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Ancilla Secundas Brüste
Schwach zittriges Licht aus Fackelfeuern ließ unheimliche Schatten auf dem dunklen Gemäuer des Kellergewölbes tanzen. Stöhnen war zu hören. Dumpfe, faulige, heiße Luft erschwerte das GrinAtmen dermaßen, dass die Schwächeren unter den Geschundenen in Ohnmacht fielen. Die ausgemergelten Körper sackten ein, hingen gleich geschlachtetem Vieh an den vom Gewölbe herabbaumelnden Ketten, die Handgelenke von schweren Eisenringen fest umklammert, die am Ende der Ketten angebracht waren. Der Gestank nach Schweiß, Urin und Kot, Geruch vom verbrannten Öl der Fackeln ließ die Käufer nur kurz in das unheilvolle Gewölbe hinabsteigen, um prüfende Blicke auf die Gemarterten zu werfen.
Fettig strähnig klebte Ancillas Secundas Haar an ihrem Haupte. Lediglich ein schmutziger, grauer, um ihre Hüften gebundener Lappen bedeckte ihre Scham. Die Eisenringe an Hand- und Fußgelenken hatten sich tief in ihre Haut gekerbt, hatten Blutkrusten gebildet, die nicht verheilen konnten. Ausgezehrt, schmutzig, von Krätze übersät darbte sie nun bereits zwei Tage und Nächte in jenem unglückseligen Verlies einer schummrigen Straße hinter dem Circus Maximus.
Maurus war zufrieden. Seine Geschäfte gingen gut. Zehn Sklaven hatte er in dieser Woche bereits verkauft. Zu günstigen Preisen, die seine Konkurrenten blass werden ließen. Die Käufer hatten zwar die hungrigen Gestalten eine Zeit lang zu pflegen und zu füttern, damit diese wieder zu Kräften kamen und arbeitsfähig wurden, doch war der Preis dermaßen verlockend, dass viele darauf ansprachen. Genüsslich strich er durch seinen orientalischen Lockenvollbart. „Sklaven gefällig", rief er in die dichte, laute Menge, die Hand mit den dicklichen Fingern auf seinen vollen, runden Bauch haltend.
Eine Sänfte kam näher, bahnte sich den Weg durch die Masse. „Platz für die edle Lucia", schrien die Träger. Die Sänfte hielt vor Maurus’ Handelsplatz. Angewidert vom Geruch der Straße hielt sich die Frau ihre Palla aus feinstem, blauen Stoff vor das Gesicht. Maurus verneigte sich.
„Was kann ich für Euch tun, edle Herrin?" Sein widerwärtiges Grinsen ließ Lucia ihr Gesicht für einen Moment lang von ihm abwenden.
„Man spricht, du habest günstige Sklaven!", sprach sie in eisigem Ton.
„Alles, was Ihr wünscht, Herrin, kommt und seht."
Mit Abscheu vor Marus’ Liebedienerei verzerrte sie ihren dünnen Mund. Lucias Stirne legte sich in Falten. Das Gewühl der Straße, Maurus’ unterwürfig hinterhältige Freundlichkeit, die Aussicht, Sklaven begutachten zu müssen, bereiteten ihr Ungemach.
„Folge mir in das Lager." Maurus rief einen Sklaven, damit er die Fackel halte.
Übelkeit überkam Lucia beim Betreten des Sklavenlagers. Sie hielt sich mit der Hand einen Zipfel der Palla vor die spitze Nase ihres schmalen, faltigen Gesichtes.
„Eine Amme brauch ich", sagte sie mit durch die vorgehaltene Hand erstickter Stimme.
„Eine Amme, zu Diensten!" Maurus deutete auf Ancilla Secunda.
„Diese hier! Sieh, sie ist jung, hat volle Brüste. Sehr belastbar! Eine Partherin! Frisch hierhergebracht!"
Lucia beklagte sich über den Gestank, sowie den schlechten Zustand der feilgebotenen Sklaven. Langsam näherte sie sich der schwer atmenden Frau. Mit ihren dürren, knochigen Fingern betastete sie Anciallas Secundas Brüste.
„Ihre Brüste sind gut, groß, rund. Wenn man sie auffüttert, wird sie als Amme nützlich sein!", meinte Lucia und nickte.
„Fünftausend Sesterzen!" Maurus konnte sein frohlockendes Grinsen nicht verbergen.
„Guter Mann, fünftausend für diesen Zustand? Sie wird einige Zeit keine Dienste leisten können, so geschwächt ist sie. Ich kam, weil man mir sagte, du seist günstiger als die anderen. Mein Mann hat derzeit nicht so viel zur Verfügung, deshalb kam ich, um beim Erwerb zu sparen!"
Lucias Missmut ob der dreisten Forderung des Händlers schlug sich in ihrer Stimme nieder.
„Dreitausend!" Maurus’ Mimik verfinsterte sich.
„Zweitausendfünfhundert." Lucia gab nicht nach.
„Abgemacht!", antwortete der Sklavenhändler in eiskaltem Ton.
Ancilla Secunda wurde aus den Eisenringen befreit, an den Handgelenken mit einem Seil gefesselt und nach oben gebracht. Das Sonnenlicht blendete sie. Mit Abscheu betrachtete Lucia das weiße, fahle Gesicht der soeben erworbenen Sklavin. Ihre Brüste schienen geeignet zur Säugung ihres Letztgeborenen. Nochmals betastete sie prüfend Ancilla Secundas Busen.
„Ein guter, günstiger Kauf", dachte sie.
Ancilla Secunda ließ sich widerstandslos von den Sklaven Lucias führen. Sie banden ihre gefesselten Handgelenke an die hintere Verstrebung der Sänfte. Die Sklavin lief willenlos im holprigen Rhythmus der Sänfte über die schmerzenden Pflastersteine. Das lärmende Treiben, die stechende Sonne, nahm sie kaum wahr. In ihrem Geist herrschte seit langer Zeit nur dumpfe, gleichgültige Leere. All das unermessliche Leid, welches sie hatte ertragen müssen, hatte sie ausgebrannt, jeglichen Widerstand in ihr gebrochen. In manchen Augenblicken geistiger Wachheit, war ihr das Schicksal dermaßen unerträglich geworden, dass es ihr einzig verbliebener Wunsch war, zu sterben.
Kaum noch spürte sie den Hunger, die Schmerzen an den Handgelenken, an den Füßen. Teilnahmslos ließ sie sich von der Sänfte über die runden Steine des Straßenpflasters ziehen. Die Sänfte wurde auf den Esquilin getragen, zum Haus des Senators Tertius Ceionius, dem Lucia erst vor wenigen Tagen den lang ersehnten Sohn, Aulus, geschenkt hatte. Eine Küchensklavin hatte das Neugeborene zu nähren, bis eine geeignete Amme herangeschafft würde.
Keltische Wächter schützten das Anwesen. Das Haus stand inmitten eines üppigen, großen Gartens. Vom Gattertor des schmiedeisernenen Zaunes, der das Anwesen umgrenzte, führe ein von Pinien und Rosensträuchern gesäumter Weg aus glatt geschliffenen Steinplatten zum Haus.
Lucia übertrug ihrer Haussklavin Myrrha die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Ancilla Secunda zu Kräften komme. Ancilla Secunda wurden die Fesseln abgenommen. Myrrha führte sie zum Trakt der Dienerschaft. Eine kleine, enge Kammer, in welcher nur ein Bett, sowie ein schmuckloser, grobgezimmerter Kasten standen.
„Hier", flüsterte Myrrha leise, „leg dich hin!"
Ancilla Secundas leblose Augen blickten hinauf zum Fenstergitter. Schmale Bündel Sonnenstrahlen drangen durch die Eisenstäbe. Myrrha brachte ihr Brei. Ancilla drehte ihren Kopf weg.
„Iss doch!", flüsterte sie, strich ihr dabei über das fettige, schmutzige Haar.
Myrrha rief um Beistand, da all ihre Überredungskünste vergebens waren. Ancilla verweigerte die Nahrungsaufnahme, starrte mit leeren Augen gegen die weiße Wand. Saba, eine feiste Nubierin kam herbeigeeilt, hielt Ancilla am Bett fest. Myrrha öffnete ihr den Mund, flößte ihr den Brei ein. Ancilla spie den Brei aus. Die dicke Flüssigkeit rann über ihre Mundwinkel, ihr Kinn. Als Saba bemerkte, dass Ancilla willenlos liegen blieb, als sie ihre kräftigen Arme von ihr losließ, presste sie ihre dicken, kräftigen Finger mit aller Kraft gegen Ancillas Backen. Myrrha stopfte der neuen Dienerin den Brei in die Mundhöhle. Ancilla wehrte sich nicht mehr, schluckte den Brei hinunter. Das darauf folgende Bad ließ sie regungslos über sich ergehen. Myrrha legte mit Salbe bestrichenen Verband um Ancillas Wunden, führte sie in die Kammer zurück.
Stolz betrachtete der Senator seinen neugeborenen Sohn, wie er friedlich in seinem Bettchen schlummerte. Das Kind weinte oft, nahm die Brust seiner derzeitigen Amme nicht an, die stets vom Küchendienst zum Säugen gerufen wurde und dies nur mit größtem Widerwillen tat. Lucia kümmerte sich kaum um das Kind. Sie liebte ihren Mann nicht, sowie sie ihren drei Töchter, von welchen nur Ceionia Pulchra das erste Jahr nach der Geburt überlebt hatte, nur Gleichgültigkeit entgegenbrachte. Ceionia Pulchra war nach ihrem fünfzehnten Geburtstag außer Haus, zur Familie ihres zukünftigen Mannes gegeben worden. Den Sohn Aulus hatte sie gleich nach der Niederkunft in die Arme der Hebamme gegeben, sich auch später nicht um ihn gekümmert. Lucia war auf Grund ihrer hohen Mitgift geheiratet worden, die ihrem Mann die Beamtenlaufbahn, bis hin zum Senator ermöglicht hatte.
Tertius Ceionius hatte sich bereits mit dem Gedanken getragen, seine Frau zu ihrer Familie zurückzuschicken, da sie ihm keine Söhne gebar. Schließlich war nach langen Jahren sein Wunsch in Erfüllung gegangen. Zärtlich betrachtete er den kleinen Aulus, gleitete seine hageren, langen Finger über die Kinderstirne. Nur die beste Erziehung, die beste Betreuung wollte er ihm angedeihen lassen. Leise summte er ein Kinderlied. Voller Liebe betrachtete er seinen Sohn, wie er wohlig schlief.
„Bald", dachte er, „wirst du eine Amme haben, die nur dir gehört, mein Kleiner!"
Nach drei Tagen Pflege wurde Ancilla früh morgens geweckt. Sie war noch schwach, ihre Wunden waren kaum verheilt. Doch die Zufuhr von Nahrung, die Bäder, langer Schlaf hatten sie wieder einigermaßen aufgerichtet. Myrrha führte sie durch den Garten in das herrschaftliche Haus. Lucia erwartete sie bereits in der Vorhalle, wie Myrrha an sie unverzüglich in das Zimmer des Aulus geleiten. Ancilla Secunda sprach nicht, blickte unentwegt zu Boden.
Stille herrschte im Zimmer des kleinen Aulus. Er war aufgewacht, schrie und wimmerte. Ancilla Secunda wurde zu ihm gebracht. Myrrha erklärte ihr, dass ihre Aufgabe nun für die Umsorgung des Senatorensohnes sei. Stumm stand Ancilla Secunda in dem wohligen, mit kostbaren Möbeln und Teppichen ausgestatteten Zimmer und rührte sich nicht. Lucia, die den beiden nachgegangen war gab Ancilla einen Stoß, deutete auf das Bettchen in dem das Kind schrie und wimmerte. Myrrha hob das Kind sachte auf, nahm die Windeln ab, reinigte den Neugeborenen auf dem Tischchen, wusch ihn im mit Pferdewagen verzierten, golden glänzenden Messingbecken, wickelte ihn und brachte das Kind zu Ancilla. Lucia riss ihr mit grober Hand die Tunika vom Oberleib, drückte sie gewaltsam auf die weichen Samtkissen der Bank, die gegenüber dem Bettchen stand. Myrrha legte das weinende Kind auf Ancillas Schoß. Ancilla Secunda blieb regungslos sitzen, ließ den Neugeborenen schreien und wimmern.
Lucia schritt auf Ancilla zu, gab ihr zwei schallende Ohrfeigen. Aulus weinte immer heftiger, schüttelte sich brüllend in Ancillas Schoß, bis sein Schmerz in leises Wimmern überging. Plötzlich hob ihn Ancilla zu ihrem entblößtem Oberkörper hoch. Der Mund des Kindes saugte die Nahrung aus Ancillas großer, weißer Brust. Das Weinen hatte Ancillas Mitgefühl erregt.
Lucia atmete erleichtert auf. Tertius Ceionius hätte sie wieder gedemütigt, ihr schwere Vorwürfe gemacht, wenn die neu erworbene Amme nicht ihre Pflicht erfüllt hätte. Lucia hatte den billigsten Händler aufgesucht, damit sie von dem dafür veranschlagten Geld etwas für sich selbst abzweigen konnte. Es war ihr nicht an Aulus gelegen. Lucia einziges Bestreben war, ihren Mann nicht zu erzürnen, von seinem Vermögen, das er schließlich von der Mitgift ihrer Familie aufbauen konnte, für sich selbst ein wenig beiseite zu schaffen.
Zufrieden verließ sie das Zimmer. Sie brauchte sich nun nicht mehr um das Wohlergehen des Kleinen zu kümmern. Ancilla Secunda beugte ihren Kopf zu dem Neugeborenen, das wohlig nuckelte. Das kleine Wesen hatte in ihr eine gewisse Zuneigung aufkeimen lassen. Ihre stumpfe Gleichgültigkeit war von jenem zärtlichen Anflug dem Kind gegenüber durchbrochen worden. Mit sachtem, sanftem Lächeln wendete sich dem Kleinen zu. Ancilla Secundas Augen begannen wieder zu leben.
Aulus entwickelte sich prächtig. Seine neue Amme umsorgte ihn mit aller Hingabe, zu welcher sie im Stande war. Ancilla hatte sich allmählich an ihre neue Umgebung gewöhnt. Stumm erfüllte sie ihre ihr auferlegten Pflichten. Sie verstand die Sprache ihrer Umgebung nicht, unternahm auch keinerlei Anstrengung diese zu lernen. Ihre Heimat hatte sie verloren.
Mit großem Wohlwollen beobachtete Tertius Ceionius wenn er nach Hause kam, wie Ancilla sich um seinen geliebten Sohn kümmerte. Mit großer Hingabe sah er den beiden zu. Manchmal trafen sich seine mit Ancillas Blicken, währten länger als es gestattet war.
Der Senator begann tiefe Zuneigung zur Amme seines Sohnes zu empfinden. Ancilla ihrerseits, fühlte sich von der mächtigen Gestalt des Senators, seinem knochigen Gesicht, seines wohlgestalten Hauptes mit weißem, dichtem Haar auf seltsame Weise angezogen. Heimlich dachte Teritus Ceionius daran, wie es wäre, wenn Ancilla seine Geliebte, sogar seine Gemahlin würde. Lucia war die geheime Leidenschaft ihres Gatten nicht entgangen. Zu offensichtlich schlich er in Ancillas Nähe herum, vertiefte seine Blicke in die ihren. Mit Argwohn beobachte Lucia, dass eine innige Gemeinschaft zwischen ihrem Gatten, Aulus und der Amme entstanden war. Das verhalten des Senators hatte sich verändert. Fröhlich verließ er das Haus, mit einem Lächeln kam er von seinen Verpflichtungen zurück. Er ging nicht mehr so oft in die Thermen und anschließend in Bordelle. Seinen Sohn verzärtelte er übermäßig.
Eines Tages war Teritus Ceionius früher als üblich zurückgekehrt. Sofort nachdem ihm der Sklave die Toga abgenommen hatte, begab er sich in das Zimmer, wo der kleine Aulus unter Ancillas behaglichem Schaukeln in seiner Wiege lag. Leise setzte er einen Fuß vor den anderen, als er sich der Wiege näherte. Mit liebevollem Lächeln beobachtete er Ancilla, wie sie die Wiege sanft hin und herbewegte. Lucia war ihm heimlich nachgeschlichen, spähte hinter dem dicken Vorhang verborgen durch einen Spalt in das Kinderzimmer. Tertius Ceionius näherte sich den beiden. Aulus begann zu weinen. Sachte hob ihn Ancilla aus der Wiege, fühlte ob er sich nass gemacht habe und stellte fest, dass das Kind Hunger hatte. Sie streifte den Oberteil ihrer Tunika nach unten, hob Aulus zu ihrer großen, weißen Brust. Das Kind begann zu trinken. Teritus Ceionius stricht ihr mit der Hand über das Haar. Ancilla hob ihren Kopf nach oben. Ihr Lächeln war liebreizend, sanft, ihre Augen voll trauriger, schüchtener Zuneigung. Der Senator berührte mit seinen Lippen Ancillas Stirne, ließ sie dort verweilen. Schließlich berührte sein Mund den ihren.
Zorn keimte in Lucia auf. Wut und Eifersucht loderten in ihrer Brust. Wie konnte eine primitive Barbarin, eine Sklavin sich erdreisten, ihren Mann zu verführen? Nicht, dass sie den Senator geliebt hätte, oder gar er sie. Die Ehe war eine Zweckgemeinschaft, die vor Jahren zwischen den Familien ausgehandelt worden war. Doch Angst bemächtige sich Lucias. Wenn der Senator verliebt sei, dachte sie, könnte er sich von ihr abwenden, sie zu ihrer Familie zurückschicken. Er war vermögend genug, die Mitgift zurückzuerstatten. Das würde Lucias Ende bedeuten. Auf Grund ihres Alters könnte sie nicht mehr verheiratet werden. Darben würde sie, abhängig von den Gaben der Familie, der sie zur Last fallen würde. Derartige Schmach musste sie verhindern.
„Oh diese verfluchte Sklavin, weshalb habe ich sie besorgt...", fluchte sie, als sie wieder alleine in ihrem Zimmer war. Es bestand kein Zweifel. Der Senator liebte die Sklavin. Gegen die Liebe war Lucia machtlos. Lucia hatte Angst vor der Liebe. So galt es, eine Lösung zu finden, die Sklavin aus dem Hause zu vertreiben, was aber nur der Senator veranlassen konnte, da er der Besitzer war.
Nach dem Abendmahl wünschte Lucia eine Unterredung mit dem Senator. Widerwillig geleitete er sie in sein Arbeitszimmer. Vorwurfsvoll legte Lucia ihre Beobachtungen dar.
„Es ist nicht deine Sache Weib", antwortete er wütend.
„Schweig, sonst gebe ich dich deiner Familie zurück und löse die Ehe auf!" Tertius Ceionius’ Stimme schnitt scharf in die stickiger Luft des Raumes.
Lucia war ihm zuwider geworden. Er hatte sie all die Jahre ertragen. Ihr schmales Gesicht, ihr dünner Mund, ihre knochigen Patrizierfinger, ihre dürre Gestalt. Lucia widerte ihn an, nun da er Ancillas süßen Mund berührt, ihre Sanftheit genossen, ihre scheuen Blicke aufgefangen hatte. Lucias Augen waren kalt, berechnend. Tertius Ceionius beschloss, die Ehe aufzulösen.
„Ach", dachte er, „ich lasse die Sklavin frei und lebe mit ihr..."
In Lucias Kopf pochten wilde Gedanken. Die Sklavin müsse fort, davon war sie überzeugt. Sie rief ihre Dienerin Saba, gab ihr zwei Goldstücke und berichtete ihr ihren Ungemach. Saba sah entzückt die zwei Goldstücke in ihren Händen an, wog sich freudig nach Art der Nubier in ihren Hüften.
„Es gibt", flüsterte sie ihrer Herrin ins Ohr, „ein Mittel aus meinem Land."
„Sag, Dienerin, welches?"
„Ich besorge es!", sprach Saba mit verschlagenem Blick. „Wer es nimmt, erkrankt..."
Lucias Gemüt hellte sich auf. Freudig drückte sie ihrer Dienerin noch ein Goldstück in die Hand.
„Besorge es gleich morgen Früh!"
Saba nickte und verbeugte sich.
Lucia verbrachte eine schlaflose Nacht. Bereits nach dem Morgengrauen rief sie nach Saba. Die Dienerin kam mit einem kleinen Tongefäß.
„Immer nur kleine Tropfen, Herrin!", flüsterte sie und entfernte sich aus Lucias Schlafgemach. Sie öffnete das tönernen Gefäß, blinselte hinein. Dunkle, dünne Flüssigkeit war darin enthalten.
„Bald, Sklavin", flüsterte sie zu sich selbst, „bist du aus meinem Leben verschwunden!"
Aufgeregt versammelten sich die Dienerinnen um das Zimmer des kleinen Aulus. Das Kind hatte den ganzen Tag geschrien. Ancilla versuchte verzweifelt, den Kleinen zu beruhigen, doch nichts half. Auch trinken wollte er nicht. Kaum hatte er ein paar Tropfen zu sich genommen, erbrach sich der Neugeborene. Lucia stand erhobenen Hauptes im Vorraum.
Tertius Ceionius war sehr bestürzt, als ihm von den Dienern bereits am Gattertor des Gartens berichtet wurde, dass sein kleiner Sohn erkrankt war. Die Dienerschaft hatte nach Ärzten geschickt, die nach Anwendung all ihrer Künste ratlos dastanden und meinten, man solle dem Kind einfach nur Ruhe gönnen. Aulus wurde befühlt, umhegt. Hatte er sich in seinen Schreikrämpfen erschöpft, lag er wimmernd in seinem Bettchen, um neuerlich in herzzerreißende Weinkrämpfe auszubrechen.
Der Senator hob seinen Sohn aus dem Bettchen, wog ihn in seinen Armen. Seine Augen füllten sich allmählich mit Tränen. Wütend schrie er die Ärzte an, sie mögen doch etwas dagegen unternehmen.
„Ach die Ärzte trifft keine Schuld", sagte Lucia, die sich zu den Besorgten gesellt hatte, mit verstellter Besorgnis.
„Sie ist schuld!", kreischte sie und deutete auf Ancilla, die vollkommen verschreckt in der Ecke des Zimmers hockte.
„Ihre Brüste sind voller Gift!"
„Schweig, Weib!", brüllte der Senator und gab seiner Frau einen festen Stoß. Lucia fiel, stützt sich mit der Hand am Boden, erhob sich wieder und verließ wütend das Zimmer.
Saba eilte herbei.
„Herr!", keuchte sie aufgeregt, „ich muss mit dir sprechen!"
„Geh weg, Sklavin, siehst du nicht, dass mein Sohn krank ist?" Die zornig schreiende Stimme des Senators hallte durch sämtliche Räume, sodass es für einen Augenblick ganz still war.
Die feiste Dienerin warf sich Tertius Ceionius zu Füßen.
„Herr, es hat etwas damit zu tun", bibberte sie, ihr Weinen unterdrückend.
Des Senators Gesicht verfinsterte sich. Seine Stirne legte sich in Falten des Zorns. Blitzende Wut schoss aus seinen klaren, blauen Augen. Mit zaghaft verängstigen, leisen Schritten verließen die Dienerinnen das Zimmer. Nur Saba blieb dem Senator zu Füßen liegen.
„Herr, so hör mich an! Ich musste Gift besorgen auf Geheiß der Herrin!"
Regungslos stand der Senator mit seinem wimmernden Sohn in den Armen im Zimmer. Ergriffen von blankem Entsetzen, bleich und starr. Die plötzliche Erkenntnis, dass in seinem Hause, sein eigener Sohn, von seiner Frau ermordet werden sollte, hatte ihn jeglicher Regung beraubt. Er konnte nicht glauben, was die Sklavin da von sich gegeben hatte, doch wusste er, dass sie die Wahrheit gesprochen hatte.
Schweigend ging er nach draußen. Er rief zwei der Wächtersklaven herbei, befahl ihnen, das Zimmer seiner Frau zu durchsuchen. Lucia weigerte sich, schrie, versuchte davonzulaufen. Vergeblich, denn die gesamte Wächterschaft war bereits im Hause. Grob wühlten die keltischen Riesen in Lucias Schränken und Truhen, untersuchten jeden Gegenstand, dem sie habhaft wurden. Mit gekünstelter Freundlichkeit versuchte Lucia, die Wächter von ihrer Tätigkeit abzubringen. Sie versuchte, sich an sie heranzuschmiegen, wurde aber mit respektvoller Abwehr zurückgewiesen. Schließlich war Lucia immer noch die Frau ihres Herrn und wurde deshalb von den Wächtern mit großer Ehrfurcht behandelt. Erhobenen Hauptes schritt Lucia zur Türe, wurde vom Wächter fest gehalten.
„Nein, Herrin, du musst im Zimmer bleiben. Der Senator hat es befohlen!", brummte der Kelte und zwang sie sanft in das Gemach zurück.
Das Fläschchen stand unter dem Bett. Es wurde sofort dem Senator übergeben.
Schweigend ging er mit Aulus auf seinen Armen zu Lucias Zimmer. Die Wächter öffneten die Tür.
„Er ist doch auch dein Sohn!" Ruhig, kalt, überwältigt von seiner Enttäuschung, seiner Wut über Lucias Niedertracht, stand er in ihrem Zimmer. Lucia saß auf dem Stuhl, wandte den Kopf von ihm ab.
„Du hättest mich einer Sklavin wegen verstoßen. Und was wäre aus mir geworden..." Sie hatte erkannt, dass es keine Möglichkeit mehr gab, ihre Schandtat zu leugnen.
Unversehens brach sie in Tränen aus.
„Ach, was habe ich dieser Dienerin vertraut, oh Götter! Sieh mich an! Ich bin am Ende!", schrie sie.
Verzweifelt, warf sie sich auf die Knie, umklammerte seine Beine.
„Lass mich nicht anklagen, lass mich nicht anklagen. Die Schande. Oh die Schande!"
„Ich werde dich anklagen!", antwortete der Senator kalt, riss sich von ihr los und verließ das Zimmer.
Aulus erholte sich in der Nacht. Ancilla wachte in seinem Zimmer, zusammen mit dem Senator. Lucia wurde eingeschlossen. Tertius’ Wächter hüteten die Tür zu ihrem Gemach Tag und Nacht. Gedanken der Flucht beschäftigten die Täterin. Doch selbst vor dem Fenster hielten die keltischen Hünen des Senators Wache. Die Angst vor dem Kommenden bohrte sich tief in ihre Brust, quälte sie unentwegt. Was würde mit ihr geschehen? Verbannung, Ächtung? Schwerere Strafen konnte der Prätor über eine Patrizierin nicht verhängen. Schließlich war der kleine Aulus noch am Leben. „Ach", klagte sie, „wäre ich doch nicht des Nachts heimlich in das Zimmer geschlichen. Hätte ich ihm nicht das verfluchte Gebräu auf den Mund geträufelt..." Heulend warf sich Lucia auf ihr Bett und beweinte ihr grausames Schicksal. Sie dachte daran, wie sie in Zukunft leben werde können, ohne Vermögen, geächtet, verstoßen von ihrer Familie. Der Hass auf Saba, die alles verraten hatte, das tiefe, schmerzvoll bohrende Mitleid mit sich selbst, raubten Lucia während der letzten Nächte im Haus des Senators jeglichen Schlaf. Sie verfluchte die Götter, die ihr ein solch schweres Los auferlegt hatten. Verzweifelt wälzte sie sich in ihrem Bett, erhob sich immer wieder, schritt unruhig auf und ab. Seufzend schlug sie sich gegen die Stirn. „Wie konnte ich dieser Sklavin nur vertrauen....", dachte sie.
„Es ist zu spät! Oh Götter ich bin verloren!" hallte ihre grell schreiende Stimme durch das Haus.
Der Senator war vom Gebrüll auf gewacht. Neben ihm lag Ancilla Secunda. Der kleine Aulus schlummerte in seiner Wiege, die man in das Schlafgemach des Senators gebracht hatte.
Die Garden kamen am dritten Tage nachmittags. Der Prätor hatte der Klage des Senators stattgegeben. Bleich, hager, das fahle Gesicht von tief eingekerbten Falten gezeichnet, wurde Lucia von den Wachen aus dem Raum geführt. Saba brüllte vor Schmerz unter den ständigen Peitschenhieben der Aufseher, die sie in Ketten aus dem Haus schleiften.