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Amerikanisches Wundermittel
Amerikanisches Wundermittel
Es war an einem jener verregneten Herbsttage, an denen man am liebsten gar nicht erst aufstehen möchte. Daher entschloss ich mich, die leidige Putzarbeit zu erledigen, schickte unsere Babysitterin mitsamt unserem Nachwuchs nach draußen, als es plötzlich an unserer Haustür Sturm klingelte.
Ärgerlich über die Störung ging ich leicht genervt an die Haustür. Da stand meine Nachbarin mit dem strahlendsten Sonnenscheinlächeln, das man sich vorstellen kann, vor mir, drückte mir nach einem flüchtigen „Hei, das musst du unbedingt ausprobieren!“, eine blaue Flasche in die Hand und entschwand ohne weitere Erklärungen mitsamt ihrem Lächeln.
Völlig perplex stand ich so eine Weile da und schaute mir die Flasche und deren Inhalt genauer an. Es war ein amerikanisches Putzmittel. In Gedanken an gründliche deutsche Hausfrauen, die ihren schmuddeligen Nachbarinnen Putzmittel an der Haustür verschenken, drückte ich ganz aus Versehen auf den Sprühknopf der Flasche, dessen Inhalt ganz zufällig auf einen meiner leicht vergilbten Fensterrahmen zielte: Wie vom Donner gerührt stand ich da und beobachtete fasziniert den makellos weißen Fleck, den ich dorthin gesprüht hatte. Der gelb - braune Film, enstanden durch nikotingeschwängerte Luft vieler Jahre floss munter dem Fußboden entgegen.
Durch eine ungeschickte Sprühbewegung zielte ich unabsichtlich auf die Fliesen. Das Ergebnis war phänomenal. Ich entdeckte, dass wir weiße Fliesen haben. Von da an war ich nicht mehr zu halten und sprühte mich quer durch die Zimmer.
Als ich mich daran machte, unseren Fenstern wieder Durchblick zu verleihen, sah ich direkt in das Gesicht meiner Sonnenscheinnachbarin, die mich mit einem unergründlichen Mona Lisalächeln durch ihr makellos reines Esszimmerfenster beobachtete. Ich strahlte mit verschwitztem Gesicht zurück, hob zwei Finger, an denen schon die Haut abblätterte, zu einem „V“ und wischte wie besessen weiter, als es erneut an der Haustür läutete.
Mit der Sprühflasch im Anschlag ging ich hin und öffnete.
Da standen meine Babysitterin und irgendein undefinierbares, schlammverkrustetes Monster, das ich bei näherem Hinsehen als meinen Sohn identifizierte. Entsetzt schaute ich an ihrer Kleidung herunter und befahl ihnen, sich auf der Stelle auszuziehen. Verwundert zogen sich die Beiden die schlammigen Kleider aus, schlichen sich ins Badezimmer und waren beleidigt.
Ein paar saubere Küchenschränke später, erklärte ich meiner treuen Sitterin, warum unser Haus plötzlich so anders aussah. Darauf hin riß sie mir die Sprühflasche aus der Hand und verschwand mitsamt einer Rolle Küchentücher in Richtung Badezimmer, wo ich sie unter lautem oooh und aaah herumwerkeln hörte. Kein Zweifel, auch sie war infiziert. Als ich eine Stunde später besorgt nach ihr sah, war sie gerade dabei, meine Gardinen im Schlafzimmer zu besprühen. Das neue Muster gefiel uns ausnehmend gut.
Beglückt sahen wir uns um und holten noch mehr Eimer, mehr Lappen, mehr Dreck.
Als wir gerade dabei waren, die schwarzen Lederschuhe meines Mannes in ein paar schicke, weiße Freizeitschuhe zu umzustylen, stand derselbe plötzlich vor uns.
Wir hatten ihn vor lauter Eifer gar nicht hereinkommen hören. Etwas verwirrt standen wir vor ihm, dann schauten wir uns an. Sie nickte und ich hob die Sprühflasche...
Als er gegangen war sagte sie: "also ich fand auch, dass er ein wenig schmutzig war!"