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Angst
Angst
Die Macht, mit der die Angst diesmal ihre unsichtbare Hand um mein unkontrolliert pochendes Herz legte und es langsam zerdrückte, war grenzenlos und mit Worten nicht zu beschreiben.
Es war so schrecklich kalt. Das Wasser war unglaublich kalt. Kalt und unendlich tief. Eine Tiefe, die Raum für jedweden Alptraum bot. Doch es machte keinen Sinn, auch nur einen Gedanken an die Ausgeburten meiner eigenen Hölle zu verschwenden. Denn es war klar, dass ich nicht in der Lage sein würde, meinen Dämonen von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu treten. Dazu hatte ich meinen Finger vorsorglich immer nahe am Abzug und den Lauf in meinem Mund. Nein, bevor ich erfahren würde, was in der rauschenden Finsternis flüchtig und haarig rau dann und wann meine Beine streifte, bevor die gestaltgewordene Dunkelheit die Oberfläche dieses uferlosen Chaos erreichen würde wäre es vorbei mit mir.
Für den Moment galt es alle Konzentration darauf zu richten, nicht den Verstand zu verlieren. Diese Lichter…diese verdammten Lichter! Sie brachen von überall durch die monströsen grauen Wolken und stürzten auf mich nieder wie brennender Hagel. Sie fraßen sich durch meine Haut, meine Knochen, in mein Gehirn und sie vergifteten meine Gedanken, meine Gefühle, verschmolzen all meine Empfindungen zu einem alles übertreffenden Wahnsinn.
Das schrille Getöse, welches ich in seinem erdrückenden Ausmaße, seiner Dichte und in meinem Zustand betäubender Panik nicht von Totenstille vermocht hätte zu unterscheiden, trieb mir den letzten Funken menschlicher Wärme aus der Seele. Doch die Hölle begann mich zu langweilen und ich beschloss, dass dies ein Tag der Entscheidung werden würde. Ein Tag wie jeder andere also. Wie immer stand ich vor der Frage, ob ich mich dem Übel meiner Unvollkommenheit, welche vor meinem geistigen Auge, soviel hatte mich die Erfahrung gelehrt, ungleich schwerwiegender und entstellender erschien als im Spiegel der Realität, ob ich mich ihr hingeben sollte, mich weiterhin in den Dienst der Melancholie stellen und eine weitere Wanderung auf dem Weg der Trübseligkeit unternehmen sollte oder ob ich meinen inneren Schweinehund überwinden sollte, den Tagen des Lernens und des Kampfes meinen Tribut zollen sollte und die mehrmals enthüllte Schwäche und Belanglosigkeit meines Feindes für bare Münze nehmen und mich nicht ein weiteres Mal täuschen lassen sollte. Ich beschloss, den ersten Schritt zu unternehmen und die Augen zu öffnen.
Selten waren die blassen Sonnenstrahlen, die weiß und friedlich durch die Lametten meiner Jalousie schienen und sich in umherschwirrenden Staubkörnern brachen und damit eine Atmosphäre von friedlichem Morgendunst in meinem Schlafzimmer verbreiteten so überzeugend wie an diesem Sommermorgen. Ohne zu zögern war mein Urteil über den anstehenden Tag gefallen und ich erfreute mich der Gewissheit, dass der Tumult von Gefühlen, welcher mich noch vor wenigen Minuten wie ein alles durchbrechender und hinfort reißender Strom durchflutete, einer vergangenen Zeit angehörte, welche mich heute nur noch in einer unruhigen Nacht als Abbild meines persönlichen Schreckens heimsuchen konnte. Ich beschloss, heute auf meine Medikamente zu verzichten und den Tag bei vollem Bewusstsein in seiner ganzen Schönheit zu genießen und war mir sicher, dass der üble Nachgeschmack meines letzten Tauchgangs in die Welt meines Unterbewusstseins schon bald vergessen sein würde…bis zum nächsten Alptraum.