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Bukowski ist ein Prolet
Die Bühne hat schon bessere Zeiten gesehen. Ich wippe auf einem der unbequemen Klappstühle, und immer wenn mir das Bier die Augen zudrückt, bin ich in den Siebzigern. Der Text wird gekonnt vorgetragen, aber das ist weniger wichtig. Ein dichter Brei aus Bass, Hammondorgel und Schlagzeug übertönt den faltigen Erzähler, der aussieht, als warte er zusammen mit der Bühne auf den Sperrmüll. Das Bier ist reichlich und billig und hat einen Großteil des Publikums schon bald niederen Kreaturen angeglichen. Ab und an Zwischenrufe von Bekannten der Musiker. „Schwanzvorzeiger!“ oder „Hey, Arschloch!“. Passt gut in die Pausen.
Der Ton ist wirklich schlecht ausgesteuert, die Textauswahl monoton. Ab und an dringt ein „Hintern“ oder „Titten“ an mich heran. Ich ertappe mich dabei, wie meine Gedanken abgleiten, und da sie durchaus mit Bukowskis grand motif zu tun haben, gebe ich mir nicht die Mühe, sie wieder einzufangen.
Jemand neben mir.
„Er wird doch nicht...“, blitzt die Sorge um meine abgestellte Pulle auf, aber in dem Moment ist es zu spät.
Der Gang ist wirklich schmal, aber gottverdammt, der Kerl hätte aufpassen können. Der Rest meines Bieres verschäumt auf dem schmutzigen Boden. Ich greife nach der Flasche, aber es ist nichts mehr zu retten.
„Idiot“, zischt der Kerl. Es kommt plötzlich. Negative Wellen, was soll das? Sein Gesicht ist zerfurcht, als habe die Zeit es mit Fingernägel zerpflügt, um schlechte Erfahrungen zu pflanzen. Ich verstehe seine Aggressivität. Für Leute wie ihn ist das Leben eine Schlampe, und sie hat ihn sitzen gelassen. Irgendjemand muss dafür büßen.
Man sieht sie ihm an, all die vergeblichen Kämpfe gegen sich selbst, gegen andere, gegen sein Dasein, die ihn nur noch das Schlechte erwarten lassen. Womit er aber nicht rechnet, ist der grade Zieher meiner Rechten, die seine aufgequollene Nase mittig trifft.
Er fällt um wie ein gefällter Baum. Was ist los? Warum diese Aggression, gerade hier? Die Frage kann ich mir später stellen. Plötzlich ist es still - bis auf den Organisten, der macht eh den Eindruck, als würde er nie was mitkriegen - und alle starren mich an.
„Fick dich, Bukowski. Du bist ein Prolet!“, rufe ich in sein Georgel, hebe kurz die Faust als Zeichen rechtschaffenden Protestes und haue schnell ab.