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Bolivien 1967

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21.03.2003
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Bolivien 1967

Am 14. Juni 1961, zwei Wochen nach meinem siebten Geburtstag, stand ich gelangweilt an einer Straße in einem Dorf mitten in Bolivien. Ich wohnte eigentlich mit meinen Eltern in Deutschland, doch kurz nach meinem Geburtstag eröffnete mein Vater mir, dass er mich mit einer Reise überraschen wolle. Ich war nicht gerade begeistert, da ich mich auf den Sommer mit meinen Freunden freute, und auch schon wenige Tage nach unserer Ankunft in Südamerika, wurde mir klar, dass die sogenannte Überraschung lediglich eine Ausrede war, um eventuellem Murren und Jammern vor der Reise, aus dem Weg zu gehen. Ich weiß bis heute nicht, was meine Eltern wirklich nach Bolivien führte oder was sie dort taten, ich weiß nur, dass ich es hasste. Ich hasste das Wetter, ich hasste die Straßen und die Hütten in denen wir schliefen. Selbst die Berge konnten mich nicht aufmuntern.
Und nun stand ich dort irgendwo in einem Dorf in der Nähe von Samaipata und wartete auf meine Eltern, die in einer der unzähligen Baracken am Wegrand verschwunden waren - Um etwas zu erledigen, wie sie sagten.
Ich scharrte mit den Füßen im Sand rum, wütete in Gedanken gegen meine Eltern und dachte an meine Freunde, die in diesem Moment wahrscheinlich auf unserem alten Spielplatz Steine warfen. Damals vertrieben wir uns oft die Zeit damit und machten sogar einen Wettbewerb daraus, wer am weitesten werfen könnte. Gelangweilt stöberte ich im Staub einige Steine auf und während ich mich dann darin übte, endlich einen weiten Wurf hinzubekommen, trat ein Mann aus einer der Baracken.
Noch heute glaube ich mich an den Geruch seiner Zigarre erinnern zu können, die er, während er am Türrahmen lehnte, genüsslich rauchte. Die Uniform, die er trug, ließ ihn mir groß und stark erscheinen. Unter dem Barett, das seinen Kopf schmückte, quollen dunkle Haare hervor, die seinem Gesicht einen so warmen Ausdruck verliehen, dass es mir wie ein Bild der Vollkommenheit erschien, welches sich mir darbot. Lachend kam er plötzlich auf mich zu und sagte einige Worte, die ich jedoch nicht mal annähernd verstehen konnte. Mit großen Augen starrte ich ihn erschrocken an und stammelte auf deutsch aufgeregt einige Worte zusammen. In seinem Blick jedoch lag soviel Ruhe und die Lachfältchen, die seine Augen umspielten, strahlten soviel Freundlichkeit aus, dass ich kaum anders konnte, als Vertrauen zu fassen und sein Lächeln zu erwidern. Mit ruhiger Stimme redete er auf mich ein, nahm einen, der von mir zusammengetragenen Steine und gab ihn mir in die Hand. Dann legte er eine seiner Hände auf meine Schulter, mit der anderen griff er mein Handgelenk und steuerte meine Bewegung so, dass sie den Einsatz meines ganzen Körpers verlangten. Ich begriff schnell, dass ich mein gesamtes Körpergewicht einzusetzen hatte, damit mir ein Wurf gelingen konnte, mit dem ich meine Freunde zu Hause endlich beeindrucken würde.
Eine Weile schaute er noch zu, wie ich begeistert diese mir vorher völlig unbekannte Technik ausprobierte und einen Stein nach dem anderen weit von mir warf. Nachdem ein weiterer Mann aus der Hütte trat und ihm etwas zurief, verabschiedete er sich von mir, indem er seine Hand über meinen Kopf gleiten ließ. Bevor er wieder in die Dunkelheit der Baracke verschwand, schaute er noch einmal zurück. Lächelnd winkte er mir zu.

Wenige Monate später, Ende Oktober, als mein Vater in seinem Auto mit mir durch die Stadt fuhr, sah ich meinen unbekannten Freund auf Plakaten einiger Demonstranten, die uns den Weg versperrten, wieder. Aufgeregt rief ich meinem Vater zu: "Den kenne ich. Papa, sieh mal, der hat mir gezeigt, wie man wirft."
"Nein", erwiderte mein Vater lachend, "das kann nicht sein. Das ist Ernesto 'Che' Guevara. Er wurde vor ein paar Tagen ermordet."

 

ich begreife einfach nicht was das mit der Gesellschaft zu tun hat, ok, in Alltag würde ein Treffen mit Che wohl auch nicht rein passen aber ist das der einzige Grund oder hab ich irgendwas nicht kapiert ?

Nein, Du hast recht. Nachdem ich mir nach dem Absenden des Textes fast die Finger abgebissen habe, hoffte ich, dass ich dennoch irgendwie damit durchkomme. Na ja, war mein Fehler, sorry. Der Text gehört eigentlich unter die Rubrik "Alltag". Auch wenn es nicht alltäglich ist, dass man einen Mann wie Che trifft, aber es ging mir darum, die Person fern von aller Berühmtheit darzustellen - als einfachen Menschen. Eine Begegnung - ganz losgelöst von allem, was man sonst aus Zeitungen, Berichten etc. kennt, also aus der Sicht eines Kindes, welches einfach eines Tages jemanden trifft, der ihm das Werfen beibringt. Ganz unvoreingenommen.

Im übrigen hatte ich nicht vor, Che zu glorifizieren. Ich nehme an, dass Du Dich hier auf meine Beschreibung seines Äußeren beziehst und was dies angeht, sprach nur mein subjektives Empfinden aus mir. Denn man kann kaum abstreiten, dass er eine wirklich enorme Ausstrahlung hatte.

Ermuntern halte ich für etwas ungeschickt gewählt.

Ja, ist es auch. Eigentlich wählte ich das Wort "begeistern", änderte dies aber kurz vor dem Abschicken ohne wirklich darüber nachzudenken.

Ansonsten bedanke ich mich für eure Antworten.. :)

 

Mahlzeit,

ein schönes Erlebnis für ein Kind. Fremdes Land, keine Lust auf Urlaub, Schwüle ... und dann kommt da plötzlich einer, dem man auf Anhieb vertraut. Den Umfang dieser kurzen Bekanntschaft kann man eh erst viel später erahnen, wenn der Lauf der Geschichte sich in Wissen umsetzt. Dann erwächst eine neue Beziehung draus. Doch eher eine Anekdote, als eine Kurzgeschichte.

Heiko

 
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Deshalb von Gesellschaft dorthin verschoben.

Danke

...aber dass das Kind nicht weiß, was seine Eltern in Bolivien tun, finde ich etwas verwirrend

Nun, sie machen im Grunde wohl einfach nur Urlaub dort. Ehrlich gesagt dachte ich lange drüber nach, ob man einfach davon ausgehen kann, dass wirklich jemand gerade in diesem Jahr (trotz der Guerilla-Kriege etc.)in Bolivien Urlaub machte. Daher versuchte ich diese Frage einfach zu übergehen, indem ich das Ganze etwas im Dunkeln ließ.
Ansonsten hätte ich sicher auch schreiben können:
Ich weiß bis heute nicht, was meine Eltern an Bolivien so faszinierte, dass sie ausgerechnet dort ihren Urlaub verbringen mussten.. oder ähnliches.
Hm, weiß auch nicht. :hmm:

 

*reinschlender*

So nach unserem Gespräch eben per PN wollte ich doch mal gucken was du so geschrieben hast.

Hier hat mich der Titel am meisten interessiert, also hab ich diese Story angeklickt (Punkt eins einer guten Story erfüllt ).

Der erste Satz:

Am 14. Juni 1967, zwei Wochen nach meinem elften Geburtstag, stand ich gelangweilt an einer Straße in einem Dorf mitten in Bolivien.

Enthält genug Informationen das ich einen kleionen Jungen vor mir sehe der vielleicht etwas unschlüssig mit den Händen in den Hosentaschen auf einer staubigen Stasse in Bolivien steht. Ein paar Hühner rennen herum, ein Hund bellt, ein Eselskarren fährt vorbei...

Das heisst: Mit dem ersten Satz bin ich drin in der Story, das ist das zweite wichtige an einer Story.

Ab da komt dann so richtig diese Null Bock Stimmung des Jungen rüber.

( Was mich allerdings auch stört: er weis nicht was seine Eltern da tun: Bei einer Reise dachte ich an Urlaub, schreib Geschäftsreise dann hat sich das Problem. )

Und dann, mitten in dieser angeödeten Situation taucht jemand auf der sich mit ihm beschäftigt. Ihm etwas zeigt mit dem er seine Freunde in Deutschland beeindrucken kann.

Gut ist auch der Unglaube seines Vaters am Schluss, Eltern glauben einem NIE solche Sachen

Wahrscheinlich wird deinem Protagonisten dann später klar wen er da getroffen hat, aber er hat ihn gleichzeitig als normalen Mann aus einem einfachen Dorf in Erinnerung.

Ich weis nichts über Che... rein gar nichts ausser das man von ihm Poster ect. kaufen kann.... und er wohl berühmt war (ist)

Das was Paulchen schrieb überrascht mich ... ich meine ich hätte die Story genau so wie du geschrieben da man denkt Che wäre ein toller Mensch gewesen da man ihn auf T-Shirts kaufen kann - scheint wohl nicht so... ein Mythos halt...

 

Hallo Schriftbild!

Eigentlich hatte ich schon lang vor, hier mal was zu schreiben, aber ich hatte meine Che Guevara-Biographie verborgt und wollte da was nachschauen. Jetzt hab ich sie wieder, dank Deiner Geschichte (sonst hätt ich den Freund, der sie hatte, wohl nie gequält, sie zu suchen…:D).

Im Prinzip gefällt mir Deine Geschichte recht gut, vor allem von der Idee her. :)
Wenn ich mir den Protagonisten, also das Kind, etwas jünger vorstelle, dann ist Dir auch der kindliche Blick ganz gut gelungen. – Allerdings: Mit elf Jahren kriegt man schon ein bisserl was aus den Nachrichten mit, und das war damals ganz sicher auch auf europäischen Radiosendern zu hören (Fernseher hatten ja noch nicht viele) bzw. in den Zeitungen zu lesen. Mein Sohn ist neun und kriegt schon jede Menge mit. Also würde ich das Kind mal so auf sieben Jahre verjüngen. ;)

Dann ist da die Sache mit dem Datum. Das kann nämlich nicht sein. Zu der Zeit, wo Dein Protagonist angeblich Che Guevara getroffen hat, befand er sich in den Bergen und war kurz davor, mit seinen Leuten in die Falle zu laufen. Genauergesagt war er da am »Paß Maurucio, den man überqueren muß, wenn man zum Rio Grande will«*, dort gab es weit und breit nur eine einzige Bauernfamilie, von der die Guerilleros erst notdürftig versorgt und dann verraten wurden.
Das waren ja keine Samstag-Nachmittag-Revolutionäre, die zwischendurch zuhause gewesen wären und Zeit gehabt hätten, vor ihren Hütten mit Kindern zu spielen…;) Eigentlich kann ich mir nach dem nochmaligen Überfliegen der Biographie eine Szene wie die von Dir beschriebene nur vorstellen, wenn Du sie 60/61 in Kuba ansiedeln würdest.

*Das Buch Ich habe sieben Leben von Frederik Hetman kann ich übrigens nur empfehlen.

Wie gesagt: Vom Schreiben her gefällt mir Deine Geschichte sehr gut, nur paßt sie mit den geschichtlichen Daten nicht so ganz zusammen. Wenn Du die Geschichte als Schreibübung siehst, ist das völlig ok, so, und ich bin Dir nicht böse, wenn Du es nicht änderst. Wenn Du aber eine ernsthafte Geschichte haben willst, sollstest Du sie so schreiben, daß sie auch möglich ist.
„Böse“ (was ist das eigentlich?) wäre ich nur, wenn Du meine Kritik als nur eine von vielen abtust und nicht ernst nimmst, denn ich hab mir da echt Zeit genommen, den Hintergrund zu überprüfen. (Wobei es mir selbst auch nicht geschadet hat, das Buch noch einmal zu überfliegen.) ;)

Liebe Grüße,
Susi :)

Das was Paulchen schrieb überrascht mich ...
Wo die Wahrheit kein Argument ist, müssen immer Schauermärchen her...
Außerdem finde ich persönlich daß Che ein wenig zu sehr glorifiziert wird da er trotz seiner großen Ideale auch ein Killer war.
Als Killer würd ich jemanden, der für die Freiheit eines Volkes kämpft, nicht bezeichnen.
Che war ja ein intelligenter Mann. Er hat erst Medizin studiert, wollte für die Ärmsten der Armen da sein, die sich normalerweise gar keine Ärzte leisten konnten, und hat dadurch gesehen, was alles schief läuft. Das bewegte ihn dazu, für diese Menschen zu kämpfen. Und er mußte bald einsehen, daß man gegen Waffengewalt nur mit Waffengewalt ankommen kann.
Es kommt ja auch nicht von ungefähr, daß Kuba heute eins der Länder mit der besten medizinischen Versorgung ist.

 
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Jaja,
wer erinnert sich nicht gerne an Begegnungen mit "Bild[ern] der Vollkommenheit", wenn die Eltern mal mysteriöse Ausflüge machen.
Sprachlich zwar durchschnittloch, inhaltlich aber nahe am Schwachsinn. Was soll das? Weitere Ikonisierung? Warum? Noch ganz lustig ist, dass der Junge gezwigt kriegt, wie man Steine wirft. Ansonsten erscheint mir der Text überflüssig. Kein Tiefsinn, keine große Spannung.
Ho-Ho-Ho Tschi Ming,
...para

.................Bsp.................................

Ich war nicht gerade begeistert, da ich mich auf den Sommer mit meinen Freunden freute, und auch schon wenige Tage nach unserer Ankunft in Südamerika, wurde mir klar, dass die sogenannte Überraschung lediglich eine Ausrede war, um eventuellem Murren und Jammern vor der Reise, aus dem Weg zu gehen.
Die fetten Kommas sind überflüssig, das "auch" würde ich streichen.

 

Ich finde die Idee hinter der Geschichte sehr schön.
Die gesellschaftlichen Zusammenhänge und die politische Person Guevara allerdings hat für die Welt eines Elfjährigen keinerlei Relevanz, ich verstehe deshalb gewisse moralinsaure Einwände in dieser Diskussion nicht.
Allerdings bin ich mit der Form der Erzählung nicht ganz einverstanden, einmal abgesehen von Komma-Fehlern oder dergleichen.
Etwas zu deutlich schildert hier ein Erwachsener zwar wortreich, aber wenig spannend oder interessant ein Erlebnis aus seiner Kindheit. Warum lässt du nicht den kleinen Jungen selbst erzählen, im Hier und Jetzt? Das würde dem Grundgedanken deiner Geschichte besser gerecht werden und soziologisch-politischen Quark völlig legitim außen vor lassen. Außerdem lassen sich Schilderungen und Informationen im Rahmen eines Dialogs oder inneren Monologs oft viel eleganter transportieren.

 

Woher auch immer du deine Informationen hast. Che war ein Verbrecher.
Ich nenne meine Quelle ja in meinem Posting - woher beziehst du Deine Sicht?
Was Argumente und Schauermärchen angeht so solltest Du dich vielleicht erst einmal informieren
Lies dir den Satz gut durch und informier dich mal nicht nur in rechten Propagandaschriften...

 

Hm... nagut.

Ihr legt es anscheinend darauf an.

Sämtliche Quellbezüge sowie die Weiterleitung von Propagandaschriften funktionieren nur noch per PM oder Mail.

Nichts für ungut, aber ich kann nicht zusehen, wie dieser Thread hier in einen Politktrieg ausartet. :rolleyes:

Danke.


Ein Spinner warf einen Stein in den Brunnen, tausend Leute konnten ihn nicht rausholen.

 

Hi Schriftbild,
die Idee deiner Geschichte gefällt mir gut.
Ich sehe darin auch keine Glorifizierung von Che sondern eine Geschichte, die aufzeigt, dass auch in Menschen, die töten und grausam sind, etwas menschliches steckt. Und das Kinder in der Lage sind, unvoreingenommen, ohne Hintergrundwissen, das Menschliche, das Nette zu sehen, wo Erwachsene nur die Rolle der Person sehen können und auch müssen, weil natürlich keiner wirklich sagen wird, Himmler oder Hilter oder oder sind auch menschlich gewesen.
Vielleicht reicht die kurze Geschichte aber auch nicht aus, um das deutlich zu machen und es wäre eine Überlegung wert, ob du die Ansicht des erwachsenen Erzählers zu diesem Erlebnis noch zufügen könntest, aus dem dann deutlicher wird, was du mit der Geschichte sagen wolltest. Vielleicht durch in Fragestellen der Person in Form von :
Wer war er wirklich, war alles richtig was er gemacht hat, was war gut, was war nicht so gut usw.
Soll nur eine kleine Anregung sein, vorausgesetzt natürlich, ich liege richtig mit meiner Interpretation

 

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