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Bei Nacht und Nebel

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28.11.2014
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Bei Nacht und Nebel

Das Licht der Scheinwerfer strich über das Tor und ihnen sprangen die neongelben Zeichen in die Augen. Jemand hatte sie auf die grünen Flügel ihres Eingangstores gesprayt.
Jörn trat hart auf die Bremse und der Motor soff ab. Nun war es also passiert, ging es Theresa durch den Kopf. Das waren keine Graffiti. Runen waren das, genau wie die auf dem neuen Schild am Dorfeingang. ‚Magyarország a magyaroké’ – Ungarn den Ungarn! Diese Parole der Rechten hallte in Theresas Ohren, während Jörn und sie einen Moment wortlos verharrten.

Theresa gab sich einen Ruck und stieg aus. Je näher sie ihnen kam, umso größer und aggressiver erschienen ihr die grellen, eckigen Zeichen. Sie öffnete das Tor und Jörn fuhr in die Garage. Beim Schließen des rechten Flügels berührte Theresa versehentlich die Schrift. Die Farbe war noch weich und klebte an ihrem Finger. Während sie versuchte, ihn mit einem Taschentuch zu säubern, schaute sie auf den Weg, der von einer Lampe schwach beleuchtet ins Dorf führte. Nichts. Niemand war zu sehen. Auch die Fenster der Nachbarhäuser waren dunkel. Natürlich, dachte sie, es war nach zwei. Alle schliefen.

„Kommst du endlich?“
Jörn hatte die Eingangstür aufgeschlossen und wartete. Das Haus lag im Dunkeln, Wolken hatten sich vor den Mond geschoben und nur die Laterne am Nebengebäude tauchte den Hof und die alten Walnussbäume in ein diffuses Licht.

Schweigend betraten sie das Haus.
„Wer macht denn nur so was?“, fragte Theresa.
„Jugendliche, verrückte Jugendliche.“ Jörn verfehlte den Haken und der Mantel fiel zu Boden.
Er hob ihn auf. „Mach dir keine Gedanken. Das wird sich aufklären.“ Er drehte sich zu ihr. „Und bitte, fang nicht wieder an, dir irgendwas einzureden. Das sind nur blödsinnige Schmierereien.“ Er hängte den Mantel auf und wandte sich zur Küche. „Ich hol mir noch ein Bier.“ Er gab ihr einen flüchtigen Kuss. „Ich brauch noch einen Moment. Geh du ruhig schon schlafen.“
„Ja.“
Erst als Jörn schon in der Küche war, fiel es ihr ein: „Gute Nacht, Schatz. Schlaf gut.“
„Ja, du auch.“

Theresa stand unschlüssig vor dem Spiegel. Sicher hatte Jörn recht und es waren nur ein paar dumme Jugendliche, die sich einen Scherz erlaubt hatten. Sie löste die Spange aus ihrem Haar. Aber warum dann diese Zeichen? Sie hielt in der Bewegung inne.

Ihr Spaziergang am letzten Sonntag fiel ihr ein. Sie ging oft diesen Weg, der vom Parkplatz in den Wald führte. Er stieg nur sanft an und es war angenehm, ihm zu folgen. Meist waren sie hier allein und sie konnte den Hund von der Leine lassen.
An diesem Tag stand ein Pick-up neben dem Forstschild. Zwei Männer in braun-grüner Tarnkleidung waren damit beschäftigt, längliche Gegenstände abzuladen. Forstarbeiter, war Theresas erster Gedanke. Aber am Sonntag? Drei weitere Autos kamen und auch aus ihnen stiegen junge, ähnlich gekleidete Männer. Jetzt erst fielen Theresa die breiten Lederkoppel und Schulterriemen auf. Ein mulmiges Gefühl beschlich sie. Sie zog die Leine stramm und schneller als gewohnt liefen sie in den Wald.

Als sie nach einer Stunde zurückkamen, hatte Theresa die Männer vergessen und war erstaunt, dass nun mehr als zehn Autos auf dem Parkplatz standen. So viele hatten hier noch nie geparkt. Von den Männern war nichts mehr zu sehen. Sie mussten irgendwo im Wald sein. Alles war ruhig wie immer.

Sie hatte Jörn davon erzählen wollen, dann aber nicht mehr daran gedacht.
Jetzt, vor dem Spiegel, hatte sie die Szene wieder vor Augen. Das war nichts Offizielles. Wo gab es das, dass Soldaten sonntags im Privatauto zu einer Übung kamen?

Es hätte auch keinen Sinn gehabt, Jörn von ihrem Erlebnis zu erzählen. Von ihrem Unbehagen über die neue politische Situation wollte er nichts wissen. Sie solle aufhören, alles immer so zu dramatisieren. Das Land gehöre zur EU. Und solange das so sei, brauche sich niemand irgendwelche Gedanken zu machen.

Die Katze hatte sich in ihrem Korb neben dem Bett eingerollt. Theresa spürte, dass sie nicht so schnell einschlafen würde und stellte den kleinen Fernseher an. Die Diskussion über den neu gewählten amerikanischen Präsidenten lenkte sie einen Moment ab, dann schob sich das grüne Tor mit den grellgelben Zeichen wieder davor. Das waren keine Graffiti. Das waren Zeichen, wie sie jetzt überall zu sehen waren.

Theresa hatte Ildikó, ihre Nachbarin, gefragt:
„Sagt ihr wirklich Runen dazu?“
„Ja, auch.“ Ildikó wollte es damit bewenden lassen, spürte aber wohl, dass das Theresa nicht genug war und fuhr beinahe trotzig fort: „Das versteht ihr nicht. Wir sind stolz darauf. Das war unsere eigene Schrift, bevor wir die lateinischen Buchstaben übernehmen mussten.“
Theresa fühlte sich immer auf dünnem Eis, wenn sie mit Ildikó über Politik sprach. Einerseits fand sie es angenehm, jemanden zu haben, der so gut Deutsch sprach. Andererseits gab es seit dem Referendum gegen die Aufnahme von Flüchtlingen Momente, in denen Theresa spürte, dass sie bei dem, was sie ihrer Nachbarin sagte, wachsam sein sollte.

Im deutschen Fernsehen liefen jetzt Nachrichten. Der scheidende und der neue Präsident hatten sich getroffen und es schien, als würde wohl doch nicht alles so schlimm werden.
Sicher machte sie sich auch mit den Schriftzeichen verrückt.
Die rassistisch motivierten Übergriffe hätten seit der Wahl deutlich zugenommen, sagte der Nachrichtensprecher. Theresa drückte die Fernbedienung.

Im Zimmer war es noch nicht völlig dunkel. Die Wolken hatten sich verzogen und hinter den kahlen Zweigen der Bäume sah Theresa die milchige Scheibe des Mondes.
In den letzten Jahren war alles immer schöner geworden, dachte sie. Auch die Stallgebäude hatten sie erneuern lassen. Das ganze Anwesen hatte jetzt etwas Gediegenes. So hatte Jörn es sich vorgestellt, als er beschloss, den Hof, der kurz vor dem Verfall stand, wieder zu neuem Leben zu erwecken. Er hatte in Szeged ein paar Jahre als Geschäftsführer einer deutschen Firma gearbeitet und kurz, bevor er sich zur Ruhe setzen konnte, dieses halbverfallene Gebäude entdeckt. So hatte sich die Frage, ob sie zurückkehren würden, wie von selbst erledigt. Natürlich spielte auch das bessere Klima eine Rolle.

Theresa hörte Jörn ins Badezimmer gehen und rückte im Bett ein wenig zur Seite. Sie horchte, wartete aber vergebens. Sie schloss die Augen.
Zuerst waren es Schmierereien an Türen, dann klirrende Fensterscheiben, dann brannten Häuser. Wie oft hatte sie früher ihren Schülern erzählt, dass das erst der Anfang gewesen war.

Theresa wälzte sich auf die andere Seite. Sie musste damit aufhören. Jörn hatte recht, sie steigerte sich gerne in etwas hinein. Vielleicht sollte sie ein Glas Wein trinken? Das half meistens, wenn sie nicht gleich einschlafen konnte. Sie stand auf, zog den Bademantel über und ging ins Wohnzimmer.

Jörn hatte sich noch ein weiteres Bier geholt. Er saß im Sessel und hatte die Füße hochgelegt. Der Fernseher war dunkel.
„Kannst du nicht schlafen?“
„Nein.“ Theresa goss sich ein Glas Wein ein, setzte sich ihm gegenüber und legte die Hände auf seine Füße.
„Was machen wir, wenn die uns hier nicht mehr wollen?“
Jörn sah auf das Bier in seiner Hand. „So weit sind wir noch lange nicht.“
„Ich möchte dann lieber nach Hause. Das halte ich nicht aus.“

Jörn schaute auf das Fenster zum Hof. „Keine Ahnung, was das soll. Wahrscheinlich wird es das Beste sein, wenn wir das Tor einfach überstreichen lassen.“
Klar, dachte Theresa, einfach alles übertünchen.
„Damit ist nichts gewonnen", sagte sie.
Sie unterdrückte ihre aufkommende Gereiztheit und fuhr leise fort: „Wenn die das ernst meinen, dann wiederholen die das. Glaubst du nicht auch?“
Jörn sah sie an. „Ja … Kann schon sein … Keine Ahnung.“ Er schaute zum Telefon. „Ich könnte versuchen, Ferry zu erreichen. Vielleicht hat er Nachtschicht und ist im Einsatz?“
„Und, was soll das bringen?“
„Immerhin ist das fremdes Eigentum, was die beschädigt haben. Das ist auch hier strafbar.“
Jörn nahm einen Schluck, lehnte sich zurück und schloss die Augen.

Theresa betrachtete ihn. Er wirkte jünger, als er war. Der Job hatte ihn nicht verschlissen. Es war gut, dass er hier noch eine neue Aufgabe gefunden hatte und sogar seinen Lebenstraum verwirklichen konnte. Schon immer war es sein Wunsch gewesen, aus einer heruntergekommenen Ruine wieder etwas richtig Tolles zu machen. Und so präsentierte es sich jetzt auch. Das alte Gutshaus mit dem großen Innenhof und der schönen Gartenanlage dahinter wirkten, als warteten sie auf den Fotografen eines Immobilienmagazins.
Wenn Jörn gefragt wurde, ob er sich vorstellen könne, zurück nach Deutschland zu gehen, war seine Antwort stets, dass das hier sein Alterssitz sei und er hier sterben wolle. Theresa hielt sich in letzter Zeit bei diesem Thema zurück. Sie war froh, wenn sie niemand nach ihrer Meinung fragte.

Ihre Nachbarn waren nette Leute. Tiefe Freundschaften waren in den Jahren nicht entstanden, aber man ging aufmerksam miteinander um. Irgendwann hatte Theresa von Ildikó auf Facebook eine Freundschaftsanfrage erhalten und dann festgestellt, dass ihre Nachbarin ziemlich aktiv war: Kaum eine Woche verging, in der sie nicht ein neues Kochrezept einstellte. Daneben verlinkte sie in letzter Zeit aktuelle Zeitungsmeldungen. Am Anfang war Theresa neugierig auf Ildikós politische Meinung gewesen, aber dann hatte sie sich entschieden, auf ‚nicht mehr abonnieren’ umzustellen. Diesen populistischen Scheißdreck, wie sie es in Gedanken nannte, brauchte sie nicht.

Jörn stand auf.
„Ich geh dann mal. Du solltest dich auch hinlegen. Das ganze Grübeln hat keinen Sinn."

Die Wirkung des Weins ließ auf sich warten. Theresas Blick fiel auf den Drogerieschrank mit den vielen weißen Emaille-Schildchen, auf denen die lateinischen Namen der Kräuter, Blüten und Samen standen. Er war aus massiver Eiche und es hatte drei Männer gebraucht, ihn vom Umzugswagen ins Haus zu wuchten. Vielleicht konnte man ihn stehen lassen? Die Leute hier liebten solche Antiquitäten.
Im Moment wirkte er recht kahl. Nur der silberne Leuchter, den sie von ihrer Mutter geerbt hatte, stand noch darauf. Theresa hatte das verblühte Herbstgesteck runtergenommen. In der nächsten Woche würde sie mit der Weihnachtsdekoration beginnen. Aber machte das überhaupt noch Sinn?

Sie saß noch eine Weile, ging dann rüber, legte sich neben ihren schlafenden Mann und schaute zum Hoffenster. Der Mond war nicht mehr zu sehen, aber es war immer noch hell und die Bäume vor dem Fenster hatten etwas Schattenrissartiges – wie eine Theaterkulisse.

Irgendwas war los im Hof. Theresa öffnete die Haustür. Ferry war gekommen. Auch er trug jetzt Braun-grün. Sie lief auf ihn zu, griff nach seinem Arm. Mit einer brüsken Bewegung schüttelte er ihre Hand ab und drehte sich weg.
Sie schaute sich verzweifelt um, wusste nicht, an wen sie sich wenden sollte. Am Fenster stand Ildikó und lächelte ihr zu. Doch als Theresa auf sie zulief, verwandelte sich ihr Lächeln in ein kaltes Grinsen. Triumphierend hob sie den silbernen Leuchter in die Höhe und schwenkte ihn hin und her.
Stimmen erklangen hinter Theresa. Sie drehte sich um und sah Nachbarn am geöffneten Tor stehen. Rhythmisch johlten und klatschten sie in die Hände. So sehr sie sich bemühte, Theresa verstand nicht, was sie grölten.
Mit quietschenden Bremsen stoppte der Pick-up vor dem Tor. Die Männer aus dem Wald sprangen raus, knallten die Türen und lösten die hintere Klappe.
Jörn kam aus dem Haus; gebeugt wie ein alter Mann ging er an ihr vorbei. Er trug immer noch seinen Schlafanzug. Als er das Tor erreichte, richtete ein Junge die Spraydose auf ihn. Grellgelbe Farbe rann dickflüssig über die Streifen des Pyjamas.
Theresa stand wie gelähmt. Um sie herum war plötzlich Stille. Von irgendwoher löste sich eine Melodie, die wogend lauter und lauter wurde.

Theresa erwachte. Ihr Kopf tat ihr nur widerstrebend den Gefallen, Traum und Wirklichkeit voneinander zu trennen. Zurück blieb dumpfe Angst, zu der das Hellblau und Rosa des Novemberhimmels einen fast tragischen Kontrast bildeten.
Jörn war schon aufgestanden. Der auf- und abschwellende Anfang von Griegs ‚Morgenstimmung’ wurde quälender und Theresa griff nach ihrem Handy. Es war Ildikó.

„Hallo Ildikó.“ Theresa schob sich umständlich ans Kopfende, um aufrecht sitzen zu können.
„Morgen Theresa. Habt ihr es schon gesehen?“
„Ja. Als wir zurückgekommen sind.“
„Sieht schlimm aus.“
„Kann man so sagen.“
„Es ist Lack, Autolack.“
„Ist das nicht ganz egal, was das ist?“
Theresa bereute ihre Schroffheit. Gefasster fuhr sie fort:
„Ildiko, kannst du mir sagen, warum jemand so etwas tut?“
„Palinka. Schnaps. Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, warum die beiden das gemacht haben.“
Theresas Kopf dröhnte. „Welche beiden?“
„Na, die Kovacs-Brüder.“
„László und Sàndor?“ Theresa kannte die Zwillinge. Ihr Vater betrieb im Ort eine kleine Autowerkstatt „Was haben die gegen uns?“
Ildikó schien ihre Frage nicht gehört zu haben. „Die sind in irgend so einem Verein. Wahrscheinlich kommt alles daher?“
„Was?“
„Das mit den Zeichen.“
Theresas nächtliche Gedanken kehrten zurück und drängten aus ihr heraus.
„Ildikó, kannst du mir sagen, was das alles mit uns zu tun hat? Warum gerade wir? Was haben wir falsch gemacht? Was haben wir euch getan? Warum will man uns hier weg …?“ Ihre Stimme überschlug sich und wurde von einem Schluchzen erstickt.
Es dauerte einen Moment, bis Ildikó wieder etwas sagte.
„Theresa, beruhige dich … Das hat doch mit euch nichts zu tun. Wie kommst du denn nur auf so was?“
„Wie ich darauf komme? Das fragst du noch?“
Sekunden vergingen.
Durch den Tränenschleier sah Theresa ein Eichhörnchen, das auf einen weit ausladenden Ast geklettert war. Es verharrte einen Moment und drehte den Kopf, als überlege es, wohin es nun solle. Mit einem gewagten Sprung erreichte es das Dach der Scheune.
Ildikó sprach jetzt lauter, eindringlicher: „Also, Theresa! Was hast du dir da nur eingeredet? Wir sind doch Nachbarn. Gute Nachbarn. All die Jahre. Wie kommst du darauf, dass irgendjemand euch hier nicht will? … Ihr seid doch keine Flüchtlinge. Das alles hat doch mit euch nichts zu tun. Kein Mensch will, dass ihr weggeht.“
„Ja, aber warum dann gerade unser Tor?“
Auf der anderen Seite blieb es einen Moment still.
„Hör mir zu Theresa: So ist das doch gar nicht… Jedes Tor hier in unserer Straße …“ Sie machte eine Pause und begann noch einmal: „Hör mir zu: Alle Tore haben sie beschmiert. Alle! … Die Jungs haben einfach viel zu viel getrunken. Und dann hatte wohl jemand die Idee mit der Mutprobe … Frag mich nicht, warum sie gerade Runen genommen haben. Wahrscheinlich wissen sie das selber nicht. Dumme Jungen eben.“
Wieder schien sie darauf zu warten, dass Theresa sich äußerte.
„Wie kommst du nur darauf, dass wir etwas gegen euch haben? Ihr seid doch Deutsche. Kein Mensch will euch was. Euch doch nicht!“

Theresa legte das Handy neben sich. Ihre Glieder schmerzten und in ihren Ohren hämmerte Ildikós: ‚Euch doch nicht’. Sie rieb mit dem Handrücken über die Augen und atmete tief durch. Der Knoten begann sich zu lösen. Es war ja alles gar nicht so schlimm. Ein dummer Jungenstreich – nichts weiter.

In der Küche klirrte es. Theresa hörte einen Fluch. Jörn musste etwas aus der Hand gefallen sein. Etwas war kaputtgegangen.

 
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Lieber SCFuchs, lieber Friedrichard,

da es in euren beiden Kommentare u.a. um Sprachliches geht, antworte ich euch in einem Post.

Erst mal danke ich dafür, dass ihr euch die Zeit genommen habt, meinen Text wohlwollend kritisch unter die Lupe zu nehmen. Inzwischen habe ich ja schon eine ganze Reihe von Änderungen vorgenommen und eure Anmerkungen sind zum großen Teil berücksichtigt, u.a.deine Bemerkungen SCFuchs zur Vorvergangenheit und zum ‚ihr/ihr’. Ich bin aber weiterhin dabei, zu polieren und meine Sätze griffiger zu gestalten.
Ja, lieber Friedrichard, und du weist mit Recht auf die Substantivierungen hin und öffnest mir damit ganz schön die Augen. Vermutlich liegt es daran, dass ich lange Jahre eher sachliche und/oder bürokratische Texte verfasst habe. Aber etwas zu erkennen, heißt noch nicht zu wissen, wie es sich ändern lässt. Darüber sinne ich gerade am von dir statistisch ausgewerteten Anfang nach.

Die Fehler habe ich berichtigt. Hier bin ich mir allerdings nicht sicher:

Wie oft hatte sie früher ihren Schülern erzählt, dass das erst der Anfang gewesen war.
hätte ein Konjuktiv "wäre" (zumal Du ja Th. Aussge referierst) die Schulgrammatik um ein Hilfsverb befreit

Ich will ja die Geschichte als Beispiel heranziehen. Das ginge mMn nach mit der Verkürzung auf ‚wäre’ verloren. Es klirren ja noch keine Scheiben und es brennen noch keine Häuser. Oder sehe ich das falsch?

Amüsiert habe ich mich über das ‚Hildchen’. Viele Namen um mich herum kann ich ableiten, bei Ildikó habe ich gar nicht erst überlegt, der Name schien mir so typisch ungarisch, weshalb ich ihn ja auch gewählt habe.

Lieber SCFuchs: Graffiti oder Graffitis? Zuerst wollte ich den Plural auch mit ‚s’ bilden, aber es ist in der Tat so, dass der Plural von Graffito Graffiti ist.

Euch beiden nochmals danke für das genau Hinschauen und Überdenken.

Ich wünsche euch einen schönen 1. Adventssonntag.

Liebe Grüße
barnhelm

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Hallo barnhelm,

Das Licht der Scheinwerfer strich über das Tor und ihnen sprangen die neongelben Zeichen in die Augen.
Der wichtige erste Satz.Inhaltlich gleich auf 100%, aber die Satzgestaltung finde ich verbesserungswürdig, gerade auch, weil es der erste Satz ist. Was mich stört ist beim Lautlesen ist die Folge ihnen-die -in-die, das wirkt nicht elegant.
Wenn du das umstellst, kommt es für mich flüssiger daher.
Unübersehbar waren die neongelben Zeichen, als der Scheinwerfer das Licht darauf warf. Jemand hatte sie auf die grünen Flügel ihres Eingangstores gesprayt.
Beide Flügel muss nicht erwähnt werden, wenn es die statt der Flügel sind, müssen es zwei sein.
Und wieso eigentlich darüberstreichen? Das Auto wird doch frontal davor stehen, dann bleiben die Lichtkegel doch darauf stehen. Darüberstreichen bedeutet für mich, dass die Kegel weiterwandern und die Schrift nicht mehr zu sehen ist.

Ihr Spaziergang am letzten Sonntag fiel ihr ein.
Das wird so als Päckchen reingesetzt. Ich meine, sie denkt das doch. Das könnte man doch etwas "hineinschleichender" formulieren.
Ildikó wollte es damit bewenden lassen, spürte aber wohl, dass das Theresa nicht genug war und fuhr etwas gepresst fort: „Das versteht ihr nicht. Wir sind stolz darauf. Das war unsere eigene Schrift, bevor wir die lateinischen Buchstaben übernehmen mussten.“
Mit gepresst kann ich hier wenig anfangen. Zögerlich, trotzig, laut ... mit irgendsowas fände ich das besser.
Andererseits gab es seit dem Referendum gegen die Aufnahme von Flüchtlingen Momente, in denen Theresa spürte, dass sie bei dem, was sie ihrer Nachbarin sagte, wachsam sein sollte.
Sehr sperrig, der Satz.

Im deutschen Fernsehen liefen jetzt Nachrichten. Der scheidende und der neue Präsident hatten sich getroffen und es schien, als würde wohl doch nicht alles so schlimm werden.

Dadurch lässt du die Prota aber sehr einfältig wirken. Das fand ich an der Stelle schade, weil sie dadurch eher wie ein Hascherl wirkt, dass Zusammenhänge gar nicht richtig einordnen kann.
Ich würde die Prota lieber als Frau sehen, die eigentlich weiß, wie der Hase läuft. Dann würde diese abstruste Angst, die diese Runen in ihr angefacht haben, für mich noch eindrücklicher sein.

Ich wollte generell sagen, dass ich die Geschichte sehr gelungen finde, was dieses Empfinden und sich dann in eine Sache extrem hineinsteigern bedeuten kann - das hast du meiner Meinung nach sehr gut dargestellt.
Wenn Angst aufkeimt, nützen oft keine rationalen Erklärungen mehr. Dann kommen auch auf einmal Dinge ans Licht, die man als gar nicht so wichtig empfand, wie das Erlebnis mit dem Pick-up im Wald.

Oder hier:

Nur der silberne Leuchter, den sie von ihrer Mutter geerbt hatte, stand noch darauf. Theresa hatte das verblühte Herbstgesteck runtergenommen. In der nächsten Woche würde sie mit der Weihnachtsdekoration beginnen. Aber machte das überhaupt noch Sinn?

Wie schnell sie aufgibt!

Etwas aufgesetzt fand ich den Abschnitt:

Ihre Nachbarn waren nette Leute. Tiefe Freundschaften waren in den Jahren nicht entstanden, aber man ging aufmerksam miteinander um. Irgendwann hatte Theresa von Ildikó auf Facebook eine Freundschaftsanfrage erhalten und dann festgestellt, dass ihre Nachbarin ziemlich aktiv war: Kaum eine Woche verging, in der sie nicht ein neues Kochrezept einstellte. Daneben verlinkte sie in letzter Zeit aktuelle Zeitungsmeldungen. Am Anfang war Theresa neugierig auf Ildikós politische Meinung gewesen, aber dann hatte sie sich entschieden, auf ‚nicht mehr abonnieren’ umzustellen. Diesen populistischen Scheißdreck, wie sie es in Gedanken nannte, brauchte sie nicht.

Das hätte ich lieber als Dialog zwischen Ildikó und Theresa gesehen. So wirkt es sehr berichtend. Lass dir die Zeit und baue da was ein. Das braucht keine Kochrezepte oder so, einfach ein Zusammentreffen auf der Straße und eine aktuelle Gegebenheit, auf die sich Ildikó bezieht und Theresa dann ein Unbehagen dabei spürt.

Und am Ende dann:

Etwas war kaputtgegangen.
Symbolisch für ihr sich wohlfühlen.

Das Challenge-Thema hast du sehr gut getroffen, da sehe ich viele andere KGs schon eher so, dass das mit dem Zusammenhang dann halt irgendwie noch dazu kommt, aber nicht so tragend wie bei dir ist.

Mir gefällt die Idee der Geschichte, die Struktur genauso, es liest sich auch flüssig, aber an einzelnen Sätzen solltest du noch feilen. Das ist schwierig, weil man ja betriebsblind ist. Das kommt dann vielleicht ein Vierteljahr später wieder besser, wenn die Geschichte mal geruht hat. Und - sich das Teil laut vorlesen. Machst du das?

Liebe Grüße
bernadette

 

Liebe Chutney,

ich komme erst heute zu deinem Kommentar, weil ich mich im Moment nur häppchenweise mit den Wortkriegern beschäftigen kann. Auf jeden Fall habe ich mich sehr darüber gefreut und vor allem auch darüber, dass das mit dem Anfang gut bei dir angekommen ist. Das habe ich ja auf Beas Rat hin ganz geändert und so ist jetzt gleich klar, wo die Geschichte spielt und um was es geht.

Im Grunde sind die Schmierereien auch ein bisschen Ausdruck ihres wachsenden Unbehagens. Sie lebt eher Jörns Traum mit.

Genau, das hast du sehr sensibel erkannt. Ich habe einen Moment überlegt, das noch etwas stärker zu betonen. Ja, da ist auch noch diese Dimension zwischen den beiden. Letztendlich würde Theresa vielleicht schon gerne gehen, aber sie bleibt Jörn zuliebe. Er drückt das politische Geschehen weg, während sie es zunehmend bedrückt.

Auch die Bezüge zur Kristallnacht hast du erkannt. Das freut mich. Ich will das jetzt nicht vertiefen, aber dieser Gedanke war natürlich unterschwellig auch bei mir vorhanden.

Mit den Satzanfängen überlege ich noch, es fällt mir ein bisschen schwer, das umzuschreiben.

Liebe Chutney, danke für deinen Kommentar und deine Zeit.

Liebe Grüße und eine angenehme Woche wünscht dir
barnhelm

Lieber GoMusic,

danke auch dir, für deine Anmerkungen.

Ich mochte es, dass
· es erst später klar wurde, dass die beiden Deutschen Ausländer in Ungarn sind. So war das mit den Runen am Anfang recht nebulös.
· die Bedeutung der Runen/Schrift nicht richtig klar wurde.
· die Sache mit dem Referendum wie eine Fiktion wirkte (da ich dachte, es spielt in Deutschland)
Ja, so war auch mein anfänglicher Gedanke. Doch Bea Milana hat mich überzeugt, die Verortung doch an den Anfang zu stellen. So ist auch die Sache mit dem Referendum gleich an ihrem richtigen Platz.

Ildikó hat ihren Akzent bekommen. Mit dem ‚Eindampfen’ warte ich, weil ich auch über diesen Absatz noch nachdenke.
GoMusic, ich wünsche dir einen schönen Wochenanfang.

Liebe Grüße
barnhelm
Bea Milana, auch an dieser Stelle noch einmal danke für’s Mit-Durchdenken und deine guten Anregungen.

 

Ich noch mal,

liebe barnhelm!

Du schreibst:
Hier bin ich mir allerdings nicht sicher:
Wie oft hatte sie früher ihren Schülern erzählt, dass das erst der Anfang gewesen war.
zu meinem
hätte ein Konjuktiv "wäre" (zumal Du ja Th. Aussge referierst) die Schulgrammatik um ein Hilfsverb befreit
Ich will ja die Geschichte als Beispiel heranziehen. Das ginge mMn nach mit der Verkürzung auf ‚wäre’ verloren. Es klirren ja noch keine Scheiben und es brennen noch keine Häuser. Oder sehe ich das falsch?

Hm, kommt immer darauf an, was einer sagen will – nicht was der Friedel will. Da wäre Dir auch Konj. I („… gewesen sei“) vielleicht unbefriedigend, selbst im Falle der indirekten Rede, aber genauer als das zweifelhaftere „wäre“.
Aber dass schon Scheiben klirrten, Brandsätze geworfen wurden und ein Hotel abgefackelt wurde und selbst im an sich friedlichen Ort mit dem schrägen O zu Anfang schon wohlgefüllte Gasflaschen – die nicht zum Teekochen gedacht waren - in Flüchtlingslagern gefunden wurden, die dank laienhafter Vorbereitungen eben nicht explodierten, ging ja auch schon rum. Bessser wäre, diese „Anfänge“ wären gar nicht erst vorgekommen.

Hier fällt mir aber auch nicht so die wahre Verbalisierung ein

Das Licht der Scheinwerfer strich über das Tor und ihnen sprangen die neongelben Zeichen in die Augen.
außer in der Wortzusammenfügung (z. B. „Scheinwerferlicht strich übers Tor und ...“) fällt mir auf die Schnelle auch nix ein, was wieder Mark Twain die hässliche Seite der deutschen Sprache halt nennt.

Gruß

Friedel

 

Liebe bernadette,

danke für deinen ausführlichen Kommentar. Du hast mir ein paar Nüsse zum Knacken mitgegeben. Ich habe den gestrigen Abend damit verbracht, mir zu den von dir genannten Stellen neue und bessere Formulierungen zu überlegen. Aber, wie du am Ende schon selber sagst, man wird betriebsblind und sollte die Sache wahrscheinlich erst mal ein bisschen ruhen lassen. Aus diesem Grund wirst du auch feststellen, dass ich noch bei einigen Formulierungen geblieben bin, ein paar andere, auf die du hingewiesen hast, hatte ich schon vorher eingestampft.

Zum Anfang:
Da komme ich im Moment nicht von dem ‚das Licht der Scheinwerfer strich über das Tor’ weg. Es ist in der Tat so, dass ich, wenn ich nach Hause komme, (vom Tor aus gesehen) von der Seite komme und das Licht dann erst einmal von rechts nach links über die Tür streicht. Ich werd’s aber noch mal überdenken.

Das mit den ‚beiden’ Flügeln und das ‚gepresst’ habe ich verändert.

Deine Idee, die Beziehung Theresa-Ildikó als Dialog zu gestalten, werde ich wahrscheinlich übernehmen.

Ich wollte generell sagen, dass ich die Geschichte sehr gelungen finde, was dieses Empfinden und sich dann in eine Sache extrem hineinsteigern bedeuten kann - das hast du meiner Meinung nach sehr gut dargestellt.

Darüber freue ich mich, denn das trifft meine Intention ziemlich genau.
bernadette, ich danke dir für dein genaues Lesen, deine Anregungen und deine Zeit.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hallo barnhelm,

deine Geschichte ist fein gearbeitet, da gibt es eine Menge Zwischentöne, die erst beim zweiten Lesen zum Vorschein kommen. Du triffst die Stimmung gut (soweit ich das beurteilen kann), die in dem von dir beschriebenen ungarischen Ort herrscht und exemplarisch ist für die Unsicherheit in ganz Europa. Du zeigst die Angst Theresas, das unterschwellige wird spürbar. Auch Ildiko, den Stolz auf ihre Heimat und ihre Furcht zeichnest du mit wenigen Strichen klar und einleuchtend. Allein Jörn bleibt vage und taucht nur auf, um Theresa zu beruhigen und sich ein weiteres Bier zu holen. Klar, das Thema ist ein wenig tendenziös, aber eben doch sehr evident.

Insgesamt ist der Text sehr gut gemacht. Du verzichtest weitgehend auf Effekte und bleibst eng bei deiner Hauptfigur. Klasse Geschichte. Ein paar wenige Stellen könntest du eindampfen, um sie klarer zu machen, aber stilistisch ist das gekonnt und reif.

Ein paar Anmerkungen:

Diese Parole der Rechten hallte in Theresas Ohren, während Jörn und sie einen Moment wortlos verharrten.
Parole der Rechten könntest du streichen, geht aus ihr selbst hervor. Auch "einen Moment" braucht es nicht.

„Ich hol mir noch ein Bier.“ Er gab ihr einen flüchtigen Kuss. „Ich brauch noch einen Moment. Geh du ruhig schon schlafen.“
der trinkt die Probleme weg :hmm:

Der scheidende und der neue Präsident hatten sich getroffen und es schien, als würde wohl doch nicht alles so schlimm werden.
das ist halt so ein Verweis, der sehr am Zeitgeschehen kleben bleibt und an den man sich bald nicht mehr erinnern wird.

Zuerst waren es Schmierereien an Türen, dann klirrende Fensterscheiben, dann brannten Häuser. Wie oft hatte sie früher ihren Schülern erzählt, dass das erst der Anfang gewesen war.
hat sie die dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts erlebt? Wenn ja, muss sie ziemlich alt sein.

setzte sich ihm gegenüber und legte die Hände auf seine Füße.
echt? auf die Füße? oder meinst du die Beine?

In der nächsten Woche würde sie mit der Weihnachtsdekoration beginnen. Aber machte das überhaupt noch Sinn?
mm, das kommt plötzlich, ist sie wirklich zu derart schnellem Handeln entschlossen?

Von irgendwoher löste sich eine Melodie, die wogend lauter und lauter wurde.
sehr sehr gute Stelle :Pfeif:

„Theresa, beruhige dich … Das hat doch mit euch nichts zu tun. Wie kommst du denn nur auf so was?“
jklasse, was da zwischen Zeilen steht

Jörn musste etwas aus der Hand gefallen sein. Etwas war kaputtgegangen.
den letzten Satz, da kommt zu sehr der Erzähler durch, mir ist das zu viel. Eher: "die Scherben schlitterten über den Steinboden."


viele Grüße
Isegrims

 

Liebe Isegrims,

danke für deinen Kommentar und deine Bewertung. Natürlich, ich hab’s mit politischen Themen. Da geht mir das Schreiben leichter von der Hand als beim Zwischenmenschlichen.

Ein paar wenige Stellen könntest du eindampfen, um sie klarer zu machen, aber stilistisch ist das gekonnt und reif.

Ja, mit dem Eindampfen bzw. Verändern einiger Stellen bin ich gerade beschäftigt. Da hast du mir ein paar gute Anregungen gegeben, die wohl einfließen werden. Und besonders mit dem letzten Satz überlege ich noch. Ist schon ein bisschen Holzhammer, aber es fehlt mir eine zündende Idee, vielleicht greife ich auf deinen Vorschlag zurück.

Die Challenge tritt ja jetzt in die Abstimm-Phase und ich bin sehr gespannt, wie es ausgehen wird. Da sind wirklich gute Geschichten dabei und es fällt mir schwer, mich (nur) für drei zu entscheiden.
Aber jetzt verordne ich mir erst einmal eine Deutschland-Woche mit viel Weihnachtsduselei, dem einen oder anderen Gläschen Glühwein und – was das Wichtigste ist – mit Internet-Abstinenz.

Dir wünsche ich ein kuschliges Vorweihnachts-Wochenende.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hej barnhelm,

es ist eine angenehme Zeit gewesen, die ich mit deiner Geschichte verbracht habe. Sie liest sich wie gewohnt sehr gefällig und beinahe sanft, trotz der aktuellen Thematik.
Du hast das sehr unprätentiös aufgezeichnet. Desweiteren fühlte ich mich wohl mit den Protagonisten und von "innen" habe ich dieses Phänomen in Ungarn natürlich noch nie betrachtet. Gerne hätte ich also bei dieser Gelegenheit genauer durch dich hingesehen.

Ich schätze deine elegante Schreibweise und verliere mich gerne darin. Dass du dieses Ende gewählt hast, kann ich gut respektieren und empfinde es als angemessen.

Danke für diesen Einblick und freundlicher Gruß, Kanji

 

Hallo barnhelm,

dein Text spricht ein für mich emotional sehr stark besetztes Thema an. Beim Lesen konnte ich mich aber darüber freuen, dass du sensibel damit umgegangen bist, ohne mit dem Zeigefinger in der Luft herumzustechen.
Mir machen die Aufmärsche aus dem Tal der Ahnungslosen Angst. Aber wie deine Prot bin ich versucht, mich in die Privatheit zurückzuziehen, in der ich mich sicher fühle und darauf hoffe, dass diese Sicherheit nicht ebenso brüchig ist wie in deiner Geschichte.

Etwas war kaputtgegangen.

Die Gegensätze zwischen der harmlosen Normalität deiner Prot und ihrer Unfähigkeit, das Geschehen um sich herum realistisch zu bewerten, machen deinen Text sehr eindringlich. Überhaupt finde ich es immer sehr mutig, wenn sich jemand mit diesem Thema beschäftigt, denn das 'Wie kommst du darauf? Euch doch nicht' geht häufig über in ein 'Das wird man ja wohl noch sagen dürfen' und rechtfertigt die Taten, die dem Gesagten folgen.

Deine Geschichte gibt dem Leser die Möglichkeit, solche Vorkommnisse auch einmal aus der Opferperspektive zu betrachten, aus der man sich nicht mit der 'Ich-bin-ja-kein-Täter-Begründung' zurücklehnen und die Entwicklung aus sicherer Entfernung verfolgen kann.

Vielen Dank dafür!

Willi

 

Hallo barnhelm

Mir hat die Geschichte gut gefallen. Ich finde das Thema interessant, du hast da Potential für viele mögliche Konflikte - zum einen natürlich den offensichtlichen, die Deutschen Auswanderer gegen die rechts-nationalistischen Ungarn.

Dann aber auch den Konflikt zwischen Theresa und Ildikó, den ich spannender finde, weil er mehr schmerzt. Die Sprayer und ihre Taten sind zu verachten, da gibt es keine zwei Meinungen, da ist ganz klar verortet, wer auf der richtigen und wer auf der falschen Seite steht. Bei Ildikó ist es komplizierter - es ist zwar keine echte Freundschaft zwischen ihr und Theresa, aber, wie du schreibst, doch ein "aufmerksames Miteinander". Wenn sich Theresa entscheidet, hier in die Konfrontation mit Ildikó zu gehen, dann setzt sie mehr aufs Spiel, weil sie Nachbarn sind und damit auch eine Möglichkeit für sie, Anschluss an die Einheimischen zu bekommen.

Und der dritte Konflikt ist der zwischen Theresa und ihrem Mann. Offenbar gibt es da unterschiedliche Vorstellungen, was die Zukunft angeht - auch ein schwieriges Thema.

Positiv formuliert erzählst du die Geschichte ruhig und besonnen. Wenn man es negativer formuliert, könnte man sagen, die Geschichte ist sehr brav. Das hängt auch immer mit den Erwartungen des Lesers zusammen - ich persönlich hätte es besser gefunden, wenn du in einen der drei Konflikte - vorzugsweise den zweiten oder dritten - tiefer eingetaucht wärst. Wenn du Theresa auch wirklich zwingst, dahin zu gehen, wo es weh tut. Der Twist am Ende, dass alle Tore besprüht waren, war so zwar nicht vorherzusehen, aber es entlastet Theresa auch dahingehend, dass sich der Zorn nicht direkt auf sie als Deutsche richtet. Entlastung für die Figur heißt für mich als Leser aber, es ist weniger interessant - ich will die Figuren in ihren Konflikten sehen! Zwar deutest du mit dem letzten Satz an, dass sich doch eine Gewalttat explizit gegen Theresa und Jörn richtet - aber eben, es ist der letzte Satz, danach kommt nichts mehr.

Zum Aufbau der Geschichte: Ich fand es ok mit den Rückblenden und kurzen Einschüben. Wenn es dir auf einen richtigen Spannungsbogen ankommt, würde ich aber die Einzelszenen chronologisch aneinanderhängen. In der Regel verspricht das ein höheres Tempo und dann auch mehr Spannung, als auf die Rückblenden zurückzugreifen. Aber ich glaube, auf die Spannung kam es dir gar nicht so sehr an, insofern ist das in Ordnung wie du es gemacht hast.

Also wie gesagt, ich habe es gern gelesen, es war kurzweilig und ich hab mich gut unterhalten gefühlt - aber es wäre mehr drin, wenn du ausführlicher die Konflikte beschreiben würdest. Die Traum-Szene bräuchte ich persönlich nicht, ich glaube in einer ersten Version, die ich gelesen habe, war die auch nicht drin. Die wirkt etwas deplatziert; es ist aber auch nicht so, dass sie irgendwas kaputt macht.

Viele Grüße,
Schwups

 

Liebe Kanji,

auch dir danke ich für’s Lesen und Kommentieren.

Ich schätze deine elegante Schreibweise und verliere mich gerne darin.

Das ist ein Lob, was ich gerne höre. Allerdings sucht diese Art des Schreibens auch spezielle Leser, die sich darauf einlassen.

Kanji, ich wünsche dir eine weiterhin schöne Vorweihnachtszeit.

Liebe Grüße
barnhelm

Liebe Willi,

Mir machen die Aufmärsche aus dem Tal der Ahnungslosen Angst.

Damit hast du genau meine Empfindung sehr schön auf den Punkt gebracht. Mehr und mehr scheinen mir diese ‚Ahnungslosen’ zu bestimmen, wie es weitergehen wird mit uns. Das sehe ich so in Amerika, aber auch zunehmend in Europa. Wir müssen Angst davor haben, dass durch ihre Stimmen Politiker an die Macht kommen, die Werte wie Toleranz und Mitmenschlichkeit in Frage stellen. Das ‚Euch doch nicht’ kann dann u.U. ein Übergangsphänomen sein, wie jobär es mit der Erinnerung an Niemöllers Gedicht angesprochen hat.

Liebe Willi, danke auch dir für deinen freundlichen Kommentar.

Liebe Grüße
Barnhelm

Lieber Schwups,

es freut mich, in deinem Kommentar zu lesen:

Mir hat die Geschichte gut gefallen.

Allerdings relativierst du das später, wenn du über das Konfliktpotential des Textes sprichst:

Positiv formuliert erzählst du die Geschichte ruhig und besonnen. Wenn man es negativer formuliert, könnte man sagen, die Geschichte ist sehr brav.

Und ich muss sagen, dass ich dir sogar zustimme. Ich denke in den letzten Tagen darüber nach, wie ich z.B. den Konflikt zwischen den beiden Protagonisten vertiefen könnte, ihn noch erfahrbarer gestalten könnte, ‚tiefer in ihn eintauchen’ könnte, wie du sagst.
Und ich verstehe, was du meinst, wenn du vom Leser sagst:

… ich will die Figuren in ihren Konflikten sehen!

Keine Ahnung, ob es mir gelingen wird, das zu realisieren. Versuchen werde ich es auf jeden Fall.

Schwups, ich danke dir für deine hilfreichen Anmerkungen.

Auch dir wünsche ich eine angenehme Adventszeit.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Liebe barnhelm

Der Text hat mir gut gefallen, vor allem das Ende, doch dazu später mehr. Ich versuche mich im Folgenden auf den Aspekt zu konzentrieren, der dich gerade umtreibt:

Ich denke in den letzten Tagen darüber nach, wie ich z.B. den Konflikt zwischen den beiden Protagonisten vertiefen könnte, ihn noch erfahrbarer gestalten könnte, ‚tiefer in ihn eintauchen’ könnte, wie du sagst.

Ich hatte nämlich bei der Lektüre ebenfalls das Gefühl, der Text sei etwas zu brav, zu klar, dem Unbehagen nicht ganz angemessen, das du thematisierst. Dazu ein paar Ideen:

Nun war es also passiert, ging es Theresa durch den Kopf. Das waren keine Graffiti. Runen waren das, genau wie die auf dem neuen Schild am Dorfeingang. ‚Magyarország a magyaroké’ – Ungarn den Ungarn! Diese Parole der Rechten hallte in Theresas Ohren, während Jörn und sie einen Moment wortlos verharrten.

Du machst das häufig, dieses "ging ihr durch den Kopf", "dachte sie". Ich denke, dadurch schaffst du Distanz zu den Figuren. Hier auch durch die Einordnung "Parole der Rechten". Wenn das unmittelbarer käme: (Nun war es also passiert. Das waren keine Graffiti. ... Ungarn den Ungarn!), dann wirkt das m.E. direkter, intensiver.

Auch die Fenster der Nachbarhäuser waren dunkel. Natürlich, dachte sie, es war nach zwei. Alle schliefen.

Hier ähnlich. Das ist nicht das typische Erklären, über das wir hier häufig sprechen, sondern eine Art Einordnung, Klärung dessen, was geschieht. Ansonsten fand ich diesen Abschnitt sehr stimmungs- und wirkungsvoll.


„Wer macht denn nur so was?“, fragte Theresa.
„Jugendliche, verrückte Jugendliche.“ Jörn verfehlte den Haken und der Mantel fiel zu Boden.
Er hob ihn auf. „Mach dir keine Gedanken. Das wird sich aufklären.“ Er drehte sich zu ihr. „Und bitte, fang nicht wieder an, dir irgendwas einzureden. Das sind nur blödsinnige Schmierereien.“

Das ist vielleicht der wichtigste Punkt und ich formuliere es mal provokativ und frontal: Deine Protagonistin ist zu rational. Die will sofort klären. Damit wird die Schrift ans Licht gezerrt, explizit thematisiert - und kann daher nicht so gut unter der Oberfläche gären.

Und: Derart vernünftige Figuren sind weniger anfällig für leidenschaftliche Konflikte. Meine These: Wenn du die Konflikte verstärken möchtest, musst du Theresa den Teil ihres Gehirns entfernen, der ständig alles unter Kontrolle haben will. :)

Auch wenn sie sich anschliessend erinnert - eine gute Szene - versucht sie ihr Innenleben zu benennen ("mumliges Gefühl") und die Sachlage zu analysieren (Wo gab es das, dass Soldaten ...?")

Theresa fühlte sich immer auf dünnem Eis, wenn sie mit Ildikó über Politik sprach. Einerseits fand sie es angenehm, jemanden zu haben, der so gut Deutsch sprach. Andererseits gab es seit dem Referendum gegen die Aufnahme von Flüchtlingen Momente, in denen Theresa spürte, dass sie bei dem, was sie ihrer Nachbarin sagte, wachsam sein sollte.

Wiederum eine analysierende Protagonistin. Der Konflikt, den du angelegt hast, kann nicht eskalieren, nicht brodeln, er wird durch die Verstandesleistung Theresas eingeebnet. Und du nimmst dem Leser hier auch viel ab.

Theresa wälzte sich auf die andere Seite. Sie musste damit aufhören. Jörn hatte recht, sie steigerte sich gerne in etwas hinein. Vielleicht sollte sie ein Glas Wein trinken? Das half meistens, wenn sie nicht gleich einschlafen konnte. Sie stand auf, zog den Bademantel über und ging ins Wohnzimmer.

Das bedeutet, dass solche Passagen m.E. weggelassen werden könnten.

Sie unterdrückte ihre aufkommende Gereiztheit

Schade!

Am Anfang war Theresa neugierig auf Ildikós politische Meinung gewesen, aber dann hatte sie sich entschieden, auf ‚nicht mehr abonnieren’ umzustellen. Diesen populistischen Scheißdreck, wie sie es in Gedanken nannte, brauchte sie nicht.

Die Begründung könnte man weglassen, dem Leser überlassen.

„Ildikó, kannst du mir sagen, was das alles mit uns zu tun hat? Warum gerade wir? Was haben wir falsch gemacht? Was haben wir euch getan? Warum will man uns hier weg …?“ Ihre Stimme überschlug sich und wurde von einem Schluchzen erstickt.
Es dauerte einen Moment, bis Ildikó wieder etwas sagte.
„Theresa, beruhige dich … Das hat doch mit euch nichts zu tun. Wie kommst du denn nur auf so was?“

Ich fand den Dialog sehr gut, aber auch hier wird zügig aufgelöst, weil Theresa einen solch hohen Klärungsbedarf hat. Sie fragt direkt und kriegt eine direkte Antwort und weg ist der Konflikt.
Wobei ...

Kein Mensch will euch was. Euch doch nicht!

... ich das sehr stark fand. Das jagt mir einen Schauer über den Rücken. Ich fände es sogar angebracht, die Geschichte hier enden zu lassen, dieses "etwas war kaputtgegangen" in den Kopf des Lesers einsickern lassen, ohne es zu bennenen.

Ich bin jetzt auf diesem Punkt rumgeritten, ohne die Stärken des Textes (Themenwahl, Relevanz, Umgehung aller plakativen Klippen, sehr routinierte Sprache) herauszuarbeiten. Daher noch mal ganz klar: Ich habe den Text sehr gerne gelesen.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Liebe barnhelm,

leider habe ich nicht die Zeit, sämtliche Kommentare zu lesen. Verzeih mir also, wenn ich etwas wiederholen sollte.

Ein brandatuelles Thema hast du dir da ausgesucht, ein Thema, das den Text natürlich automatisch interessanter macht, weil man sich selbst damit beschäftigt und die Herangehensweise anderer nachvollziehen will.

Dein Text ist spannend, schon zu Beginn mit der Schmiererei und der Frage, wer dafür nun verantwortlich sei und wer es auf Theresa und Jörn abgesehen haben könnte. Ein Akt des Fremdenhasses oder bloß ein Dumme-Jungen-Streich? Das zieht einen gleich in den Text, gut gemacht. Und die Angst vor einer unsichtbaren Bedrohung, die Theresa verspürt, zieht sich durch die Geschichte und hält die Spannung (beispielsweise bei den Männern im Wald).

Die Ehe der beiden wirkt sehr distanziert, vieles bleibt unausgesprochen. So hatte ich zumindest den Eindruck. Das mag nun daran liegen, dass die beiden schon lange zusammen sind. Oder beginnt hier auch eine Entfremdung? Mir erscheint es fast so, denn dass Theresa nur in Ungarn ist, um Jörn den Traum vom Ruhestand dort nicht zu ruinieren, ist offenkundig. Und wenn sie sich dort nicht mehr wohlfühlt, leidet die Ehe zwangsläufig darunter.

Und ja, die Idylle in Ungarn, ein Hof mitten im Grün, was kann da schon schiefgehen. Nette Nachbarn, tolle Umgebung. Aber dann kommt es zu dem Vorfall, die Nachbarn sind vielleicht doch nicht so nett, die Idylle täuscht. Auch wenn sie den Deutschen nichts wollen, der Fremdenhass ist tief verwurzelt, das wird Theresa bewusst. Etwas geht kaputt. Die letzten Sätze gefallen mir sehr, liebe barnhelm.

Was mir weniger gefallen hat, ist, dass sich alles in einem Telefongespräch aufklärt und das passiert alles so zack zack. Die Jungs warn's, okay. Das Ende verpufft so ein bisschen, indem Ildikó das alles einfach erklärt und fertig. Veilleicht wäre eine Konfrontation mit den Jungs hier besser gewesen. Oder lügt Ildikó hier sogar? Wenn die ganze Nachbarschaft voller Schmiererein ist, müsste das Theresa nicht viel früher aufgefallen sein? Der ganze Ort müsste doch darüber sprechen. Und was ist das für ein Verein, in dem die Jungs sind? Ungarn den Ungarn? Vielleicht war der Schnaps hier doch nicht der Übeltäter, vielleicht war er nur ein Katalysator für etwas, das schon lange unter der idyllischen Oberfläche schwelt.

Noch ein paar Anmerungen:

Je näher sie ihnen kam, umso größer und aggressiver erschienen ihr die grellen, eckigen Zeichen.

Hm, der Satz klingt ein wenig holprig. Ich würde ihn etwas umstellen. Vielleicht: Je näher sie den grellen, eckigen Zeichen kam, umso größer und aggressiver wirkten sie. Aber optimal ist das jetzt auch nicht.

Die Farbe war noch weich und klebte an ihrem Finger.

Sagt man das so? Vielleicht besser feucht?

Theresa stand unschlüssig vor dem Spiegel.

Sowas würde ich immer rausnehmen. Aus den folgenden Sätzen geht doch hervor, dass sie unschlüssig ist.

Wo gab es das, dass Soldaten sonntags im Privatauto zu einer Übung kamen?

das, dass ist etwas unschön. Vielleicht: War es denn normal, dass Soldaten sonntags im Privatauto zu einer Übung kamen? Oder so ähnlich. Ist nur ne kleine Anregung, du kannst deinen Satz natürlich auch so belassen. ;)

Das Land gehöre zur EU. Und solange das so sei, brauche sich niemand irgendwelche Gedanken zu machen.

Wenn es doch nur so einfach wäre, lieber Jörn. :D

Die Katze hatte sich in ihrem Korb neben dem Bett eingerollt. Theresa spürte, dass sie nicht so schnell einschlafen würde und stellte den kleinen Fernseher an.

Hier ist der Bezug etwas undeutlich. Ich dachte im ersten Moment, es wäre die Katze gemeint.

Theresa fühlte sich immer auf dünnem Eis, wenn sie mit Ildikó über Politik sprach.

Andererseits gab es seit dem Referendum gegen die Aufnahme von Flüchtlingen Momente, in denen Theresa spürte, dass sie bei dem, was sie ihrer Nachbarin sagte, wachsam sein sollte.

Der erste Satz sagt dasselbe aus wie der zweite und umgekehrt. Vielleicht wäre es eine Überlegung wert, einen Satz zu streichen.

„Nein.“ Theresa goss sich ein Glas Wein ein, setzte sich ihm gegenüber und legte die Hände auf seine Füße.

Hat sie den Wein nach dem Eingießen auf dem Tisch stehen lassen?

„Und, was soll das bringen?“

Kein Komma

Wenn Jörn gefragt wurde, ob er sich vorstellen könne, zurück nach Deutschland zu gehen, war seine Antwort stets, dass das hier sein Alterssitz sei und er hier sterben wolle.

Wieder dass das. Vielleicht: [...] dass hier in Ungarn sein Alterssitz sei [...]

Am Anfang war Theresa neugierig auf Ildikós politische Meinung gewesen, aber dann hatte sie sich entschieden, auf ‚nicht mehr abonnieren’ umzustellen. Diesen populistischen Scheißdreck, wie sie es in Gedanken nannte, brauchte sie nicht.

Das Markierte könnte raus. Anfangs zeigt das PQP ja schon an, und wir verfolgen die ganze Zeit schon Theresas Gedanken, da braucht es den Einschub hier nicht.

Wie kommst du denn nur auf so was?

sowas

Dein Stil gefällt mir und der Text liest sich locker weg, da gibt's nichts zu sagen. Eine gute Geschichte über ein sehr brisantes und aktuelles Thema, stellenweise subtil umgesetzt. Gerne gelesen, liebe barnhelm.

Liebe Grüße
gibberish

 

Hallo @barnhelm,

Dein Schreibstil ist ruhig und angenehm wie die Protagonistin - bin sogar ein wenig zusammengezuckt, als ich Scheißdreck las :-)

Ich kann die Angst des Ehepaares nachvollziehen. Sie haben sich in Ungarn eine Existenz aufgebaut, freuen sich auf einen schönen gemeinsamen Lebensabend und plötzlich prangen Runen am Eingangstor und ausländerfeindliche Parolen werden geäußert.
Während Theresa die Angst nicht zur Ruhe kommen lässt, scheint ihr Mann gelassener zu reagieren. Ich habe das aber nie als Gleichgültigkeit empfunden. Er fühlt sich eben durch die EU geschützt und Grübeln bringt ja wirklich keinen weiter.
Mit dem Ehepaar bin ich gut zurecht gekommen. Gute und glaubwürdige Charaktere.

Was ich nicht verstanden habe, waren die Männer in Tarnkleidung. Die werden erwähnt, auch, dass sie längliche Gegenstände abladen. Aber ich verstehe nicht ihre Bedeutung. In wieweit haben sie mit der politischen Veränderung im Land zu tun? Hier habe ich erwartet, im Text Näheres zu erfahren, was aber ausblieb. Jetzt bin ich verunsichert. Habe ich schlampig gelesen oder verstehe ich das Offensichtliche nicht?

Was mir sehr gut gefallen hat, war Theresas Traum. Ich glaube, diese Passage ist neu – ich habe Deine Geschichte schon einmal gelesen und ich meine, die kam darin nicht vor. Das finde ich gut. Eben auch, weil es eine natürliche Reaktion ist, Stress im Traum zu verarbeiten.

Dann kommt die Erleichterung mit dem Anruf der Nachbarin.
Wie sich das wohl anfühlen mag? Mit dem Schrecken davongekommen zu sein und zu erfahren, dass man als Deutsche zu den Privilegierten gehört, gegen die niemand etwas hat? Fürs Erste ein Aufatmen, doch in der Tat, etwas ist kaputtgegangen.

Liebe barnhelm, ein bedrückender Text über eine bedrückende Situation, der mir rundherum gelungen erscheint.

Lieber Gruß
Tintenfass

 

Hallo Barnhelm,

mir hat deine Geschichte gefallen. Das vorneweg, denn ich habe einige Kritikpunkte.
Zum einen ist mir Jörn einfach zu blass. Ich hab kein Bild von ihm, find den nicht greifbar. Auch die Beschreibung, dass genau das sein Lebenstraum ist, eine Ruine aufzubauen, ich weiß nicht, das fand ich beim Lesen irgendwie seltsam, aufgesetzt. Du machst ja schon deutlich genug, dass er sich hier wohlfühlt und er bleiben will. Aber okay, ist kein großes Ding.
In eine ähnliche Kerbe haut für mich die Traumsequenz. Das finde ich auch aufgesetzt. Also, schon klar, weshalb du dieses Szenario in die Geschichte bringst, aber ich finde, es ist die denkbar einfachste Variante, die Angst der Theresa in einen Traum unterzubringen, böse ausgesprochen: etwas billig. Ich habe jetzt keinen konkreten Vorschlag, wie du das ändern könntest, aber es mehr in einen Dialog zu verpacken, vielleicht in ein Gespräch, das sie mit einer deutschen Freundin (am Telefon?) führt, das würde organischer auf mich wirken. Es hat auch ein bisschen den Anstrich, als würdest du deiner Geschichte nicht so ganz vertrauen, dass du lieber noch was mehr Plakatives nachschiebst. Weniger wäre hier mehr nach meinem Empfinden.
Mit dem Ende bin ich auch nicht so ganz glücklich.
Also dieses Gespräch, weiß nicht, irgendwie nehme ich das nicht so ganz ab. Ich fühle einfach nicht, wie das Gesprochen wird. Auch hier würde ich noch straffen.
Der Absatz hier zB, den halte ich für viel zu lang:

„Ildikó, kannst du mir sagen, was das alles mit uns zu tun hat? Warum gerade wir? Was haben wir falsch gemacht? Was haben wir euch getan? Warum will man uns hier weg …?“ Ihre Stimme überschlug sich und wurde von einem Schluchzen erstickt.
Wird das nicht schon nach der erste Frage deutlich? Das ist für mich wieder so eine Unsicherheit, die durch mehr kompensiert wird.

Aber, um wieder zum Anfang zu kommen, ich habe die Geschichte trotzdem gerne gelesen. Da ist eine dauerhafte unangenehme Spannung drin. Also dieses Kopfkino der Theresa, das überträgt sich sehr gut, habe da mit allem gerechnet.
Das Thema der Challenge hast du für mich bisher am besten aufgegriffen, bin aber auch noch lange nicht mit allen Geschichten durch.

Wünsche dir ein schickes Wochenende

grüßlichst
weltenläufer

 

Lieber Peeperkorn, lieber gibberish, liebe Tintenfass, lieber weltenläufer,

nach einer internet-freien Woche mit deutscher Weihnachtsseligkeit bin ich gerade wieder in Ungarn zurück. Ich danke euch vorab schon einmal für eure sehr ausführlichen Kommentare. Es wird ein bisschen Zeit brauchen, mich mit ihnen zu beschäftigen und deshalb werde ich sie erst in den nächsten Tagen beantworten können.

Ich wünsche euch einen schönen Wochenanfang.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Das Licht der Scheinwerfer strich über das Tor und ihnen sprangen die neongelben Zeichen in die Augen.

Hello barnhelm,

ich weiß nicht, ob Licht streichen kann. Und die Zeichen springen ihnen auch nicht in die Augen - wie soll das gehen? Dann, im nächsten Satz, kommen die grünen Flügel ... ich finde, das ist etwas viel Farbe, zu geballt, zu direkt hintereinander. Auch könntest du das eher besser zeigen, dieses Gefühl - was ist denn das???

Jörn trat hart auf die Bremse und der Motor soff ab.

Das sind oft so kleine Sachen, die einen Text dann noch runder machen, wie hier: Es ist klar, dass er hart auf die Bremse tritt, sonst würde der Motor nicht absaufen. Eins bedingt das andere.

Der zweite Absatz - ich stelle mir vor, ich komme so spät heim, und da sind Zeichen auf der Tür/Tor. Sie putzt die erstmal weg mit Tempo? Neee, man hat doch erstmal Angst? Sind die noch da, warten die auf uns, hauen die uns um, töten die uns? Da könntest du mehr auf die Suspense-Schiene gehen, mit der Erwartung des Lesers spielen.

Das schließt sich mit den beiden weiteren Absätzen kurz: Die nehmen das total locker, auch wenn der Anschein erweckt werden soll, dass sie das vielleicht schon mal erlebt haben. Also, ich wäre ganz schön mitgenommen, wenn ich mitten in der Nacht nach Hause komme und da sind Runen auf mein Tor gesprayt. Und er macht sich erstmal 'n Bier auf. :D

Diese Erinnerung an die Männer - das kombiniert sie ja jetzt aufgrund der Runen. Da ergibt sich jetzt ein rundes Bild für sie, das müsstest du aber aktiver gestalten. Vielleicht probierst du hier mal einen Gedankenstrom aus, und kündigst diese Erinnerung nicht an, sondern schreibst einfach den Textblock, der dann die Erinnerung ist. Das würde den Aha-Moment bekräftigen.

Von ihrem Unbehagen über die neue politische Situation wollte er nichts wissen.
Das wäre natürlich perfekt für eine Szene. Hier könnten beide Personen aus dem Schatten heraustreten und Profil gewinnen. DAS hier wäre sehr wichtig für die Tiefe und Echtheit der Geschichte. Lass sie sagen, was sie denken.

Im Grunde geht es mir im weiteren Verlauf ganz ähnlich. Du hast sehr viel "tell" drin, und das könnte man alles szenischer machen, dann wird es weiter, durch das Sprechen verdinglicht sich alles, wird plastischer, echter.

Das ist ein echt schwieriges Thema, das du dir ausgesucht hast, und ich finde das sehr mutig. Du gehst dahin, wo es weh tut. Man spürt beim Lesen, dass du dir sehr viel Mühe gegeben hast, sehr sorgfältig gearbeitet hast, auch an dem Hintergrund gefeilt, aber ich finde, dieser Text ist ein wenig zu gefällig geworden. Er müsste böser sein, nicht so glatt, hier passiert nix, außer diese Runen: aber die stehen für etwas, das sind ja Vorzeichen, und dann ist es so eine etwas bürgerliche Gleichung, auf die das hinausläuft, denn - durch den ungarischen Nationalismus passiert was genau? Im Grunde macht dieses Aufkeimen ihnen ja den Lebensabend kaputt. Das ist halt für viele Leser weit weg. Es müsste näher sein, näher am Mensch selbst. So ist das eine Bedrohung, die nie konkret wird, und die nie belastend wird, weil sie die Mittel haben, einfach wegzugehen. Man spürt nie eine Ausweglosigkeit, und das ist es auch, was mich ein wenig stört, der Konflikt wird in dieser Konstellation nie wirklich greifbar, der ist immer nur an der Oberfläche.

Gruss, Jimmy

 

Hallo barnhelm,

nun erwischt es auch Deine Geschichte mit einem kleinen Kommentar von mir. Ich hatte sie schon einmal gelesen, kurz nachdem Du sie eingestellt hattest und jetzt noch einmal. Mir gefällt sie gut, den "Perspektivenwechsel" finde ich spannend.

Im Folgenden findest Du Zitatstellen, bei denen ich als Leser "gestolpert" bin mit einer kurz Erklärung warum. Verstehe das nicht als Kritik. Das ist quasi meine Empfindung, die ich Dir mitteile in der Hoffnung, dass Du das vielleicht interessant findest, wie der eine oder andere Satz bei einem Leser wie mir ankommt bzw., welches Bild er hervorruft:

Das Licht der Scheinwerfer strich über das Tor

Bei "streichen" sehe ich, warum auch immer, eine vertikale Bewegung vor meinem geistigen Auge. Ich denke aber, Du meinst eine horizontale, weswegen ich bei dem ersten Teilsatz kleben bleibe und nachdenke. Das ist schade, dann das Wichtige kommt im nächsten Teilsatz.

„Jugendliche, verrückte Jugendliche.“ Jörn verfehlte den Haken und der Mantel fiel zu Boden.
Er hob ihn auf. „Mach dir keine Gedanken. Das wird sich aufklären.“ Er drehte sich zu ihr. „Und bitte, fang nicht wieder an, dir irgendwas einzureden. Das sind nur blödsinnige Schmierereien.“ Er hängte den Mantel auf und wandte sich zur Küche.

Der fettgedruckte Teil hat mich an der Stelle gestört, da ich schneller der Kommunikation folgen wollte.

Die Diskussion über den neu gewählten amerikanischen Präsidenten lenkte sie einen Moment ab,
Ja, das ist wirklich eine Diskussion wert. Aber nachdem diese Information in der Geschichte nicht weiter wichtig ist, hat sie mich von der eigentlichen Geschichte abgelenkt.

„Ich möchte dann lieber nach Hause. Das halte ich nicht aus.“

Die fettgedruckte Information war für mich eine Dopplung des ersten Satzes. Die Wortwahl "nach Hause" fand ich komisch. Mir ginge es so, dass ich "in die Heimat zurück" oder etwas in der Richtung erwartet hätte. Ich habe dann über das "nach Hause" nachgedacht, bis mir klar war, dass sie wohl das ursprüngliche zu Hause in Deutschland meinte.

Hör mir zu Theresa: So ist das doch gar nicht… Jedes Tor hier in unserer Straße …“ Sie machte eine Pause und begann noch einmal: „Hör mir zu: Alle Tore haben sie beschmiert. Alle! …
Den fettgedruckten Teil bräuchte ich nicht und fände es natürlich, wenn es direkt mit "Jedes Tor hier ..." beginnen würde.

Wie gesagt, meine Empfindungen als Leser - mehr nicht.

Gruß
Geschichtenwerker

 

Lieber Peeperkorn,

zuerst noch einmal danke für’s Lesen und Überdenken meines Textes.

Ich hatte nämlich bei der Lektüre ebenfalls das Gefühl, der Text sei etwas zu brav, zu klar, dem Unbehagen nicht ganz angemessen, das du thematisierst.

Ja, diesen Aspekt haben auch schon andere angesprochen. Deine Ratschläge, die auf guten Überlegungen beruhen, werde ich berücksichtigen, wenn ich mich an die Überarbeitung begebe. Ich finde, du hast die Probleme (zu brav, zu rational usw.) sehr gut benannt und mir anhand von Beispielen aufgezeigt, an welchen Stellen ich ansetzen kann. Leider habe ich im Moment nicht sehr viel Zeit, so dass ich wahrscheinlich erst in der nächsten Wochen dazu komme, den Text umzuschreiben. Aber deine Analyse wird mir dabei eine große Hilfe sein. Ob ich es schaffe, meine eigene Distanziertheit zu überwinden, wird sich dann zeigen.

Lieber Peeperkorn, danke für die hilfreichen Tipps.

Lieber gibberish,

auch dir danke ich für dein aufmerksames Lesen.

Die Ehe der beiden wirkt sehr distanziert, vieles bleibt unausgesprochen. So hatte ich zumindest den Eindruck. Das mag nun daran liegen, dass die beiden schon lange zusammen sind. Oder beginnt hier auch eine Entfremdung? Mir erscheint es fast so, denn dass Theresa nur in Ungarn ist, um Jörn den Traum vom Ruhestand dort nicht zu ruinieren, ist offenkundig. Und wenn sie sich dort nicht mehr wohlfühlt, leidet die Ehe zwangsläufig darunter.

Diesen Aspekt meiner Geschichte werde ich noch weiter ausbauen. Es geht ja, wie z.B. Schwups gesagt hat, um das Herausarbeiten der einzelnen Konflikte in meiner Geschichte. Und da ist diese ‚Entfremdung’ zwischen den beiden sicherlich etwas, was sich vertiefen und auch den äußeren Konflikt noch dramatischer gestalten ließe.

Das Ende verpufft so ein bisschen, indem Ildikó das alles einfach erklärt und fertig. Veilleicht wäre eine Konfrontation mit den Jungs hier besser gewesen. Oder lügt Ildikó hier sogar?

Beim Schreiben der Geschichte hatte ich genau diese Befürchtung. Du gibst mir hier ein paar gute Ideen, wie ich das Ende eventuell dramatischer gestalten könnte.

Deine weiteren Anmerkungen leuchten mir fast alle Teil ein und ich werde sie, wenn ich mich in den nächsten Tagen ans Überarbeiten setze, berücksichtigen.

Danke dafür, dass du meinem Text soviel Aufmerksamkeit geschenkt hast.

Liebe Tintenfass,

auch dir danke ich für deinen ausführlichen Kommentar.

Was ich nicht verstanden habe, waren die Männer in Tarnkleidung. Die werden erwähnt, auch, dass sie längliche Gegenstände abladen. Aber ich verstehe nicht ihre Bedeutung. In wieweit haben sie mit der politischen Veränderung im Land zu tun?

Genau so diffus wie das bei dir ankommt, war es von mir auch gedacht. Da sammeln sich plötzlich Männer in Tarnkleidung, die an Militärkleidung erinnert, laden etwas (vielleicht Gewehre) ab und verschwinden im Wald. In der gegenwärtigen Situation hier nehme ich sowas als ein Phänomen unter vielen wahr, kann es nicht gleich einordnen, fühle nur eine unterschwellige Bedrohung. Und es ist in der Tat so, dass sich hier - gestützt und geduldet von der rechts-nationalen Regierung – Gruppen gebildet haben, die glauben, sie müssten helfen, die Nation zu verteidigen und entsprechend martialisch auftreten.

Liebe barnhelm, ein bedrückender Text über eine bedrückende Situation, der mir rundherum gelungen erscheint.

Das höre ich gern, glaube aber, dass ich aufgrund der vielen guten Anregungen noch einmal an ihn rangehen werde, um ihn noch ein bisschen besser zu machen.

Peeperkorn, gibberish, Tintenfass, ich danke euch für eure hilfreichen Kommentare und wünsche euch weiterhin eine schöne Adventszeit.

Liebe Grüße
barnhelm

Leider komme ich erst morgen dazu, die restlichen Kommentare zu beantworten.

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe barnhelm,

gleich nach dem Einstellen hab ich mich auf deine KG gestürzt. Schon damals fand ich, dass du aktuell-politische Ereignisse und das, was sie mit uns im privaten Sektor anstellen können, sehr geschickt verknüpft hast. Ein großes Kompliment.
Heute bin ich wieder hier gelandet und erkenne einige Veränderungen (die es für mich nicht unbedingt gebraucht hätte), allerdings bleibe ich auch dieses Mal am ersten Satz hängen.

Das Licht der Scheinwerfer strich über das Tor und ihnen sprangen die neongelben Zeichen in die Augen.
Nenn' mich penibel oder rachsüchtig :lol:, obwohl ich weiß, der Satz ist grammatikalisch korrekt, und es mir bekannt ist, dass den Scheinwerfern niemals die Zeichen in die Augen springen können, interpretiert mein Gehirn die Aussage so. Das irritiert mich. Vielleicht magst du mal aus dieser Warte auf den Satz gucken?

Jugendliche, verrückte Jugendliche.“ Jörn verfehlte den Haken und der Mantel fiel zu Boden.
Prima dargestellt, der coole Jörn, der sich unbesorgt gibt und doch den Mantel fallen lässt.
"Das wird sich aufklären.“ Er drehte sich zu ihr. „Und bitte, fang nicht wieder an, dir irgendwas einzureden. Das sind nur blödsinnige Schmierereien.“
Seine Worte zeugen ja auch davon, dass die Beziehung in Takt ist, er will seine Frau beruhigen, kommt halt der Beschützerinstinkt durch.
Die beiden Sätze hab ich nur stellvertretend rausgepickt. An vielen Stellen konntest du durch diese Details Gefühlsregungen darstellen, ohne sie konkret zu benennen. Toll!

Die rassistisch motivierten Übergriffe hätten seit der Wahl deutlich zugenommen, sagte der Nachrichtensprecher. Theresa drückte die Fernbedienung.
Ein schönes Symbol für das generelle Wegsehen (wenn man nicht noch mehr beunruhigt werden will).

So hatte sich die Frage, ob sie zurückkehren würden, wie von selbst erledigt. Natürlich spielte auch das bessere Klima eine Rolle.
Besseres Klima könnte zu Verwirrung führen, du meinst Klima von Wetter bestimmt, man könnte aber auch die politische Situation darunter verstehen, die ist alles andere als besser

Zuerst waren es Schmierereien an Türen, dann klirrende Fensterscheiben, dann brannten Häuser. Wie oft hatte sie früher ihren Schülern erzählt, dass das erst der Anfang gewesen war.
Schön, ein politisch interessierter Mensch, der befürchtet, man habe aus geschichtlichen Ereignissen wenig gelernt.

„Wie kommst du nur darauf, dass wir etwas gegen euch haben? Ihr seid doch Deutsche. Kein Mensch will euch was. Euch doch nicht!“
Für mich der wichtigste Satz der KG: Ausländer sind nicht gleich Ausländer, selbst hier ein Klassenunterschied.

Noch ein Wort zu dem Traum. Der Abschnitt ist super geschrieben, reale Bedrohung, diffuse Ängste und fiktive Auswirkungen hast du, eben traumtypisch, verquirlt.
Was ich mich frage: Braucht die Geschichte ihn wirklich? Für mich hat sie auch schon ohne ihn gut funktioniert. Da bin ich sicherlich sehr konservativ mit meiner Einstellung: Es war gut so, also, soll es so bleiben. Nicht, dass du jetzt auf die Idee kommst, die Traumsequenz zu streichen.:D Ich teile nur meine Gedanken beim Lesen mit und hier meldet sich Zweifel an der Notwendigkeit.

Liebe barnhelm,
eine grandiose Geschichte. Du zeigst wunderbar diesen Prozess, der sich in uns abspielt, wenn längst Befürchtetes ein Gesicht bekommt. Die innere Argumentation, das Betrachten des Für und Widers, das Abschwächen, das Zulassen der Angst. Ich mag den Aspekt, wie unterschiedlich das Paar mit der veränderten Situation umgeht: vielleicht die typisch weibliche, typisch männliche Herangehensweise. Sei es wie es will, mit Gewissheit eine typische barnhelm-Geschichte, gewohnt schnörkellos, ruhig und einfühlsam erzählt, mit klaren Bildern und einem aktuellen Bezug.

Das war’s. Nichts, was du nicht alles selber wissen würdest, jetzt eben mal durch meine Brille gesehen, nichts Umfassendes, eben spontane Gedanken, die während des Lesens aufkamen.

Lass es dir gut gehen, liebe Grüße,
peregrina

 

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