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Angst

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30.06.2004
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Angst

Angst

Die Macht, mit der die Angst diesmal ihre unsichtbare Hand um mein unkontrolliert pochendes Herz legte und es langsam zerdrückte, war grenzenlos und mit Worten nicht zu beschreiben.
Es war so schrecklich kalt. Das Wasser war unglaublich kalt. Kalt und unendlich tief. Eine Tiefe, die Raum für jedweden Alptraum bot. Doch es machte keinen Sinn, auch nur einen Gedanken an die Ausgeburten meiner eigenen Hölle zu verschwenden. Denn es war klar, dass ich nicht in der Lage sein würde, meinen Dämonen von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu treten. Dazu hatte ich meinen Finger vorsorglich immer nahe am Abzug und den Lauf in meinem Mund. Nein, bevor ich erfahren würde, was in der rauschenden Finsternis flüchtig und haarig rau dann und wann meine Beine streifte, bevor die gestaltgewordene Dunkelheit die Oberfläche dieses uferlosen Chaos erreichen würde wäre es vorbei mit mir.
Für den Moment galt es alle Konzentration darauf zu richten, nicht den Verstand zu verlieren. Diese Lichter…diese verdammten Lichter! Sie brachen von überall durch die monströsen grauen Wolken und stürzten auf mich nieder wie brennender Hagel. Sie fraßen sich durch meine Haut, meine Knochen, in mein Gehirn und sie vergifteten meine Gedanken, meine Gefühle, verschmolzen all meine Empfindungen zu einem alles übertreffenden Wahnsinn.
Das schrille Getöse, welches ich in seinem erdrückenden Ausmaße, seiner Dichte und in meinem Zustand betäubender Panik nicht von Totenstille vermocht hätte zu unterscheiden, trieb mir den letzten Funken menschlicher Wärme aus der Seele. Doch die Hölle begann mich zu langweilen und ich beschloss, dass dies ein Tag der Entscheidung werden würde. Ein Tag wie jeder andere also. Wie immer stand ich vor der Frage, ob ich mich dem Übel meiner Unvollkommenheit, welche vor meinem geistigen Auge, soviel hatte mich die Erfahrung gelehrt, ungleich schwerwiegender und entstellender erschien als im Spiegel der Realität, ob ich mich ihr hingeben sollte, mich weiterhin in den Dienst der Melancholie stellen und eine weitere Wanderung auf dem Weg der Trübseligkeit unternehmen sollte oder ob ich meinen inneren Schweinehund überwinden sollte, den Tagen des Lernens und des Kampfes meinen Tribut zollen sollte und die mehrmals enthüllte Schwäche und Belanglosigkeit meines Feindes für bare Münze nehmen und mich nicht ein weiteres Mal täuschen lassen sollte. Ich beschloss, den ersten Schritt zu unternehmen und die Augen zu öffnen.
Selten waren die blassen Sonnenstrahlen, die weiß und friedlich durch die Lametten meiner Jalousie schienen und sich in umherschwirrenden Staubkörnern brachen und damit eine Atmosphäre von friedlichem Morgendunst in meinem Schlafzimmer verbreiteten so überzeugend wie an diesem Sommermorgen. Ohne zu zögern war mein Urteil über den anstehenden Tag gefallen und ich erfreute mich der Gewissheit, dass der Tumult von Gefühlen, welcher mich noch vor wenigen Minuten wie ein alles durchbrechender und hinfort reißender Strom durchflutete, einer vergangenen Zeit angehörte, welche mich heute nur noch in einer unruhigen Nacht als Abbild meines persönlichen Schreckens heimsuchen konnte. Ich beschloss, heute auf meine Medikamente zu verzichten und den Tag bei vollem Bewusstsein in seiner ganzen Schönheit zu genießen und war mir sicher, dass der üble Nachgeschmack meines letzten Tauchgangs in die Welt meines Unterbewusstseins schon bald vergessen sein würde…bis zum nächsten Alptraum.

 

Hallo Kräsie und erst einmal willkommen auf kg.de :thumbsup:

Sprachlich ist gegen Deine Geschichte nicht viel einzuwenden, obwohl ich einige Formulierungen etwas umständlich finde. Dadurch fällt es dem Leser unnötig schwer, der Erzählung zu folgen. Das fängt schon mit dem ersten Satz an.

Was mir völlig fehlt, ist Handlung. Bis auf den letzten Absatz ist das alles eine mehr oder weniger bildhafte Beschreibung von Angst, der aber der Bezugspunkt fehlt. Angst kann man viel besser darstellen. Ein Beispiel:

Er rannte. Sah sich gehetzt um. Sah den Schatten näher kommen. Stolperte, keuchte. Rannte weiter. ...

Das ist etwas greifbares für den Leser: Aktive, direkte Handlung, in diesem Fall eine Flucht. Bei Deiner länglichen Beschreibung weiß man überhaupt nicht, worum es überhaupt geht. Weder wird die Angst lebendig und fühlbar, noch wird ihre Ursache deutlich. Damit geht die ganze Erzählung an mir als Leser vorbei.

Am Ende scheint es ja sowas wie eine Auflösung zu geben - da ist von Medikamenten die Rede ... vielleicht ist die Figur todkrank, hat also Angst vor dem Tod. Das ist aber kein Motiv, das besonders viel hergibt. Da kann ich nur mit den Schultern zucken.

Nochmal zurück zum ersten Satz, der klärt nämlich Dein Dilemma sogar auf: "...mit Worten nicht zu beschreiben." Genau das versuchst Du aber, obwohl es unmöglich ist. Eine gute Kurzgeschichte beschreibt nicht etwas, sondern erzählt etwas - über eine Figur, zum Beispiel über eine Figur, die Angst hat. Dass sie Angst hat, wird dann aus der Handlung klar. Schaffst Du es, dass der Leser sich mit der Figur identifiziert, spürt er selbst diese Angst. Dann brauchst Du sie nicht mehr zu beschreiben - denn das ist ja unmöglich, wie Du selbst geschrieben hast.

Hinzufügen möchte ich, dass an dieser Geschichte eigentlich nichts wirklich seltsam ist. Bitte lies Dir die Beschreibungen der Rubriken nochmal durch und überlege Dir, ob Dein Text nicht besser in einer anderen Rubrik aufgehoben wäre.

Fazit: sprachlich teilweise etwas umständlich, inhaltlich zu wenig Handlung.

Uwe
:cool:

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Uwe!

Danke erst einmal für Deine Aufmerksamkeit und Deine Kritik. Ich hatte mir bereits gedacht, dass die Kritik zu meiner Geschichte überwiegend in diese Richtung ausfallen würde.
Dass an der Geschichte inhaltlich nichts seltsames ist, ist mir weitestgehend klar. Es beschreibt einen Alptraum einer Person. Die Kategorie "Seltsam" habe ich gewählt, weil die Erzählweise eben eher unkonventionell ist. Genau das, was Du im Prinzip als negativ empfindest, nämlich keine eindeutige und lineare Handlung, sondern eher ein schwer zugängliches Spiel mit Bildern und Symbolen aus der Psychoanalyse, eine Art Puzzel, das man zusammenfügen muss (kann) um die Geschichte zu verstehen, war meine Absicht.
Man kann anhand diverser Symbole und Aussagen jede Menge Informationen über die erzählende Person ziehen, und erst wenn man sich darauf einläßt wird die Geschichte interessant.
Die Art und Weise, die Du mir vorgeschlagen hast, um Angst darzustellen ist ja eher eine direkte und konventionelle. Sie erinnert mich auf Anhieb an eine Krimi- oder Gruselgeschichte, es ist wenig geheimnisvolles daran. Meine Absicht war eben eher, einen Einblick in die Psyche eines seelisch kranken Menschen zu werfen. Und dies habe ich auf dem Wege versucht, zunächst einen Traum zu beschreiben, der sich in der Aufwachphase immer mehr mit den Gedanken des Wach-Ichs vermischt, bis der Träumende schließlich aufwacht und durch einige wenige Aussagen dem Leser einige letzte Informationen über sich gibt, die das Bild, welches man sich mit genügend Willen zur Analyse und Interpretation von ihm machen können sollte, abrunden. Mag sein, dass der Versuch gescheitert ist, könnte aber auch sein, dass Du versucht hast, meine Geschichte auf einer anderen ebene zu interpretieren.
Falls Du übrigens wirklich der Meinung sein solltest, meine Geschichte ist in der falschen Kategorie untergebracht, gebe mir doch bitte einen Tipp, wo ich sie sonst hinstellen soll. Auch wenn Ihr der Meinung seid, Träume gehören in die Kategorie Alltag, so fände ich dies doch nicht wirklich passend für meine Geschichte. Bis dann!

Gruß, Kräisie M

 

Ich verstehe, was Du meinst. Die Erzählstruktur ist also das Seltsame. Einverstanden.
Mag auch sein, dass man, wenn man den Text mehrmals sehr aufmerksam liest, die einzelnen Puzzleteile findet und zusammensetzen kann.
In dem Fall bin ich nicht die Zielgruppe: Der Text weckt in mir leider nicht die Lust, ihn zu dechiffrieren, er macht mich nicht neugierig.
Wenn es tatsächlich um einen unheilbar Kranken geht, der sich noch einen Rest Lebenswillen zusammenkratzt, dann ist das ein sehr konventioneller Inhalt, um nicht zu sagen banal, selbst wenn mir gewisse Details entgangen sein sollten. Das haut mich halt nicht vom Stuhl. Ich glaube nicht, dass die mir fehlenden Puzzlestücke das Bild, das bei mir entstanden ist, grundsätzlich ändern würden. Will sagen: Es würde kein Aha-Effekt eintreten. Es fehlen eben nur Details, und nichts grundlegendes. Jedenfalls ist bei mir dieser Eindruck entstanden. Der Text hat, andersrum gesagt, nicht den Eindruck erweckt, dass da eine ganz besondere Pointe versteckt ist, die man nur findet, wenn man sehr aufmerksam liest. Daher war ich nicht neugierig, alles zu dechiffrieren.

Wie hättest Du meine Neugier wecken können? Schwer zu sagen. Jedenfalls mit einem anderen, vielleicht dramatischen Einstieg.

Mal sehen, was die anderen sagen. Meiner Meinung nach ist es so, dass man einem völlig unbekannten Text eines völlig unbekannten Autors (jedenfalls hier auf kg.de) zunächst sehr neutral gegenüber steht. Wenn der Text nicht neugierig macht, wird er einmal gelesen (wenn Du Pech hast, nicht einmal zuende) und dann weggeklickt.

 

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