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Alles umsonst.

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12.04.2002
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Alles umsonst.

Alles umsonst.
oder
Herr Chefmonteur Dr. Brtzldrkprt mit seinen zwei Monteuren.

"Scheiß Hocken! I hoss de aum Bod´n Umanaundakräularei!" Rocky streckt sich aus seiner knieenden Kauerhaltung weit nach vor, seine rechte Schulter drängt in den schmalen Spalt, und er langt mit dem Handbesen ganz nach Hinten. Er schwitzt vor lauter Anstrengung. Er will den Eisenstaub von den Schweiß- und Schneidearbeiten, den ganzen Dreck heraus wischen.

Da: "Arrrhhh! .... auhhhuuu. Iiiii....., tuat des weh. Scheißen!" Rocky flucht, jammert, heult, .... zieht die Hand aus dem langen, schmalen Spalt hervor und sieht sich den tiefen Riss an seinem Handballen an. Die Hand ist schon voller Blut und es quillt noch weiter dick aus der Wunde.

"Warum muss ich auch immer so überpenibel sein, verdammt?" Er sucht mit der anderen, nun ebenfalls schon angebluteten Hand umständlich sein dreckiges Taschentuch in der gegenüber liegenden Hosentasche. Als er es endlich zwischen den Fingern hat, zieht er es heraus und drückt es sich auf die Verletztung.

"Kein Mensch hier hätte Das beanstandet. Niemand hätte sich hier aufgeregt, wenn ich den Dreck nicht weg geputzt hätte. Verdammt! Was bin ich nur für ein guter Depp?" Das wäre schließlich die Aufgabe ihrer drei aserbeidschanischen Hilfskräfte gewesen, aber .... Na ja, verdammt! Und in spätestens einem Jahr funktioniert hier sowieso Nichts mehr. Irgend ein armer Hund braucht eine Schraube und schraubt sie heraus, hehe. Und eine Woche später braucht er die nächste und so weiter und so fort. Ist ja sowieso Alles für den Hugo. Total powidel! Verdammt!

Rocky denkt zurück an einen seiner letzten Jobs. Sie haben den Flughafen in Bagdad umgebaut, modernisiert. Ha, .... von April bis Juni 2002. Und dann haben die tapferen US-Boys drei Monate schwerster Arbeit in Grund und Boden gebombt. Alles hin, wie er gehört hat. Verdammt! Alles umsonst gewesen. Er möchte am liebsten weinen. Und er weint. Es tut verdammt weh, das Eine wie das Andere.

Er hat ja im Viertel der Sunniten gewohnt. In gewissen anderen Stadtteilen von Bagdad wäre es zu gefährlich gewesen, hat man ihm gesagt. Sunniten und Schiiten mögen sich bekanntlich ja nicht so. Das Hotel war eines von den besten, in denen er bei seinen Montageeinsätzen jemals sein Quartier aufgeschlagen hat.

Verdammt! Sogar "sein" Hotel war jetzt weg. "Seine" Irakis haben sich nach der Machtübernahme durch die Amis einfach mir nichts dir nichts "angeeselt". Ha, "angeeselt"! Welch saugeiles Wort? Eben Hightech gegen Steinzeit. Sie haben sich mit einem in einem Eselkarren versteckten Raketenwerfer an den freundlich winkenden US-Posten vorbei geschmuggelt und dann sein schönes Hotel raketiziert. Er hat gehört: es wird jetzt weg gerissen, weil es nicht mehr renovierfähig ist.

Na ja, vielleicht waren es ja auch gar nicht "seine" geliebten Irakis. Die waren Alle so unsagbar nett, damals. Irgendwie traut man denen so was gar nicht zu. Und es heißt ja auch: bei der al´Qaida wären Islamisten aus der ganzen weiten Welt. Scheiß Welt!

Rocky war inzwischen im Baucontainer. Ein Klocontainer steht gut fünfzig Meter weit weg, .... selbstverständlich. Komfort soll ja nicht zusammen stinken, hehe. Manchmal aber, hehe, wenn der Wind gut stand, so wie jetzt eben, dann stank es doch. Na ja, nicht unzufrieden sein. Ihm ging es jedenfalls besser, als den meisten Leuten hier.

Er holt den Verbandkasten von der Wand, ein Desinfektionsmittel heraus, und .... na ja, eh schon wissen: "Auuuuhhhu!" Geil. Saugeil. Es brennt höllisch, er jodelt sich einen ab und hüpft dabei wie Rumpelstilzchen im Container herum. Geil.

Mann o Mann, an was er immer Alles denken muss? Aber ohne ein wenig Saufen und Rauchen hält das ja kein Mensch auf Dauer aus, .... und verdammt, schon gar kein alt gewordener Gutmensch, wie er. Hehe! Verdammt, das war sein letzter Tag hier. Den hat er sich jetzt verschissen. Na ja, hört er halt mit den letzten Arbeiten auf. Sollen die doch selber putzen, wenn es ihnen zu dreckig ist. Aber denen ist ja eh Alles wurscht.

Das ist sowieso sein beschissenster Einsatz gewesen. Nicht einmal in einem Hotel wohnen sie. Es gibt hier keines weit und breit. Nur Gegend, wohin man schaut, hier in Aserbeidschan. Er und sein Kumpel haben hier alle paar Kilometer eine Pumpstation für die neue Pipeline bis an die Grenze von Georgien gebaut, in diese schöne, ja, das muss man sagen, verdammt schöne Gegend.

Schade, dass die Leute hier so arm sind. Die haben praktisch gar Nichts. Selbst ein lebenslanger Arbeitsloser oder Sozialhilfeempfänger in Österreich, der heute fast seinen Fünfziger nieder reißt, hat da mehr. Ja, den kann man sogar als reich bezeichnen.

Und er, Rocky, hat so Einen mit absoluter Sicherheit Zeit seines nun schon so langen und so fleißigen Arbeitlebens ganz alleine erhalten, finanziert. Er ist ja auch schon gegen Fünfzig. Also kein echter 68er, klar, aber fast. Rocky weiß also gerade noch von Was er da spricht, denkt, natürlich. Und er hat sogar auch einmal so gedacht, Das wäre voll okay. Aber das war mal.

Er war ja in seiner Jugend, Mann, ist das lange her, beim österreichischen Gutmenschennachwuchs. Junge SPÖ und so, Gewerkschafts- und Arbeiterkammer-Mitglied. Na ja, letzteres ist ja keine Kunst, ist ja eine Pflichtmitgliedschaft, die jeder Arbeiter braucht. Es war aber trotzdem eine schöne Zeit, wenn er daran denkt, wie er damals den Deppen gemacht hat für die Jungsozialisten in seiner Heimatstadt. Kein Fest, keine Veranstaltung lief da ohne ihn. Anlagen aufbauen, Kabel verlegen und so, das war seine Spezialität. Und Alles gratis, klar. Ein Gutmensch weiß schließlich, was sich gehört.

Er war ja gelernter Schlosser von Beruf mit schweren Elektrokenntnissen. Und die alten Autos ohne dieser Elektronik von Heute waren für ihn von Hinten bis Vorne kein fremdes Dorf. Bei seinem alten 220er-Mercedes macht er Alles noch selbst, .... wenn er mal zu Hause ist.

Er war praktisch als Mädchen für Alles bei Freunden, Bekannten und Verwandten und in allen möglichen Betten ein gern gesehener Gast. Rohre verlegen, so und so, und Leitungen aller Art waren damals seine Liebhaberei. Alles gratis, klar, und Haha. Nach dem Bundesheer natürlich nur noch dann, wenn er nicht gerade als Monteur für eine westliche Gutmenschenfirma irgendwo in der so unheimlich weiten Dritten Welt eine Technik der Neuzeit einmontiert hat. Ha, "einmontiert". Geiles Wort.

Ja, Rocky war immer einer von vielen, vielen westlichen Gutmenschen, die versucht haben, der Humanität und der Sozialität in der Dritten Welt nicht nur mit Blabla auf die Sprünge zu helfen. Mann o Mann, was hat er nicht Alles einmontiert .... in diese Dritte Welt? Was hat er denn sonst noch so gemacht? Keine Ahnung. Nach dem Bundesheer war er eigentlich immer mehr oder weniger als Entwicklungshelfer unterwegs.

"Na ja, dass ich nicht lüge. Einmal, ha, da habe ich in Israel den von Deutschland schwer mitfinanzierten Flughaben von Gaza mitgebaut. Und Israel ist ja kein Entwicklungsland, zumindest nicht in technischer Hinsicht. In seelischer und geistiger Hinsicht ließe sich da aber aller Wahrscheinlichkeit nach mit Gutmenschen Stunden lang streiten." Alle Schaltkästen und Rohre und Kabeln hat er dort mit seinem alten Superkumpel einmontiert.

(Schade, dieser alte Kumpel ist heute nicht mehr dabei. Es täte ihm ja eh so leid, hat er vor gut zwei Jahren, damals nach dem Irakeinsatz, zu Rocky gesagt. Aber seine nun schon dritte Ehe, ein viertes Kind sei bald da, möchte er sich nicht mehr versauen. Abgesehen davon, dass er schwer verliebt wäre, würde das seinen totalen Ruin bedeuten. Noch einmal Alimente für ein Kind, das er dann nicht sieht, das könne er sich nicht mehr leisten. Er zahlt jetzt schon über achthundert Teuros für die anderen drei.

Dem Richter und der Gesellschaft natürlich auch wäre es völlig wurscht, wieso!? Gutmenschenrichter scheißen aufs Wieso, selbst dann, wenn ohne einen wie dich das Gutmensch-Sein gar nicht funktionieren würde. Wer macht schließlich den Deppen dafür?)

Na ja, wurscht. Die Israelis haben jedenfalls in einem Anfall von gesamtvölkischer Geisteskrankheit "seinen" schönen (Zivil-!!!)Flughafen in Schutt und Asche gelegt. Vielleicht hat ja Deutschland so nebenbei auch die Planierraupen der Israelis bezahlt? Wer weiß das schon? Die Deutschen helfen ja Allen. Die haben ja eine schwere geschichtliche Schuld zu bezahlen.

Rocky hat keine Ahnung, wieso? So und so. Rocky war damals noch gar nicht auf der Welt. Und hatten die Palästinenser etwa unsichtbare, futuristische Kampfflugzeuge, die von dort aus Angriffswellen auf Israel flogen? Oder womöglich gar gefährliche Kampfhubschrauber mit dieser saugeilen DU-Munition, mit der heute Alle wild herum ballern und damit ganze Erdteile auf Ewig verstrahlen? Vielleicht sollten dort ja auch die Raketen der Palästinenser mit den Atomsprengköpfen abgefeuert werden? Ach ne, das gibt´s nicht! Atomraketen und Atombomben haben im Nahen Osten ja bisher nur die so überaus friedliebenden Israelis. Und vor denen braucht die Welt ja keine Angst zu haben. Nur die Freiheitskämpfer, die keinen anderen Ausweg aus ihrer verzweifelten Lage sehen, als sich selber in die Luft zu bomben, die machen uns Angst.

Rocky schmerzt die Wunde. Sie brennt heftig und pocht. Er gibt sich das sechste Cola mit einem dreifachen Whiskey, Marke Jacky, klar. Wenigstens da lässt sich das Land nicht lumpen. Heute wird groß Abschied gefeiert. "Groß? Ha, dass ich nicht lache. Mit wem?"

Da ist erst mal sein Kumpel, den er noch immer nicht kennt. Es war ja ihr erster gemeinsamer Auftrag. Echt, mit so einem Volltrottel war er noch nie auf Montage. Der hatte keine Ahnung vom Tuten und Blasen. Arbeit war für den ein Fremdwort. Zu Allem hatte er ihn schon fast nötigen müssen. Und wenn er was gemacht hat, dann baute er meist Scheiße. Eigentlich hat Rocky die Stationen alleine gebaut. Wurscht! Und jetzt war er schon wieder völlig dicht, total hinüber. Er lallte nur noch und weinte, während er sich mit einem der zwei Hilfskräfte zärtlich umschlungen hielt. Er war ein schwerer Alki und war in der Früh fast nicht aus dem Bett zu bringen. Auch wurscht! Jetzt ist es ja Scheißen!

Na, und dann war da noch Herr Dr. Brtzldrkprt oder wie der hieß, der aserbeidschanische Chefmonteur. Hihi! Chefmonteur??? Angeblich hat er Soziologie studiert. Man stell sich vor: Aserbeidschan und Soziologie!? Und angeblich hat er auch ein Diplom in Englisch. Wegen seiner Englischkenntnisse ist er jetzt Chefmonteur. Haha. Rocky hätte sich damals fast tot gelacht, als man ihm den Typen vorgestellt hat. Rocky wusste sofort, das war ein Protektionskind, das von Nichts eine Ahnung hatte. So Was findet man wohl auf der ganzen Welt. Selbst in Aserbeidschan machen sie da keine Ausnahme.

Er lacht jetzt wieder, auf ihrer Abschiedsparty, während er daran denkt, und an die Zeit, die sie miteinander verbracht hatten. Er war ja nicht ungut, der Typ, aber eben: Ahnung null mal null.

Auch Dr. Brtzldrkprt ist also hier und schon dicht, völlig hinüber. Sein Englisch "geht" nicht mehr, ha, eigentlich ging es ja nie, hihi. Na ja, dass nicht gelogen wird, zuletzt, also nach zwei und ein halb Monaten Übung mit Rocky und seinem Kumpel, der ja eigentlich kein Kumpel ist, geht es jetzt schon einigermaßen.

Aber Chefmonteur, hihi, ne, Chefmonteur ist Herr Dr. Brtzldrkprt noch immer keiner, hihi. Na ja, wurscht. Jedenfalls brabbelt Dr. Brtzldrkprt nur noch in seinem Heimatdialekt, den selbst seine zwei ihm beigestellten Monteure nicht verstehen können. Und auch ihr letzter Wirt, seine Frau und ein paar Leute aus der Bar, in der sie feiern, verstehen ihn nicht. Sogar der Typ aus dem Ministerium geht ihm heute aus dem Weg. Auch der ist dicht.

Auch die zwei Monteure schütteln nur noch den Kopf. Aber nicht wegen Dr. Brtzldrkprt, hehe, ne, auch die zwei sind inzwischen in ihrem mitgebrachten Hausschnaps - angeblich Kartoffel mit Anis - abgesoffen. Die Party ist voll im Gange und steuert ihrem Höhepunkt entgegen. Rocky kriegt wieder einen Lachkrampf. Hahahaha, ..... Höhepunkt: ha, bald werden nämlich Alle schlafen. Rocky graust schon jetzt, wenn er daran denkt, dass er noch packen muss. Morgen um acht in der Früh kommt der Jeep und bringt sie zum Flughafen. Gott sei Dank. Endlich heim.

Der Lachsturm in Rocky hält an. Mann o Mann, war dieser Anblick damals geil: Herr Chefmonteur Dr. Brtzldrkprt mit seinen zwei ihm beigestellten Monteuren. Anfangs waren sie jeden Tag um halb acht Uhr gestellt. Dann kamen sie immer später. Zuletzt kamen sie dann nur noch einmal die Woche. Aber ihr Geld werden sie wohl kriegen, wird ja von einer englischen Ölfirma bezahlt.

Es war immer das gleiche Bild: Herr Chefmonteur Dr. Brtzldrkprt in seinem schon leicht abgetragenen braungrauen Anzug mit dünner schwarzer Krawatte auf leicht graugrünem Hemd. Dahinter links und rechts die zwei Monteure, einer einen mittleren Hammer in der Hand, der andere eine Beißzange. Der war wohl der Untermonteur, denn der hatte auch eine kleine Tasche um die Hüfte gebunden - ein wenig größer als die seine zu Hause hinten am Fahrrad. Da hatte er einen Satz Schraubenschlüsseln drin, und vier unterschiedliche -zieher. Geil. Echt geil das Bild. Dieses Bild wird er nie vergessen, das hat sich zu oft in seine Schädeldecke eingebrannt.

Dabei ist es eigentlich nie viel anders gewesen. Aber so schlimm war es bis jetzt noch nie. Alles in Allem ist Aserbeidschan der Höhepunkt. Ha, dieser Herr Brtzldrkprt, Doktor der Soziologie, was immer das in Aserbeidschan bedeuten mag, und der nicht richtig Englisch konnte, bevor er Rocky getroffen hat, obwohl er es studiert hat - er hat Rocky sein Diplom gezeigt, und der auch noch Chefmonteur war, dann sein Obermonteur mit Hammer und sein Untermonteur mit Beißzange in der Hand - wahrlich ein Bild für dem Lachen nicht abgeneigte und vom Lachgras bestäubte Götter.

Ein kleinerer Lachsturm braust wieder durch Rockys Körper. Mann o Mann: die Drei haben keinen einzigen Finger krumm gemacht, an keiner einzigen Pumpenstation. Die sind anfangs nur herum gestanden und haben dann irgendwann mit dem Schnaps saufen angefangen. Die waren jeden Tag fast völlig dicht. Und nach gut drei Wochen Eingewöhnung haben sie dann nur noch gesoffen. Und sein Kumpel hat da meist mit gesoffen. Ab der Mittagsjause war mit dem nicht mehr viel anzufangen.

Und er, Rocky, hat sich jetzt beim Putzen, also bei einer Arbeit, für die er gar nicht zuständig war, seinen Handballen aufgeschlitzt. Was ist er doch für ein elendiglich depperter Gutmenschentrottel? Unfassbar. Wenn ihm das irgendjemand vor dreißig Jahren gesagt hätte, er hätte ihn in Grund und Boden gestampft, dem Spinner das Hirn aus dem Schädel geprügelt. Hihi, auch so Einer war Rocky manchmal, hihi, aber so ändern sich halt die Zeiten. Shit.

Und als Organisator war Herr Dr. Brtzldrkprt auch völlig unfähig. Die Einzigen, auf die sie sich verlassen konnten, waren ihre Taxichauffeure. Das hatte Rocky sofort kapiert. Das ist eigentlich auch immer das Selbe. Auf die Taxler kann man sich verlassen, ganz egal, in welchem Drecksnest man sich gerade aufhält in der Dritten Welt. Die Taxler sind okay. Na ja, man musste halt vor- und auch quer denken. Zum Glück war Rocky damit begabt.

Er wurde immer dichter. Wenigstens das Gras hier war okay. Es war vom Feinsten. Das hatte sein erster Taxler besorgt, gleich einen ganzen Ballen, und das auch noch zu einem Preis, da kriegste zu Hause gerade mal zehn Gramm. Seit der Euro-Einführung sind ja auch da die Preise geil gestiegen. Früher zahlte man achtzig Schilling, höchstens hundert. Seit dem Euro kostet es nur zehn, he, aber in Euro. Geil, geil, geil. Und Alle lassen wir uns schön verarschen. Es scheint, als hätten wir Alle ein schlechtes Gewissen, weil es uns so verdammt gut geht.

Rockys Gedanken flogen immer schneller. Ohne dieses gute Graserl hätte er die zwei und ein halb Monate sicher nicht ausgehalten. Jeden Tag hatte er gute zehn Gründe für einen (entschuldbaren) Mord. Und sieben Gründe davon betrafen seinen Kumpel, der eigentlich keiner war. Na ja.

Am Liebsten hätte er den Job schon nach gut zwei Wochen geschmissen. Aber Rocky hat noch nie einen Job geschmissen, so beschissen der oder die Umstände auch waren. So Einer ist Rocky nicht. Auf ihn war immer Verlass. So Einer wie er, Rocky, ist das Salz der Erde. Wenn nicht so Einer wie er, verdammt, wer dann? Ohne so einen Rocky geht nun einmal gar Nichts in der Welt, das ist gewiss, und in so einer Gutwelt, wie der unseren, erst schon gar nicht. Man stelle sich bloß vor: Herr Chefmonteur Dr. Brtzldrkprt mit seinen zwei Monteuren. Mit so einer Philosophen-Truppe kann man keine schönen Philosophien verwirklichen. Da müssen echte Männer her, die fähig sind, mit ihrer Drecksarbeit auch die schönsten Philosophien für das Leben gerade oder krumm zu biegen, je nach dem halt.

Hahaha. Rocky lacht sich krumm. Und da fällt ihm sein Hit von Einmontierungen von gutmenschlichen Wertvorstellungen in die Dritte Welt ein. Echt ein Top-Ten-Hit! Absolut-Wodka-dicht!

Ha, es war in Nigeria. Er hat für eine Entwicklungshilfe-Organisation aus dem Zentralgutland der EU, Belgien, siehe Marc Dutroux und so, eine Wasseraufbereitungsanlage in die durstige Erde einmontiert. Er fuhr dann, als sie fertig waren, nach Hause und hatte drei Wochen frei. Zeitausgleich, weil sie ja jeden Tag zwischen zwölf und vierzehn Stunden geschuftet hatten. Am vorletzten Tag von seinem Zeitausgleich hat ihn sein Chef angerufen - fuchsteufelswild war der:

"Du hast Scheiße gebaut! Die Anlage geht nicht mehr!" und so weiter. Beschimpft hat er ihn. Rocky: "Das gibt es nicht! Ich war sogar übergenau, verdammt!" Das war er auch, wie immer. Und er war sich sicher, dass er keinen Pfusch gemacht hatte. Pfusch bauen war nicht sein Stil. Verdammt!

Der Job ist damals sein erster als Chefmonteur für die neue Firma gewesen. (Herr Chefmonteur Dr. Brtzldrkprt mit seinen zwei Monteuren lässt schön grüßen. Haha.) Da zerbricht Rocky, völlig dicht von Schnaps und Whiskey und dem guten Gräschen: hahahaha. Es wirft ihn auf seinem Stuhl einsam hin und her.

Da schauen die Anderen interessiert auf und zu ihm her. Selbst Herr Chefmonteur Dr. Brtzldrkprt erwacht aus seinem aserbeidschanischen Dialektrausch und Alle wollen wissen, wieso er sich selber halb zu Tode lacht. Er erklärt auf Englisch - das nun Herr Doktor auch schon ein wenig versteht - die Geschichte.

"Na ja, und dann musste ich noch einmal nach Nigeria fahren. Und siehe da: die Wasseraufbereitungsanlage war nicht mehr da. Abmontiert, still und heimlich. Eines Nachts gestohlen, hahaha. Klar, da konnte sie nicht mehr funktionieren, hahahaha.

Die "Entwicklungshelfer" des belgischen Gutmenschenvereins, Alles echt gute Menschen, aber halt am Leben schwer vorbei geträumt, hätten halt mitteilen wollen, "dass die Anlage nicht mehr funktioniert". Sie hätten ja nicht im Traum daran gedacht, dass da dann gleich Jemand geschickt würde - zur Reparatur. Hahahaha. Und so war ich völlig umsonst noch einmal in Nigeria."

Rocky kriegte wieder einen Lachanfall. Gott o Gott, war dieses Gräslein hier gut. Das wird echt das Einzige sein, das ihm zu Hause abgehen wird. Mmmmhhhh! Er macht noch einen tiefen Zug.

Er hatte Das, Was unter Rauchern als "Lachender" bekannt war. Hahahahaha! Das ging wohl gut zwei Minuten so. Die Partygäste lachten ein wenig mit. Er sah in lauter zu Lachversuchen verzerrte Gesichter, was ihn noch mehr erheiterte. Selbst sein "Kumpel" verstand bei seinem Witz die Pointe nicht. Na ja, der war ja noch nicht lange genug dabei, ist verziehen. Es war seine erste Montage im Ausland. Der war nur hier, weil er hohe Unterhalts- und auch sonstige Schulden hat. Den interessierte nicht viel. Aber mit der Auslöse könnte er endlich den größeren Teil seiner Schulden bezahlen. Er hatte ja eigentlich auch gar keine andere Wahl. Der Richter beim Bezirksgericht hat gemeint: Häfen, oder ....?

Und da wachte Rocky dann auf einmal eiskalt aus seinem "Lachenden" auf. Er sah Herrn Chefmonteur Dr. Brtzldrkprt und seine zwei Monteure an und stellte ihnen auf Englisch die Frage:

"Hahahahaha," er konnte es dann doch wieder nicht lassen, "haha, ich kann nur hoffen: auch hier bei Euch in Aserbeidschan ist nicht Alles, was ich bei Euch einmontiert habe, vergebens und umsonst gewesen!?"

© Copyright by Lothar Krist (30./31.3.2004 von 22.45 - 01.30 Uhr)

 
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Hallo Filechecker!

Danke für Deine Anregungen. Bei der Geschichte handelt es sich um eine "Suderei", so eine Art "Scheißhausdichterei", wie das ja bei vielen meiner Geschichten der Fall ist. So in der Art von: Ein Dichter sitzt im Scheißhaus und sudert sich einen ab. Und bei so einer Suderei sind Gedankensprünge nun einmal üblich. Du schreibst selbst, dass das Einhalten der jeweils richtigen Zeit extrem lästig beim Lesen wäre. Da ich mich sowieso nicht immer an die geltenden Regeln halte, gehe ich auch hier Kompromisse ein. Und überleg mal: setz dich aufs Klo, lass dich mal schön gehen und schimpf mal so richtig schön über unsere scheiß Welt. Irgendwas zum Schimpfen wird es schon geben.

Und was die Sache zB mit dem Baucontainer anbelangt: Eine Handlung im Container selbst kann zukünftig, gegenwärtig oder auch schon vergangen sein. Ein Baucontainer und das Scheißhaus dazu steht aber immer dort. Na ja, wurscht.

Ich sehe mir die Sache aber noch einmal an, habe die Geschichte erst heute am Vormittag in den PC geschrieben. Kann schon sein, dass da noch ein paar Rechtschreibfehler drin sind. Aber die Großschreibung (Alle, Nichts, Etwas, usw) ist eine schlimme Eigenheit von mir, diesbezüglich fällt fast bei jeder meiner Veröffentlichung Jemand rein. Ist Absicht! Auch der OÖ-Dialekt am Anfang. Es wäre für die LeserInnen unzumutbar, das die ganze Story lang durchzuhalten.

Aber danke.
lg
buji

 

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