Mitglied
- Beitritt
- 14.07.2004
- Beiträge
- 369
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 7
C U 4 Xs
Kleine Mädchen schaukeln im Wind und ihre Sommerkleider verwehen in der Sonne. Sie lachen. Ihr blondes und braunes Haar ist geschmückt mit bunten Kränzen aus Gänseblümchen und Vergissmeinnicht. Sie springen. Ihre nackten Füße landen im warmen Sand, der sie kitzelt. Sie laufen. Laufen zu ihrer hübschen Mutter, die auf der blauen Bank sitzt und auf sie wartet. Glücklich.
Ein roter Falke schießt auf mich zu mit seinen tödliche Krallen voran. Er brennt. Die unerträgliche Hitze, die von ihm ausgeht raubt mir die lebenswichtige Luft zum Leben. Er greift. Pochende Schmerzen zerfetzen meinen Leib, eingefangen in den Klauen des abscheulichen Drachens. Er faucht. Sein mächtiger Schädel pendelt über mir und holt zum finalen Schnabelhieb aus. Panisch.
Schillernde Seifenblasen gleiten wie Wolken durch das prächtige Himmelreich. Sie tanzen. Manche vereinigen sich zu einem Gebinde aus bemalten Ballons. Sie fliegen. Die tänzelnde Atmosphäre geleitet sie hoch zur gläsernen Sonne. Sie flimmern. Mit den Färbungen des geliebten Regenbogens vollenden sie den zeitlosen Horizont. Frei.
Vor meinen Füßen beginnt der schmutzige Boden zu donnern. Er schwindet. Dunkelheit umwickelt meinen zitternden Körper und verschlingt mich. Sie bricht. Tausend erbarmungslose Hände packen mich blindwütig und kratzen an mir. Sie leben. Die bestialischen Pranken prügeln auf mich ein, bis ich meine nachgiebigen Knochen zersplittern höre. Wahnsinnig.
Müde schwimme ich hinweg in die Weite meiner Seele. Die Welt um mich entstellt sich im Abglanz meines Seins. Kann meine Augen nicht schließen. Das Entsetzen und das Heil streiten sich tänzelnd um meinen Verstand. Kann die Augen nicht öffnen. Die Finsternis hinter meinen Lidern explodiert in unzähligen Irrlichtern. Wachsam laufe ich im Zimmer hin und her, gleich einem gefangenen Tier. Ein hässlich groteskes Spottbild grinst mir von der gelbgetünchten Wand gegenüber entgegen. Schwarze, vom kalten Schweiß verklebte Haare umrahmen das bleiche Angesicht. Das Antlitz einer jungen Frau, die noch so viel vor sich hat. Die geliebt wird von ihren Eltern, den Geschwister, den Freunden. Intelligent allerdings, dennoch leichtlebig. Tränen bahnen ihren Weg durch das vertraute Gesicht vor mir. Eine Karikatur meiner selbst im glanzlosen Licht des Raumes, das spärlich den mit Mosaiksteinen verzierten Spiegel trifft und mir ein Bild meiner eigenen Zerstörung enthüllt. Ich stolpere über dich. Wer bist Du? Du bist nicht da. Nicht wirklich. Dein Körper verweilt zu meinen Füßen, aber es ist kein Lebensfunke in dir. Wo bist du?
Mein Lieblingskissen in der Ecke des staubigen Zimmers. Ich hebe es auf. Streichle und küsse es, wie ich meine Mama küsste als sie es mir zum Geschenk machte. Schädliche Müdigkeit tyrannisiert mich und zwingt zum Schlafen. Ich will nicht träumen. Der Falke, die Leere, das Dunkel, die Hände. Kommen sie wieder, wenn ich phantasiere? Darf ich mit den Mädchen schaukeln? In einer Seifenblase der Sonne entgegen reisen?
Sonderbare Worte hallen in meinem Kopf, als meine Augäpfel versuchen, den Kampf gegen das grelle Licht anzutreten.
Du stehst vor mir. Ich weiß wieder wer du bist. Graham, der Student aus London. Gutaussehend und klaräugig. Ein berauschender Duft geht von Dir aus. Mit dir kann ich lachen. Mit dir kann ich reden. Zumindest vor ein paar Stunden konnte ich es noch. Jetzt steht der Wahnsinn deines Handelns im verknitterten Zerrbild deines Ichs. Mit dir kann ich nicht sein. Du verleitest mich. Verleitest mich Dinge zu machen, die ich nicht tun möchte. Vielleicht möchte ich sie doch tun, aber nicht, weil du es für dich beanspruchst, mein Handeln zu lenken. Ich bestimme den Lauf der Dinge. Es ist mein Leben.
Eine unscheinbare Schachtel landet auf meinem Kissen. Ich hebe sie vor mein Gesicht. Was ist das? Zögernd realisiert mein Verstand allmählich was ich in meinen Händen halte. Wir haben viel zu viel davon geschluckt. Aber wer kann sich schon diesen bunten Dingern widersetzen? Schon als Kind habe ich die farbenreiche Vielzahl von Smarties geliebt. Aber die hier. Tödliche Smarties, aber nur wenn man noch mehr als viel zuviel davon nimmt. So was passiert mir nicht. Ich hab das im Griff. Wirklich.
Mein trüber Blick wandert zur Tür. Graham steht dort. Er lässt mich allein. Er lächelt durch seine schwarzen Augenringe. Seine letzten Worte? „See you for excess!“