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Beißen

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01.09.2004
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Beißen

Beißen

Wir gehen noch in den Wohlerspark, wo früher einst ein Friedhof gewesen ist und wir lauschen den gruseligen Geräuschen, aber auch uns selbst. Und die gruseligen Geräusche lauschen uns. Ich weiß aber nicht, ob die gruseligen Geräusche sich auch selbst lauschen. Es ist einer dieser nicht enden wollenden Nächte. Nein, es ist viel mehr einer dieser nicht enden dürfenden Nächte. In dem Mischmasch aus Schatten und Licht sieht sie aus wie ein unerfahrener Vampir, der nicht weiß, was er mit sich und seinen Zähnen anfangen soll. Er weiß auch noch nicht wozu er da ist. Er fühlt sich überzählig. Eine schlichte Laune des grausamen Zufalls. Ich sage ihr, dass ich mir gerade vorstelle, wie es wäre wenn wir solche Vampire wären und wie es wäre wenn wir uns jeden Tag hier auf diesen Grabstein treffen würden. Verdammt bis in alle Ewigkeit in glitzernder Dunkelheit zu leben. Wir wüssten nicht einmal, ob andere Blutsauger existieren. Wir würden jede Nacht mit unseren schwarzen Gewändern über die Dächer der Stadt fliegen und uns ausmahlen, was gerade in den einzelnen Häusern passiert. Wir könnten uns nicht vorstellen, wie hier alles am Tag aussieht. Und dieser Park hier wäre unser zu Hause.
Ich würde liebend gerne in Kauf nehmen, dass meine Augen nie wieder Tageslicht schnuppern, nur um diesen Moment festzuhalten. Ihre Augen reflektieren das wohlig düstere Licht. Sie lächelt und ich sehe ihre spitzen Eckzähne. Sie nimmt meinen Unterarm und ihre blanken Beißer bohren sich in ihn hinein. Liebliche Gewalt, zärtlicher Schmerz. Der possierliche Abdruck auf meiner Haut lässt alles wunderbar erscheinen.
Nicht dass ich Beißen an sich gut finde. Im Gegenteil ich verabscheue es zu tiefst. Es kommt aber eben immer darauf an wer da beißt. Aber dieser Gedanke versetzt mich nach ganz weit oben. Eher noch ein Stückchen höher. Ja, das bin ich! Schmerz und Freude vereint. Glück!
Ich atme Barfuss die Sommerluft ein. Und wieder aus.
Sie sagt darauf grinsend: „Guck, da siehst du wie unerfahren der Vampir ist. Ich habe nur deinen Arm erwischt.“ „Besser als gar nichts.“ Erwidere ich. „Aber es wär´ mir lieber gewesen du hättest den Arm ganz abgebissen. So hätte ich was bleibendes von dir wenn du morgen fährst.“ Doch sie meint, dass mein Arm bei mir besser aufgehoben wäre als bei ihr und dass es ja ungerecht wäre, wenn sie drei und ich nur einen hätte.
Wir schlendern im Morgengrauen nach Hause, gerade rechtzeitig bevor die Sonne mit ihren stechenden Strahlen uns verbrannt hätte. Das war´s. An der endgültigen Ecke ist es dann soweit. Ab jetzt zählen nur noch Briefe.
In meiner Küche mixe ich mir noch ein Drink. Aber so n richtig starken. Einen bei dem man den Schmerz bis in alle Poren spürt und er aus ihnen herausschwappt. Mein Blick fällt auf den verzierten Arm und ich verfluche die dämliche Zeit, da sie auch die noch so schönsten Wunden heilt.

Wiedersehen mit dem Vampir

Wir wissen beide, welcher Gefahr wir uns aussetzen, uns am Tage zu treffen. Aber der Moment ist das was zählt und der Moment ist das, was überwiegt. Zur Begrüßung beißt sie mir in den Unterarm und ich merke wie eine volle Ladung Leben in mich hineingepumpt wird. „Yep, da bin ich wieder“, denke ich. War die Rückkehr doch sehr ungewiss.

„Das habe ich vermisst“, sagt sie schnippisch. „Ich auch.“
Besser kann ich mir ein Wiedersehen gar nicht vorstellen. Ich bemerke das Lächeln auf ihren Lippen und meins in ihren Augen. Was gibt es schöneres, als der dahin plätschernde Moment, der, sobald man ihn vereinnahmen will, sich auflöst.
Ihre Zähne scheinen noch spitzer geworden zu sein.

Bei rot die Holstenstraße zu überqueren empfinden wir nicht als Gefahr. Vielmehr hat es die Sonne auf uns abgesehen. Der Feind brennt ganz anständig und er scheint zu wissen, dass wir draußen sind. Wir holen uns n paar Bier in diesen Plastikflaschen, nur um sicherzugehen, dass es nicht um sonst wäre, wenn wir sterben würden. Aber ab jetzt verlangsamen wir uns und das ist so ziemlich das Waghalsigste, was Vampire tun können.

Die vereinzelten Gräber im Wohlerspark wirken wie Splitter, die sich krumm und schief in die Erde bohren. Solche die nie verschwinden. Und wo man das Ausmaß nicht mal ansatzweise erahnt. Aber sie sagt, man müsse kein Hellseher sein, um zu wissen was hier los ist. Und sie meint es gäbe unterirdische Gänge von einem Grab zum anderen. Und einen riesigen Saal, wo alle Platz haben.
Am Tage ist es hier richtig unheimlich. Alles ist sichtbar, nichts ist durch die Abwesenheit von Licht verborgen. Unsere Decke sucht sich den hellsten Platz im Park und wir können nicht anders und ziehen mit. Wärme und Alkohol durchfließen unsere Körper und lassen uns gut fühlen. Und unsere Anwesenheit lässt uns gegenseitig noch besser fühlen. Wir sind uns einig, dass es das Beste ist, was uns in diesen Moment passieren konnte.

Ihre Zähne blitzen erneut auf und erinnern mich daran, wie spitz sie doch geworden sind. Sie schnappen lustig nach meinem Ohr und ich erkenne, wie unpräzise alles noch ist. Daraufhin meint der unerfahrene Vampir, er habe sich noch nicht richtig daran gewöhnt und er hat Zweifel, ob er es jemals wird. Und ich antworte, dass es wohl das beste ist, wenn wir uns nie daran gewöhnen. Denn das wäre doch das Schlimmste was uns zwei passieren könnte.

 

Hallo Flip,

eine interessante Geschichte, die einigen Spielraum für Interpretationen offen lässt. So etwas gefällt mir! Auch, dass es sich nicht wirklich um Vampire handelt, finde ich sehr beruhigend - wir haben einfach genug Vampirgeschichten hier, von denen die wenigsten wirklich gut sind! ;)

Hier und da haben sich noch Fehler eingeschlichen, einige haarsträubende Formulierungen habe ich Dir rausgesucht:

In meiner Küche mixe ich mir noch ein Drink. Aber so einen richtig starken. Einen, wo bei dem man den Schmerz bis in alle Poren spürt und dieser aus ihnen herausschwappt.
Ich bemerke das Lächeln auf ihren Lippen und ich meins in ihren Augen.
Und sie meint es gäbe unterirdische Gänge von einem Grab zum anderen.

Insgesamt nichts Umwerfendes, aber trotzdem eine interessante Geschichte für "Zwischendurch"!

Liebe Grüße
chaosqueen

 

hallo chaosqueen

vielen dank für deinen eintrag.
ich kann allerdings nicht so wirklich mit dem attribut "interessant" etwas anfangen. klar du kannst schreiben was du willst, aber mich würde interessieren, was du du denn interessant findest und was du nicht so umwerfend findest.

gruß flip

 

Hej Flip,

okay, ich versuche es mal:
Interessant finde ich Deinen Erzählstil - Du deutest an, ohne zu viel zu verraten. Dadurch ergeben sich verschiedene Deutungsmöglichkeiten, was ebenfalls interessant ist. So könnte es sich um zwei Jugendliche handeln, die ihren Kick darin finden, sich vorzustllen, sie wären Vampire, es könnte aber auch sein, dass das Paar bzw. der Erzähler die Vampirstory nur als Bild heranzieht, um die Beziehung zu beschreiben. Vermutlich finden sich noch ein oder zwei weitere Möglichkeiten.
Ich mag solche Geschichten, die mir verschiedene Möglichkeiten offen lassen.

LG
chaosqueen

 

hallo chaosqueen

danke, dass du dich ein wenig mit der geschichte auseinander gesetzt hast.
nun ich möchte nicht zu viel verraten. das vampir-sein ist im grunde eine metapher, für das existenzialistische gefühl des überzählig-seins. das ist die letzte nacht. am nächsten tag wird nichts mehr so sein wie vorher.

schönen gruß
flip

 

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