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Bier

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24.09.2004
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Bier

Wo soll ich anfangen? Das Erinnern fällt mir schwer, vor allem heutzutage, das können sie mir glauben. Wenn es um den Anfang geht, ist es ohnehin immer schwer. Dennoch möchte ich es versuchen.

Es begann mit einem Werbespot: „Jeden Abend ein kühles Bier, und ihre Freude wird sich verdoppeln. Und das jeden Tag!“
Heute weiß ich, dass ich diesen Spot falsch verstand. Aber heute brauche ich mich dessen nicht mehr zu schämen.

Zu dieser Zeit kannte ich Bier nicht und dachte, was kann es schon schaden, wenn ich eins trinke, morgen dann zwei, übermorgen vier, und so weiter, sie wissen schon. Doppelte Freude und das jeden Tag. Klang logisch, und so tat ich es.

Die erste Woche war toll. Das reinste Fest. Wie es der Zufall wollte, griff ich bei meiner ersten Kiste direkt zu den 0,5 Liter Flaschen. Erst später sah ich, dass es Bier auch in 0,3 Liter Flaschen gab. Doch da war es mir bereits egal. An halbe Liter gewöhnt man sich schnell, vor allem, wenn man jeden Tag die Dosis verdoppelt.

Mit der Werbespottaktik kam ich bis zum siebten Tag, als ich merkte, dass es so nicht weitergehen konnte. Offensichtlich wollen einen die Werbestrategen doch nur um den Finger wickeln. Da vertraut man ihnen einmal und dann... Wie auch immer. Vom siebten Tag an verdoppelte ich nicht mehr, sondern hielt mich bei der sechzehn Liter Marke. Auch wenn es zuerst viel schien, beinahe zu viel, ich bekam diese Dosis in den Griff. Nach einem Monat war ich so konditioniert, dass mein Pensum nachmittags verbraucht war und ich den restlichen Tag Wasser trinken musste.

Das wurde schnell sehr langweilig, und ich begann unglücklich zu werden. Sogar meine Familie merkte das. Irgendwann trat mein Bruder an mich heran und erzählte mir von einem Freund, der morgens mittags und abends Bier trank. Das sei nicht ungesund, denn der Körper könne drei Portionen sehr wohl vertragen und darüber hinaus hätte man immer einen ausgeglichenen Flüssigkeitshaushalt, die Niere müsse sich auf diese Weise nicht immer an- und ausschalten, wie er es ausdrückte, sondern bewege sich die ganze Zeit auf einem gleichmäßigen Arbeitsniveau. Keine Nierensteine, gereinigtes Blut, und die ganze gesunde Liste hätte man damit auf seiner Seite. Zumindest was die Nieren anging. Ich nahm mir die Ratschläge meines Bruders zu Herzen. Er war für mich immer ein Vorbild gewesen.

Drei Portionen, dachte ich. Die sechzehn Liter entsprachen einer Portion, das mal drei und ich hätte jenen gesundheitsfördernden Zustand erreicht, von dem mein Bruder gesprochen hatte.

Ich will sie nicht belügen. Nein, es gelang mir nicht sofort. Man konnte mir vieles vorwerfen: Faulheit, Demotivation, Antriebslosigkeit. Eine endlose Liste. Aber als ich daran arbeitete, die Portion zu verdreifachen, war ich alles andere als das. Trotzdem brauchte ich vier Monate, bis mir die dreifache Dosis zum ersten Mal gelang. Als es schließlich klappte, war ich wirklich erleichtert, hatte ich doch während dieser Zeit sehr um meine Niere gebangt. Es ist erstaunlich, welchen Gefahren man sich viele Jahre ausgesetzt hat, ohne davon zu wissen.

Natürlich lief ich direkt zu meinem Bruder und berichtete ihm von meinem Erfolg. Ich trinke jetzt auch dreimal am Tag Bier, sagte ich ihm, es wäre eine völlig neue Erfahrung. Aktive Niere, ausgeglichener Wasserhaushalt und so weiter. Nach vier Monaten hatte ich bereits geglaubt, mein Bruder würde sauer auf mich sein, doch als er das hörte, da erhellten sich seine Gesichtszüge. Mir fiel ein Stein vom Herzen.

Ein paar Tage später lud er mich eines Abends zu sich ein. Der Freund, der ihm den Tipp gegeben hatte, war auch zugegen. Ich hatte mir da schon einen Kombi zugelegt, weil die Bierkisten, von denen ich mittlerweile fünf pro Tag trank, meinen kleinen Golf schon längst überfordert hatten.

Als ich eintraf und sie mein Bier sahen, lobten sie mich, schlugen mir auf die Schulter und dankten mir, weil ich für alle Bier mitgebracht hätte. Ich konnte ihren Worten nicht folgen. Es sei doch mein Bier, entgegnete ich, und ob sie denn nicht auch die Strategie praktizierten, und wo war überhaupt ihr Bier?

Leicht verwundert deuteten sie in die Ecke, wo zwei klägliche Kisten standen. Mein geschultes Auge erkannte sofort 0,3 Liter Flaschen. Erst wollte ich lachen, doch eigentlich war ich traurig, geradezu enttäuscht.

Mir wurde bewusst, dass ich hier einiges klarstellen musste. Es ist nicht so wie ihr denkt, sagte ich zu ihnen. Wir setzten uns, öffneten uns jeder ein Bier, und ich begann zu erzählen.

Die Stimmung wurde schnell heiterer, und als sie ihre zwei und ich meine fünf Kisten geleert hatte, da machte der gleiche Freund, dem ich auch schon die Strategie zu verdanken hatte, plötzlich einen Vorschlag: Warum trittst du damit nicht im Fernsehen auf? Erst lachten alle, auch ich, doch schon bald sahen wir ein, dass dieser Einfall mehr als brilliant gewesen war.

Ich will sie nicht auf die Folter spannen und mache es kurz: Ich bekam meine eigene Sendung. Die dreifach Strategie hatte ich um in Form zu bleiben in eine fünffach Strategie geändert. Sicher, geregelte Gewohnheiten waren gut, aber jetzt galt es öffentlich aktiv zu werden, und da schienen mir die paar Kisten schnell zu wenig.

Sie werden es sich bestimmt bereits denken. In der Sendung trank ich natürlich ausschließlich Bier. Viel Bier; und ich trank es schnell. Das gute daran war, dass der Sender das Bier bezahlte, und so hatte ich keine Unkosten. Tagsüber trank ich meine inzwischen acht Kisten, und abends fuhr ich zur Arbeit und trank noch einmal drei für die Sendung. Zugegeben, der Job war in den ersten Jahren wirklich hart, und nicht selten passierte es, dass ich am nächsten Tag vergessen hatte, wie ich ins Bett gekommen war, aber die Fans gaben mir immer wieder Kraft. Ich habe wirklich treue Fans, und ich bin ihnen unendlich dankbar.

Aller guten Dinge sind drei, so heißt es ja, und so passierte es, dass der besagte Freund noch einen Einfall hatte. Eigentlich hätte ich von selbst darauf kommen müssen, aber da ich zu dieser Zeit sehr mit meiner Sendung beschäftigt war, kamen mir die Einfälle etwas langsamer als anderen Menschen.

Irgendwann rief er mich an und sagte: „Ich hab’s! Ein Kinofilm! Du musst einen Kinofilm machen!“

Da klappte mir tatsächlich die Kinnlade herunter. Das war einfach brilliant. Die dreifache Strategie und die Fersehsendung in allen Ehren, aber diesmal war es einfach brilliant! Mittlerweile war ich eine Berühmtheit. Ich hatte mit den größten Stars in meiner Sendung getrunken, hatte bei Letterman und O’Brien amerikanisches Bier geext und das Rennen in Monaco mit einer Flasche Champanger eröffnet. Nur einen eigenen Kinofilm hatte ich noch nicht.

Überflüssig zu erwähnen, dass ich in der Hauptrolle spielte. Spielberg wollte zuerst Tom Hanks. Die Getränke sollten Kunstbier sein. Ich wusste gleich, dass die Welt mich sehen wollte. Ich lud Tom auf ein Bier ein und legte ihm die Tatsachen auf den Tisch. Er hat es sofort eingesehen.

Eine weise Entscheidung, wie sich später herausstellte. Der Film wirkte sehr authentisch, und auch das Bier war jetzt echt. Manche Szenen waren wirklich nicht leicht, aber ich schaffte es. Nach den Dreharbeiten und der Promo-Tour erhöhte ich mein Tagespensum; ich war ein richtiger Workaholic geworden!

Seit dem Werbespott, mit dem alles anfing, sind vierzig lange Jahre vergangen. Mittlerweile trinke ich neunzehn Kisten Bier pro Tag, und natürlich muss ich heute nicht mehr das billige kaufen.

Momentan laufen die Verhandlungen mit der NASA. Die Idee ist brilliant, vielleicht die einzig wirkliche brillante Idee, der ich in meinem Leben begegnet bin. Leider muss ich sagen, dass sie diesmal nicht von dem Freund meines Bruders kam, sondern von der NASA selbst.

Der erste biertrinkende Mensch auf dem Mond, haben sie gesagt. Ich solle es mir überlegen, die Bezahlung sei selbstverständlich gut.

Ich muss jetzt los, die Sendung fängt gleich an. Heute haben wir ein zwanzig Literfass und ein Wetttrinken mit den Gründungsvätern von General Motors im Programm. Auf dem Weg zum Studio werde ich Gelegenheit haben einen Blick auf den Mond zu werfen. Der Mond... Vielleicht werde ich bald da oben stehen. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich es machen werde. Ich hab Höhenangst, wissen sie? Aber ich sollte es tun! Wenn nicht für mich, dann für das Bier. So viel habe ich schon von ihm verzehrt. Ich bin ihm etwas schuldig.

Wie würden sie entscheiden?

14.10.2004

 

Hallo Maschinenfrosch,
Deine Geschichte ist zweifellos witzig erzählt. :)
Die Idee, Bier als Karriereleiter darzustellen fand ich recht amüsant. (Mal abgesehen vom moralischen Wert). Dennoch spätestens bei der Erklärung mit der Niere läuten bei mir alle Alarmglocken. Wenn wir mal den Alkoholgehalt dieser Menge außer acht lassen, der ihn zweifellos schon längst eine Alkoholvergiftung eingebracht hätte, muss ich sagen, dass das sehr unglaubwüdig klingt. Bei der Literzahl hätte er schon lange Nierenversagen. Nun gut, dafür steht sie ja in Humor, aber dadurch verliert die Geschichte etwas, eben, weil man es nicht nachvollziehen kann.
Textkram:

„Jeden Abend ein kühles Bier, und ihre Freude wird sich verdoppen
verdoppeln
sondern hielt mich bei der sechzen Liter
sechzehn
Das gute daran war, dass der Sender das Bier bezahlte, und so hatte ich keine Unkosten.
schreibt man hier, glaube ich, groß

Liebe Grüße, Susie

 

Tach Maschinenfrosch,

wie du siehst, lese ich gerade sämtliche Geschichten durch die du schreibst.
Die Geschichte ist echt klasse, würde sicher auch unter Satire passen.
Vielleicht aber ein bisschen zu überzogen.

Wenn man von der Rechnung ausgeht, dass bei einem Vollrausch 50 - 70 Millionen Hirnzellen absterben und dieser Mensch das 40 Jahre lang jeden Tag durchzieht. :hmm:

hmmmmmm Moment mal rechen rechen rechen also wenn man von 1,5 Billionen Hirnzellen ausgeht, dann kann er das 58,7 Jahre lang durchziehen, dann hat sich sein Gehirn sozusagen im Wohlgefallen des Alkoholrausches vollständig aufgelöst. :D

Viele Grüße
Thor
:silly:

PS: Ein kleiner Tippfehler ist mir noch aufgefallen.

Nein, es gelang mit nicht sofort.
mir

 
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Vielen Dank euch beiden!

Diese Geschichte ist natürlich unrealistisch. Neunzehn Kisten Bier pro Tag! HAH! Ob nun die Niere oder vielleicht die Leber? Ja, ich bin mir nicht einmal sicher, ob der Ringfinger einen so eklatanten Konsum überleben würde. Wahrscheinlich würde er einfach abfallen :)

Ne, also hier geht es nur um die Übertreibung und die Naivität des Trinkers, dem es anscheinend gar nichts ausmacht. Die Schoten mit Niere und Wasserhaushalt sind einfach nur kleine Haken, an denen sich die Logik aufhängt, um die Pensumsteigerung so plausibel wie möglich zu machen.

Im Grunde ist es die Geschichte eines besonders erfolgreichen und begabten Menschen. Etwa wie Einstein, Bill Gates, Jesus, und wie sie alle heißen :)

/ Ach ja, Offtopic an Thor --> Ich hab mir heute Underworld geholt und werd ihn morgen mal gucken. Bin echt gespannt auf den Cuttingeffekt haha /

Einen schönen Gruß und danke fürs Lesen! Maschinenfrosch

 

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