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Begegnung

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16.04.2016
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Begegnung

Ich hab's echt durchgezogen und sitze im Zug nach Berlin. Draußen rauschen die Bäume vorbei und mir gegenüber sitzt ein alter Sack, der sich in eine Lederjacke gequetscht hat. Ein Ramones T-Shirt blinzelt unter der Jacke vor. Es sieht nicht wie retro aus, sondern alt. Ob der Freak weiß, dass es die Dinger jetzt bei H&M gibt? Zuerst ist er fast vorbeigegangen. Dann hat er ins halb leere Abteil gesehen und mich nach den freien Plätzen gefragt. Am liebsten hätte ich gesagt, mein Vater käme gleich. Aber dann hätte ich ja reden müssen. Sehen die Plätze aus, als ob jemand drauf sitzt? Hat er wohl auch geschnallt und sich breit gemacht. Scheiße! Jetzt darf ich den Rest der Fahrt mit einem geilen Bock verbringen, der mir auf die Titten glotzt. Es kommt schlimmer. Er sieht mir ins Gesicht. So als warte er auf irgendwas. Da kannst du lange warten. Ein paar Mal sieht er aus, als ob er mich gleich anquatscht. Lass es!, sagt mein Gesicht und er lässt es. Ich dränge ihn aus meiner Realität. Normalerweise ignoriere ich die Leute im Zug - oder Menschen generell. Nein, das liegt nicht an der Pubertät.

Ich war schon immer so. Eigenbrötlerisch. So nannte mich die Grundschullehrerin. Die war damals noch keine dreißig und quatschte, wie meine Oma. Nein. Schlimmer. Ich hatte vier Jahre Mathe bei ihr und nicht ein Mal zeigte sich ein Lächeln auf ihren dünnen Lippen. Stock im Arsch. Sie hatte es genauso wenig geblickt, wie meine Alte; ich wollte nie allein sein - die anderen Kinder hatten keinen Bock auf mich. Immer wenn ich etwas von mir gab, sahen sie mich schräg an oder lachten mich aus. Ich sah komisch aus, hörte komische Musik und hatte komische Gedanken.
»Du bist wie dein Vater.« Den Satz knallte mir meine Mutter ständig hin, wenn ich vor mich hin grübelte. Wenn ich nach der Unendlichkeit des Universums fragte oder wissen wollte, warum es so ungerecht zuginge in der Welt. »Wie dein Vater. Der hat auch immer über solchen Quatsch nachgedacht. Und sonst hat er nichts auf die Reihe gekriegt. Räum lieber dein Zimmer auf!«
Ja, mein Vater. Alle Eigenschaften, die mit un- beginnen, hatte ich anscheinend seinen Genen zu verdanken; unordentlich, unpünktlich, unzuverlässig ... Mama war sicher zu Tode enttäuscht darüber, dass ihr kleines Mädchen nicht fehlerfrei funktionierte. Wenn ich wenigstens hübsch gewesen wäre. Der ständige Zirkus, wegen der Zensuren. Ordentlicher Schulabschluss, ordentliche Ausbildung. Ordentliche Kackscheiße! Dass mir der Stress in der Schule fast das Hirn wegbrezelte, juckte die Alte nicht.
»So ist das auch im wirklichen Leben. Die beste Vorbereitung auf die Welt der Erwachsenen.«

Ha! Wenn sie wüsste, wo ich jetzt hinfahre, statt für die Prüfungen zu büffeln, würde sie einen Hirnschlag bekommen. Mal sehen; vielleicht schicke ich ihr eine SMS aus Berlin. Dabei ist das eigentlich sehr erwachsen gewesen; ich habe mich für etwas entschieden und ziehe das durch. Sie ist selbst schuld.

Mein Vater war besoffen vor eine Bahn gerannt, als ich fünf war - hatte Mutter mir erzählt. Sie habe ihn wegen der Sauferei abgeschossen. Danach sei er dann richtig versumpft. An einem Abend latschte er nach der Kneipe über eine rote Ampel und die Bahn zermatschte ihn. Mit der Geschichte erzielte ich Eindruck in der Schule. Freunde brachte sie mir nicht. Ich stellte ihn mir immer vor, wie einen der Penner im Film. Eigentlich total intelligent, großes Herz, aber zu schwach für die harte Realität. So wie ich; seine lebensunfähige Tochter. Die Rolle gefiel mir und ich wuchs hinein. Ende der zehnten Klasse ging es bei mir richtig ab. Ich hatte so die Fresse voll von diesem scheiß Druck; ständig irgendwelche Tests, dann die Prüfungen. Büffeln, ohne zu kapieren, was man da lernte. Eines Abends schmiss ich die Bücher in die Ecke, haute ab zu Lisa und wir gönnten uns einen dicken Joint. In ihrem Kinderzimmer natürlich. Schön blöd! Meine Alte rief ihre Alte an, die kam ins Zimmer und dann war's vorbei mit der Entspannung. Zu Hause durfte ich mir wieder das Gesülze anhören, dass aus mir nichts werden würde.
»Du endest, wie dein versoffener Alter. Ohne Job und Perspektive.«
Irgendwas stimmte an dem Satz nicht.
»Ich denke, er ist auf den Schienen verendet?«
Sie wurde blass, dreht sich um und rannte geradezu weg vor mir. Das stinkt doch, dachte ich und rannte hinterher. Ich wollte es wissen und drängte sie in die Ecke. Am Küchentisch gestand sie mir flennend, dass mein Erzeuger gar nicht tot sei, sondern sich irgendwo herumtreibe. Ich fühlte einen Klumpen in der Kehle. Nur nicht vor ihr heulen! Raus hier! Diesmal zu Sara. Die hatte kein Gras, dafür LSD.
Zwei Tage später kehrte ich wortlos heim. Das Schweigen hielt ich auch einige Wochen durch. Es half mir, mich auf den Schulkram zu konzentrieren. Die bekackten Prüfungen bestand ich gerade so. Mutter faselte davon, wie schwer es mit diesem Zeugnis sei, ein Gymnasium für's Abi zu finden, das mich annehme und ich fragte nach meinem Vater.
»Keine Ahnung. Hat sich nie gemeldet der Rumtreiber.«
Kein Wort glaubte ich ihr. In den Ferien suchte sie eine Schule und ich meinen Vater. Er führte wohl eine Offline-Schattenexistenz. Kein Facebook-Account, nichts bei Google. Absolut unsichtbar. Ich sprach mit Lisa. Sie meinte, ich solle zum Jugendamt gehen. Dort hätten sie seine Daten auf jeden Fall wegen der Kohle. Ich rief an und bekam einen Termin bei Frau Scheuer. Die Fotze wollte mir nichts sagen, ohne dass meine Mutter zustimmte. Die brauchte ich gar nicht zu fragen, also erzählte ich der Scheuer, dass meine Alte mich jahrelang belogen habe. Die Pissbirne hatte den gleichen Stock im Arsch, wie meine Lehrerin. Es gäbe vielleicht gute Gründe für meine Mutter. Mein Vater sei auch sehr unzuverlässig und er zahle sehr unregelmäßig. Bevor sie noch ein paar Un-Wörter auskacken konnte, verschwand ich. Eine Weile versuchte ich noch, etwas über ihn herauszufinden. Dann ging die Schule wieder los und ich war damit beschäftigt, die folgenden zwei Jahre zu überleben.

Ich bin nie aus unserem Kaff herausgekommen, habe oft davon geträumt, aber dann doch nicht die Eier gehabt, einfach loszuziehen. Lieber vergrabe ich mich in der Bude. Während ich durchs Fenster starre, fällt mir auf, wie öde die Landschaft meiner Heimat ist. Baum, Strauch, Feld, Baum … Jauchegraben. Es kribbelt überall, wenn ich an Berlin denke. Bilder aus dem Fernsehen. Millionen Menschen vorm Brandenburger Tor. Straßen voller Klubs und Kneipen. Wieso bin ich nie hingefahren? Nur zwei Stunden Zugfahrt trennen mich von der echten Welt. Bin freiwillig in der Verbannung geblieben, in meiner Zelle. Warum? Sicherheit?

Mein Achtzehnter war der absolute Tiefpunkt. Wir gingen in die Pizzeria, wo alle Teenies unseres Städtchens ihre Volljährigkeit feierten. Das Bier war bezahlbar und der Besitzer drehte die Mucke voll auf, wenn man ihn darum bat. Aber Lisa kam nicht. Sie war wieder in Therapie. Mein Marcel knutschte nach einigen Drinks mit seiner Ex und ich hatte die ganze Zeit über Kopfschmerzen - wie fast jeden Tag in den letzten Jahren. Noch vor Mitternacht verkrümelte ich mich. In der Bahn checkte ich mein Facebook und fiel fast vom Sitz. Mein Vater hatte mir geschrieben. Er habe bis zu meiner Volljährigkeit gewartet, um Kontakt aufzunehmen, und würde sich freuen, wenn ich Interesse hätte, ihn zu treffen. So ein Wichser! Was sollte ich denn jetzt machen? Lisa hatte mir einen Song geschickt. Irgendwas über Selbstmord. Der Sänger kreischte. Ich verstand kaum ein Wort. Noch einmal las ich die Nachricht meines Vaters. Und noch einmal. Dann sah ich mir seine Seite an. Er war unter dem Namen Hans Albers angemeldet. Gab es auf den kein Copyright? Keine Bilder, Hobbys oder Freunde. Er hatte den Account offensichtlich nur angelegt, um mich zu erreichen.
Ich schrieb eine Antwort. Meine Handynummer.

Seitdem fühle ich mich, wie auf Antidepressiva; dumpf nebelig. Marcel schickt mir hundert „Verzeih mir!“-Nachrichten, bis ich ihn blockiere. Lisa geht es so weit wieder gut. Bis zum nächsten Zusammenbruch. Über meine Prüfungen kann ich mittlerweile nur noch lachen.
Als er anruft, esse ich gerade.
Seine Stimme ist der Hammer. Total ruhig, etwas rauchig und vor allem - warm. Er hört gar nicht auf, zu quatschen. Wie sehr er darauf gewartet habe, mich zu sehen, dass es ihm so leid täte, dass er sich nicht früher melden konnte, aber das könne man nun alles nachholen. Die meiste Zeit nicke ich wie ein Idiot. Meine Gedanken purzeln durcheinander. Ich werde ihn kennenlernen. Er wird cool sein und mich aus dieser Scheiße holen. Wir ziehen dann zusammen durch die Gegend und feiern ab. Die Schule und meine Alte können mich am Arsch lecken. Ich gehe zu Papa.
»Ja. Dieses Wochenende passt gut.« Hab ich das wirklich gesagt?
Er wolle mich vom Bahnhof abholen. Berlin sei etwas unübersichtlich und man wisse nie genau, ob die Öffentlichen fahren. Außerdem könne er es nicht abwarten, mich zu sehen.
Ich sage: »Jemand ist an der Tür«, renne ins Bad und kotze. Danach bleibe ich vorm Klo stehen und tausend Dinge rauschen durch meinen Kopf. Vielleicht ist er doch der Freak, für den meine Mutter ihn hält. Wieso hat er nicht früher versucht, mich zu finden? Hat er überhaupt Bock darauf, mich durchzufüttern? Vielleicht findet er mich bekloppt. Jeder findet mich bekloppt. Sogar Marcel. Was ich erzähle, interessiert ihn einen Dreck. Lisa braucht mich auch nur, damit sie sich nicht als einzige Verliererin fühlen muss. Niemand will komplett alleine durchs Leben stürzen. Ich auch nicht. Vielleicht tut mein Alter dann auch so, als sei ich ganz was Besonderes, weil er sich verpflichtet fühlt. In der Küche suche ich nach den Schokonüssen. Nachdem ich die Packung leergefressen habe, nehme ich das Handy und drücke auf die letzte Nummer. Ich werde absagen. Es war eine scheiß Idee. Das geht viel zu schnell. Wir können ja erst mal chatten und treffen uns später. Weihnachten oder so. Das passt. Ist ja ein Familienfest.
Die Tür kracht; meine Alte. Sie ist noch nicht mal im Zimmer, als sie wieder wegen der Prüfungen herumjammert. Ihre Stimme sticht in mein Gehirn. Ich muss hier raus.

Ich sitze im Zug nach Berlin. Mir gegenüber: ein alt gewordener Teenager mit dem gleichen T-Shirt, das bei mir zu Hause im Schrank liegt. Meins ist von H&M. Sein Lächeln ist warm, etwas verschmitzt. Ich lächle nicht zurück. Würde ich meine Gesichtsmuskeln entspannen, müsste ich heulen oder ich würde anfangen Hardcore-Songs über Selbstmord zu kreischen. Mein Körper, mein Hirn - ein einziger Krampf. Mein Vater wird genauso enttäuscht von mir sein, wie Mutter und jeder den ich kenne. Wie Marcel, der an meine Titten durfte, aber nicht weiter. Wie meine Lehrerin, die immer einen kleinen Fehler fand und dann traurig den Kopf schüttelte. So enttäuscht wie Lisa, die ich nicht einmal bei der Therapie besucht habe, weil ich zu feige war. Oder besser: zu un-mutig. Wie konnte ich mir nur einbilden, dass irgendetwas besser würde, anders würde, nur weil plötzlich ein Vater auftaucht. Ein Alkoholiker, Herumtreiber, Loser.
Die Bäume bewegen sich jetzt langsamer. Gleich halten wir in Königs Wusterhausen. Letzter Halt vor Berlin. Hastig stopfe ich mein Zeug in den Rucksack und greife nach der Jacke. Der Typ steht halb auf, will etwas sagen. Quatsch mich bloß nicht an, telepathiere ich ihm. Zögernd sinkt er zurück. Hat sich wohl etwas erhofft.
Raus hier!
Zum Bahnhofsklo. Kotzen. Danach in den Dönerladen. Bier holen. Gras wäre jetzt besser. Bringt mich runter. Manchmal. Ich schalte das Handy ein, will ihm schreiben, dass er nicht umsonst warten soll. Er hat mir eine Nachricht geschrieben.

# musste pläne ändern #
# bin im umland #
# steige vor berlin in deinen zug #
# trage ein ramones tshirt :) #
# papa #

Ich nehme einen großen Schluck. Dann spucke ich das Bier lachend aus. »Papa?«
Der Dönermann sieht sauer aus. Ist mir egal. Ich lache, bis die Tränen kommen. Mein Lachen verebbt - die Tränen bleiben. Echt jetzt? Papa?

 

Hej Kellerkind,

wie schön, dass du einen Text postest! (Ich denke immer noch gerne an unseren Austausch zurück.) :)

Ich schreib nur eine schnelle Kurzkritik. (Gewagt, weil ich den Text gerade erst gelesen habe. Manchmal ändert sich meine Sicht, wenn ich ihn später ein zweites Mal lese und meine Eindrücke sacken lasse.)

Stilistisch finde ich es zu dick aufgetragen, was Kraftausdrücke betrifft und Jugendsprache. Auf mich wirkt das bemüht und mit der Zeit nutzt es sich ab, bei mir zumindest. Mal sehen, was andere dazu sagen. Ich denke, es würde dem Text gut stehen, da ein zwei Gänge zurückzuschalten.

Bei der Gelegenheit könntest du sie vielleicht sympathischer zeichnen, nur falls du das möchtest. Eine kleine Geste der Hilfsbereitschaft einem anderen Mitreisenden gegenüber, irgendetwas. Dazu wäre sie, glaub ich, trotz ihrer Aufgewühltheit fähig, das würde mir helfen, sie gerne auf ihrer Reise zu begleiten. Momentan nervt mich die Erzählerin mit ihrem ewigen Nullbockrumgenöle.

Dass die Geschichte vorhersehbar ist, was den alten Sack im Ramones-Shirt betrifft, muss ich nicht extra erwähnen, oder? Ich würde mir wünschen, dass du der Figur der Mutter mehr Tiefe verleihen würdest. Sicher nicht ganz einfach, aber so ist mir die Story noch zu dünn, zu eindimensional.

Normalerweise ignoriere ich die Leute im Zug - oder Menschen generell. Nein, das liegt nicht an der Pubertät.

Kauf ich nicht. Zu reflektiert.

Quatsch mich bloß nicht an, telepathiere ich ihm.

Gefällt mir!

So viel oder so wenig fürs Erste ...

Besten Gruß!
Anne

 

Hallo Kellerkind,

Ich hab's echt durchgezogen und sitze im Zug nach Berlin. Draußen rauschen die Bäume vorbei und mir gegenüber sitzt ein alter Sack, der sich in eine Lederjacke gequetscht hat. Ein Ramones T-Shirt blinzelt unter der Jacke vor. Es sieht alt aus – nicht retro. Ob der Freak weiß, dass es die Dinger jetzt bei H&M gibt? Zuerst ist er fast vorbeigegangen. Dann hat er ins halb leere Abteil gesehen und mich nach den freien Plätzen gefragt. Am liebsten hätte ich gesagt, mein Vater käme gleich. Aber dann hätte ich ja reden müssen. Sehen die Plätze aus, als ob jemand drauf sitzt? Hat er wohl auch geschnallt und sich breit gemacht. Scheiße! Jetzt darf ich den Rest der Fahrt mit einem geilen Bock verbringen, der mir auf die Titten glotzt. Es kommt schlimmer. Er sieht mir ins Gesicht. So als warte er auf irgendwas. Da kannst du lange warten. Ein paar Mal sieht er aus, als ob er mich gleich anquatscht. Lass es!, sagt mein Gesicht und er lässt es. Ich dränge ihn aus meiner Realität. Normalerweise ignoriere ich die Leute im Zug - oder Menschen generell. Nein, das liegt nicht an der Pubertät.
Also ich finde den Anfang echt stark. Sehr authentisch, wirkt sehr aus dem Bauch raus geschrieben, ich kaufe der Erzählerin alles ab. Macht mir auch Lust, weiterzulesen, da schwingen irgendwie Konflikte mit: Wieso fährt sie nach Berlin, obwohl sie so jung ist? Ich finde sie auch als Figur interessant. Kann sein, dass noch einige schreiben werden, üäh, pubertierendes Mädchen, grauenhafte Figur, aber ich finde das auf die Art, wie du es hier geschrieben hast, interessant. Wahrscheinlich, weil ich gerne solche rotzigen jugendlichen Figuren lese.

Die war damals noch keine dreißig und quatschte[,] wie meine Oma.

Ja, mein Vater. Alle Eigenschaften, die mit un- beginnen, hatte ich anscheinend seinen Genen zu verdanken
:D

ich war eine unwerte Existenz.
Ich finde, solche Nebensätze könntest du getrost kicken. " ich war eine unwerte Existenz." Das merkt man, wenn man den ganzen Absatz liest, wenn du es noch mal so "plump" dahin schreibst, ich finde, das nimmt die Dynamik ein wenig. Zeige lieber, dass sie eine unwerte Existenz ind en Augen anderer ist, wie die Szene mit der Mutter und dem Aufräumen, anstatt es einfach so in den Raum zu stellen - denn so dahingestellt greift es mich als Leser nicht zu 100%

Mama war sicher zu Tode enttäuscht darüber, dass ihr kleines Mädchen nicht fehlerfrei funktionierte.
Genauso das. Show, don't tell, ich weiß nicht, ob dir der Satz geläufig ist, google es mal, ist so ein Grundpfeiler des Schreibens. Du musst ja keine dreiseitige Szene daraus machen, aber kurz szenisch gezeigt, was du sagen willst ist wesentlich eingänglicher und greifender für den Leser, als Behauptungen aufzustellen - selbst das:

»Du bist wie dein Vater.« Den Satz knallte mir meine Mutter ständig hin, wenn ich vor mich hin grübelte. Wenn ich nach der Unendlichkeit des Universums fragte oder wissen wollte, warum es so ungerecht zuginge in der Welt. »Wie Dein Vater. Der hat auch immer über solchen Quatsch nachgedacht. Und sonst hat er nichts auf die Reihe gekriegt. Räum lieber dein Zimmer auf!«

... finde ich schön "szenisch" gezeigt, was du sagen willst, obwohl es sehr "tell"mäßig gehalten ist. Aber ich habe als Leser eine Szene vor Augen, das zählt.

Der ständige Zirkus, wegen der Zensuren. Ordentlicher Schulabschluss, ordentliche Ausbildung. Ordentliche Kackscheiße! Dass mir der Stress in der Schule fast das Hirn weg brezelte, juckte die Alte nicht.
»So ist das auch im wirklichen Leben. Die beste Vorbereitung auf die Welt der Erwachsenen.«
wieder, fände ich szenisch besser, da kann man einfach Emotionen aufbauen, wenn man es als Film vor Augen sieht, und nicht dahingestellt. Yääyy ... das Unterstrichene. Ja. Vielleicht authentisch, weil jung, aber ich muss sagen, solche Charakterisierungen, das hat sie gerade so einen Tick unsympathisch gemacht. Irgendwie: selbstmitleidig. Aber: Wenn du das szenisch gezeigt hättest, wie sie unter dem Stress leidet, wäre ich als Leser wahrscheinlich auf ihrer Seite.

Mein Vater war besoffen vor eine Bahn gerannt, als ich fünf war - hatte Mutter mir erzählt. Sie habe ihn wegen der Sauferei abgeschossen. Danach sei er dann richtig versumpft. An einem Abend latschte er nach der Kneipe über eine rote Ampel und die Bahn zermatschte ihn.
Hey, finde ich richtig cool. Nicht wegen dem Tod des Vaters oder allgemein dem Inhalt, was passiert, aber die Art, wie sie das runtererzählt, wie diese Hintergrundgeschichte eingewoben wird. Charakterisiert den Vater schön.

Eigentlich total intelligent, großes Herz, aber zu schwach für die harte Realität. So wie ich. Die lebensunfähige Tochter eines gescheiterten Säufers. Die Rolle gefiel mir und ich wuchs hinein.
Das Unterstrichene würde ich streichen. Wieder so etwas Redundantest, das den Drive bisschen rausnimmt, das mir alles vorkaut als Leser, finde ich. Der Rest ist toll.

Ende der zehnten Klasse ging es bei mir richtig ab. Ich hatte so die Fresse voll von diesem scheiß Druck; ständig irgendwelche Tests, dann die Prüfungen. Büffeln, ohne zu kapieren, was man da lernte. Eines Abends schmiss ich die Bücher in die Ecke, haute ab zu Lisa und wir gönnten uns einen dicken Joint. In ihrem Kinderzimmer natürlich. Schön blöd! Meine Alte rief ihre Alte an, die kam ins Zimmer und dann war's vorbei mit der Entspannung. Zu Hause durfte ich mir wieder das Gesülze anhören, dass aus mir nichts werden würde.
Würdest du das mit dem Druck und der Schule szenisch zeigen, würdest du mich als Leser auf die Seite deiner Erzählerin ziehen können - so nacherzählt, das berührt mich einfach nicht, bzw., es macht sie unsympathisch, das Selbstmitleidige, für mich. Wie gesagt: Gezeigt, wie das szenisch aussieht, wäre das anders. Ich finde sogar die Kinderzimmer-Szene szenisch geschrieben, da hat man kurz was vor Augen, auch wenn es "nacherzählt ist" - ich hoffe du weißt, was ich meine.

Am Küchentisch gestand sie mir flennend, dass mein Erzeuger gar nicht tot sei, sondern sich irgendwo herumtreibe.
Interessante Wendung. Storys steigen und fallen mit ihren interessanten Wendungen.

Diesmal zu Sara. Die hatte kein Gras, dafür LSD.
Oh Mädchen. Sehr schlechte Idee.

wie schwer es mit diesem Zeugnis sei, ein Gym zu finden,
Gym? Wie Gymnasium oder wie Sporthalle? Hä? Denke sie ist schon mit der Schule fertig ... geht man da noch mal auf ein Gym?

Die dämliche Votze
Also ich kenne bloß Fotze mit F

Ich finds irgendwie gut, dass sie so viel flucht und alles hasst. Wie gesagt, ich finde es auch unsympathisch, und das könnte sich erst ändern, wenn du mir Szenen zeigst, in denen ich auf ihre Seite wechseln kann, indem ich Sympathie und Mitleid mit ihr empfinde, aber das hat schon was konsequentes, dass sie die ganze Zeit aggro ist.

Ich bin nie aus unserem Kaff herausgekommen, habe oft davon geträumt, aber dann doch nicht die Eier gehabt, einfach loszuziehen. Lieber vergrabe ich mich in der Bude. Während ich durchs Fenster starre, fällt mir auf, wie öde die Landschaft meiner Heimat ist. Baum, Strauch, Feld, Baum … Jauchegraben. Es kribbelt überall, wenn ich an Berlin denke. Bilder aus dem Fernsehen. Millionen Menschen vorm Brandenburger Tor. Straßen voller Klubs und Kneipen. Wieso bin ich nie hingefahren? Nur zwei Stunden Zugfahrt trennen mich von der echten Welt. Bin freiwillig in der Verbannung geblieben, in meiner Zelle. Warum? Sicherheit?
Hm hm. also ich finds konsequent und ich lese es gerne, aber gleichzeitig wird sie mir nicht sympathisch, einfach, weil sie ein Teenie ist und über alles meckert, und alle sind Schuld an ihrem Leid, außer sie. Wieso macht sie denn nichts? Ich weiß, dass man das in dem Alter anders sieht, aber heute denke ich mir: Ja Mädchen, dann geh halt los! Such dir nen Job und zahl deine Miete selbst, dann kannst du machen, was du willst! Lerne halt mehr in der Schule, hol dir Nachhilfe, sprich mit deinen Lehrern - ich sag mal: So wie ich das lese, sind die Probleme, die sie hat, nicht so groß, wie sie denkt. Ist nur meine Einschätzung jetzt. Das könntest du - wie gesagt - ändern, indem du mir mehr szenisch zeigst, in dem ich sehe, dass ihr Berge in den WEg gestellt werden, alle mobben sie, was weiß ich, sie versucht, da rauszukommen, aber es gelingt nicht. Aber so: Sie probiert es gar nicht, meckert bloß. Einerseits: Authentisch, so sind Teenager - Miete wird bezahlt, Essen, das ist alles nicht billig, und sie meckern, weil - ja, weswegen eigentlich? Weil man nicht so empathisch ihr Leid in der Schule mit nachvollzieht, weil sie sich selbst nicht aufraffen kann, auszuziehen. Hä? :D

ein Achtzehnter war der absolute Tiefpunkt. Wir gingen in die Pizzeria, wo alle Teenies unseres Städtchens ihre Volljährigkeit feierten. Das Bier war bezahlbar und der Besitzer drehte die Mucke voll auf, wenn man ihn darum bat. Aber Lisa kam nicht. Sie war wieder in Therapie. Mein Marcel knutschte nach einigen Drinks mit seiner Ex und ich hatte die ganze Zeit über Kopfschmerzen - wie fast jeden Tag in den letzten Jahren.
Hm, jetzt kommt neue Figuren, von denen ich davor noch nichts gehört habe. Lisa hab ich schon mal gesehen beim Kiffen, aber die anderen sind absolut neu - geht mir evlt. ein Stück zu schnell

Er wird cool sein und mich aus dieser Scheiße holen. Wir ziehen dann zusammen durch die Gegend und feiern ab.
Das sind echt die Vorstellungen einer 18jährigen über einen guten Vater :D

ch schalte das Handy ein, will ihm schreiben, dass er nicht umsonst warten soll. Er hat mir eine Nachricht geschrieben.

# musste pläne ändern #
# bin im umland #
# steige vor berlin in deinen zug #
# trage ein ramones tshirt :) #
# papa #


Ja, sehr gute Wendung. Also ich hab das nicht kommen sehen. Finde ich sehr fett.

Ja, Kellerkind, ich finds gut. Ich spüre da etwas, Authentizität, wenn man so will, und das bedeutet für mich beim Lesen sehr viel. Ich kaufe dir das alles ab. Das Genörgel des Mädchens ging mir irgendwann auf die Nerven, aber das gehört wohl auch zur Authentizität - ich hätte es nicht so schlimm gefunden und hätte wohl mehr Sympathie für sie empfunden, wenn du mir gewisse Teile des Textes, die du sehr erzählerisch (=tell) mir vorlegst, auserzählen würdest, szenisch mir zeigen würdest. Die Wendungen im Text fand ich alle sehr toll, unvorhersehbar, aber man kauft es dir ab. Dass dann Marcel noch auftaucht, ich frage mich, wieso? Ich kenne ihn nicht, ich weiß nichts über ihn, und ich weiß nicht, inwiefern sein Auftauchen Wichtigkeit für die Story hätte.

Bleib am Ball und mach mal weiter! Bin gespannt.

zigga

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Anne49
Dein Kommentar verunsichert mich ein wenig. Ich werde, zumindest zu diesem Zeitpunkt, noch nicht näher auf meine Geschichte eingehen. Vielleicht melden sich noch ein paar Leser zu Wort.
Allerdings möchte ich doch eine Sache loswerden: Wenn Du als Leser, es als nachvollziehbar und gar wünschenswert betrachten würdest, wenn Fräulein Prota ihre sympathische Seite zeigen würde, dann bin ich mit dieser Geschichte vollkommen gescheitert.
Lies vielleicht noch mal und lass kurz sacken. Vielleicht (hoffentlich) findest Du doch ein bisschen mehr Tiefe hinter der typischen, nervenden Teenagerin.

Bis später!

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Hallo zigga

Sehr authentisch, wirkt sehr aus dem Bauch raus geschrieben, ich kaufe der Erzählerin alles ab.
Das ist meine absolute Priorität beim Schreiben. Und Dein Kompliment geht mir runter, wie Weißbier. Danke!
Es ist jetzt etwas spät, deshalb werde ich nicht auf Deine komplette Kritik eingehen. Hier nur eine Kurzversion. Obwohl Du mit meiner Gestaltung der Figur mitgehst, scheint auch bei Dir nicht die (nicht-getellte) dunkle Tiefe richtig angekommen zu sein. Da habe ich nicht das richtige Händchen gehabt. Ich stimme Dir zu, dass konkrete Situationen eindringlichere Bilder vermitteln, als das bloße informieren. Ich hab mich da leider im Konzept der Geschichte verhakelt. Eine anekdotische Aufzählung von Begebenheiten, ich meine "show", würde sie in die Länge ziehen und den beabsichtigten Stil verwäsasern. Hier stand ich vor der Herausforderung, die goldene Mitte zwischen show und tell zu finden. Ob es gelungen ist, kann ich noch nicht sicher einschätzen. Nach Deiner Sicht wohl nicht so ganz.

Zu Deinen konkreten Anmerkungen

Gym? Wie Gymnasium oder wie Sporthalle? Hä? Denke sie ist schon mit der Schule fertig ... geht man da noch mal auf ein Gym?
Sie hatte die Zehnte hinter sich und Mama suchte ein Gymnasium für das Abitur. Da habe ich zu viel weg gelassen, um den Fluss nicht zu stören. Wenn das zu Irritationen führt, könnte ich das noch verbessern.

Also ich kenne bloß Fotze mit F
Der Duden gibt Dir recht und somit wird es geändert. Meine Recherche ergab, dass es tatsächlich regionale Unterschiede in der Schreibweise gibt und mir war die andere geläufiger. Außerdem hat der befotzte Duden Korrektor keinen Fehler angezeigt. :)

Hm hm. also ich finds konsequent und ich lese es gerne, aber gleichzeitig wird sie mir nicht sympathisch, einfach, weil sie ein Teenie ist und über alles meckert, und alle sind Schuld an ihrem Leid, außer sie.
Hier erkenne ich das gleiche Problem, wie bei Anne49. Leser erkennen eine nervige, Teenagerin. Ohne jetzt näher darauf einzugehen, befürchte ich, dass meine eigentliche Geschichte zu undeutlich bleibt.

Hm, jetzt kommt neue Figuren, von denen ich davor noch nichts gehört habe. Lisa hab ich schon mal gesehen beim Kiffen, aber die anderen sind absolut neu - geht mir evlt. ein Stück zu schnell
Jo. Da liegen ca. zwei Jahre dazwischen. (Ende zehnte Klasse vs. 18. Geburtstag). Das könnte zu verkürzt geraten sein. Denke drüber nach. Allerdings haben die Randfiguren nur die eine Funktion: **** Dazu später mehr.

Sorry! Ich setze mich gerne noch detaillierter mit Euch auseinander. Ich warte nur ab, ob noch Meinungen eintrudeln.

Bis dahin erst mal: Vielen Dank für das Lesen und das Auseinandersetzen mit meinem Text. Es bereitet mir viel Freude, nach langer Abstinenz wieder für Publikum zu schreiben.

Ich hüpfe schon ganz aufgeregt durch mein Kellerzimmer. Hoffentlich hört ER es nicht und kommt, um mich zu bestrafen.

Gute Nacht, Schönen Sonntag!
Kellerkind

 

Hallo Kellerkind,

ich fang direkt mal mit dem Titel an. Ich habe das Gefühl, dass der Titel hier von einigen Leuten etwas stiefmüttlerlich behandelt wird und hier auch von dir. Ich finde dieser Titel ist total beliebig und sagt nicht aus, weder über den Inhalt, noch über das Genre. Und neugierig macht er auch nicht. Vielleicht magst du dir dazu noch mal Gedanken machen?

Den Einstieg find ich gut. Ziemlich schnoddrig und ich möchte den armen Mann in der Lederjacke direkt verteidigen. Der hat doch gar nichts getan und schon hasst sie ihn.

Nein, das liegt nicht an der Pubertät.
Der Satz klingt, als hätte sie den schon tausend Mal gehört. Immer wenn sie schlecht drauf ist oder sich zurückzieht ist es nur die Pubertät. Auf die Idee, dass das auf sie ist, kommt wohl keiner. Finde ich daher sehr passend. Außerdem weiß man nun grob, wie alt die Erzählerin ist.


Sie hatte es genauso wenig geblickt, wie meine Alte; ich wollte nie allein sein - die anderen Kinder hatten keinen Bock auf mich.
Das passt aber nicht zu dem vorher:
Normalerweise ignoriere ich die Leute im Zug - oder Menschen generell.
Oder bezieht sich, dass nur auf ihre Kindheit und später meidet sie die Menschen bewusst, weil sie ja eh keiner mag? Buhuuuu.

Wie Dein Vater.
Dein klein.

Ordentliche Kackscheiße!
:D

weg brezelte
Zusammen?

Mit der Geschichte erzielte ich Eindruck in der Schule. Freunde brachte sie mir nicht.
Doppelbuhuuuu.
Ich finde es sehr cool, wie du ihre Art zu denken durchziehst. Sie hasst alles und jeden und tut so als wäre das vollkommen in Ordnung. Aber eigentlich will sie doch nur geliebt werden. Bemitleidet sich selbst und tut doch nichts um ihre Lage zuverbessern. Doch ihre Sehnsucht nach Liebe bringt sie dazu nach Berlin zu fahren. Geht auf ihren Vater zu, obwohl der ja wohl mal zu seiner Tochter hätte fahren können!

Ich wollte etwas sagen aber fühlte einen Klumpen in der Kehle.
Komma vor aber.

In den Ferien suchte sie eine Schule und ich meinen Vater.
Gefällt mir der Satz.

Nur zwei Stunden Zugfahrt trennen mich von der echten Welt. Bin freiwillig in der Verbannung geblieben, in meiner Zelle. Warum? Sicherheit?
Angst?

Marcel schickt mir hundert verzeih mir! - Nachrichten, bis ich ihn blockiere.
„Verzeih mir!“-Nachrichten

Seine Stimme ist der Hammer. Total ruhig, etwas rauchig und vor allem - warm. Er hört gar nicht auf, zu quatschen. Wie sehr er darauf gewartet habe, mich zu sehen, dass es ihm so leid täte, dass er sich nicht früher melden konnte, aber das könne man nun alles nachholen. Die meiste Zeit nicke ich, wie ein Idiot. Meine Gedanken purzeln durcheinander. Ich werde ihn kennenlernen. Er wird cool sein und mich aus dieser Scheiße holen. Wir ziehen dann zusammen durch die Gegend und feiern ab. Die Schule und meine Alte können mich am Arsch lecken. Ich gehe zu Papa.
Endlich etwas Liebe. Und sie saugt es auf wie ein Schwamm. Macht sich Hoffnung. Endlich jemand der sie aus dem Loch zieht, das sich ihr Leben nennt.

Ich sage: »Jemand ist an der Tür«, renne ins Bad und kotze. Eine Weile bleibe ich noch vorm Klo stehen und tausend Dinge rauschen durch meinen Kopf.
Nach dem Kotzen würde ich eher vorm Klo liegen oder hocken, aus dem Stehen gibt’s doch ne ganz schöne Sauerei.

Krampf im Körper – Krampf im Gehirn – ich bin ein Krampf.
Etwas verkrampft der Satz.

Echt jetzt? Papa?
Das Ende finde ich toll! Am liebsten würde man jetzt weiterlesen. Vielleicht klappt das mit den beiden. Ich wünsche mir, dass die beiden sich gegenseitig helfen. Ich bin für ein Happy End!

Ich mag deine Geschichte. Ich mag den Tonfall , den Hass auf die Welt und die Menschen dadrin. Ich finde das auch absolut glaubwürdig. Mir geht es oft ähnlich. :Pfeif:
Wenn man dann niemanden hat, der einem ein paar Lichtblicke schenkt, dann wird’s echt düster. Ich hoffe, dass für deine Prota der Papa dieser Lichtblick sein kann.

Liebe Grüße,
Nichtgeburtstagskind

 

Nichtgeburtstagskind,

Ja, der Titel. Mir ist er zumindest nicht wichtig als Verkaufshilfe. Aber er sollte schon einen Bezug zum Text haben, und nicht so hilflos darüber schweben. Die Begegnung verläuft zwar nicht sehr glücklich, aber sie steht für mich trotzdem im Zentrum der Geschichte. Aber ich werde darüber nachdenken, ob ich einen besseren Titel finde. So etwas ändere ich ja tausend Mal und bin sowieso nie zufrieden.

Diese zwei Aussagen von Dir:

Ich finde es sehr cool, wie du ihre Art zu denken durchziehst. Sie hasst alles und jeden und tut so als wäre das vollkommen in Ordnung. Aber eigentlich will sie doch nur geliebt werden.
Endlich etwas Liebe. Und sie saugt es auf wie ein Schwamm. Macht sich Hoffnung. Endlich jemand der sie aus dem Loch zieht, das sich ihr Leben nennt.
Danke! Auf diesen Eindruck hatte ich bei den Lesern, zumindest einigen, gehofft. Das setzt eine Auseinandersetzung mit den dem Charakter der Prota voraus und das kann ich deutlich bei Dir erkennen. Auch an dieser Stelle möchte ich noch nicht viel mehr dazu sagen. Wäre dies nicht ein Ort des Austausches, würde ich eine nachträgliche Erklärung sogar komplett verweigern. Finde ich doof.

Eines musste mir erklären: Deine "buhu" Kommentare. Ironie im Internet ... naja, schwierig. Meinst Du, die Stellen drücken zu offensichtlich auf die Tränendrüse?

Krampf im Körper – Krampf im Gehirn – ich bin ein Krampf.
Etwas verkrampft der Satz.
Ich bin Freund der visualisierenden Schreibweise, also dass der Krampf tatsächlich im Satzbild erkennbar ist.
Nach dem Kotzen würde ich eher vorm Klo liegen oder hocken, aus dem Stehen gibt’s doch ne ganz schöne Sauerei.
Ich fand es unpassend, sie im Knien nachdenken zu lassen. Sie ist inzwischen natürlich aufgestanden. Ich möchte nicht jeden Handlungsschritt aufzählen und so dem Leser Raum lassen. Die meisten wissen, wie das Kotzen abläuft. (Ist Dir übrigens die Beiläufigkeit aufgefallen, mit der auf sie emotionale Extremsituationen durch Kotzen reagiert?)

Oops! Jetzt erkläre ich ja doch. :(

Wenn man dann niemanden hat, der einem ein paar Lichtblicke schenkt, dann wird’s echt düster.
Danke für das Lesen, Nachdenken und Verstehen.

Gruß
Kellerkind

 

Hallo Kellerkind,

Eines musste mir erklären: Deine "buhu" Kommentare. Ironie im Internet ... naja, schwierig. Meinst Du, die Stellen drücken zu offensichtlich auf die Tränendrüse?
Sorry, da ist es wohl mit mir durchgegangen. Ich find die Stellen gut so. Das „Buhuu“ sage ich zu der Protagonistin. Sie nervt einfach, weil sie so rumjammert, aber nichts dagegen tut. Sie suhlt sich in ihrer schlechten Situation, leidet und gibt allen anderen die Schuld. So jemandem würde ich einfach nur ein „Buhuu“ entgegenbringen können. In der Geschichte passt das aber ganz gut. Oder erzeugt das deiner Meinung nach die falschen Gefühle?

Ist Dir übrigens die Beiläufigkeit aufgefallen, mit der auf sie emotionale Extremsituationen durch Kotzen reagiert?
Mhh, tja sie kotzt eben gerne, genauso wie sie immer alles zum Kotzen findet. Mehr habe ich da jetzt nicht hineininterpretiert.

Anscheinend bist du nicht so glücklich mit dem bisherigen Feedback, obwohl es doch recht positiv ist. Hast du etwas ganz anderes bewirken wollten?

Viele Grüße,
NGK

 

Nichtgeburtstagskind

Anscheinend bist du nicht so glücklich mit dem bisherigen Feedback, obwohl es doch recht positiv ist. Hast du etwas ganz anderes bewirken wollten?

Nee, alles in Ordnung. Ich wollte Dein Buhuhu nur richtig einordnen können.

Sie nervt einfach, weil sie so rumjammert, aber nichts dagegen tut.

Wahrscheinlich hätte ich eine deutlichere Zeitlinie markieren sollen. Ähm ... Vater tot als sie fünf war ... Grundschullehrerin ...

Hab übrigens einige Deiner Anmerkungen kommentarlos umgesetzt.

Danke Dir!

Kellerkind

 

Eine Anmerkung noch Kellerkind.

Wahrscheinlich hätte ich eine deutlichere Zeitlinie markieren sollen. Ähm ... Vater tot als sie fünf war ... Grundschullehrerin ...
Für mich ist deutlich geworden, wann welche Erinnerungen spielen. Die Erzählstimme gehört aber immer der 18jährigen. Das damalige Verhalten ist für ein Grundschulkind verständlich, die Kleine kann einem nur Leid tun. Wenn eine 18jährige davon berichtet würde ich etwas Reflexion erwarten. Dies kann deine Prota nur immer noch nicht aufbringen, weil sie sich in ihrem Hass vergräbt. So wirkt es auf mich. :shy:

So jetzt aber Gute Nacht. :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Kellerkind

Ich habe viele deiner Kommentare mit Interesse gelesen. Jetzt endlich ein Text von dir. Schön!

Zum Inhalt

Der Text verhandelt eines meiner Lieblingsthemen: Anerkennung.
Dass es der Erzählerin nicht gut geht, wird klar, das drängt für mich die Frage, ob ich sie sympathisch finde oder nicht, ziemlich in den Hintergrund, macht sie aber nicht ganz irrelevant. Später dazu mehr.
Es geht ihr nicht gut, weil sie in ihrem So-Sein keine Anerkennung findet. Da gibt es auf der einen Seite klare Attributionen von aussen.

Durch die Lehrerin:

Eigenbrötlerisch. So nannte mich die Grundschullehrerin.

Durch die Klassenkameraden:
Immer wenn ich etwas von mir gab, sahen sie mich irritiert an oder lachten mich aus. Ich sah komisch aus, hörte komische Musik und hatte komische Gedanken.

Durch die Mutter:
»Du bist wie dein Vater.« / unordentlich, unpünktlich, unzuverlässig

Fazit:
Jeder findet mich bekloppt. Sogar Marcel.

Da gibt es auf der anderen Seite aber auch Selbstattributionen, die zeigen, dass sich die mangelnde Anerkennung auf das Selbstbild der Erzählerin ausgewirkt hat:

Ich war schon immer so. Eigenbrötlerisch. / Wenn ich wenigstens hübsch gewesen wäre.

Die Erzählerin zeigt darauf zwei sehr deutliche Reaktionen. Erstens verweigert sie anderen Menschen ebenfalls die Anerkennung.

Dem Typen im Zug:

ein alter Sack / der Freak / einem geilen Bock

Der Lehrerin:
Die war damals noch keine dreißig und quatschte, wie meine Oma. Nein. Schlimmer.

Frau Scheuer:
Bescheuerter Name. Die dämliche Fotze

Der Mutter:
Die Alte

Sogar, wenn die Menschen ihren (negativen) Erwartungen nicht entsprechen, vermag sie das nicht anzuerkennen. So in ihrer Reaktion auf den Typen im Zug, der wider Erwarten nicht auf ihre „Titten glotzt“:

Es kommt schlimmer. Er sieht mir ins Gesicht.

Die zweite Reaktion besteht darin, sich ein unverfälschtes Selbstbild zu bewahren, das ihr Würde lässt:

Eigentlich total intelligent, großes Herz, aber zu schwach für die harte Realität.

Dieses Selbstbild braucht aber Anerkennung von aussen, und die erhofft sie sich von ihrem Vater, dem sie den selben Wesenskern zuschreibt:

Eigentlich total intelligent, großes Herz, aber zu schwach für die harte Realität. So wie ich; seine lebensunfähige Tochter.

Aufgrund dieser Skizze wird völlig klar, weshalb sie nach Berlin fährt, um ihren Vater zu treffen. Obwohl sie selbst sagt, sie wolle mit ihm feiern, ist offensichtlich, dass es hier um mehr geht.

So. Vor dem Hintergrund dieser Anerkennungsproblematik ist jetzt dieses vordergründige Nichterkennen des eigenen Vaters im Zug natürlich spannend und witzig. Ich habe das so gelesen, dass die Erzählerin am Ende erkennt, dass Anerkennung eine wechselseitige Sache ist. Man will anerkannt werden von jemanden, den man selbst anerkennt. Sie selbst ist eine Abwärtsspirale geraten, sie verweigert anderen Anerkennung. (Das führt auch dazu, dass der Leser Schwierigkeiten hat, sie anzuerkennen). Nachdem sie aber einsieht, dass der Typ, den sie so abschätzig taxiert hat, identisch ist mit dem Typen, mit dem sie sich identifiziert, ihrem Vater, wird ihr deutlich, dass Anerkennung die Bedingung der Möglichkeit anerkannt zu werden darstellt.

So habe ich den Text gelesen und in dieser Thematik und Auslegung gefällt mir das. Allerdings bin ich der Meinung, dass ich hier vielleicht eher in den Text reininterpretiert habe, als wirklich herausgelesen. Auf alle Fälle brauchte ich eine Weile, um dieser auf den ersten Blick oberflächlich wirkenden Pointe des Nichterkennens eine Tiefe abzugewinnen, ich musste da ziemlich darüber nachdenken, das hat mir der Text nicht so einfach gemacht. Das liegt vielleicht daran, dass die Erzählerin sehr reflektierend und kommentierend ist, wenn es um ihre Biographie geht, darum, wie sie sich fühlt, wie sie von anderen wahrgenommen wird. Die entscheidende Wende aber quittiert sie bloss mit einem Lachen.

Echt jetzt, Papa?

Das ist total ambivalent. Ich habe oben geschrieben, dass der Erzählerin etwas klar wird. Aber vielleicht ist das „Echt jetzt, Papa“ auch so zu lesen, dass sie gerade ihre letzte Hoffnung verloren hat. Von diesem Ramones-Typen will sie gar keine Anerkennung, er kann ihr keine geben, weil sie ihn nicht anerkennt. Der idealisierte Vater ist soeben gestorben.
Dennoch habe ich die optimistischere Lesart gewählt, ich weiss nicht warum, vielleicht einfach, weil ich der Göre noch eine Chance geben möchte, bzw. weil ich möchte, dass sie diese Chance zur Einsicht auch nutzt.

Was ich mit alledem sagen will, ist, dass für mein Empfinden die Tiefenstruktur des Textes (Kampf um Anerkennung) zu wenig mit der Oberflächenstruktur (Nichterkennen des Vaters) verknüpft ist. Wie man das besser machen könnte, ist mir allerdings nicht ganz klar.

Zur Figur

Für mich passt die Figur grundsätzlich. Vielleicht würde es helfen, ihr Leiden früher deutlich zu machen. Kotzen im Zug. Dann erst weiter erzählen lassen. Vielleicht würde es auch helfen, ihr etwas mehr Humor zu verleihen. Humor hilft, auch schwierige Figuren erzählen zu lassen. Und der wichtigste Punkt, Anne49 und auch zigga haben das erwähnt: Deute an ein, zwei Stellen an, dass die Erzählerin tatsächlich ein so grosses Herz hat, wie sie von sich behauptet. Es bedeutet keineswegs, dass deine Geschichte gescheitert ist, wenn man sich so etwas als Leser wünscht - ausser ich habe was ganz ganz Wichtiges übersehen. Du sprichst an einer Stelle von Tiefe der Figur. Da muss man unterscheiden: Tiefe der Figur selbst und Tiefe der Darstellung. Ich glaube dir, dass deine Erzählerin Tiefe hat, aber du hast sie für meinen Geschmack noch etwas zu wenig tief, das heisst in der Breite ihrer Handlungs- und Denkmöglichkeiten dargestellt. Die Erzählerin ist mir noch zu eindimensional.

Die Erzählweise

Die Mischung Show/Tell ist meines Erachtens nicht gut gelungen.

Ich war schon immer so. Eigenbrötlerisch.

Hätte ich den Text in einer Buchhandlung entdeckt, hätte ich das Buch an dieser Stelle wieder ins Regal zurückgestellt. Ich würde die Tell-Passagen hier in diesem Text darauf verwenden, andere Figuren zu charakterisieren (was du ja auch machst), aber für die Erzählerin selbst würde ich mir wünschen, dass mehr gezeigt wird, ihre Konflikte, auch die Selbstattributionen. Ist natürlich nicht einfach, braucht sicher auch mehr Text, würde mir aber mehr Freude bereiten.
Insgesamt war mir dieser ganze Rückblick zu ausführlich, ich empfand das als für den Leser hingeknallte Kurzbiographie: Wie es dazu gekommen ist, dass ich hier im Zug sitze. Du packst da auch wahnsinnig viel rein, es tauchen auch noch Lisa und Marcel auf. Da wird die Erzählweise fast notwendig summarisch, auch etwas oberflächlich.

Die Erzählstimme

Die gefällt mir gut. Dennoch würde ich noch mal den Wortschatz durchgehen, gerade, weil so viel Tell drin ist, läuft die Erzählerin Gefahr, zu reflektiert zu sprechen. Ein Beispiel:

die anderen Kinder hatten keinen Bock auf mich. Immer wenn ich etwas von mir gab, sahen sie mich irritiert an oder lachten mich aus.

Ich würde hier eher: „sahen sie mich schief an“ erwarten.

Einen letzten Gedanken möchte ich noch hierlassen: Am Ende habe ich mir gedacht, dass ich das lieber als erstes Kapitel einer längeren Erzählung gelesen hätte, denn als Kurzgeschichte. Hier in der KG liegt so ein grosses Gewicht auf dieser „Pointe“, das ist dann – zugegeben in einer einfachen Lesart – der Clou der Geschichte. Wäre der Text das erste Kapitel einer Erzählung, dann würde ich mir sagen, ja, das ist eine witzige Art, wie die beiden sich das erste Mal sehen, da ist auch schon der Grundkonflikt angesprochen (Entspricht der Vater dem Idealbild der Tochter?), mal schauen, wie es jetzt weitergeht, da bin ich neugierig.

Und doch noch eine Überlegung: Die Beliebigkeit des Titel finde ich wirklich schade. Er wird dem Text nicht gerecht.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
Zuletzt bearbeitet:

Peeperkorn

Man! Das ist ja eine wirklich tiefgehende Analyse und kompetente Kritik. Ich bin sehr erfreut über den ernsthaften Umgang mit Literatur in diesem Forum, das gilt auch für die anderen Kommentatoren.

Nicht nur bei dieser Geschichte, stellt sich mir immer wieder die Frage: Ist es denn Aufgabe eines Künstlers, das Publikum in eine eindeutige Richtung zu lenken oder ist es nicht viel spannender, wenn er Interpretationen zulässt, die auch gerne widersprüchlich ausfallen dürfen.
In diesem Fall reichen die Reaktionen, von Ablehnung der Figur bis zu einem starken Mitempfinden. Und das finde ich gut. Jeder Leser hat seine eigenen Erfahrungen im Kopf und geht dementsprechend mit dem Stoff unterschiedlich um.

Du, Peeperkorn, hast den Text genauso gelesen und interpretiert, wie er entstand. Da gibt es von meiner Seite aus nichts zu ergänzen. Auch das ambivalente Ende, dem ich die Zweideutigkeit gestatte.
"Echt? Papa?"
1. Was ist denn das für ein Honk, der sich als meinen Papa bezeichnet?
2. Was bin ich für ein Honk, dass ich ihn nicht einmal angelächelt habe?
Hier soll nicht deutlich werden, ob diese Begegnung schon genügte, um eine Erkenntnis bei ihr zu erzeugen. Allerdings spricht nichts dagegen, daran zu glauben, dass ein Prozess ausgelöst wurde. Ja, ich mag es eher ein bisschen offen und interpretierbar. Etwas tragisch mit Hoffnungsschimmer.

Handwerklich ist mir die Sache nicht gut gelungen. Die Wahl der Ich-Perspektive war ein Fehler. Sie drängte mich geradezu in die "Tell"-Falle. Jeder Versuch, mehr aktiv, episodisch zu gestalten, veranlasste mich zu der selbstkritischen Frage: Würde sie, in ihrer Rolle als Erzählerin so denken? Wenn ich nochmal schreiben würde, wäre der distanzierte Auktoriale meine bessere Wahl.

"irritiert" hat sich aus des Autors Wortschatz eigeschlichen und passt nicht zur Erzählerin. Richtig erkannt!
Zur Pointe, siehe unten!
Zum Titel: Vorschläge sind willkommen :)
So weit, großen Dank an Dich. Viel zum Nachdenken aber auch Anlass zur Freude hast Du mir gegeben.

An die Allgemeinheit
Ja, die Protagonistin kann einem schon auf den Sack gehen. Aber der Vorwurf, sie ändere nichts an ihrer Situation ist nicht fair.
Früher:

Ich bin nie aus unserem Kaff herausgekommen, habe oft davon geträumt, aber dann doch nicht die Eier gehabt, einfach loszuziehen.
Jetzt:
Dabei ist das eigentlich sehr erwachsen gewesen; ich habe mich für etwas entschieden und ziehe das durch.
Ist es nicht der zentrale Punkt der Story, dass sie es erstmals versucht, ihre Situation zu ändern? Jetzt da sie die Chance sieht, weil sie nach so langer Zeit einen Unterstützer gefunden hat.
Ist dieser Vorwurf gegenüber einem Menschen der sich in einer psychischen Grenzzone befindet, nicht sogar UN-sensibel? Würde man einer Bullimie-Kranken sagen: Dann hör doch einfach auf zu kotzen? Oder einem Manisch-Depressiven: Warum bist Du nicht lustig?
Muss eine Erzählerin sagen: Ich hab Bullimie, eine gestörte Selbstwahrnehmung, psychosomatische Störungen, bin unendlich einsam und hilflos? Reicht es dem Leser nicht, wenn man es ihr ansieht?
Dass die deutliche Andeutung der Bullimie im Text, bisher kaum Beachtung fand, überrascht mich. ebenso wie die Unterschätzung der (echten) seelischen Qualen, die der Leistungsdruck des pervertierten Bildungssystems erzeugt. Und zu guter Letzt: Die Auswirkungen des permanenten Entzugs der väterlichen Nähe auf die psychische Entwicklung. Ja, sie sucht die Schuld bei allen anderen außer bei sich. Denn genau da liegt sie auch.

Dass die Prota letztendlich an sich selbst scheitert und den Vater, der ihr die Hand reicht, wegstößt, war in keiner Weise als knallige Pointe gedacht, sondern sollte die Tragik ihrer Vehaltensstörung verdeutlichen. In wie weit man einem jungen Menschen, der sein ganzes Leben keine Anerkennung erfuhr, dafür verantwortlich machen kann, dass er so ist, wie er geformt wurde, führte sicher in eine unendliche Diskussion. Zumindest schadet sie niemandem, außer sich selbst. Das wäre mir als Leser sympathisch genug, wenn ich sie mit ihrem befotztem Umfeld vergleiche. Anne49: Das ist übrigens keineswegs Jugendsprache, sondern die Sprache einer verzweifelten, zornigen Erzählerin (=Figur). In diesem Falle: auch die Sprache des Autors.

Ich bitte Euch weiterhin um Kommentare, Gedanken, sowohl zur Gestaltung als auch zum Inhalt. Das show/tell- Problem werde ich vorerst nicht in Angriff nehmen, da es bedeutete, die Geschichte komplett neu zu gestalten. Ich muss mir erst Gedanken dazu machen, ob es den Aufwand lohnen würde. Aber seid beruhigt: Die Kritik ist angekommen und ich sehe das Problem auch.

Grüße
Kellerkind

 

Hej Kellerkind,

wenn der Begriff Authentizität nicht bereits ausgenudelt wäre und ich ihn auch deswegen extrem ungern nutze, hier in deinem Text bestimmt er dennoch alles. Den Ton, die harte Sprachmelodie, Inhalt, eben alles.

Und ich lasse mich darauf ein und begleite die junge Frau auf dem Weg ... zu sich selbst? Auch das ist eine abgedroschene Phrase. Sieh sie mir bitte nach.

Ja, mein Vater. Alle Eigenschaften, die mit un- beginnen, hatte ich anscheinend seinen Genen zu verdanken; unordentlich, unpünktlich, unzuverlässig ... Mama war sicher zu Tode enttäuscht darüber, dass ihr kleines Mädchen nicht fehlerfrei funktionierte.

du schaffst es, dass ich sie sehe und reden höre, ihren Frust, ihren Schmerz, ihre Wut, ihre Enttäuschung.
zu Tode klingt dabei wie die Sprache 'ihrer Oma' ;) möglicherweise gibt es noch einen Ausdruck, der fieser klingt als der Tod? Nja, vielleicht verstehst du ja was ich meine.

Dabei ist das eigentlich sehr erwachsen gewesen; ich habe mich für etwas entschieden und ziehe das durch. Sie ist selbst schuld.

Das ist super. Würde Mama mit den eigenen Waffen schlagen.

Eigentlich total intelligent, großes Herz, aber zu schwach für die harte Realität. So wie ich; seine lebensunfähige Tochter.

Diese Möglichkeit hat die Mutter wohl unterschätzt. Die heimliche Identifikation mit der Vorstellung vom Vater, der nicht existiert. Ich mag den Verlauf, liebes Kellerkind.

Irgendwas stimmte an dem Satz nicht.

So süß, wie sie doch zuhört und analysiert. Sich durchbeißen muss. Armes Dingel.

Sie wurde blass, dreht sich um und rannte geradezu weg vor mir.

drehte

In den Ferien suchte sie eine Schule und ich meinen Vater.

cool. Ich wünschte, sie wüßte, dass Mama sich bloß ungeschickt um ihre Tochter sorgt.

Dann ging die Schule wieder los und ich war damit beschäftigt, die folgenden zwei Jahre zu überleben.

Ich mag sie. Wie sie sich durch die Hindernisse beißt und kratzt und eigentlich dasselbe will wie ihre Mutter. Und zusätzlich eben auch noch den anderen Teil von sich selbst. Damit sie sich nicht länger selber ablehnen muss. Ich bin ganz und gar bei ihr.

Mein Achtzehnter war der absolute Tiefpunkt. Wir gingen in die Pizzeria, wo alle Teenies unseres Städtchens ihre Volljährigkeit feierten. Das Bier war bezahlbar und der Besitzer drehte die Mucke voll auf, wenn man ihn darum bat. Aber Lisa kam nicht. Sie war wieder in Therapie. Mein Marcel knutschte nach einigen Drinks mit seiner Ex und ich hatte die ganze Zeit über Kopfschmerzen - wie fast jeden Tag in den letzten Jahren.

Das bereitest du sehr gut vor.

Er habe bis zu meiner Volljährigkeit gewartet, um Kontakt aufzunehmen, und würde sich freuen, wenn ich Interesse hätte, ihn zu treffen.

Absolut glaubwürdig für mich, gerade Wegen des Timings.

Lisa hatte mir einen Song geschickt. Irgendwas über Selbstmord.

Wirklich gut zu zeigen, dass sie das mal grad gar nicht juckt.

Er hatte den Account offensichtlich nur angelegt, um mich zu erreichen.

Richtig gut, dass ich mir auf diese Weise einen anonymen Eindruck vom verschollenen Vater machen kann. Und der fällt gut aus. ;)

Die meiste Zeit nicke ich, wie ein Idiot.

Ich mag es, dass du sie Wirkloch komplett offen läßt. Sie definiert sich wie ein Nichts.:(

»Ja. Dieses Wochenende passt gut.« Hab ich das wirklich gesagt?

Doch ein "liebes Mädchen". Papas Mädchen. ;)

Ich sage: »Jemand ist an der Tür«, renne ins Bad und kotze.

Supergut!

Das hab ich die ganze Zeit gespürt, verdrängt.

Den Satz brauche ich nicht. Ich kenne sie gut genug. Ich weiß wie sie tickt. Danke dafür.

Die Tür kracht; meine Alte. Sie ist noch nicht mal im Zimmer, als sie wieder wegen der Prüfungen herumjammert. Ihre Stimme sticht in mein Gehirn. Ich muss hier raus.

Auf Mutti ist Verlaß. :shy: Da bin ich echt froh drum in diesem Moment.

Mein Vater wird genauso enttäuscht von mir sein, wie Mutter und jeder den ich kenne. Wie Marcel, der an meine Titten durfte, aber nicht weiter. Wie meine Lehrerin, die immer einen kleinen Fehler fand und dann traurig den Kopf schüttelte. So enttäuscht wie Lisa, die ich nicht einmal bei der Therapie besucht habe, weil ich zu feige war. Oder besser: zu un-mutig. Wie konnte ich mir nur einbilden, dass irgendetwas besser würde, anders würde, nur weil plötzlich ein Vater auftaucht. Ein Alkoholiker, Herumtreiber, gescheiterter Loser.

Ds ist un-fassbar gut gemacht, liebes Kellerkind. ;)

Ich nehme einen großen Schluck. Dann spucke ich das Bier lachend aus. »Papa?«
Der Dönermann sieht sauer aus. Ist mir egal. Ich lache, bis die Tränen kommen. Mein Lachen verebbt - die Tränen bleiben. Echt jetzt? Papa?

Sach ma! Was für eine tolle Idee. Ich krieg da auch mal eine Gänsehaut.

Liebes Kellerkind, die Studie, nein diese tolle Kurzgeschichte gefällt mir richtig gut. Von vorne bis hinten stringent durchgezogen. Ich kam glatt durch und habe trotz aller Härte ihre Sensibilität gespürt, nicht weil ich ein Spürhund bin, sondern weil du sie gut geschrieben hast.

Lieber Gruß, Kanji

 
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He Kanji,
hübscher Name.
Nach Deinem Kommentar habe ich einen Klops im Hals. Ich hatte nicht erwartet, dass der Text hier so wohlwollend aufgenommen, und vor allem emotional verstanden wird. Das betrifft die allgemeine Resonanz.
Entschuldige bitte, wenn ich jetzt schweige. Bin echt wortlos.

Etwas später:

Hab meine Stimme wieder gefunden.
Jetzt will ich doch auf ein paar Punkte eingehen, die Du erwähnst.

Dabei ist das eigentlich sehr erwachsen gewesen; ich habe mich für etwas entschieden und ziehe das durch. Sie ist selbst schuld.
Das ist super. Würde Mama mit den eigenen Waffen schlagen.
Der letzte Satz war eigentlich anders gemeint. Aber Deine Leseweise gefällt mir besser.

Irgendwas stimmte an dem Satz nicht.
So süß, wie sie doch zuhört und analysiert. Sich durchbeißen muss. Armes Dingel.
Genau! Natürlich will sie zynisch und abgefuckt erscheinen, aber sie ist hochsensibel für jedes Wort, dass sie betrifft. Vielleicht sogar ein bisschen egozentrisch. Aber. "wenn keiner an mich denkt, dann muss ich es eben selber tun."

In den Ferien suchte sie eine Schule und ich meinen Vater.
cool. Ich wünschte, sie wüßte, dass Mama sich bloß ungeschickt um ihre Tochter sorgt.
Das sehe ich ein bisschen anders. Sind die Sorge um die Ausbildung und der typische Erziehungsscheiß nicht einfach Selbstbefriedigung der Mutter, die kein Gespür für die seelischen Nöte ihres Kindes hat? Nach dem Prinzip: Ich habe meine Pflicht erfüllt.
Aber es wurde schon angemerkt, dass ich die Mutter zu flach inszeniert habe, um ein deutliches Bild zu erzeugen.

Gut. Das wäre es soweit.
Vielen Dank für Dein Interesse und die intensive Auseinandersetzung mit der Figur, die, wie man sicher merkt, mir sehr ans Herz gewachsen ist.

Kellerkind

 
Zuletzt bearbeitet:

i, Kellerkind,

war gespannt, mal was von dir zu lesen! ich mag und respektiere die Haltung, seinen Blick zu schärfen und sich mit Textarbeit ins Forum einzubringen. Erstmal zu kommentieren und zu kritisieren und erst viel später einen eigenen Text an den Start zu bringen.
ich kuck mal, was ich hier finde und schreibe mit in einem kleinen Wettlauf gegen die Zeit vor dem Arbeitsweg.

Titel ist so okay. hätte von mir sein können, mir fallen öfter keine catchy Titel ein. das wird mir entweder zu verrückt oder Richtung clickbait, da finde ich so einen nüchternen Arbeitstitel aber deutlich besser. Ball flach halten, wenn sich keine Alternative aufdrängt. mir fällt nichts besseres ein, also für mich ist das okay.

Ich hab's echt durchgezogen und sitze im Zug nach Berlin.

da steckt ein guter Zug im ersten Satz -> durch das "hab's echt durchgezogen' gibst du uns schon einen kleinen Einblick. das ist keine Butterfahrt, hier musste sich jemand überwinden und tut das gerade, ist sich dessen bewusst und mehr oder weniger geflasht, leicht elektrisiert und aufgeregt vllt. der kommt so bescheiden daher und kann aber einiges. guter einstieg

Draußen rauschen die Bäume vorbei und mir gegenüber sitzt ein alter Sack, der sich in eine Lederjacke gequetscht hat

ein alter Sack der sich in eine Lederjacke gequetscht hat. aus ihrer Sicht kann ich mir vorstellen dass das so gedacht wird. ist sprachlich nicht so meins, aber passt für mich zu einem renitenten Teen

Es sieht alt aus – nicht retro

Vorschlag : nicht retro, sondern alt

Sehen die Plätze aus, als ob jemand drauf sitzt? Hat er wohl auch geschnallt und sich breit gemacht. Scheiße! Jetzt darf ich den Rest der Fahrt mit einem geilen Bock verbringen, der mir auf die Titten glotzt. Es kommt schlimmer. Er sieht mir ins Gesicht.

ha ha ha! ist alles schon bis zum Anschlag aufgedreht mit ihrem Jargon. funktioniert für mich. wahrscheinlich habe ich in der Welt mündlicher Auseinandersetzungen vor nichts mehr Angst als vor solchen großmäuligen Mädchen die nie die Fresse halten und einfach so verdammt schnell und herausragend beleidigend sein können. kommste nicht gegen an. ihr Tonfall, das dauernd gereizte und angegriffene, sich aggressiv selbst schützende - nehme ich dir alles ab. sogar die Frequenz ihrer Beschimpfungen.

Ich dränge ihn aus meiner Realität. Normalerweise ignoriere ich die Leute im Zug - oder Menschen generell. Nein, das liegt nicht an der Pubertät.

kool!

ie war damals noch keine dreißig und quatschte, wie meine Oma

so einen Satz würde ich eher jemandem zutrauen der über dreißig ist.

Mama war sicher zu Tode enttäuscht darüber, dass ihr kleines Mädchen nicht fehlerfrei funktionierte. Wenn ich wenigstens hübsch gewesen wäre

gut!

Wenn sie wüsste, wo ich jetzt hinfahre, statt für die Prüfungen zu büffeln, würde sie einen Hirnschlag bekommen.

kein Herzinfarkt? fände ich zwar gewöhnlicher aber auch passender. ungewöhnliche, herausstechende Sprache verwendest du ja häufiger hier

So wie ich; seine lebensunfähige Tochter. Die Rolle gefiel mir und ich wuchs hinein

ich mag dieses kompakte Erzählen. so lassen sich Geschichten auch wirklich noch gut erzählen, muss nicht alles gezeigt werden

ir gönnten uns einen dicken Joint. In ihrem Kinderzimmer natürlich. Schön blöd! Meine Alte rief ihre Alte an, die kam ins Zimmer und dann war's vorbei mit der Entspannung

gutes Detail: nicht Scham oder Schuld stehen im Vordergrund sondern der Ärger über die fehlende Entspannung in der Situation. sehr erhellendes Schlaglicht auf ihre Innenwelt

Zu Hause durfte ich mir wieder das Gesülze anhören, dass aus mir nichts werden würde.

Variante: werden wird

Diesmal zu Sara. Die hatte kein Gras, dafür LSD.

aua, was für ein Setting für nen Trip. Wahllosigkeit. kann sein das ist weil sie sich noch ausprobiert aber lässt sich auch als Gleichgültigkeit gegen sich selbst lesen: In so einer Situation noch das Bewusstsein zu erweitern ist schon derbe

Das Schweigen hielt ich auch einige Wochen durch. Es half mir, mich auf den Schulkram zu konzentrieren.

gefällt mir auch, dieser andere Blick auf Schule jetzt. als würde sie alles instrumentalisieren wie sie es gerade gebrauchen kann. was ihr ja auch gerade vorgelebt wurde mit Mamas Schwindelei

h rief an und bekam einen Termin bei Frau Scheuer. Bescheuerter Name. Die dämliche Fotze wollte mir nichts sagen, ohne dass meine Mutter zustimm

Bescheuerter Name - kann raus. übererklärt. vllt so was wie 'arbeitete bestimmt eng mit Herrn Kloppi zusammen?' als Beispiel für einen indirekten Verweis
Fotze ist stark genug, braucht kein dämlich. ist aber auch langweilig und tut weh. warum lässt du sie nicht Schwanz oder so was despektierliches Richtung Scheuer denken? wäre ne reizvolle Möglichkeit glaube ich gerade. ließe sich vllt auch im Text noch mit Schwannek oder Schwänsen variieren... obwohl das wahrscheinlich schon wieder etwas zu weit ginge Richtung Kunstspra che

Die Pissbirne hatte den gleichen Stock im Arsch, wie meine Lehrerin. Es gäbe vielleicht gute Gründe für meine Mutter. Mein Vater sei auch sehr unzuverlässig und er zahle sehr unregelmäßig. Bevor sie noch ein paar Un-Wörter auskacken konnte, verpisste ich mich

hat nen Stock im Arsch und kackt trotzdem Wörter? ist ne Pissbirne und die Erzählerin verpisst sich auch? kannste was machen dran. das letzte verpissen ist mir zu viel, sonst gehts klar.

ine Weile versuchte ich noch, etwas über ihn herauszufinden. Dann ging die Schule wieder los und ich war damit beschäftigt, die folgenden zwei Jahre zu überleben

gut!

Während ich durchs Fenster starre, fällt mir auf, wie öde die Landschaft meiner Heimat ist. Baum, Strauch, Feld, Baum … Jauchegraben

Brandenburg ist die ödeste Landschaft die ich kenne. fällt mir immer wieder auf.

In der Bahn checkte ich mein Facebook und fiel fast vom Sitz

mein Facebook! so wünscht sich das der Zuckerberg. gut eingefangen. ist vllt auch ein anderes Verhältnis das jüngere zu dem Portal haben als wir Alten die schon alt waren als facebook an Start kam

ich muss mal los. Rest folgt. gut abgeliefert!

Grüße
Kubus

 

Hej Kellerkind,

weil du fragst, möglicherweise ja auch rhetorisch, will ich antworten.

Sind die Sorge um die Ausbildung und der typische Erziehungsscheiß nicht einfach Selbstbefriedigung der Mutter, die kein Gespür für die seelischen Nöte ihres Kindes hat? Nach dem Prinzip: Ich habe meine Pflicht erfüllt.
Aber es wurde schon angemerkt, dass ich die Mutter zu flach inszeniert habe, um ein deutliches Bild zu erzeugen.

Das könnte man so sehen, aber weil ich als Leser wenig Stoff in Bezug auf die Mutter bekomme und ihre Einsilbigkeit als Hilflosigkeit deute und ein bißchen aus Angst, sie könnte zu viel erzählen und die Distanz zu ihrer Tochter erweitern, denk ich mir eben, sie ist in ständiger Sorge. Einmal, dass sie bezüglich ihrer Lüge über den Vater auffliegt, andererseits, weil sie Hoffnung setzt in Bezug auf die Bildung, die sie ihre Tochter ja zutraut, die sie aber in der Haltung der Tochter in Gefahr sieht.

Du siehst, ich sehe die Mutter nicht zu flach gezeichnet. Sparsam. Aber das könnte ja auch etwas über ihren Charakter aussagen.

Ich freue mich über unsere Kommunikation. Lieber Gruß, Kanji

 

Hallo noch mal, hier nun die Fortsetzung ...

eine Stimme ist der Hammer. Total ruhig, etwas rauchig und vor allem - warm. Er hört gar nicht auf, zu quatschen. Wie sehr er darauf gewartet habe, mich zu sehen, dass es ihm so leid täte, dass er sich nicht früher melden konnte, aber das könne man nun alles nachholen. Die meiste Zeit nicke ich, wie ein Idiot

ist mir sehr unangenehm die Situation. zum einen kommt bei mir die Sehnsucht der Tochter nach dem Vater an, zum anderen seine Sehnsucht, sich von seinem schlechte Gewissen freizuquasseln. nach so einer langen Zeit seine Tochter am Telefon vollzuquatschen wirkt wie die schwache Leistung eines Menschen, der so sein könnte, wie die Tochter früher fantasierte. ein trauriger Verlierer, jemand, der irgendwo bei sich hängengeblieben ist, vielleicht weil die Welt zu hart und gemein ist. kann aber auch sein er hat an einem gewissen Punkt seinen Arsch einfach nicht hochgekriegt. ist für mich eher eine philosophische Frage, ob mensch zu schwach war oder die Welt zu hart. Glaubensfrage: freier Willen oder schicksalhafte Gesamtzusammenhänge, denen nicht zu entkommen ist? jedem das seine Leben zum Verwenden oder Verschwenden, da bin ich großzügig. aber Kinder in die Welt setzen und sich nicht drum kümmern ist wahrscheinlich die schlimmste Unterlassungssünde die ich mir vorstellen kann.

Meine Gedanken purzeln durcheinander. Ich werde ihn kennenlernen. Er wird cool sein und mich aus dieser Scheiße holen. Wir ziehen dann zusammen durch die Gegend und feiern ab. Die Schule und meine Alte können mich am Arsch lecken. Ich gehe zu Papa.

gruselig, stark.

Ich werde absagen. Es war eine scheiß Idee. Das geht viel zu schnell. Wir können ja erst mal chatten und treffen uns später. Weihnachten oder so. Das passt. Ist ja ein Familienfest

:dozey: auch sehr gut finde ich. die Kontraste die Komprimierung das Absurde ihre emotionale Achterbahnfahrt die Hoffnung und Fantasie.

Krampf im Körper – Krampf im Gehirn – ich bin ein Krampf

ich glaube wenn du solche stilistischen Mittel benutzt, um Inhalte zu vermitteln, muss das öfter im Text passieren und sollte in der Regel relativ früh eingeführt werden und sich wie ein Angelköder, der durch die Wellen tanzt, immer mal wieder zeigen. aber wenigstens so zwei drei Mal im Text was Ähnliches zeigen, um die Beute, den Leser daran zu gewöhnen, denn viele von uns sind scheu und verwöhnt und fressen nicht, was uns irritiert oder danach aufstößt. das gilt wie alle Regelei nicht generell und ein von meisterlicher Hand geschmiedeter Effekt kann auch als Einmalgabe wirken. aber ich glaube der Laser neigt dann eher dazu, solche Effekte als Anomalien zu verdrängen, wenn es kein erkennbares Muster gibt. aber soabld etwas wiedererkannt wird, kann mensch sich freuen und vielleicht dran gewöhnen das also eher annehmen oder drauf eingrooven.

ein Vater wird genauso enttäuscht von mir sein, wie Mutter und jeder den ich kenne. Wie Marcel, der an meine Titten durfte, aber nicht weiter. Wie meine Lehrerin, die immer einen kleinen Fehler fand und dann traurig den Kopf schüttelte. So enttäuscht wie Lisa, die ich nicht einmal bei der Therapie besucht habe, weil ich zu feige war

gefällt mir auch. was für eine absurde Vorstellung. er hat ja den Erziehungsauftrag nicht wahrgenommen, ist also maximale Enttäuschung für ein Kind, das ja keine Erwartungen erfüllen sollen müsste. die sind doch einfach nur da und wollen großgezogen werden. die Beschreibungen warum die Typen enttäusch sind sind mir irgendwie zu lang aber ohne die fände ich es unmöglich. vllt das alles streichen und sie einfach feststellen lassen, befürchten, sicher sein, dass er von ihr enttäuscht sein wird. mutig Text verdampfen bis sich der harte Kern herauskondensiert - also hier wäre das in meinen Augen sinnvoll und gut.

u un-mutig. Wie konnte ich mir nur einbilden, dass irgendetwas besser würde, anders würde, nur weil plötzlich ein Vater auftaucht. Ein Alkoholiker, Herumtreiber, gescheiterter Loser.

wieder die innere Achterbahnfahrt. ist gut! aber gescheiterter Loser ist eher ein doppeltes Minus als ein weißer Schimmel, schreib nur Loser. Wort hat auch nen guten Klang. viel besser als Gescheiterter wäre.
dazu lässt sich ein leicht spöttischer Ton auch viel eher vorstellen. einfach Loser.

Quatsch mich bloß nicht an, telepathiere ich ihm.

finde ich auch kool wie der andere User. aber auch hier fällt mir das zu sehr aus dem Himmel, wie vorhin der Krampf-Effekt.

Zum Bahnhofsklo. Kotzen.

beim Kotzen klappts doch bestens :D also wie NGK geschrieben hat - so fällt das halt auf. also wenn du einen bestimmten Effekt wiederholst, variierst, am besten so dass das nicht als komponiert oder konstruiert rüberkommt. ich weiß dass sich das leicht sagen lässt. wie der Satz hier: bei der Textlänge könnten / müssten zwei Wiederholungen reichen. :)

# papa #

Ich nehme einen großen Schluck. Dann spucke ich das Bier lachend aus. »Papa?«
Der Dönermann sieht sauer aus. Ist mir egal. Ich lache, bis die Tränen kommen. Mein Lachen verebbt - die Tränen bleiben. Echt jetzt? Papa?


das alles streichen. wer an dem Punkt nicht begriffen hat was hier passiert ist hat die Geschichte eh nicht richtig gelesen. also ja das sehe ich so. eine gewagte Behauptung aber das Ende ist mir zu sehr Pointe, auch mit ihrer Reaktion, so eine comichafte Zuspitzung. sie ist so etwas drüber aber mir ist das alles zu blass und trotzdem eindeutig, meine Lesevorliebe geht eindeutig in Richtung Ver-un-eindeutigung - ich bleibe nach dem Lesen lieber etwas ratlos, weil sich nicht alle Fäden zusammenfinden als das Gefühl zu bekommen, eine Geschichte die mir gefallen hat löst sich in einem Bühnengag auf. so was entwertet mir das ganze Lesen. finde ich hier sehr schade. aber den Rest der Geschichte richtig gut. gespannt auf mehr!

und Grüße noch mal
Kubus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo maria meerhaba

Ja, ein bisschen dick aufgetragen wirkt das jetzt auch auf mich, wenn ich das lese. Ich glaube, das hat auch damit zu tun, dass sie zu viel über sich erzählt. Das in zu kurzer Zeit und leider auch zu einseitig. Es kommt nur ihr Frust zur Geltung, weil sie ja aus dieser Situation im Zug heraus erzählt. Das fiel mir bereits beim Schreiben auf. Aber mein Dilemma war, dass innerhalb der Erzählzeit ein Wechsel der Tonart die Glaubwürdigkeit verletzt hätte. Ich wollte diesen Frust - Fluss durchhalten. Ich überlege bereits, ob ich am Wochenende versuche, etwas Abwechslung reinzubringen. Bei der Gelegenheit soll Mama auch etwas Kontur erhalten. Ich befürchte aber, dass sich die Intensität dadurch verringert. In erster Linie soll die Figur echt sein. Auch mit ihren unangenehmen Seiten.
Immerhin bekommen die Leser eine Ahnung, woher die ganzen egomanischen Neurotiker kommen, die einem auf die Nerven gehen. Wirklich eine schwierige Frage für mich: Sympathische Seiten konstruieren, weil das Publikum es so wünscht oder stur meinen Stiefel durchziehen?
Zu deinen Anmerkungen:

[Danach und dann sind zwei Wörter, die sich in einem Satz nicht vertragen.]
Hätte ich als Erzähler auch nicht so gemacht. Aber sie redet so. Ich sehe das ähnlich wie bei wörtlichen Rede, als Teil ihrer Charakterisierung.

[Die Mutter hier ist auf 180 Grad, ein sprudelnder Vulkan, der jedes wütende Wort über ihre Tochter erwischt.]
Nee. Aber die Mama habe ich nicht deutlich genug gemalt. Die ist nie auf 180, sondern penetrant erniedrigend und nervend zu ihrer Tochter. Und obendrein ne feige Sau.

[Der Beistrich ist völlig unnötig und stört den Lesefluss.]

Ich dachte, da muss ein Komma. Lieber lasse ich es weg.

Liebe Maria, danke Dir für Deine gut begründete Sicht. Ich kann das alles sehr gut nachvollziehen. Manche Punkte hängen an der grundsätzlich problematischen Ich-Erzählerin, die eben nicht aus ihrer nervenden Rolle heraus kann. Bei anderen Kritk-Punkten, muss ich leider sagen, dass ich das eben so wollte und natürlich nicht jeder als begeisterter Leser gewonnen werden kann.

Danke für Deine Gedanken!

Grüße
Kellerkind

 

Hallo Manlio,
Tja, da habe ich wohl nicht die richtige Geschichte für Dich geschrieben. Klar, ich hätte auch eine Szene über ihr Kennenlernen schreiben können. Wäre vielleicht ein interessanter Plot gewesen. Aber darum geht's hier eben nicht.
Nimm's mir nicht krumm, aber an einer Geschichte zu kritisieren, dass sie nicht eine andere ist ... naja, damit kann ich nicht viel anfangen.
Trotzdem danke ich Dir natürlich für die Mühe, Deine Gedanken geäußert zu haben.
Vielleicht kommen wir bei meiner nächsten Geschichte zusammen.

Schönen Gruß
Kellerkind

Hallo Kubus,
hab Dich nicht vergessen, aber Dein Kommentar stellt eine Herausforderung für mein Zeitmanagement dar. Ich befürchte, ich muss in einem Mehrteiler antworten.

Erstmal zu kommentieren und zu kritisieren und erst viel später einen eigenen Text an den Start zu bringen.
Ach, da überschätzt Du meine edle Gesinnung. Ich hatte schlicht Schiss, mich Eurer Kritik zu stellen. Nach diesen vielen kompetenten Kommentaren, hat sich das zum Glück geändert. Ich werde Euch überfluten ...
ein alter Sack der sich in eine Lederjacke gequetscht hat.
Damit wollte ich auch nebenbei andeuten, dass er schon etwas beleibter ist. Sozusagen eine unauffällige Beschreibung.
... sogar die Frequenz ihrer Beschimpfungen.
Es freut mich natürlich, dass Du mir die Figur abnimmst. Aber mich beschleicht das Gefühl, dass mir hier ein stilistischer Fehler unterlaufen ist. Die innere Stimme der Erzählerin ist so laut und penetrant, dass dem Leser entgehen könnte, dass sie nach außen absolut still ist. Das betrifft nicht nur den Zug. Sie hatte in keiner der erzählten Situationen den Mut oder die Kraft, sich gegen die Umwelt zur Wehr zu setzen, deshalb stellt ihr Termin mit dem Vater ja auch einen großen Entwicklungssprung dar.
kein Herzinfarkt?
Im Zweifel gegen das Gewöhnliche entscheiden! :)
aua, was für ein Setting für nen Trip. Wahllosigkeit. kann sein das ist weil sie sich noch ausprobiert aber lässt sich auch als Gleichgültigkeit gegen sich selbst lesen
Schön, dass dieser Aspekt bei Dir angekommen ist. Manche probieren aus Neugier und lassen von manchen Substanzen schnell wieder die Finger. Sie nimmt alles, was ihr eine Besserung ihres Empfindens verheißt, ohne Sorge, sich schaden zu können. Vielleicht, weil sie das Gefühl hat, es könnte ihr nicht mehr schlechter gehen.
... warum lässt du sie nicht Schwanz oder so was despektierliches Richtung Scheuer denken? ...
Ich mag auch das Herumspielen mit fiesen Scherzen und Wortspielen. Aber ich hatte bereits den Eindruck, dass die bescheuerte Scheuer hier nicht reinpasst. Es nimmt die Ernsthaftigkeit hinter ihrem ruppigen Erzählton.

hat nen Stock im Arsch und kackt trotzdem Wörter?
Die kackt sie aus der anderen Öffnung. :D Einmal "pissen" geht zurück an den AUftraggeber. (Übrigens: Ich habe einige Deiner Anmerkungen umgesetzt, ohne viel drüber zu reden)
Brandenburg ist die ödeste Landschaft die ich kenne.
So ziemlich. In MeckPomm gibt's auch ein paar Gegenden ... Au weia!

mein Facebook! so wünscht sich das der Zuckerberg.
Jo! Diese Generation haben sie gekriegt. Die nächste wird rebellieren. Hoffentlich.

Okay, ich mach hier auch erstmal Pause. Muss noch meinen Keller aufräumen.

Bis hierhin: Ganz viel Danke! für Deinen Aufwand und natürlich auch für das ziemlich dicke Lob, das immer wieder durchblitzt.

Bis später!
Kellerkind

 

So.
Ich hab einige Vorschläge von Euch aufgegriffen und dezente Änderungen vorgenommen. Die unsympathischen Wirkung der Protagonistin, bedingt durch die Art des Erzählstroms, kann ich leider nicht aus der Geschichte entfernen, ohne sie komplett neu aufzubauen. Und dafür ist sie mir nicht wichtig genug. Trotzdem ist die Kritik angekommen und ich werde das Erlernte in zukünftige Texte einfließen lassen.

Vielen Dank für die Eure hilfreichen Kommentare!
Kellerkind

 
Zuletzt bearbeitet:

hallo Kellerkind, ich hatte die letzten Tage mal an diesen offenen Faden gedacht und bin mal gespannt, was du draus gemacht hast. lese ich mir bestimmt noch mal durch. sagt sie jetzt Schwanz statt Fotze? hast du das Ende verändert? würde mich überraschen, aber ich kanns ja rausfinden..

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so kann mans auch machen, kann ich gut verstehen, das ist gar nicht (zwingend) mangelnder Respekt vor der Arbeit der Kritiker oder Faulheit, seine Geschichte nicht ändern zu wollen. es kann auch einfach eine andere Arbeitsweise sein. (anstatt jeden einzelnen Kritikpunkt rauszuzitieren und sich zu jedem Punkt einzeln zu äußern, Stellung zu beziehen sozusagen)

ich weiß gar nicht, ob das heute noch so ist, aber früher wurden immer mal wieder Reaktionen eingefordert und zB gesagt, dass man jetzt keine Detailkritik schreibt, wenn der Autor dies oder das noch nicht geändert hat.

das sind natürlich alles nur meine Überlegungen, nicht dass jemand denkt, ich würde für jemand anderes sprechen. wie Kellerkind das sieht, weiß ich freilich nicht.

 

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