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Apehill
Wieder einmal saß Sarah weinend in ihrem Zimmer. Warum mußte sie nur in so einer ungerechten Welt leben? Sarah fragte sich diese Frage oft, und doch bekam sie nie eine Antwort darauf.
Sie lebte mit ihren Eltern in einem schäbigen Hotel in einem abgelegenen Dorf in Amerika. Sarahs Vater sammelte jeden Mittwoch die Abfallsäcke des Dorfes ein.
Das Hotel hatte Sarahs Mum von deren Mutter geerbt.
In der Schule lachten alle über Sarah weil diese nicht so modisch angezogen war wie Jayleen und ihre Cheerleader- Clique. Und heute hatten ein paar Jungs sie mit Schlamm beworfen. Sarah war weinend nach Hause gerannt.
Da praktisch niemand das „Happy Sunshine-Hotel" besuchte, bewohnte Sarahs Familie es. Sarah besaß das Zimmer 17. Es war ein Wunder, daß die Familie das Happy Sunshine-Hotel überhaupt noch haben durfte. Wahrscheinlich lag es an der miserablen Regierung von Ydobonfonwot (das Dorf). Die saßen auf ihrem Geld und bestaunten es, sonst taten die nichts.
Sarah wischte sich mit ihrem schmutzigen Ärmel die Tränen aus dem Gesicht und sah sich um. Als ihr Blick an dem kleinen Spiegel vorbeischweifte, erstarrte sie. Blaue Funken sprühten aus dem Spiegel heraus. Langsam ging sie auf den Spiegel zu . Als sie hinein sah, sah sie nicht wie erwartet ihr verschmutztes Gesicht, sondern ein Berg der wie der Oberkörper eines Gorillas aussah. Von weitem hörte sie jemanden ihren Namen rufen. Es schien aus dem Spiegel zu kommen. Sarah streckte langsam die Hand aus. Als sie den Spiegel mit den Fingerspitzen berührte, passierte alles ganz schnell: Sarah hatte nicht einmal mehr Zeit zum Aufschreien als sie plötzlich ins Innere des Spiegels gezogen wurde. Alles um sie herum war verschwommen. Und plötzlich wurde alles um sie herum schwarz.
Sarah blinzelte. Sie lag in einem hellblauen Bett. Sie setzte sich mühsam auf. Erst jetzt bemerkte sie die vielen merkwürdigen Gestalten um sich herum. Sie waren alle nicht viel größer als Sarah und ihre Hautfarbe war, genau wie die Farbe des Bettes, hellblau. Sie hatten eierförmige Köpfe und ihre Haare waren schwarz. Allesamt hatten schlaksige Körper und wenn Sarah es sich richtig überlegte, sahen sie aus wie freundliche Aliens. Eine der Gestalten, die übrigens Eulbs hießen, hatte Sarah bemerkt und schrie aufgeregt auf. Sogleich wandten sich alle Sarah zu. Ein weibliches Wesen, das um die dreissig sein mußte, kam zu Sarah ans Bett.„Wo bin ich?" fragte Sarah ängstlich. Die Eulbfrau lächelte ein weisszahniges Lächeln und sagte mit einer kristallklaren Stimme: „Du bist in Apehill-Town! Dein Spiegel hat dich hierher gebracht weil du ausersehen bist, uns zu retten!" Sarah stockte der Atem. Das mußte ein Traum sein! Als ob die Frau an ihrem Bett ihre Gedanken gelesen hätte, sagte sie: „Das ist kein Traum! Du bist durch deinen Spiegel in unsere Welt gelangt! Aber unsere Welt heißt nicht so wie deine „Erde", sondern „Zimmer 17" und wir sind die Eulbs! In deinem Spiegel hast du Apehill gesehen, den affenartigen Berg. Das Böse ist in dem Berg und schmiedet Pläne wie es unsere Welt zerstören kann. Du bist die einzige die uns retten kann!" Noch einmal lächelte sie freundlich und wandte sich dann zu ihren Mitbürgern. Sie nickte ihnen zu und sogleich stellten sich alle in einer Reihe vor Sarahs Bett auf. Der erste, er sah aus wie ein Junge, kam zu Sarahs Bett und sagte mit einer piepsigen Stimme: „ Hilf uns! Wir brauchen deine Hilfe! Ich möchte dir Danken-„ Sarah unterbrach ihn: „Aber für was willst du mir denn Danken? Ich bin nur ein 12-jähriges Mädchen aus Ydobonfonwot! Ich habe euch doch noch gar nicht gerettet! Ich will wieder nach Hause und mein ungerechtes Leben leben!" Das Eulbkind sah sie verdutzt und bestürzt zugleich an. „Oh, entschuldige, wir haben dir noch nicht alles erzählt!" Das war wieder die Eulbfrau mit den weißen Zähnen. „Wenn du das Böse besiegst, erfüllen wir dir jeden Wunsch!" Sarahs Augen wurden groß. „Jeden?" flüsterte sie kaum vernehmbar. „Warum habt ihr das nicht gleich gesagt! Ihr müßt mir nur einen erfüllen! Dann bin ich zufrieden!" Sie strahlte in die Runde. Die Eulbfrau nickte und sagte: „ Wir erfüllen dir jeden Wunsch den du hast, nicht nur einen!" Sarah sah den Jungen der an ihrem Bett stand und sie mit erwartungsvollen Augen ansah. Sie nickte ihm zu und der Junge fuhr mit seiner Dankespredigt fort. Nach einer Stunde war Sarah überladen mit Geschenken. Jeder Eulb hatte ihr ein Geschenk auf den Weg gegeben. Entweder etwas zu Essen oder etwas zu Trinken. Sarah war gerührt. All diese Menschen, oder was es auch immer waren, sahen in ihr eine Göttin.
Sarah setzte sich auf. Ihr war ein bißchen schwindlig. Als sie jedoch den Tee der an ihrem Bett stand aus trank, ging es ihr gleich besser. Sie bedankte sich noch einmal ganz herrlich bei den vielen Eulbs für die Geschenke und verkündete daß sie sich ein bißchen umsehen werde. Als sie draußen an der frischen Luft stand, viel ihr der Kinnhaken runter. Hier gab es lauter exotische Pflanzen. Der Himmel war gelb und die Sonne war blau. Sie sah wie zwei Kinder an einem feuerroten See spielten. Ein paar Meter weiter vorne saßen die Eltern und waren gerade dabei ein dunkelblaues Feuer zu entfachten. Und dann sah sie hinter einer rabenschwarzen Wolke einen riesigen Berg auftauchen. Er sah aus wie ein Affe. Sarah schaute ihn entzückt an. Diesem Berg hatte Apehill-Town seinen Namen zu verdanken. Sarah hatte vor den Kampf gegen das Böse morgen in aller Frühe anzutreten. Sie konnte nicht wissen, daß alles viel früher los gehen würde.
Sarah wachte benommen auf. Sie hatte kalt und mußte bibbern. Von weitem hörte Sarah eine krächzige Stimme die ihr durch Knochen und Mark ging. „Ja, Eure Finsterkeit! Die Eulbs haben sie auserwählt. Apehill hat sie auserwählt. Sie soll Eure Hoheit und alle die Untertanen des Bösen vernichten!" Sarah schauderte. Wo war sie? Plötzlich kehrte die schreckliche Erinnerung zurück. Sarah sah ein verschwommenes Bild vor sich: Sie, Sarah, ging zu einem feuerroten See, der ganz abgelegen war. Plötzlich wurde es dunkel um sie herum. Dunkle Gestalten fingen an einen Kreis um sie zu bilden. Eine der Gestalten war größer als die anderen. Dieser große Schatten trat auf sie zu und murmelte: „travelussleepus" Daraufhin schlief Sarah augenblicklich ein. Und jetzt befand sie sich in Apehill, dem Affenberg. Sarah setzte sich hastig auf und blickte sich um. Sie sah einen Totenkopf neben ihrem Bett ruhen. Vor Schreck schrie sie auf. Sogleich verfluchte sie ihren Aufschrei, denn sie hatte dadurch die Aufmerksamkeit der düsteren Gestalten erweckt. Sie kamen auf sie zu und musterten sie mit leeren Augen, die sie unter schwarzen Kapuzen versteckt hielten. Sarah sprang auf und schlug dem größten, dem Anführer, mit der Faust ins Gesicht. Erschrocken zog sie ihre Hand wieder aus der Höhle der Kapuze. Das Böse hatte kein Gesicht. Sarah wimmerte. Tränen rannen ihr die Wangen runter. Sie hatte schreckliche Angst. Plötzlich fielen ihr die freundlichen Eulbs ein, mit denen sie heute beim Picknick ein wenig geplaudert hatte. Und der nette Junge der ihr ein Eis spendiert hatte. Plötzlich war es ihr egal ob ihr die Eulbs jeden Wunsch erfüllen würden, wenn sie es schaffte das Böse zu vernichten, sie wollte diesen freundlichen Wesen nur ihre Welt und ihren Frieden zurückgeben. Sei es das letzte was sie tun wird. Sarahs Augen funkelten als sie den schwarzen Kreis um sich herum anschaute. Dann rannte sie, wild entschlossen, kopfvoran in den Umhang des Anführers. Wie sie gedacht hatte, war dort nichts, nur der Geist des Herren des Bösen. Sarah schauderte. Als sie endlich wieder aus dem Umhang draußen war, nutzte sie die Verdutztheit der Schatten um los zu rennen. Zuerst rannte sie einen schmalen Gang entlang. Hinter sich hörte sie Schreie. Dann folgte ein Rauschen. Sarah war klar, daß die Finsteren sie verfolgten. Ihr war auch klar, daß noch viele andere böse Wesen sich in diesem Berg befanden. Sie mußte so schnell wie möglich heraus finden wie sie das Böse besiegen konnte. Plötzlich stieß sie mit dem Fuß gegen etwas hartes. Erschrocken blieb sie stehen. Sie drehte sich um und probierte in der Dunkelheit erkennen zu können was es war. Ihre Augen suchten den Boden vergebens ab. Schließlich tastete sie mit den Füßen den kalten Stein ab. Da war es! Sarah befühlte es mit der Hand um herauszufinden was es war. „Ahhhhh! Ein Totenkopf!" Schreiend rannte sie weiter den Gang entlang, die Hände vor sich ausgestreckt, um nicht blindlings in eine Wand zu laufen. Ihre Gedanke suchten das womit sie das Böse vernichten konnte. Kämpfen würde nichts bringen. Das Böse war nur ein Geist, ohne Blut und Knochen. Und auf einmal wußte sie es. Sie blieb abrupt stehen und formte ihre Hände zu einem Trichter vor ihrem Mund. Dann brüllte sie so laut sie konnte, das Wort das alles verändern wird und das mit seiner Macht die Erde ergriff, wenn auch leider nicht überall, sie brüllte: „Liebe!" Auf einmal wurde alles ganz still... Und dann schrie jemand glaszerbrechend und verzweifelt. Sarah schrie immer wieder „Liebe". Und langsam wurde es im immer heller. Sarah wußte, daß sie den wunden Punkt der düsteren Gestalten getroffen hatte. Ein weiterer Schrei durchdrang ihren Körper. Sarah hörte ein Stöhnen. Und plötzlich war es totenstill. Sie wußte, daß sie das Böse besiegt und Zimmer 17 gerettet hatte. Sarah fing an zu lachen und machte ein kleines Freudentänzchen wobei sie „ Hab das Böse absolviert! Didelidudum!" sang. Apehill war nun hell. Sarah tappte noch eine halbe Stunde im Innern des Berges herum und sang immerzu ihr neues Liedchen. Bald fand sie am Ende eines Ganges ein blaues Licht. Als sie die frische Luft erreichte, standen schon alle Eulbs da und begrüßten sie freudig. Sarah war überglücklich und sie freute sich mit den Eulbs für die Rettung von Zimmer 17. Die Wünsche die sie noch frei hatte, hatte sie schon längst vergessen.
Als alle bei einem köstlichen Essen saßen, fragte Sarah die Frage die sie, seit sie bei den Eulbs war, auf der Zunge hatte: „Warum heißt eure Welt „Zimmer 17" ?" Die weisszahnige Eulbfrau antwortete: „Unsere Welt hat die Form eines Zimmers! Sie ist flach und hat vier Ecken! Es gibt 17 Welten, und wir sind die letzte davon, also die 17te!" Nachdem Essen wurde Sarah zu einem Spiegel gebracht aus dem blaue Funken sprühten. Sie verabschiedete sich von den netten Eulbs und als sie den Spiegel berührte wurde sie in sein Inneres gezogen.
Sarah wurde von dem Klingeln ihres Weckers geweckt. „Was für ein Traum" sagte sie zu sich, als sie sich an den merkwürdigen Traum mit den blauen Wesen und dem komischen Berg erinnerte. Sie zog sich an und machte sich für die Schule bereit. Ihre Gedanken waren Jeremias, dem süßesten Jungen der Schule, gewidmet. Er hatte ihr nie ein Leid zugetan. Auf dem Schulweg sagte sie: „ Ich wünschte er würde mich auch lieben", in dem Moment kam Jeremias um die Ecke und sagte zu Sarah: „Ich konnte es dir nie sagen, aber...Ich liebe dich!" Und da war Sarah klar, daß sie das ganze nicht geträumt hatte. Sie lächelte Jeremias an und er sah Gegenliebe in ihren Augen.
Sarah wurde nie wieder mit Schlamm beworfen oder ausgelacht. Den einzigen Wunsch den sie hatte wurde ihr erfüllt, mehr Glück brauchte sie nicht.
Bei den meisten Geschichten würde jetzt ein „Und wenn sie nicht gestorben, sind dann leben sie noch Heute" kommen. Nicht so bei meiner Geschichte.