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Augenblick
Ein Mann, dessen Identität nicht zu nennen ist, war im Begriff an einem Dienstag Nachmittag die Straße zu überqueren. Ein Auto fuhr vorbei. Die auf dem Rücksitz spielenden Kinder winkten dem dunkel gekleideten Mann zu, während sich dieser, wohlwissend, dass er die Kinder nie wieder sehen würde, beschämt abwandte. Kaum blickte er wieder auf, spürte er den ersten Regentropfen auf seinem blassen Körper. Wie ein Donnerschlag traf es den Mann, der sich fest vorgenommen hatte etwas zu erledigen, das ihm, will man seinem Gesichtsausdruck glauben, sehr wichtig zu sein schien. Der Regen prasselte drohend auf den Kopf des Fremden hinunter, der sich zögernd und doch zielbewusst für den ersten Schritt einstimmte. Autos kamen, Autos gingen. Der Verkehr kam nie zum Erliegen. Nachdem er zwanzig Autos gezählt hatte, von denen ihn dreizehn Fahrer misstrauisch entgegenblickten, stellte er sich an die Ampel, die bereits dreißig Sekunden auf rot stand. Der Mann, dessen Augen grünlich zu funkeln begannen, griff in die linke Jackentasche und zog eine kleine Waffe heraus, die er kurz zuvor von einem Pfandleiher gekauft hatte. Mit der Entschlossenheit eines hungernden Menschen überschritt er die aus pechschwarzem Teer bestehende Straße. Die Tür öffnete sich, als eine schwarz gekleidete Person, man kann sagen, sie war ziemlich groß, in die Bank einlief, einen Mann zur Seite schubste, und die Kassenangestellte mit gezogener Waffe dazu aufforderte das Geld in einen Beutel zu packen. Die Frau, laut ihrem Namenschild hieß sie Fr. Müller, ließ eine starke Angst, aber auch tiefe Neugier erkennen, während sie den Anweisungen des Mannes Folge leistete. Sie schritt hektisch zum Öffnen des Tresors, wobei ihr ein Fingernagel abbrach. Mit einer vollen Tasche kam sie zum Schalter zurück und übergab dem gierig grinsenden Mann das Geld, das er mit einer krallenähnlichen Bewegung an sich riss. Während er die Tasche mit einer starken Befriedigung analysierte, wandte sich ihm ein Mann zu, der einen weißen Pullover trug. Wie alle anderen Menschen, stand auch er bewegungslos auf seinem Platz. Nach ein paar schweigenden Sekunden erhob er die Stimme und fragte den bewaffneten Mann: "Sind sie ein glücklicher Mensch?" Der Fremde, dessen Überraschung kaum zu übersehen war, sah sich diesen Menschen genau an, der ihm eine solche absurde Frage gestellt hatte. Er musterte ihn genau, aber hielt seinen Geldbeutel dabei fest umklammert. Sein Blick wanderte auf die hellgraue Hose, auf den weißen Pullover und schließlich in die hellblau schimmernden Augen, die ihn zu durchleuchten schienen. Der Mann, dessen Identität nicht zu nennen ist, stand an einem Dienstag Nachmittag bewaffnet in einer Bank mit seinem vollen Geldbeutel und machte sich sichtlich Gedanken über diese ungewöhnliche Frage. Die Kassiererin, die immer noch um ihren abgebrochenen Fingernagel trauerte, beobachtete diese Situation mit einer gewissen Anteilnahme. Die Polizei würde bald da sein. Ein voller Geldbeutel und zehn Meter vom Ausgang entfernt. Und doch blieb er wie erstarrt stehen und versuchte verzweifelt eine Antwort auf diese intelligente Frage zu finden. Plötzlich schaute er in die ängstlichen Gesichter um ihn herum und senkte seine Augen auf diese Tasche, die er so fest mit seiner rechten Hand umfasste. Seine Gesichtszüge veränderten sich. Mit einer leicht deprimierten Stimme und mit gesenktem Haupt antwortete er: "Wenn ich glücklich wäre, dann wäre ich wohl kaum hier." Er ließ seine Waffe und den Geldbeutel fallen und schlenderte hinaus in den sirenenerfüllten Regen.
The End