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Ayses Lieblingstuch

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02.05.2003
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Ayses Lieblingstuch

Heute nacht schläft sie ganz tief und fest. Ihre Mutter hat sie noch zugedeckt und ihr einen Gutenachtkuss gegeben, dann ist sie ganz schnell eingeschlafen. Es ist ja auch ein anstrengender Tag gewesen.
Sie macht ihre kleine Kulleräugelein zu und drückt ihren Stoffhasen fester an ihr Herz. Da möchte sie ihn am liebsten haben. Manchmal tut sie ihn auch unter den Kopf, weil das bequem ist, aber sie weiß, dass das dem Hasen nicht so gefällt, deswegen tut sie es nicht so oft.
Sie denkt noch etwas nach über den schönen Tag bei ihrer Großmutter. Sie ist den ganzen Tag dort gewesen und hat viel Spaß gehabt. Ihre Großmutter ist schon ganz alt, aber sie ist auch noch ganz lustig, so ganz anders als die anderen alten Menschen.
Sie mag ihre Großmutter und das nicht erst seit heute. Sie hat sie schon immer gemocht, diese alte dicke Frau mit dem schönen Kopftuch.
Sie verliert den Gedanken und langsam wandert ihr kleiner Kopf mit den schönen schwarzen Haaren in Richtung Matratze wo er sich sanft niederlässt. Ihre Gedanken kreisen noch ein wenig um die leckeren Kekse, die ihre Großmutter heute gebacken hat, doch dann packt sie schließlich doch die Müdigkeit und sie schläft ein. Von nebenan dringt leise Musik an ihr Ohr, doch das merkt sie schon gar nicht mehr. In ihren Träumen wird die Musik zu lustigen kleinen Keksen, die alle um ihre Großmutter herumtanzen und die Form von bunten Kopftüchern haben. Sie lächelt und greift gierig nach einem der Kekse.
Ihr Vater streicht sich nebenan über seinen Schnauzer und stellt die Musik leiser. Es sollen ja nicht gleich alle aufwachen.

Sie sind ganz außer Atem. Die Luft ist so kalt, dass sich lustige kleine Wolken bei jedem Atemzug bilden. Es sieht aus als ob sie rauchen. Tun sie aber nicht.
Sie sind gerannt, von einer Straßenecke zur nächsten, damit man sie nicht sieht. Man darf sie nicht entdecken, sonst sind sie dran. Das hat ihnen Karl eingetrichtert. „Wenn euch die Bullen erwischen, dann wandert ihr in den Knast, ist das klar?“ Sie hatten alle genickt.
Sie haben Angst. Zumindest viele von ihnen. Der jüngste, der ganz hinten steht und schwer keucht zittert am ganzen Körper. Nicht vor Kälte, denkt sich einer. Vor Kälte kann ja gar nicht sein, bei dem Rennen die ganze Zeit.
Er hat auch Angst.
Karl hat keine Angst. Er atmet auch schwer und die Luft wirbelt lustig vor seiner Nase und seinem kahlrasierten Schädel herum. Sein Blick ist starr und zeigt Stärke und Mut.
Sie fühlen sich etwas besser, wenn er sie ansieht. Dann kommen sie sich nicht so alleine vor.
Karl ist ja auch viel älter als sie alle, er ist ja schon erwachsen. Da hat man schon mehr Erfahrung, da weiß man wie das geht. Was sie hier machen. Karl, der weiß das. Hat er ja selbst gesagt. „’N Kinderspiel is’ das, sonst gar nix!“ Das hat er gesagt und alle haben ihm geglaubt. Jetzt sind sie nicht mehr so sicher.
Karl blickt ernst drein.
„Also hört mal her, Kameraden. Da vorne is’ es.“ Er streckt seinen dicken Finger aus und zeigt auf ein hohes Haus, mit einer Haustür und ganz vielen Fenstern darin. Ein hässliches Haus ist es, so wie es sie hundertfach überall gibt. Auch hier.
Aber dieses Haus ist besonders.
Karl klopft ihnen auf die Schultern und erklärt noch mal alles im Flüsterton. Alle zittern, aber jetzt weil es so kalt ist. Die Kälte ist auch unerträglich. Wenn man so draußen herumsteht und nichts zum Aufwärmen hat. Die meisten Menschen liegen jetzt in ihren Betten und haben es gemütlich warm. Die müssen sich nicht die Beine in den Bauch stehen und sich halb tot frieren, so wie sie hier. Aber jetzt geht es ja gleich los. Elan kommt in die Truppe.
Karl verteilt Flaschen, in denen eine komisch riechende Flüssigkeit herumschwappt. Einige schnüffeln daran und verziehen die Nase. Ekelhaft.
Dann gibt es Feuerzeuge, ganz neue mit schönem, frischem Aufdruck: „Für’s Vaterland!“
Jetzt haben sie noch mehr Angst. Und auch nicht. Sie sind viele.
Karl dreht sich um und legt den Finger auf den Mund. „Leise, Kameraden, es sollen ja nicht gleich alle aufwachen.“


Ihr Traum ist schön. Sie stopft sich einen Keks nach dem anderen hinein und kann gar nicht genug kriegen von all dem süßen Gebäck. Ihre Großmutter lacht und holt immer mehr Kekse aus dem Backofen. Musik dringt wieder in ihren Traum. Sie lächelt. Diese Musik kennt sie.
Sie hört sie manchmal, wenn sie auf dem Spielplatz spielt, dann kommt manchmal diese Musik. Erst ist sie immer weit weg und ganz leise, doch dann kommt sie näher und wird ganz laut. Dann muss sie sich immer die Ohren zuhalten, bis es vorbei ist. Sie mag den blauen Widerschein, das ist lustig. Fast so lustig wie die Kekse, die aussehen wie Kopftücher.
Die Musik wird lauter. Aber nicht zu laut, es sollen ja nicht gleich alle aufwachen.
Sie träumt weiter.

Draußen steht ihre Mutter. Umringt von Menschen, aber irgendwie allein. Das große Kopftuch bedeckt ihr Gesicht und sie kniet zitternd auf dem kalten Boden. Menschen stehen um sie herum, versuchen sie zu trösten.
Sie weint, sie weint sehr stark und plötzlich schreit sie. Sie schreit einfach so, nur ganz kurz, dann ist sie wieder unter ihrem Kopftuch und schluchzt vor sich hin. Ihr Mann sieht sie bebend an. Sein Gesicht ist verbrannt, der Schnauzer ist weg. Ein Sanitäter will ihn mit sich ziehen, doch er streift den Arm weg. Er will nicht. Er will nicht gehen.
Noch fehlt jemand.
Er streift der Mutter über den Kopf. Sein Gesicht schmerzt. Er sieht nicht viel, aber er spürt das samte Kopftuch der Mutter. Es ist ein sehr schönes.
Die Sirenen heulen.

Sie träumt. Plötzlich ist alles anders. Plötzlich ist ihre Großmutter verschwunden und auch die Kekse scheinen sich in Luft aufgelöst zu haben. Sie schlägt im Schlaf die Decke zurück. Ihr ist warm, sehr warm.
Aber das macht nichts, sie mag es warm. Sie ist auch immer gern im Sommer nach Hause in den Urlaub gefahren, dort war es auch sehr warm. Das war immer sehr schön gewesen, auch wenn sie nicht verstand, was die Menschen sagten, aber das machte nichts, sie hatte Vater.
Vater.
Plötzlich sieht sie ihren Vater. Er steht in ihrer Tür, will auf sie zu stürzen, doch stürzt plötzlich etwas Rotes auf ihn und drängt ihn zurück. Es ist sehr, sehr heiß jetzt und sie fühlt sich nicht mehr wohl. Sie schreit. Die Flammen schlagen ihr ins Gesicht.
Ayse hat Angst.

Ihr Vater streicht der Mutter über den Kopf. Die Flammen lodern noch immer aus den Fenstern, aus diesen hässlichen Fenstern, die keiner gemocht hat, aber die trotzdem dazugehören. Das Haus sieht irgendwie schöner aus bei rotem Licht.
Ob es Ayse gefallen hätte? Bestimmt.
Das Kopftuch fühlt sich auf einmal rau in seiner Hand an. Er blickt hinunter
Es ist ein schönes Kopftuch. Er hat es damals in der Heimat gekauft. Ayse hat es herausgesucht.
Sein Blick geht wieder hinauf zu den Fenstern und bleibt an einem hängen. Eine Träne fällt auf den kalten Asphalt und bleibt dort liegen. Ganz allein und einsam liegt sie dort und weiß nicht wohin. Sie fließt weg und ist verschwunden.
Es war ihr Lieblingstuch gewesen.
Ayses Lieblingstuch.

 

Davon mal abgesehen, dass das Thema vollkommen abgedroschen ist. Davon sehe ich ab, ja ja. Also, davon einmal abgesehen ist nicht nur der Schluss einfach nur melodramatisch. Was solln der Druck auf die Tränendrüse? Und das dann auch noch mit einer kleinen, einsamen, armen Träne! Ja, bitte! BITTE!!!

Das Ende ist spätestens ab dem zweiten Absatz vorhersehbar. Ok, nicht nur die Feuerlegung. Dein Stil kündigt da schon an, dass Du es maßlos auf die Spitze treiben wirst. Ich habe nur weitergelesen, weil ich masochistisch veranlagt bin - oder weil ich sadistisch veranlagt bin und mich auf meinen Verriss schon freute. Wer weiß.

Eins hast Du aber geschafft: Für einen kurzen Moment habe ich überlegt, ob ich nun wirklich sagen soll, wie oberflächlich und belanglos und allein auf Effekte abzielend Deine Geschichte ist. Was aber nur an dem Thema lag.

Naja: YOUR STORY IS MADE OF NOTHING BUT MERE SENSATION!

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Ben,

Sie macht ihre kleine Kulleräugelein zu und drückt ihren Stoffhasen fester an ihr Herz.
Das ist nicht herzergreifend, dass ist einfach nur kitschig.

Karl dreht sich um und legt den Finger auf den Mund. „Leise, Kameraden, es sollen ja nicht gleich alle aufwachen."

Ja, die bösen Nazis. Wie bei Indiana Jones, nicht wahr? :rolleyes:

Ich fand die Story 1. zu eindimensional und 2. zu klischeehaft. "Fürs Vaterland" - Feuerzeuge und der große erwachsene "Führer", der seine Anhänger zum Ausländerhass bringt - alles zehntausendfach dagewesen. Die "tragische Geschichte" hat Seifenopernniveau. Wenn es wenigstens irgendwelche neuen Aspekte gäbe - so kommt mir nur das große Gähnen. Über das vorraussehbare Ende will ich gar nicht erst reden.

Gruß

MisterSeaman

 

Hi an alle
ich finds irgendwie traurig, dass man immer nur neue Themen aufgreifen kann um überhaupt einmal Anerkennung für das zu bekommen, das man geleistet hat. Wieso können denn nicht auch alte Themen neu aufgearbeitet werden?
Aber gut, ich akzeptiere, dass diese Geschichte etwas klischeehaft veranlagt ist. Allerdings sollte man sich auch fragen, ob dies vielleicht nicht auch so gewollt war, bevor man dies als Kritikpunkt gelten lässt.
Dann dieses böse Wort: "Kitschig"
Was ist "kitschig"? Wer entscheidet, was "kitschig" ist? Kitschig beschreibt doch nur, dass etwas über und über benutzt worden ist und sich einfach totgelaufen hat und deshalb seltsam wirkt. Ob man kitschig allerdings als seriöse Art der Kritik gelten lassen kann, weiß ich nicht.
Aber Schwamm drüber, ich wollte einfach einmal testen, wie meine Geschichte denn so ankommt. Augenscheinlich nicht sehr gut.
Danke trotzdem an Gisele für deine positive Kritik, tut einem immer gut.
Gruß
b

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Ben.

Wieso können denn nicht auch alte Themen neu aufgearbeitet werden?
Kann man ja machen. Aber wenn man so sehr in die verstaubte Klischeetruhe greift, muss man damit rechnen, dass man den Leser nicht bei der Stange halten kann. Meine Kritik ist eigentlich nur so negativ ausgefallen, weil ich nicht den Eindruck hatte, dass Du etwas wirklich eigenes in die Story eingebaut hast. Solche Bücher über 'böse Nazis' habe ich schon in der 6. Klasse gelesen und fand sie damals spannend. Heute finde ich das nicht mehr.

Das Feuer hast Du in meinen Augen auch nicht realistisch rübergebracht. Man liest nichts davon, dass sich irgendwo Rauch bildet, es wird einfach nur heiß. Das entspricht aber absolut nicht der Realität.

Im Prinzip hast Du ja keinen schlechten Stil, aber Du springst mit den Gefühlen Deiner Leser um wie die Bild-Zeitung. Das ist eigentlich das, was mich an der Art der Erzählung am meisten gestört hat. Was nicht heißen soll, dass Du auf Bild-Niveau schreibst.

Mit "kitschig" gebe ich natürlich nur meine persönliche Empfindung wieder, wie mit meiner ganzen Kritik. Absolut entscheiden kann ich das nicht.

Gruß

MisterSeaman

 

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