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Cassandroid

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29.03.2013
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Cassandroid

Der Cassandroid drückte sich verschwommen aus.
„Eine Gesellschaft ist dann human, wenn es arbeitslose Droiden gibt.“
Griffen hatte nichts anderes erwartet. Das übliche kryptische Wirrwarr.
„Wärst du gerne arbeitslos?“
Der Robot öffnete den Mund, schloss ihn jedoch sogleich wieder. Griffen musste an alte Komödien denken, in denen Robotern, die keine Antwort auf eine Frage wussten, Rauch aus den Ohren quoll.
„Na? Das ist doch wirklich mal eine einfache Frage. Raus mit der Sprache. Wärst du gerne arbeitslos?“
„Mit Verlaub, das ist keineswegs eine einfache Frage.“
„Inwiefern?“
„Ihre Frage, Griffen, scheint mir eine Maus zu sein. Und sie hoffen, dass ich mich jetzt wie eine Katze verhalte.“ Der Cassandroid lehnte sich zurück und legte seine Hände auf die Tischplatte. „Tut mir leid. Fragen sie mich doch nach der Zukunft. Fragen sie mich zum Beispiel, ob die nächste Mars-Mission ein Erfolg wird, oder ob der nächste Papst eine Frau…“ „Hör bloß auf“, unterbrach ihn Griffen. „Nach deinem gestrigen Auftritt sagst du mir so was? Du scheinst den Ernst der Lage zu verkennen. Es gibt Überlegungen, Prophecy-Broadcast zu beenden.“
„Ist mir bekannt.“
„Ach ja.“
„Wissen sie, was ich glaube? Das alles scheint mir auf eine Hexenjagd hinauszulaufen.“
„Was meinst du mit ‚glaube‘ und ‚scheint‘? Ausgerechnet das kannst du nicht sehen?“
Griffen erhob sich und trat zum Fenster. Im Süden konnte er den Fuß des zweieinhalb Kilometer hohen Dorff-Towers erkennen. Die obere Hälfte des Turms verschwand in den Wolken. Drei Jahre lang hatten ihn Install-Kopter wie Schwärme von silbrig schimmernden Insekten Tag und Nacht umkreist. Seit einem halben Jahr war der gewaltige Bau fertig. Seitdem war er das bevorzugte Ziel von Lebensmüden aus aller Welt geworden. Irgendwie gelang es ihnen immer wieder, die Sicherheitsbarrieren der Aussichtsplattformen zu überwinden und ihren Abschiedsflug anzutreten.
Aus dem Augenwinkel sah er den Droiden, der sich lautlos erhoben hatte und nun neben ihm stand.
„Ich weiß, was sie denken. Sie glauben, die meisten dieser armen Seelen sind wegen mir, wegen dem, was ich gesehen habe, gesprungen.“
„In der Tat, der Gedanke ist mir gekommen.“
„Es sind schon Leute wegen eines schlechten Horoskops gesprungen. Außerdem habe ich mich schon zwei Mal geirrt.“
„Ja, in drei Jahren.“
„Und sie glauben, dass es ein Fehler war, künstliches Bewusstsein zu entwickeln.“
Griffen sah den Robot an.
„Auf jeden Fall war es ein Fehler, Prophecy-Broadcast zu gründen. Und dass wir uns richtig verstehen: ich gebe dir keine Schuld. Du bist nur eine Anomalie, die sich bis heute niemand erklären kann. Was du allerdings gestern in der Sendung rausgehauen hast, die Sache mit der Invasion der Außerirdischen … das war ein starkes Ding. Zu stark, wenn du mich fragst.“
Sie schwiegen und sahen zum Himmel. Die Wolkendecke begann sich aufzulösen.

 
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Hallo Mae,

stimmt, die Story ist ultrakurz, was allerdings beabsichtigt war. Vielleicht sieht’s aus, als hätte ich sie am Stück an einem Abend runter geschrieben, aber das ist nicht so. Es ist nicht einfach, eine, ich sag mal: Miniatur, zu verfassen, wo im Grunde jedes Wort sitzen sollte (hat ja bei mir auch nur bedingt funktioniert), und im Kopfkino dann auch noch ein paar atmosphärisch gute Bilder ablaufen, die obendrein eine passable Story transportieren. Man schreibt eine erste Fassung, lässt sie ein paar Tage liegen, liest noch mal, korrigiert, ergänzt, streicht u.s.w. Vielleicht kennst du das ja. Ich versuch’s immer mal wieder, was wirklich Kurzes hinzukriegen.
Eigentlich ist der ‚Cassandroid‘ ein Echo der längeren Geschichte ‚Der schreiende Robot‘, die ich kurz vorher schrieb und die das gleiche Thema behandelt, nämlich künstliches Bewusstsein. Da hättest du eine Extended-Version, falls du also Lust hast, schau mal rein. http://www.wortkrieger.de/showthread.php?55996-Der-schreiende-Robot vielleicht gefällt sie dir.
Ich danke dir für deinen Kommentar, Mae, und freue mich, dass dir, wenn nicht die Geschichte selbst, so doch die Idee und ein paar Details gefallen haben.

Herzliche Grüße
Harry

 

Hallo Harry,

Ich habe mir vor einiger Zeit die fünfbändige Ausgabe mit sämtlichen SF Kurzgeschichten von Dick des Haffman Verlags, erschienen bei 2001, angeschafft, die du vielleicht kennst.
Wenn mich jemand fragt, was ich ihm empfehle, wenn er sich mit der Science Fiction Literatur auseinandersetzen möchte, empfehle ich Lem, Asimov, Dick und den großen Ray Bradbury.

Eie Fünfbändige habe ich auch, allerdings Orion, Paperback, 1987, im O-Ton. Ich fresse mich rückwärts durch und bin jetzt nach Band fünf-vier-drei in der Mitte von zwei. Ansonsten habe ich erst vor relativ wenigen Jahren eher zufällig die SF für mich entdeckt und habe noch viel vor mir (und natürlich wie die meisten zu wenig Zeit zum Lesen). Ich kann noch Karl Schroeder empfehlen, der hat mich erstmals für das Genre begeistert.

Deinen "schreienden Robot" habe ich mir vorgemerkt und werde ihn mir demnächst zu Gemüte führen. Bei der Gelegenheit eine Frage an alle: Kann mir jemand erklären, wie man die Funktion "Lese-Liste" in diesem Forum benutzt?!

Grüße vom Holg...

 

Hallo Kinaski,

ich bin da leider komplett anderer Meinung als Du. In der Kürze liegt die Würze, die vielen Andeutungen und "Beiläufigkeiten" (Perdita) machen gerade den Reiz aus. Alles auszuwalzen und bis in jede Ecke zu leuchten, würde die Geschichte m.E. kaputtmachen.

Harry, tu's nicht! :D

Grüße vom Holg...

 

Hallo The Incredible Holg,

bzgl. Leseliste:
Unterhalb einer Geschichte ist im grauen Rahmen ein Uhrsymbol. Dadrauf klicken, dann findest du den Text unter "Mein Benutzerkonto", "Meine Leseliste".
Ähnliches gilt für "Favoriten" (direkt unter "Meine Leseliste"): Dafür einfach den großen Stern oben rechts über die Geschichte anklichen.

LG, GoMusic

 

Hallo Harry

ein feines kleines teil. Habe ich sehr gerne gelesen. ist schon gekonnt, wie du da die happen hinwirfst, ganz selbstverständlich und damit eine Welt skizzierst, die alles andere selbstverständlich ist. Wird sie aber beim Lesen. Und das bei den wenigen Zeilen, also das man das als Leser so annimmt, das finde ich schon ziemlich große Kunst.
Genial dann auch den schließenden Satz. Also der sitzt perfekt.

gründlichst
weltenläufer

 

Hallo GoMusic,

danke für den Hinweis zur Leseliste. Den Stern für die Favoriten hatte ich gefunden, aber hiernach hatte ich mir die Augen aus dem Kopf gesucht. :bonk:

Ein Uhrsymbol... muss man aber auch erstmal drauf kommen...

Grüße vom Holg...

 

Hallo Kinaski,

Ob das jetzt Geschmackssache ist oder nicht – wer weiß. Geschmack …
So, wie ich die Story geschrieben habe, richtet sie sich im Grunde an einen SF-affinen Leser/Leserin, der über genügend Phantasie verfügt, Andeutungen zu verarbeiten und weiterzuspinnen. Ich weiß ja nicht, wie du zu Fantasy und Science Fiction stehst.
Vermutlich gibt’s noch viele, die es gerne sehen, wenn man auch Kleidung und Haarfarbe der Protagonisten beschreibt: ‚Im Gegensatz zu X trug Y ihr blondes, gelocktes Haar offen, was hervorragen mit ihrem smaragdgrünen Umhang korrespondierte …‘ Kann man machen, wenn man auf Quantität setzt. Ich hatte mir jedoch eine Miniatur vorgenommen. Bedeutet: Abspecken, streichen und noch mal streichen, ohne dass die Substanz darunter leidet – nicht so einfach. Ich bin jedenfalls einigermaßen zufrieden mit dem Ding.

Herbstliche Grüße
Harry

 

Hallo weltenläufer,

jetzt hätte ich doch beinah vergessen, deinen Kommentar zu beantworten, den ich sozusagen mit offenem Mund gelesen habe. Ein uneingeschränkteres Lob lässt sich kaum denken. Mehr kann ich praktisch nicht verlangen. Ich spür schon, wie die Hybris ihre kalten, spitzen Krallen nach mir ausstreckt...
Danke, weltenläufer, für diesen enormen Motivationsschub.

Herzliche Grüße
Harry

 

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