Ausgeliefert
Das Morgenlicht kroch durch die Spalten der Jalousie und traf auf die geschlossenen Lider der regungslosen Gestalt in dem weißlackierten Krankenbett.
Sie spürte, wie ihr Herz ein paar verzweifelte Sprünge machte.
Er würde kommen, ebenso unabänderlich wie gerade der Tag anbrach.
Hass und Abscheu schnürten ihr fast die Kehle zu und sie bemühte sich verzweifelt, wenigstens das Lid des rechten Auges anzuheben.
Gestern noch war es ihr für den Bruchteil einer Sekunde gelungen.
Ihre Gedanken rasten, einmal einen Blick auf ihre Umgebung zu werfen, das war alles, was sie sich von diesem Leben noch wünschte.
Dieser Blick würde ihm gelten und ihn hoffentlich zerschmettern.
Doch es war wie immer.
Seit dem Schlaganfall vor zwei Jahren arbeiteten nur noch wenige ihrer Körperfunktionen, darunter Gehör- und.... Geruchssinn, und, wenn auch eingeschränkt, das Gefühl für Berührungen.
Jäh wurde die Tür aufgerissen.
Grelles Licht aus der Deckenbeleuchtung schien trotz der
geschlossenen Augen schmerzhaft direkt in ihr Hirn zu dringen.
"Guten Morgen Geliebte, bist Du bereit?
Bereit für unser Spiel meine Schöne?
Na, macht uns das Spaß? "
Er schlug die leichte Decke zurück und streichelte ihren Bauch.
Die Griffe waren zuerst leicht massierend und wurden dann etwas stärker.
Sein Atem ging schneller und sein Körpergeruch verursachte ihr Übelkeit.
Er dünstete die vergangene Nacht aus wie eine Müllkippe
den gelagerten Unrat.
" Nun komm schon Liebste, entleere Dich, oder muss ich Dich wieder bestrafen?"
Hasserfüllt spürte sie, wie ihre Blase sich durch den gesetzten Katheder entleerte.
Die Tür öffnete sich erneut, eine zweite Person hatte den Raum betreten und sie wartete gespannt, wer so früh am Morgen das tägliche Pflegeritual unterbrochen hatte.
" Doktor, Sie sind schon da, so früh hatte ich gar nicht mit Ihnen gerechnet."
" Ich dachte, ich sehe mir einmal an, wie sie mit der Körperpflege ihrer Frau zurechtkommen."
Die Stimme der zweiten Person war angenehm und dunkel, eine Frau;
"Sie wissen ja, ab heute sollte die basale Stimulation beginnen und das geschieht am Besten in einer angenehmen und entspannten Atmosphäre, es sollte auf keinen Fall in Streß ausarten.
Ich hoffe, es ist nach Ihrer Schulung klar, was damit erreicht werden soll.
Durch Berührung nimmt die Pflegeperson mit dem Patienten, der sich nicht mehr über Wohlbefinden oder dessen Gegenteil äußern kann, Kontakt auf.
Die dunkle Stimme wurde dozierend:
"Sie ermöglicht dem Erkrankten, eine Welt außerhalb seines Körpers wahrzunehmen und die Anwesenheit und Fürsorge eines anderen Menschen zu fühlen.
Ziel ist die Förderung zur Wahrnehmung, Bewegung und Kommunikation.
Erwarten Sie zu Beginn also nicht zuviel.
Sie müssen sich an die Bedürfnisse Ihrer Frau regelrecht herantasten.
Nur was sie sich wünscht, auch wenn sie es nicht wirklich sagen kann, darf von Ihnen aufgenommen und ausgeführt werden.
Ihr Empfinden für diese individuellen Wünsche muss also ebenso trainiert werden, wie das Ihrer Frau für Berührungen im allgemeinen.
Hüten Sie sich also davor, zuviel zu schnell zu wollen.
" Aber ja Doktor, ich habe das doch schon immer so gemacht, weiß also genau, was mein Liebchen braucht und gebe es ihr.
Mir können Sie auf diesem Sektor nicht mehr so arg viel vermitteln, das läuft hier schon so, seitdem ich meine Frau aus der Klinik holte.".
Seine Stimme klang sanft und überzeugend.
Die Kranke fühlte, dass er sie zu waschen und einzucremen begann.
Alles anscheinend unter den wachsamen Augen der Frau im Zimmer, denn er war unerwartet sanft.
Diesmal blieben sie aus, die harten Griffe mit denen er sie wie einen Gegenstand auf die Seite zu werfen pflegte.
Er bemühte sich, den Waschlappen vorsichtig über die vom langen Liegen gereizten Hautstellen gleiten zu lassen.
Trotzdem hätte sie gern geschrien, als er seinen Mittelfinger, versteckt unter dem Waschlappen hart in ihren Anus bohrte.
Natürlich würde die Frau nichts bemerken, sie bemerkten ja alle nichts, ihre gelegentlichen Besucher.
Oder?
Ihr Herz machte einen Sprung als die dunkle Stimme sagte; " Das betrifft auch - und besonders - den Intimbereich, hier gilt besondere Zurückhaltung.
Negative Einflüsse sind einzuschränken und positive zu vermitteln, also wahren Sie eine gewisse Reserve, zumindest solange, bis sie die Situation Ihrer Frau völlig einschätzen können, sie analysiert haben und danach erst die Förderpunkte erarbeiten.
Je mehr man über den Patienten weiß, umso individueller fällt der Förderplan aus. So entsteht ein fester Tagesplan,
mit Ruhe- und Aktivitätsphasen, die einen Tag- und Nachtrhythmus sicherstellen."
"Schon gut Doktor," seine Stimme ließ Ungeduld erkennen.
"Sie klingen als unterstellten Sie mir, die basale Stimulation zur Befriedigung meiner eigenen Bedürfnisse einsetzen zu wollen, ich bin doch nicht pervers."
" Es ist meine Pficht, auf all diese Dinge hinzuweisen,
egal, wen ich vor mir zu haben glaube."
Die weibliche Stimme hörte sich jetzt an, als wolle sie einer Peinlichkeit ausweichen und spule nur noch schnell ein Programm ab.
"Mit intensiven Waschungen und Einreibungen und speziellen Lagerungen wird die Körperwahrnehmung gefördert und wir können so mit dem Patienten in Dialog treten.
Bei der Mundpflege wird mit bekannten Geschmacksstoffen gearbeitet, so kann man die Wachheit fördern.
Komapatienten, ebenso wie Patienten deren Körperfunktionen so stark eingeschränkt sind, wie die Ihrer Frau, kommunizieren durch diese Anregungen mit Händedruck und nehmen Blickkontakt auf.
Die ersten wichtigen Schritte zur Rehabilitation sind so erfolgreich gemacht.
Sie hätten allerdings viel eher auf diese Anregungen eingehen müssen.
So wurde wertvolle Zeit vertan und man kann nur hoffen,
dass es noch nicht zu spät für Ihre Frau ist.
Ich überlasse Ihnen jetzt das Feld und komme in 10 Tagen wieder, um mich über die Fortschritte ihrer Frau zu informieren.
Dann können wir auch etwaige, inzwischen erkannte Probleme besprechen, vor allem aber werde ich dann mit einigen klinisch getesteten Abläufen herausfinden, wie Ihrer Frau diese neue Behandlung gefällt."
" Das wird wohl ein frommer Wunsch bleiben, meine Frau wird sich dazu nie mehr äußern können, damit haben wir beide uns abgefunden, und machen das Beste daraus."
"Nicht wahr meine Süße, er küsste die Kranke zart auf den Mund und der Gestank aus seinem Mund nahm ihr fast den Atem.
" Sie irren," die dunkle Stimme wurde zuversichtlich.
"Im Fall Ihrer Frau ist der Professor sicher, dass sie sich
in spätestens einem halben Jahr durch Blickkontakt oder sogar Handdrücken zumindest über Abneigungen oder Wohlbefinden äußern kann."
Die Kranke hielt für eine Sekunde den Atem an, bemüht kein Wort zu verpassen.
Doch der Mann antwortete nicht, sie spürte, wie sein Daumen sich hart in ihre Handfläche bohrte.
Kurz darauf fiel die Zimmertür ins Schloss, er begleitete die Besucherín wohl zur Haustür, war aber sofort wieder zurück.
" Hast Du das gehört Weib?.
Die wollen sich doch wirklich zwischen Dich und mich stellen.
Lassen wir das zu ?"
Spielerisch fasste er in ihr langes dunkles Haar und begann es zu bürsten.
Die Bürstenstriche begannen sanft und zärtlich, wurden schneller, heftiger und immer härter, sein Atem rasselte,
" Du wirst mir gehören, immer nur mir," raunte er in ihr Ohr. Dann warf er sich schwer über sie.
Sie schaltete jede Empfindungsfähigkeit ab,
zog sich zurück in eine Isolation, die nichts auf dieser
Welt durchbrechen konnte.
Doch diesmal war ihre Seele voller Hoffnung.
Das Ende ihres Martyriums zeichnete sich ab.
Sie würde bereit sein......ihr rechtes Augenlid zuckte kurz.