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Ausgestorben
Das erwartungslose Graben machte unsere Liebe vollkommen. Wir trugen kubikzentimeterweise Erde ab, um Erde abzutragen. Dann häuften wir sie wieder zurück in die Löcher und verlegten unsere Arbeit einige Meter weiter nach links oder rechts. Der unberührte Grund lag jedes Mal wieder voll Versprechungen vor uns. Es wäre mir nicht in den Sinn gekommen, ihre Einlösung zu fordern.
„Man darf nur nicht anfangen zu suchen“, sagte Drew, „man muss finden.“
Aus Liebe zu mir hatte er seine vielversprechende Grabungsstätte in den Anden verlassen und sich unserem kleinen Trupp im Amazonasbecken angeschlossen. Und so warteten wir nun gemeinsam darauf, dass sich uns das Geheimnis des Untergangs der vorchristlichen Hochkultur enthüllte, deren Symbole man hier, weit entfernt von ihrem hochgelegenen Siedlungsgebiet auf einem Felsen im Dschungel entdeckt hatte.
In der trockenen Kälte der Hochebene hatten sich Mumien erhalten – eine letzte Fischmahlzeit im Schrumpelmagen bezeugte weiträumige Handelsbeziehungen. Hier würden wir nichts dergleichen finden. Das Leben war schnell an diesem feuchtheißen Ort. Ein Pfirsich, den Drew mir mittags flaumig frisch vom Markt mitgebracht hatte, quoll ihm als warmer Brei durch die Finger, als er ihn abends aus dem Rucksack holte. Ich drückte den Kern des Pfirsichs in einen Schmutzhaufen vor der Haustür und drei Tage später entrollte sich bereits das zweite Blättchen des jungen Grüns.
Manchmal blieben wir abends noch lange mit den anderen in der Bar. Wir aßen knorpeligen Eintopf und tranken Höllenschnaps. Drew empfing alle Fremden, die den engen Raum betraten. Er legte einen Arm um ihre Schultern und führte die kleinen kupferbraunen Männer der Gruppe zu.
Ich blieb den ganzen Abend an der Bar stehen und schwieg mit Beto, der uns das Zimmer über dem Schankraum vermietete. Bald sträubten sich die Härchen auf meinem Unterarm nicht mehr, wenn die farblose Flüssigkeit meinen Rachen hinabrann. Dann umrundete ich den Tresen und riegelte mich in dem kleinen Toilettenraum ein, um mit neuen Augen in den Spiegel zu blicken; seine Korrosionspocken sprenkelten mein Gesicht, die glühenden Wangen und die roten Lippen. Sie waren schwarz wie meine Augen. Wenn ich so schön war, wusste ich, dass ich genau die richtige Menge Höllenschnaps getrunken hatte.
Ich verließ den Waschraum und schüttelte den Kopf, wenn Beto fragend die dunkelgrüne Flasche ohne Etikett hob. Ich ging hinüber zum Tisch und stellte mich neben Drew, der auf einem winzigen Stühlchen saß, das schräg gegen die fleckige Wand lehnte. Mit der rechten Hand in seinem Nacken begann ich, sanft sein Täuschhaar zu zupfen, dieses zarte Haar, das aus seinem Hemdausschnitt ragte und so tat, als sei sein ganzer Rücken bewachsen.
Er legte einen Arm um meine Hüfte, hakte seine Finger in meinen Hosenbund und erzählte weiter eine Geschichte, die ich bereits in den unterschiedlichsten Versionen und Sprachen gehört hatte. Beim letzten Satz kippte er mit dem Stuhl nach vorne, erhob sich in den Augenblick der Stille nach der Pointe und verabschiedete sich in das Gelächter hinein.
Wir stolperten hintereinander die Stiege zu unserem Zimmer hinauf, in dem Beto die kaputte Glühbirne noch immer nicht gewechselt hatte. Die Schwärze war so vollkommen, dass nicht einmal Drews Zähne blitzten. Wir fielen über- und untereinander ins Bett und lernten unsere Körper in zufälligen Positionen neu kennen – die Zartheit einer Kniekehle, vorsichtiges Knabbern an straff gespannten Sehnen.
An anderen Tagen kehrten wir sofort nach dem Ende der Ausgrabung in unser Zimmer zurück und warfen unsere Kleidung von uns.
Ich lag mit angewinkelten Beinen auf dem Bett und benetzte meine Brüste, die schön flach und rund auf meinem Oberkörper lagen, mit Speichel, damit der Wind, der feucht und heiß wie Atem hin und wieder ins Zimmer fuhr, meine Brustwarzen aufrichtete. Über mir wendete der Ventilator die träge Luft. Ich spürte nichts davon. Seine Wellen erreichten mich nicht, aber ich mochte das beruhigende Schrub-Schrub-Schrub. Außerdem zerschnitt er die Rauchfäden, die von meiner Zigarette aufstiegen.
Drew wusch seine Hemden in der grauen Spülschüssel. Ich beobachtete, wie seine Arschbacken sich beim Schrubben anspannten, wie seine geraden Zehen den Dielenboden griffen, wenn er den Stoff auswrang. Er trat auf den winzigen Balkon und hängte seine Wäsche über das schmiedeeiserne Geländer. Am Morgen würde er rostrote Linien über dem Brustkorb tragen.
Er stand als faunischer Schatten im schwächer werdenden Gegenlicht des Türausschnitts und rauchte. Der Flaum auf Armen und Beinen zeichnete seine Konturen weich. Drew ließ den glühenden Stumpf in die Dämmerung hinabfallen, dann trat er zum Fußende des Bettes, blies die letzten Rauchwölkchen aus der Nase und vergrub sein Gesicht in meinem Schoß.
An diesem Morgen fühlte ich die Muskeln meiner Oberschenkel. Ich drehte den Kopf und sah, wie Drew einige Meter von mir entfernt konzentriert arbeitete, mit symmetrisch angeordneten Schweißflecken auf dem T-Shirt. Er blickte auf, ließ die Kelle sinken und hob Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand unter die Nase, so dass ich sie wieder dort spürte, wo sie mich vor wenigen Stunden verlassen hatten. Dann nahm er sein Werkzeug wieder auf und kratzte weiter. Das Grinsen blieb in seinem Gesicht stehen.
Ich schrubbte unkonzentriert innerhalb meines Abschnitts weiter, bis sich unter den Pinselstrichen eine winzige Erhebung aus der umliegenden Erde wölbte, kaum eine Nuance heller als der gelbe Lehmboden.
Es war ein Gesicht, das mich hier anblickte – ohne Augen, ohne Nase oder Mund – eine blanke Fläche, aber eindeutig ein Blick. Ich pinselte ihr den Schmutz aus den Zöpfchen und begann, die linke Brust, die ich durch die Erde hindurch erspürte, mit konzentrisch kreisenden Bewegungen freizulegen. Dann zirkelte ich um die rechte Brust. Ich trug mit dem Spatel den Grund um die gesamte Rundheit der Figur ab, bis ich sie vorsichtig aus ihrem Lehmbett hebeln konnte, in dessen Laken sie einen perfekten Abdruck ihres ausladenden Hinterteils hinterließ – meine kleine vera icon. Genau so mühelos, wie sie sich einst aus dem Stein geschält hatte.
Ich sah mich um – Drew spürte meinen Blick diesmal nicht – und schob meine Frau in die Tasche der dünnen Jacke, die neben mir am Boden lag. Danach konnte ich mich kaum mehr auf mein Schaben konzentrieren, weil das Blut so laut in meinen Ohren rauschte, dass ich das Kratzen des Spatels nicht mehr hörte.
Am Abend konnte ich meine Knorpelstückchen nicht essen, weil mein Hals zu eng war, sie ganz zu schlucken, und mein Kiefer zu starr, sie zu kauen. Michel, unser Grabungsleiter war besorgt, wie er die Forschungsgemeinschaft überzeugen könnte, das Projekt weiter zu fördern. Drew sagte nichts. Er konnte sich mit der Endlichkeit unseres Sisyphosparadieses nicht auseinandersetzen. Als er nach meiner Hand griff, fühlte ich seine kaum. Mit der Rechten hielt ich meine Figur in der Jackentasche umschlossen. Immer wieder fuhr ich über ihre Wölbungen, schmirgelte ihr mit meinen Fingerspitzen jahrtausendealte Verkrustungen von der Haut, die immer glatter und wärmer wurde. Mein Stuhl fuhr quietschend über den Boden, als ich mich erhob.
„Ich gehe hoch. Ich bin müde.“
Drew sah fragend zu mir auf und spürte die Kälte in seinem Nacken.
In unserem Zimmer zog ich mich aus, kroch auf unser Bett, meine Figur eng an die Brust gepresst. Erst hier, aus der raumlosen Enge meiner Jackentasche befreit, konnte sie atmen. Sie lag vor mir auf dem Laken, die verbliebenen Erdkörnchen wie Satelliten um sich herum verteilt – eine selbstbewusste kleine Masse, die ihren Raum besaß, ihn ohne zu verdrängen oder zu umschließen einfach nur ausfüllte.
Ich hob sie hoch, drückte ihren kleinen runden Kopf an meine Nase und saugte tief den Geruch des Öls ein, mit dem ihr Haar vor Urzeiten gesalbt worden war, bevor man es zu dünnen, harten Zöpfchen flocht und in Spiralen um ihren Kopf legte. Mit den Lippen tastete ich die ährenförmige Struktur ihres Eichelköpfchens nach, reinigte die winzigen Spalte ihrer aufgeplusterten Schamlippen mit meiner Zunge vom Lehm, der meinen Mund austrocknete. Darunter schmeckte sie nicht nach Süßkartoffel und Rinderbrühe, sondern erfrischend sauer und prickelig, wie der Pol einer Batterie.
Sie ließ es geschehen. Ihre dünnen Ärmchen ruhten noch immer unbeweglich auf ihren schweren Brüsten, als hielte sie sich selbst, doch ihre Haut wurde immer transparenter, bis ich das Blut darunter wogen sah. Jeder Zungenschlag und jeder Kuss, den ich ihr auf den geschwollenen Körper drückte, war mir Zungenschlag und Kuss auf dem eigenen Leib. Die Nässe, die ich an ihr verursachte, war die meine. Ihr Kopf hinterließ feine Abdrücke und glitzernde Quarzkörner an der Innenseite meiner Oberschenkel, an denen ich noch am Abend zuvor Drews Sperma hatte klebrig werden lassen. Ich dachte, dass ich ihn rufen, dass ich teilen sollte, und hoffte doch, er käme nicht hoch, um nach mir zu sehen.
Ich erwachte, als Drew die Treppe heraufpolterte. Er rief noch einige Bemerkungen nach unten und lachte laut, als er die Tür aufstieß. Das Licht der Kerze, die er auf einer Untertasse hereintrug, blendete mich. Er fiel schwer auf die Matratze, zog meine Figur unter seinem Hintern hervor und kicherte: „Holy cow! What the fuck is this?“
Ich roch Höllenschnaps in seinem Atem und versuchte, ihm die Figur aus den groben Händen zu reißen, doch es gelang mir nicht. Er drehte sie im Schein der Kerze.
„That’s fucking awesome, dude.“ Er lachte. „Das ist doch so ein fettes Fruchtbarkeitsviech.“
„Gib sie wieder her! Du machst sie kaputt!“, schrie ich und griff abermals nach ihr. Doch Drew schob mich mühelos zur Seite und begann nun mit blödem Gesichtsausdruck ihre Brüste zu betatschen. Die Fünkchen der Quarzkörner, die sich auf seinen Händen verteilten, verschwammen hinter meinen Zornestränen.
Er saß auf der Bettkante und beschnüffelte sie wie ein Köter am Arsch. Ich heulte, er solle aufhören, doch er lachte nur. Das Täuschhaar stand ihm struppig im Nacken, als würden ihm gleich zwei Bocksbeine wachsen. Ich schluckte meine Abscheu hinunter, kroch zu ihm und versuchte, seine Hose zu öffnen, um ihr nah zu sein, um wenigstens teilen zu können. Drew stand auf, ohne mich auch nur anzusehen, und ich fiel von seinen Knien auf den Boden. Er verzog sich mit ihr in die Zimmerecke, drehte mir den Rücken zu und begann sie einzuspeicheln. Ich konnte hören, wie seine Lippen sich an ihren dicken Backen festsaugten; hörte die feinen Adern unter der Steinhaut bersten. Wusste, dass sie trotzdem feucht wurde. Ich rappelte mich auf und knurrte: "Gib sie zurück!" Doch Drew grunzte nur.
Da sprang ich ihm in den Rücken und verbiss mich in seinem schwitzenden Nacken, bis ich Eisen schmeckte. Er brüllte rau, wirbelte herum und ich flog; wunderte mich noch, dass ich so fliegen konnte. Dann fiel die Ohnmacht mich an wie ein schwarzes Dschungeltier.
Ich erwachte mit gemeinsamem Blut im Mund und fremden Haaren zwischen den Zähnen. Ich wusste, dass ich allein war, denn ich spürte ihr Schwerefeld nicht mehr. Auch Drew war fort; das Bett leer bis auf ein paar Erdkrümel. Der Raum, den sie zuvor getragen hatte, stürzte über mir zusammen.
Ich zog mir ein T-Shirt an und rannte die Treppe hinunter. Beto kniete vor der Bar und nagelte die Laminatverkleidung fest, die sich immer wieder vom Holz bog.
„Wo ist er?“, schrie ich und stampfte mit meinem nackten Fuß auf den schmutzigen Boden.
Beto drehte sich um. Langsam kletterte sein Blick meine nackten Beine hinauf. Er grinste hässlich: „Er ist zum Flughafen gefahren. Hat gesagt, er habe die Liebe seines Lebens gefunden.“