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Chappersteyne

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05.01.2015
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Chappersteyne

Und so begab es sich, dass Chappersteyne vom Himmel stürzten.

Ärgerlicherweise ging bei ihrer Ankunft auf dem Planeten Erde in Paris eine Lampe zu Bruch.

Leute auf aller Welt warnten vor den außerirdischen Invasoren, die sich rücksichtslos auf vom Menschen gemachte Dinge warfen. Deutschland rief zur Mäßigung auf. Die USA kündigten an, den Chappersteynen möglichst schnell die Werte der Demokratie näher zu bringen. Facebooknutzer passten ihre Profilbilder an und zeigten Solidarität, indem sie eine leuchtende Glühbirne in ihre Fotos einfügten.

Davon waren die Gäste aus dem All unbeeindruckt.
Erster Fakt über Chappersteyne: Sie sind mit den Werten und Vorstellungen irdischer Politik nicht vertraut.

Sie setzten sich in Bewegung und rollten gemächlich über die Landstraßen. Wagenzüge von Ökoaktivisten folgten ihnen, um zu verhindern, dass staatliche Einrichtungen die Chappersteyne aus ihrer Gemeinschaft rissen, um die unbekannten Lebensformen zu untersuchen.

Als die Außerirdischen die Grenzen nach Deutschland passierten und ins Saarland einfielen, war der Aufschrei in der Bevölkerung groß.
Zweiter Fakt über Chappersteyne: Sie pfeifen auf Grenzen.

»Wir können keine weiteren Chappersteyne aufnehmen!«, erklärte der aufgebrachte und eilig ins Amt gerufene Minister für Extraterrestrisches. »Das Saarland ist total überlaufen. Schickt Busse. Wir müssen die Last gleichmäßig auf alle Bundesländer verteilen.«
»Wir schaffen das«, erklärte ein Sithlord in einem roten Ganzkörperkostüm.

Die Chappersteyne vibrierten, als Grenzsoldaten einige Exemplare aufhoben, um sie nach Sachsen zu bringen, und beruhigten sich erst, als man die entführten Genossen wieder in die Herde setzte.
Dritter Fakt über Chappersteyne: Sie sind sehr gesellige Wesen.

»Da lässt sich nichts machen«, erklärte Deutschland. »Öffnet die Grenzen und lasst die Steyne ziehen.«

England kritisierte Deutschlands Engagement: Die Welt sei für Weichlebewesen gemacht, nicht für wandernde Felsformationen.

»Was wollen die hir?«, fragte Facebooknutzer Toni „the one and only“. Sein Profilbild zeigte ihn mit freiem Oberkörper unter einer symbolischen Lampe. »Deutschland isd führ die Deutsche. Chappersteyne rohlen hir herum und geben sich keine Mühe, deutsch zu leernen.«
Der Kommentar erhielt 207.861 Likes, worauf Politiker verunsichert reagierten.

Der Bundesinnenminister bekannte Flagge, nachdem die Medienpräsenz Ausmaße eines Volksfests angenommen hatte. Er fuhr in seiner Limousine vor, trat ein paar Chappersteyne und erklärte, es sei die Pflicht jedes Deutschen, die Besucher in Richtung Grenze zu latschen. Auf die Frage eines Reporters, ob der Bundesminister vorhabe, Chappersteyne in seiner Limousine an die österreichische Grenze zu bringen, antwortete der hilfsbereite Mann mit einem schallenden Lachen.

Die getretenen Chappersteyne warteten auf ihre Artgenossen, um die Herde zu komplettieren. Sie lagen nur wenige Meter voneinander entfernt, doch dieser Akt dauerte mehrere Stunden.
Vierter Fakt über Chappersteyne: Sie sind nicht besonders schnell.

Nach über einem Monat erreichte die Herde die österreichische Grenze. Kampfflugzeuge der USA flogen Aufklärungsflüge, um die Bedrohung durch die Chappersteyne im Auge zu behalten. Ungarn jaulte auf und kündigte an, man wolle eine riesige Kuppel zum Selbstschutz errichten.

Die Reise der Chappersteyne wurde durch das hügelige Terrain erschwert.
Fünfter Fakt über Chappersteyne: Sie sind nicht fürs Bergsteigen gemacht.

Etwas ratlos rollten die Steinwesen gegen ihre ausgewachsenen Brüder und entschlossen sich nach mehrstündiger Beratung dazu, einen Umweg durch Italien zu nehmen.

Beim ersten Gipfeltreffen aller Vertreter für außerirdische Besucher geriet die europäische Union in Streit: Die besser betuchten Staaten stemmten sich vehement gegen die Forderung Griechenlands, die finanziellen Kosten für die Eingliederung von Chappersteynen allein zu tragen. Um die Griechen für ihre Anmaßung zu bestrafen, verhängte Deutschland Sanktionen und verwehrte dem griechischen Minister dringend benötigtes Kleingeld für die Busfahrkarte nach Hause.

Währenddessen standen sich Italien und die Chappersteyne ratlos gegenüber.
Italien erklärte den außerirdischen Wesen den Weg zur Grenze nach Slowenien, doch die Chappersteyne hatten gewisse Probleme damit.
Sechster Fakt über Chappersteyne: Sie verstehen kein italienisch.

»Wir wissen auch nicht, wo das noch hinführen soll«, erklärte der offizielle Sprecher Italiens; nicht durch Worte, sondern übertriebene Gesten, »Chappersteynen scheint unsere Kultur völlig fremd zu sein.«

Man legte den extraterrestrischen Besuchern nahe, zurück nach Österreich zu gehen und die Angebote der hiesigen Bahngesellschaft anzunehmen, die sich dazu bereit erklärt hatte, die Chappersteyne für den anderthalbfachen Preis, den die Regierung zu begleichen hatte, an die ungarische Grenze zu transportieren. Ungarn schrie entsetzt auf.

Die Chappersteyne rollten weiter. Die Steyne schienen den gut gemeinten Vorschlag einfach zu ignorieren.
Siebter Fakt über Chappersteyne: Sie sind beratungsresistent.

Ungarn reagierte wie ein in die Ecke gedrängtes Tier, als sich die Chappersteyne der ungarischen Grenze näherten. Die Kuppel war nur zur Hälfte fertig. Man warf Deutschland und Frankreich mangelndes Engagement vor, schließlich wusste keiner, ob Chappersteyne riesige, vom Menschen gemachte und absolut unnötige Bauwerke erklimmen konnten. Hätte man mehr Geld in die Erforschung der Bedrohung gesteckt, hieß es, gäbe es diese Krise jetzt nicht. Um die eigenen Grenzen zu befestigen, ließ Ungarn Geschütze aufstellen und berief Reservisten ein. Innerhalb einer Woche verfügte Ungarn über ein riesiges Heer und rief damit Nordkorea auf den Plan, welches sich durch einen Südkoreaner mit ungarischem Ausweis bedroht fühlte.

»Der oberste Führer wird nicht tatenlos dabei zusehen, wie die Welt das Volk unseres glorreichen Landes unterjocht!«, erklärte der nordkoreanische Außenminister. »Eine Demonstration unserer Stärke ist längst überfällig. Macht euch auf etwas gefasst.«

Eine Plastikrakete, die in den Außenbezirken von Pjöngjang im Boden stecken blieb, war weder eine Bedrohung für die Welt, noch für die Chappersteyne.
Achter Fakt über Chappersteyne: Militärisches Kräftemessen hat keine Wirkung auf sie.

Sie näherten sich mit ungebremster Geschwindigkeit der ungarischen Grenze. Wissenschaftler, die Aufklärungsschildkröten abgerichtet hatten, rechneten in wenigen Monaten mit der Ankunft der außerirdischen Bedrohung.
Ungarn bekam Schnappatmung.

»Plan B! PLAN B!«, kreischte der ungarische Ministerpräsident in einer Fernsehansprache, die aufgrund ihrer geringen Länge und den übermittelten Informationen in die Geschichte eingehen sollte. Er hämmerte auf einen riesigen, roten Knopf.

Die gesamte Erde wurde von einem Beben der Stärke zwölf erschüttert, als das Land einen Raketenantrieb zündete, der es aus den Fängen Eurasiens brach. Ungarn flog zum Mond und stellte auf dem Weg dahin die zum Überleben nicht unwichtige Kuppel fertig.
Davon ließen sich die Chappersteyne nicht aufhalten. Sie rollten auf das Loch zu, das einmal als Ungarn bekannt war, während die Menschen ungläubig durch Teleskope zum Mond starrten, wo ihnen eine kleine Landmasse den Mittelfinger zeigte.
Neunter Fakt über Chappersteyne: Sie sind äußerst entschlossene Gesellen.

Die Chappersteyne versammelten sich und rollten in Formation. Sie begannen zu summen und ein langes Lied zu singen, das mehrere Monate dauerte. Staatschefs aus aller Herren Länder flogen in den Krater, um respektvoll den Kopf zu neigen, bis irgendjemand ein Foto von ihnen gemacht hatte und sie wieder nach Hause gehen konnten. Ehemalsungarn war ein eher unbequemer Ort.

Die Ökoaktivisten, die die Chappersteyne auf ihrem ganzen Weg begleitet hatten, errichteten eine Siedlung um die Steinwesen herum und trafen sich jeden Tag, um eine Menschenkette um die Außerirdischen zu bilden. Gemeinsam sang man ein Lied, dessen Text niemand verstand, aber das eine unglaublich fesselnde Melodie hatte. Missy Lala verkleidete sich als Chappersteyn und war die Erste, die eine verständliche Version des Textes schrieb, womit sie Milliarden scheffelte.

Eines Morgens verstummten die Chappersteyne. Die gesamte Welt richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Außerirdischen, denen man einen eigenen Feiertag zugesprochen hatte.

Ein greller Blitz.
Ein Knall.
Weltraumstaub.

Zehnter Fakt über Chappersteyne: Sie sind im ganzen Universum für ihren unstillbaren Blutdurst und ihr Verlangen nach totaler Vernichtung bekannt.

Ungarn, das in Moongarn umbenannt worden war, erklärte in einer Ansprache, bei der nie wirklich klar wurde, an wen man sie eigentlich richtete, man werde auf jeden Eindringling schießen, der sich dem moongarischen Hoheitsgebiet näherte.
Einige Chappersteyne, die von der Druckwelle der Erdexplosion auf den Mond geschleudert worden waren, zeigten sich davon unbeeindruckt und rollten los.

 

Wenn du den Medienrummel um Charlie hebdo verfolgt und mitbekommen hast, wie die Leute reagieren, die noch nie von den Satirikern gehört haben, ergibt das viel mehr Sinn.
Ich habe beim Lesen schon verstanden, dass es um die Colorierung des Profilbildes auf fb geht. Aber wieso das dann die Glühbirne sein soll, hast sich mir auch nach gerthans Erklärungsversuch nicht erschlossen. Aber vielleicht sollte ich mir gar nicht soviel Gedanken um das Detail machen, sondern es als gegeben hinnehmen.

 

Hallo NWZed,

erstmal Danke für deine Geschichte.
Ich verzichte mal auf jegliche Komma-Setzungs-Korrekturen und grammatikalische Fehler und springe direkt zu meinen Top 4:

Die USA kündigten an, den Chappersteynen möglichst schnell die Werte der Demokratie näher zu bringen. Facebooknutzer passten ihre Profilbilder an und zeigten Solidarität, indem sie eine leuchtende Glühbirne in ihre Fotos einfügten.

Ich konnte es mir vor geistigem Auge wirklich vorstellen :D

Der Kommentar erhielt 207.861 Likes, worauf Politiker verunsichert reagierten.

Lasse ich mal so stehen...

Sechster Fakt über Chappersteyne: Sie verstehen kein italienisch.

»Wir wissen auch nicht, wo das noch hinführen soll«, erklärte der offizielle Sprecher Italiens; nicht durch Worte, sondern übertriebene Gesten,


Echt schade, dass sie kein Italienisch verstehen ;)

Staatschefs aus aller Herren Länder flogen in den Krater, um respektvoll den Kopf zu neigen, bis irgendjemand ein Foto von ihnen gemacht hatte und sie wieder nach Hause gehen konnten.

Alles in Allem: Sehr schön zu lesen.

Wie man so schön auf eBay schreibt: Gerne wieder!

 

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