genarrt? Stimmten die Angaben des Navi-Systems gar nicht, die uns vorgegaukelt wurden? Eine böse Ahnung überkam uns. Oder eine andere Möglichkeit: Waren doch schon vor uns Menschen in dieser von Gott verlassenen Gegend unterwegs? Auch diesen Gedanken verwarfen wir umgehend, da uns sowohl die zuständige Regierung, als auch Mitglieder der dortigen Armee und Marine in der Vorbereitungsphase klar signalisierten, dass noch kein Mensch je dort war. So gesehen, lag unser Ziel in einem absoluten Niemandsland.

Unsere Gefühle schwankten zwischen Angst und Neugierde. Die Neugierde siegte, und wir zogen, so schnell es unsere Hunde und unsere Schlitten erlaubten, weg von unserer geplanten Richtung und hin zu dem geheimnisvollen, schwarzen Punkt. Vorsichtshalber legten wir unsere Gewehre bereit und entsicherten sie.

Der Punkt erwies sich als wesentlich weiter entfernt, als wir ursprünglich annahmen. Doch allmählich kamen wir näher. Wir glaubten etwas Hohes, Schmales, zu erkennen. Eine Säule vielleicht, oder ein Baumstamm. Beide Ideen waren natürlich abstrus, denn wer sollte in dieses Niemandsland eine Säule stellen? Wozu? Und wie sollte ein Baum hier im ewigen Eis wurzeln können?

Die Nervosität der Hunde steigerte sich. Sie begannen erneut zu bellen und fletschten ihre spitzen Zähne. Plötzlich blieben sie wie angewurzelt stehen, sperrten die Vorderläufe gegen den harten Schnee, knurrten böse und wir konnten sehen, wie sich die Nackenhaare der Hunde sträubten. Der Halt kam uns entgegen. In Ruhe konnten wir alle genauer hinsehen. Einige von uns nahmen die Gewehre fester in die behandschuhten Hände. Die Spannung wuchs. Endlich sagte Klaus das, was wir alle schon vermuteten, es aber partout nicht wahr haben wollten. „Da vorne steht ein Mensch“, sagte er. Und jetzt sahen wir es alle deutlicher. Richtig, ganz aufrecht stand ein Mensch völlig einsam in der riesigen Eiswüste. Er drehte uns den Rücken zu.

Wir sahen uns gegenseitig an. Wut und Verzweiflung stieg in uns auf und jeder konnte sie am Gesicht des jeweils anderen deutlich ablesen. „Also sind wir doch nicht die ersten. Ich hatte es stets befürchtet“, sagte Klaus weiter.

Die Wut gab uns Elan. Wir trieben die Hunde an, rannten selbst neben den Schlitten her, um unser Vorwärtskommen zu beschleunigen. Verdammt, jetzt wollten wir das Geheimnis schnell lüften. Trotzdem, aus lauter Vorsicht machten wir erst einen großen Bogen um den Fremden; wir wollten ihm nicht von hinten in den Rücken fallen, sondern uns ihm von vorne nähern. Wir erkannten, dass der Fremde ein Mann war; etwas Anderes hatte eigentlich auch keiner von uns ernsthaft erwartet.

Jetzt standen wir mit unserem kleinen Treck nur noch wenige Meter von dem Mann entfernt. Er starrte uns direkt ins Gesicht, aber machte keine Anstalten, uns entgegen zu kommen, oder sich gegen uns zu wehren. Er stand einfach da. Aufrecht, beide Hände in die Hosentaschen geschoben, und schaute stur gerade aus. Unwillkürlich drehten wir uns um, um zu sehen, ob sich hinter unserem Rücken irgend etwas abspielte, uns möglicherweise jemand angriff. Aber nichts geschah. Völlige Stille herrschte, keine Bewegung war zu sehen.

Wir schoben Pierre vor, schließlich war er der Chef des Unternehmens. Er sollte den Unbekannten ansprechen. Er räusperte sich dreimal, ehe er ein zaghaftes "Hallo" herausbrachte. Die Sache fiel ihm offenbar nicht leicht. Der Fremde blieb stumm. Pierre, als Franzose, versuchte es mit einem etwas herzhafteren „Bonjour“ – aber auch das blieb von dem fremden Mann unbeantwortet. Jetzt ging Pierre, mit einem betont freundlichen Lächeln im Gesicht, und mit ausgestreckter Hand auf ihn zu, aber der Fremdling rührte sich immer noch nicht aus seiner starren Haltung. Eiskristalle hingen im Schnurrbart des beharrlich ruhigen Menschen, und ließen den Oberlippenbart weiß erscheinen. Ich wurde plötzlich an das Bild vom scherzenden Pierre an jenem Abend in der Kneipe erinnert, wo der Bierschaum seinen Moustache auch weiß färbte. Ein mulmiges Gefühl beschlich mich.

„Der ist tot“, sagte Pierre, in seinem Gesicht ist kein Leben mehr. Er ging zu dem Fremden hin, berührte ihn und stellte fest, dass er tatsächlich nicht mehr mit gutem Gewissen zu den Lebenden gezählt werden konnte. Die Hunde näherten sich jetzt ebenfalls, schnupperten kurz an ihm und ließen sofort wieder von ihm ab. Der Mann hatte bereits keine Ausdünstung mehr und wurde somit für die Tiere uninteressant. Gelangweilt und müde streckten sie sich vor den Schlitten im eisigen Schnee aus.

Auch von uns wich die Spannung und machte einer großen Müdigkeit Platz. Wir sicherten die Gewehre, die wir bis zu diesem Moment ängstlich und fest umklammert hielten, legten sie auf einen der Schlitten und setzten uns alle auf den letzten unserer Gefährte, auf dem etwas freier Platz war. Die Erleichterung war uns sicher allen am Gesicht abzulesen, aber ebenso unsere Ratlosigkeit. Wer war der fremde Mann? Wie kam er hierher? War er allein? Wie lange war er schon hier? Und hauptsächlich die Frage, warum stand diese Leiche aufrecht?

Aus rein sicherheitstechnischen Gründen hätten wir uns zuerst den ersten drei Fragen widmen sollten. Aber neugieriger waren wir darauf, eine Antwort auf die letzte zu finden: Wie kommt es, dass eine Leiche senkrecht in der Landschaft steht? Keiner von uns hatte jemals von so etwas gehört, oder gelesen. Wir fingen also an, uns den Mann näher anzuschauen und zu analysieren, wer er sein könnte und eben, warum er aufrecht stand. Lehnte er sich an irgend eine Säule? Hatte er einen Stock zwischen Körper und Bekleidung geschoben, der ihn aufrecht hielt? Wir fanden keine Antwort auf die Frage. Nur ein stärker werdendes Unbehagen, das sich in der Magengegend bemerkbar machte, wurde uns von Minute zu Minute deutlicher bewusst.

Pierre überwand, wie üblich, als erster seine Lethargie und fing an mit Vorsicht und unter Zuhilfenahme seines Taschenmessers die Eiskristalle von dem Fremden abzuklopfen. Erst vom Gesicht, dann vom Rest des Körpers.

Auch wenn die Gesellschaft, in der wir in unserer fernen Heimat lebten, uns nie zugestehen wollte, dass wir alle Fünf einen vernünftigen Beruf erlernt hatten, und uns mit dieser fadenscheinigen Argumentation den Zutritt ins Erwerbsleben verweigerten, hatten wir es in kurzer Zeit geschafft, den Fremden systematisch zu analysieren. Gesicht und Kopfform ließen darauf schließen, dass es ein Mensch aus Europa, Nordamerika, oder Australien sein musste. Es war keine Spur von asiatischen Schlitzaugen zu sehen, auch war die Hautfarbe zweifelsfrei nicht schwarz. „Hm“, meldete sich unser kritischer Jüngster zu Wort, „es könnte ja durchaus sein, dass der Teint unseres Freundes sich in der Zeit seiner Kühlschrankexistenz verändert hat." Wir mussten ihm Recht geben. Also suchten wir nach typisch negroiden Züge bei ihm, fanden aber weder aufgeworfene Lippen noch das, für die Schwarzen oft so typische Kraushaar. „Er erinnert mich irgendwie an Nick Knatterton“, meinte der Älteste von uns. „Ich habe vor einiger Zeit auf dem Speicher eine Kiste mit Jugendbüchern meines Vaters entdeckt, eine ganze Reihe von Nick Knatterton-Kriminalromanen. Dieser ewige Detektiv trug auch immer so komische Überfallhosen, wie unser Freund hier“. Wir anderen konnten zwar mit diesem Bild keine rechte Vorstellung verknüpfen. Aber alle konnten wir uns vorstellen, dass so ungefähr ein typischer englischer Tourist ausgesehen haben mochte, der irgendwo in den Schweizer Alpen, bei herrlichem Sonnenschein in die Bergbahn eingestiegen, zur Bergstation hochgefahren und dort in die schneidende Kälte der Gletscherwelt hinausgetreten war. Das Ganze nur mit dem Ziel, sich, mit dem Eislabyrinth im Hintergrund, fotografieren zu lassen, um dann schnell wieder in die schützende Wärme der Bergstation zu fliehen und einen heißen Tee zu trinken. Genauso deplaziert wirkte der Fremde auf uns, mit seinem leichten Pullover und den altertümlichen Knickerbocker-Hosen.

Pierre umrundete den stehenden englischen Gentleman erneut. Die Sonne stand mittlerweilen so, dass sie ihm von schräg oben ins Gesicht schien. „Verdammt noch mal“, sagte er, „der Tote lächelt. Wie kommt es, dass eine aufrecht stehende Leiche lächelt? Oder grinst sie gar? Lacht sie uns aus?“

Das laue Gefühl im Magen, das wir für kurze Zeit mit Hilfe des englischen Touristen vertrieben hatten, war schlagartig wieder da. Stärker und beklemmender als zuvor. Ein feixender Toter war noch unangenehmer, als eine Leiche mit einem ernsten, der Situation angepassten, Gesichtszug. Pierre versuchte mit beherztem Griff die nach oben zeigenden Mundwinkel nach unten zu ziehen. Aber die Leiche ließ sich das Grinsen nicht verbieten. Wir hatten jetzt plötzlich das Gefühl, dass der Eisprinz Pierre mit einem strafenden Blick ansah – durch und durch. Es war wirklich beängstigend. Für uns, mit unserer angelernten Logik, war überhaupt nichts mehr nachvollziehbar.

„Wir werden unsere Eisstatue jetzt fotografieren“, sagte Pierre und begann, die kleine Kamera auszupacken. „Das werden tolle Bilder für die Boulevardzeitung! Erinnert euch an das Ötzi-Furore; wir werden alle reich werden!“ Von allen Seiten knipste er den Fremdling, danach stellten wir uns alle neben diesen, zwei links und drei rechts, und machten mit dem Selbstauslöser einige Gruppenbilder. Wie froh waren wir, Pierre unter uns zu haben. Mit seiner Aktivität nahm er uns die Angst – wenigstens wieder für kurze Zeit.

Was wir erst spät bemerkten, war die Tatsache, dass sich der Wind, an den wir uns über Wochen gewöhnt hatten, sich nun vollkommen legte, ja, dass er sogar einer beängstigenden Stille Platz machte. Das Licht wurde noch gleißender, unwirklicher. Obwohl die Sonne immer noch schräg über uns stand, warf sie keinen Schatten. Schaffte es die Eiswüste, die Schattenbildung zu verhindern, den Schatten quasi zu absorbieren? Selbst unser Pierre kam jetzt langsam aber sicher in Panik. Unheimliches tat sich. Die lächelnde, oder gar grinsende, Leiche und ein Wetterphänomen, von dem wir noch nie gehört, oder gelesen hatten. „Wir werden umkehren“, murmelte Pierre in seinen Schnauzbart. Ganz leise, aber doch so laut, dass jeder von uns es hören musste. „Wir werden unseren Freund auf den letzten Schlitten schnallen und ihn als Faustpfand für unsere Entdeckung mitnehmen. Die Fotos allein würden nicht genügen."

Wie schnell wir ihm alle zustimmten! So schnell wie an jenem Tag hatten wir noch nie gepackt! Mit Lederriemen machten wir den Garant für unseren künftigen Reichtum auf dem Schlitten fest und trieben die Hunde an, in Richtung Heimat zu laufen.

Wir kamen bei dem windlosen Wetter gut voran. Drei volle Tage dauerte diese Ausnahmesituation, dann zogen, wie eine schwarze Wand, Wolken auf und der Sturm hielt uns wieder fest in seinen Klauen.

Erneut mussten wir uns gegen die eisigen Winde stemmen und von guter Sicht konnte längst keine Rede mehr sein. Diese widrigen Umstände trotzten uns die letzte Kraft ab, aber der Gedanke an Ruhm und Reichtum, die mit unserem Fund verbunden sein würden, ließ uns beharrlich weiter ziehen. Jeder von uns hing seinen eigenen Gedanken nach, indem er, schon fast automatisch und mechanisch, einen Fuß vor den anderen setzte. Obwohl unsere Hunde das zusätzliche Gewicht der Leiche zu schleppen hatten, spürten auch sie, dass es nach Hause ging. Sie schlugen eine schnellere Gangart an, und wir waren zufrieden damit, denn, obwohl die Leiche im Gepäck das Faustpfand zu unserem Glück war, war diese uns immer noch unheimlich. Es war gut zu wissen, in einigen Wochen wieder zuhause zu sein!

Doch wir freuten uns zu früh. Zum Sturm gesellte sich starker Schneefall. Man konnte die eigene Hand vor den Augen nicht mehr erkennen. Weglos war die Strecke, die wir zu gehen hatten ja ohnehin, aber bis jetzt konnten wir wenigstens unsere Route so legen, dass wir sichtbare Hindernisse, wie Berge und Schluchten, umgehen konnten. Seit drei Tagen konnten wir nur stur den Richtungspfeilen unseres Navigationssystems folgen, also praktisch Luftlinie nach Hause! Meterhohe Schneeverwehungen überdeckten gefährliche Spalten mit Brücken, von denen keiner von uns wusste, wie tragfähig diese sein würden. Obwohl die Gefahr bestand, uns aus den Augen zu verlieren, entschlossen wir uns, die Abstände zwischen den Schlitten aus Sicherheitsgründen zu vergrößern. Wenn jemand von uns einbrach, dann riss er wenigstens nicht auch noch andere mit ins Verderben.

Wir kämpften uns mit schwindenden Kräften weitere fünf Tage durch die weiße Hölle. Die Vorräte nahmen in besorgniserregendem Maße ab. Wir waren gezwungen, die Rationen um weit mehr als die Hälfte zu reduzieren. Nachdem wir einen weiteren Hund verloren hatten – er starb an Entkräftung – ließen wir einen ganzen Schlitten zurück. Wir mussten unbedingt Ballast abwerfen.

Beim Anstieg auf einen niederen Bergrücken passierte es dann: der letzte Schlitten glitt seitlich ab und rutschte in eine Gletscherspalte. Mit vereinten Kräften schafften wir es, ihn wieder hochzuziehen – aber unser neuer Freund war aus seiner Verankerung mit den Lederriemen gerutscht und glitt so tief in die Spalte, dass wir ihn nicht mehr fanden.

Unsere Stimmung sank augenblicklich auf den Nullpunkt. Vorwürfe flogen hin und her und Pierre gelang es nur mit Not, uns davor zurückzuhalten, uns gegenseitig tätlich anzugreifen. Die Hoffnung auf Ruhm, Ehre und Reichtum nach unserer Rückkehr war im Eimer. Der ganze Aufwand und alle Entbehrungen für die Katz! All unsere Träume lösten sich restlos in der frostigen Luft auf.

Keiner von uns hatte Lust, weiter zu gehen. Wir beschlossen an Ort und Stelle das Biwak aufzuschlagen, allerdings in sicherer Entfernung von der verdammten Spalte. Um die Stimmung etwas zu heben, verteilte Pierre eine Extraportion Zigaretten. Wie üblich lagen wir dicht gedrängt in unseren Schlafsäcken im Zelt. Energie für Licht hatten wir gespart; lediglich die jeweils kurz aufglimmenden Zigaretten erleuchteten da und dort ein abgespanntes und enttäuschtes Gesicht. In der Dunkelheit berieten wir lustlos, wie es denn weitergehen sollte.

„Ich hab’s“, sagte Klaus unvermittelt und richtete sich in seinem Sack ruckartig auf. Es war für uns alle sofort aus seiner Stimme erkennbar, dass es die zündende Idee sein musste: „Ich hab’s. Wir kennen ja die exakte Position der Stelle, an der wir unseren lächelnden Freund verloren haben. Sie lässt sich spielend am Navigationssystem ablesen. Wir gehen jetzt auf dem schnellsten Weg nach Hause und starten dann, zusammen mit unserer Zeitung, eine neue Expedition, die das Ziel haben wird, unseren Eismann zu bergen. So etwas lässt sich ungeheuerlich publikumswirksam in Szene setzen. Das Fernsehen und die Printmedien werden dabei sein. Und wir fünf werden die Helden sein!“

So schlagartig, wie unsere Stimmung zusammen mit dem Schlitten in die Tiefe rauschte, so blitzartig ging sie jetzt wieder nach oben. Welch tolle Aussichten für uns! Das musste doch klappen!

Der Rest ist schnell erzählt.

Mit letzter Kraft erreichten wir mit den Hunden und Schlitten ohne weitere Zwischenfälle den kleinen Flughafen, wo uns das Flugzeug für den Heimtransport erwartete.

Die Fotos, die wir der Zeitungsredaktion vorlegten, schlugen ein. Wir wurden wie Helden gefeiert. Die von uns vorgeschlagene Expedition wurde in kürzester Zeit organisiert.

Morgen werden wir wieder in Richtung Nordosten starten! Sobald wir mit unserer stehenden und lächelnden Leiche zurück sein werden, ist unsere blendende Zukunft gesichert. Plötzlich wird unsere Arbeitskraft gefragt sein. Ich für meinen Teil habe bereits ein Angebot von unserer Zeitung als Reisejournalist in der Tasche. Auch meine vier Kollegen erhielten schon Anrufe von interessierten Arbeitgebern.

(geändert 11.07.04)

 

Lieber Ernst Clemens!

Mir hat Deine Geschichte sehr gut gefallen! Spannend erzählt – und irgendwie hatte ich ein bisschen den Eindruck, als wäre die Geschichte ein wenig von der Idee der hohlen Erde inspiriert, was ihr natürlich nicht schadet, gerade das hat es für mich besonders interessant gemacht. Abgesehen vom politisch-religiösen Hintergrund finde ich die Theorie der hohlen Erde nämlich faszinierend. Und hätte ich nicht so viele mir wesentlich wichtigere Geschichten im Kopf, würde ich wohl auch eine Geschichte anhand dieser Idee schreiben. – Womit ich nur erläutern wollte, daß ich es nicht negativ meine, wenn ich sage, ich habe das Gefühl, daß Deine Protagonisten von dieser Idee angetrieben sind… :)

Die aufrecht stehende Leiche ist schaurig-makaber und hat mir als Idee auf jeden Fall gut gefallen. Sehr ironisch kommt die Bemerkung, sie wollten ihr Ziel mit Mitteln des ausgehenden 18. Jahrhunderts erreichen, rüber, wenn man dann die anschließende Erwähnung der einzelnen Gegenstände, die die Ausnahmen bildeten, liest…:lol:

So, ein paar Anmerkungen hab ich noch:

»Alles was wir in der Vorbereitungsphase uns ausdachten, uns überlegten, und das, was uns dann in der Durchführung wiederfuhr, datierten wir stets auf X Tage nach D-Day.«
– würde im ersten Teil ein „uns“ einsparen: Alles, was wir uns in der Vorbereitungsphase ausdachten, überlegten, und das, …

»wenn wir ihnen nichts besseres anbieten können als Wirtschaftskrise,«
– nichts Besseres

»rücksichtsloses Verhalten der ganz Reichen gegenüber den weniger besitzenden“.«
– eigentlich „den weniger Besitzenden“, persönlich würd ich aber „Wenigerbesitzenden“ schreiben ;)
– den Punkt innerhalb der direkten Rede

»wo es doch mehr oder weniger ein wattenweiches Gebilde von Ideen, Vorstellungen, Angelesenem war.«
– weich wie Watte: watteweich (ohne -n-)

»Lediglich die Redaktion einer stets auf Sensationen geile Boulevard-Zeitung«
– einer … geilen Boulevard-Zeitung

»an diese Tatsache können wir uns noch alle fünf lebhaft, als ob es erst gestern gewesen wäre, erinnern, dass …«
– fände besser „… alle fünf lebhaft erinnern, als wäre es gestern gewesen, dass …“

»dass keiner von uns in den kurzen Sekunden, in der Pierre trank, etwas auf seinen Scherz erwiderten.«
– keiner ist nicht einmal einer, also keinesfalls Mehrzahl: erwiderte

»Dies viel uns im Nachhinein umso mehr auf, als wir eine besonders witzige, sonst nie um eine Antwort verlegene, Gruppe von Freunden waren.«
– Dies fiel uns …
– die Beistriche (Kommas) nach „witzige“ und „verlegene“ kannst Du weglassen

»Ersten wollen wir uns eines modernen Navigationssystems, …«
– Erstens

»Die war gesund, leicht und in ihrer Konsistenz sehr kompakt.«
– bist Du sicher? :susp: Ich hab andere Erfahrungen, aber ich bin auch nicht auf dem neuesten Stand. Die Astronautenkost, die ich nach einer Bauchoperation einmal bekommen hab, war flüssig. Und zwar ist diese nicht nur so aufgebaut, daß sie alles enthält, was man braucht, sondern zugleich auch so, daß sie möglichst wenig „Rückstände“ hinterläßt (damit die Astronauten nicht das ganze All vollsch… :D).

»Die dritten Annehmlichkeit,«
– dritte (ohne -n)

»Immerhin blies diese ersten Tage der Wind mehrheitlich von hinten,«
– „mehrheitlich“ find ich hier nicht so optimal, klingt so, als hätte der Wind abgestimmt, aus welcher Richtung er bläst, „überwiegend“ finde ich zum Beispiel passender

»konnte er doch unseren, sich stetes vergrößernden, Vorsprung festhalten.«
– die Beistriche kannst Du weglassen
– stets (ein e zuviel)

»Die Frage war nur, wer von uns als erstes in Gras – nein ins Eis – beißen würde.«
– ins Gras – nein, ins Eis – …

»Erfahrungen aus früheren Expeditionen ins ewige Eis hatten uns gelehrt, dass Zigaretten, Alkohol und Frauen das einzige war und ist,«
– waren und sind

»was eine demoralisierte Gruppe, in Lebensgefahr, noch retten konnte.«
– ohne Beistriche

»Nun, an Frauen war nicht zu denken, die waren mittlerweilen schon Tausende von Kilometern von uns getrennt.«
– mittlerweile (ohne -n)
– statt der Wiederholung von „von“ fände ich „tausende Kilometer“ (auch „Tausende Kilometer“) besser

»Diese Nacht vor dem 53. Tag nach D-Day war für uns eine lausig kalte Nacht, gleich der letzten Nächte, die wir alle Fünf im engen Zelt verbrachten,«
– „für uns“ könntest Du streichen
fünf

»Eigentlich hätten wir froh sein müssen, dass das kleine Solarpaneel, dass wir stets auf dem vordersten Schlitten, ganz oben auf unserem Gepäck festbanden.«
– das wir stets
– dass das kleine Solarpaneel …? Meintest Du „hätten wir froh sein müssen über das kleine Solarpaneel, oder fehlt dem Satz was?

»Ob wir es wahr haben wollten, oder nicht: ohne den Palm-PC wären wir sofort verloren gewesen.«
– nach dem Doppelpunkt ist ein vollständiger Satz, daher groß: Ohne …

»Ich schob als erstes den Lappen unseres Zeltes bei Seite und trat ins Freie.«
– beiseite

»Die pessimistische Stimmung, welche wir am Vorabend alle gemeinsam in unsere Schlafsäcke mitnahmen,«
– würde vorschlagen: welche wir am Vorabend jeder für sich in unsere Schlafsäcke mitnahmen

»Vielleicht nur Einbildung......«
– bitte nur drei Punkte …

»Oder eine andere Möglichkeit: waren doch schon vor uns Menschen in dieser von Gott verlassenen Gegend unterwegs?«
– wiederum groß nach dem Doppelpunkt: Waren

»Wir glaubten etwas Hohes, schmales, zu erkennen.«
Schmales

»etwas Anderes hatten eigentlich auch keiner von uns ernsthaft erwartet.«
anderes hatte (ohne -n)

»ob sich in unserem Rücken irgend etwas abspielte, uns möglicherweise jemanden angriff.«
– würde „hinter unserem Rücken“ schöner finden, „in …“ halte ich eher für sehr umgangsprachlich
– jemand (ohne -en)

»Dass ihm die Sache nicht leicht viel, konnte man daran erkennen, dass er sich dreimal räusperte, ehe er ein eher zaghaftes „Hallo“ herausbrachte.«
fiel
– solche Konstruktionen mit gleich zweimal „dass“ in einem Satz würd ich eher vermeiden, außerdem stört die Wiederholung ehe/eher, Vorschlag:
Er räusperte sich dreimal, ehe er ein zaghaftes „Hallo“ herausbrachte. Die Sache fiel ihm offenbar nicht leicht.

»Er ging jetzt zu dem Fremden hin, berührte ihn und stellte fest,«
– würde solche „jetzt“ weglassen, da es eh klar ist, daß es in der Geschichte jetzt geschieht, außerdem sind in dem Absatz, aus dem das Zitat stammt, und dem ersten Drittel des folgenden ziemlich viele „und“

»Aber neugieriger waren wir darauf eine Antwort auf die letzte zu finden: wie kommt es, dass eine Leiche senkrecht in der Landschaft steht?«
– darauf, eine Antwort
– groß nach dem Doppelpunkt

»Keiner von uns hatte jemals von so etwas gehört, oder gelesen.«
»Pierre überwand, wie üblich, als erster seine Lethargie«
– ohne Beistrich

»dass wir alle Fünf einen vernünftigen Beruf erlernt hatten, zwei von uns hatten sogar studiert, und uns mit dieser fadenscheinigen Argumentation jeden Zutritt ins Erwerbsleben verweigerten, hatten wir es in kurzer Zeit geschafft, den Fremden systematisch zu analysieren.«
– alle fünf
– würde die „hatten“ möglichst verringern ;)

»„es könnte ja durchaus sein, dass der Teint unseres Freundes sich in der Zeit seiner Kühlschrankexistenz verändert hat“.«
– den Punkt am Ende innerhalb der direkten Rede: hat.“

»noch das, für die Schwarzen oft so typische, Kraushaar.«
– die beiden Beistriche kannst Du weglassen

»eine ganze Reihe von Nick Knatterton Kriminalromanen.«
– Nick Knatterton-Kriminalromanen

»danach stellten wir uns alle neben diesen, zwei links und drei rechts und machten mit dem Selbstauslöser«
– rechts, und

»Was wir erst spät bemerkten, war die Tatsache, dass sich der Wind, an den wir uns über Wochen gewöhnt hatten, sich legte,«
– täusch ich mich jetzt, oder legt er sich da bereits zum zweiten Mal?

»Die Fotos allein würden nicht genügen“.«
– wie üblich: den Punkt nach innen ;-)

»Jetzt sind wir alle Fünf erneut auf der Suche nach einem Job, um unser Geld zu verdienen.«
– alle fünf
– würde „unser“ streichen: um Geld zu verdienen – oder etwas anderes verwenden, denn „unser“ bedeutet ja, daß es ihnen bereits gehören würde (mein Geld muß ich mir nicht mehr verdienen), abgesehen von der Frage, ob sie gemeinsame Kassa haben. ;-)

Hat mir, wie gesagt, sehr gut gefallen. :)

Alles Liebe,
Susi :)

 

guten morgen susi,
wow - eine kritik schon in der früh um 04.31! das ist ja phantastisch! klingt ja fast so, wie "um 04.30 wird zurückgeschossen"!

also erst mal sehr herzlichen dank für die wahnsinnige mühe, die du dir mit meinem text gemacht hast. sobald ich etwas zeit habe, werde ich die von dir aufgedeckten fehler ausbügeln!

Die idee der holen erde ist mit nicht bekannt. kannst du mir etwas mehr dazu erklären?

allerdings muss ich zugeben, dass die "stehende leiche" nicht von mir erfunden wurde. es gibt eine geschichte, an die ich mich angelehnt habe. muss zuhause nachschauen, wer sie geschrieben hat, dann werde ich es dir gern sagen.

einen schönen tag dir - und nochmals vielen dank!
ernst

 

hallo susi,
die Idee mit der stehenden Leiche stammt aus der Geschichte "das mal" von Hans Erich Nossack.
liebe Grüße
ernst

 
Zuletzt bearbeitet:

hallo blackwook,
auch dir vielen dank für deinen ausführlichen kommentar. ich habe jetzt mal im ersten schritt die fehler, die häferl aufdeckte, eliminiert.

deine punkte leuchten mir weitgehend ein. ich werde versuchen, den einstieg zu kürzen und dafür das ende weiter ausbauen. danke für deine ideen dazu - ich glaube, da lässt sich etwas draus machen!
also bitte, hab etwas geduld....ich muss warten, bis die muse wieder zeit findet, mich ausführlich zu küssen!

ich melde mich bei dir, wenn ich weiter bin
beste grüße
ernst

 

hallo susi und blackwood,
ich habe am wochenende die story nochmals überarbeitet und insbesondere den schluß verändert. gefällt sie euch so besser?
beste grüße
ernst

 

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