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Angst

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20.11.2001
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Angst

Wieder eine Nacht um die Ohren geschlagen. Wieder nicht schlafen gegangen, vor Schmerzen und aus Angst vor hässlichen Träumen. Neulich träumte ich, dass du eintippst, ich sei gestorben. Und dann sah ich sie alle, wie sie in ihre Bildschirme glotzen und nicht wissen, was sie sagen sollen. Vor Betroffenheit oder weil es sie gar nicht betrifft.
Aber ich komme ihm ja nicht aus, dem Schlaf. Irgendwann muß ich ja. Warum braucht der Mensch bloß so viel Zeit, nur um sich zu erhalten? Ständig schlafen, essen, trinken und am Klo das unverbrauchte Material entsorgen. Kein Auto braucht soviel Wartung, keine Maschine soviel Pausen – und dabei hätten die es gut, wo sie doch nicht träumen können. Dieser ekelhafte Traum verfolgt mich. Und wegen diesen Schmerzen muß ich endlich ins Krankenhaus.
Könnte ich es doch nur bis zum Frühling aufschieben, möglichst weit weg, gar nicht dran denken.

* * * *

Jetzt liege ich hier, ob der Arzt ausgeschlafen ist? Ein flaues Gefühl, wäre doch nur schon alles wieder vorbei, wäre ich doch nur schon wieder aufgewacht. Wer weiß, wache ich wieder auf? Ich habe so verdammte Angst. Was passiert mit meinem Kind, wenn ich nicht mehr aufwache? Wird er es jemals verkraften können, in dem Alter seine Mutter zu verlieren? Wird sein Vater für ihn doch noch sein Leben ändern oder wird er ihn irgendwohin in Pflege geben? Verdammt, ich muß wieder aufwachen. Und ich will wieder aufwachen. Aber was war bloß dieser Scheiß-Traum? Bitte laßt ihn nicht Realität werden, bitte nicht, bitte... Ich hab so Angst...

Alles ist fertig, ich bekomme die Spritze, Sauerstoff, Tränen laufen mir in die Ohren und niemand wischt sie ab. In vier Stunden ist die Operation vorbei, dann sind sie auch verdunstet. Kann ich nicht, wie in einem Computerspiel noch ein Leben haben? Vielleicht eins, das so ein Idiot weggeschmissen hat? Wann schlaf ich endlich ein, diese Angst hält mich wach und läßt mich nicht....

 

Hallo Häferl,

schönerweise wurde diese Geschichte ans Licht der Öffentlichkeit gespült.

Die Gedanken die einen am Schlafen hindern hast du gut getroffen und nebenbei noch den Aspekt des Loslassens eingebunden, den Schlaflosigkeit fast immer bedeutet. Um schlafen zu können, muss man sich lösen können, von seinen Sorgen, von seinen Freuden, von seinen Ängsten, von seiner Verantwortung und von seinem Leben.
All das ist schon schwer genug, vor einer OP aber sicherlich noch schwerer.
Da es für diese Ängste unerheblich ist, ob es sich um eine Mandel-, ein Blinddarm- oder um eine Krebsoperation handelt, ist es gut, dass du den Anlass der OP nicht genannt hast.

Hat mir gefallen.

Bei dir einen Fehler zu entdecken, ist mir allerdings noch nie passiert. :)

Wann schlaf ich endlich ein, diese Angst hält mich wach und läßt mich nicht....
mich nicht ...

Lieben Gruß, sim

 

Lieber sim!

Danke Dir fürs Lesen und Deine Kritik. :)

Aber eine Frage hab ich schon: Hast Du nur die Angst vorm Einschlafen herausgelesen? :shy:

Mit dem Fehler hast Du zwar Recht, aber in dem Punkt der drei Punkte rebelliere ich gegen die Regeln der Rechtschreibung, für mich haben die Punkte direkt dran eine andere Bedeutung als die mit Leertaste davor. ;)
Außerdem ist das wie mit den selbstgestrickten Pullovern...

Alles Liebe,
Susi :)

 

Hallo Häferl noch mal ;)

Aber eine Frage hab ich schon: Hast Du nur die Angst vorm Einschlafen herausgelesen?
Nein.
Ich habe ebenso die Angst vor dem Tod, den Wert des Lebens, und die Achtung davor aus der Geschichte gelesen.
Wichtig erschien mir eben aber vor allem der Aspekt des Loslassens, den du für mein Gefühl eben gerade mit dem Schlusssatz gut eingefügt hast.
Diese Angst, loszulassen ist es, die uns die eigene Wartung als Zeitverschwendung empfinden lässt, eine grobe Missachtung gegen uns selbst.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Susi,

uff! Deine kleine Geschichte packt einen ganz schön. Wie zwei Hände, die sich um den Hals legen ... (Dieses Bild suggerierst du auch formal durch die hälftige Aufteilung deiner Geschichte mit den Sternchen. Wow!)
Ich hoffe, das war nur schriftstellerische Phantasie und nicht die Erinnerung an selbst Erlebtes ...

Viele liebe Grüße
Hans Jürgen

 

Danke euch beiden fürs Lesen und Kommentieren, Hans Jürgen und Illu!
Schön, daß sie Euch gefallen, bzw. Euch mitgenommen hat. :)

Illu schrieb:
Was mir wahnsinnig gut gefällt, ist, dass du eine Situation beschreibst, eigentlich ein ganzes Leben
Also, möglichst viel Information mit möglichst wenig Worten, war schon mein Ziel, aber das mit dem "ganzen Leben" war mir bisher nicht bewußt. Da hat der Herr Glücksgriff seine Finger im Spiel gehabt. ;)
Hajku schrieb:
Wie zwei Hände, die sich um den Hals legen ... (Dieses Bild suggerierst du auch formal durch die hälftige Aufteilung deiner Geschichte mit den Sternchen. Wow!)
sim schrieb:
Wichtig erschien mir eben aber vor allem der Aspekt des Loslassens, den du für mein Gefühl eben gerade mit dem Schlusssatz gut eingefügt hast.
Diese Angst, loszulassen ist es, die uns die eigene Wartung als Zeitverschwendung empfinden lässt, eine grobe Missachtung gegen uns selbst.
Ich glaube, ich sollte wieder mehr aus dem Gefühl heraus schreiben, statt auf Aussagen konzentriert. Das hat sich damals nämlich alles von selbst da hineingeschrieben...

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo Jo!

Danke auch hier fürs Lesen und Deinen Kommentar! :)

Gern wüßte ich jetzt natürlich, warum Dein Urteil ist, der Text sei halbherzig bzw. warum Du Dich nicht hineinversetzen konntest. Ich bin mir nicht sicher, aber bei "die Ängste eines Menschen greifbar werden zu lassen" hab ich den Eindruck, als würdest Du meinen, es ginge um allgemeine Ängste? Es geht aber rein um die Angst vor der Narkose bzw. vor dem Nicht-wieder-Aufwachen und die damit verbundenen Gedanken an das Kind etc. - Sagst Du mir noch, ob Du das so verstanden hast? ;)
Wenn Du es richtig verstanden hast, und Dich trotzdem nicht hineinversetzen konntest, dann weiß ich auch nicht, woran es liegt...

Eins kann ich Dir aber versichern, nämlich daß es kein "halbherziger Versuch" war, jedenfalls nicht nach meiner Definition des Begriffes. Für mich bedeutet ein halbherziger Versuch, daß man sich als Autor nur mit halbem Herzen in den Protagonisten hineinversetzt, keine Anstrengung unternimmt, gut zu recherchieren usw. - aber das mußte ich gar nicht für diese Geschichte...

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hi Häferl,
eine sehr ergreifende Geschichte hast du hier geschrieben und sie beweist eindrucksvoll, dass es manchmal nur wenigen Worten bedarf ein Gefühl rüberzubringen. Ein sehr guter Text, den ich in Erinnerung behalten werden. Vielleicht nicht den Text selbst, aber das Gefühl, dass er vermittelt.
Sehr gut!

Grüße...
morti

 

Hallo morti und nochmal Jo!

Danke, morti, fürs Lesen der Geschichte und Aufnehmen des Gefühls. Freut mich sehr, daß die Worte bei Dir gewirkt haben. :)

@Jo, das Sterile kommt wohl daher, daß man in solchen Momenten auch nicht zu viel mehr Tiefe fähig ist. Man denkt "Was ist dann mit meinem Kind?" und erstarrt geistig bei den ersten Gedanken. Man muß vielleicht an der Oberfläche bleiben, weil man Details gar nicht aushalten würde. Man denkt es und verdrängt es gleichzeitig. Übrig bleibt pures Angstgefühl.
Ich find es schade, daß bei Dir die Wirkung nicht angekommen ist. Aber da andere die Gefühle nicht vermissen, werd ich den Text so lassen, wie er ist. Vielleicht findest Du ja mal in einer meiner längeren Geschichten alle Zutaten versammelt, die Du brauchst - würde mich freuen. ;)

Danke nochmal fürs Lesen und Eure Kommentare,

liebe Grüße,
Susi :)

 

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